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Anorexia nervosa ist eine der schwersten psychischen Erkrankungen mit einem Sterblichkeitsrisiko, das etwa sechsfach höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. In dem vorliegenden Band wird ein Behandlungskonzept für die Therapie schwerer und schwerster Anorexia nervosa vorgestellt, das auf einer geschützten Station der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt wurde. Ziel der Behandlung ist eine Gewichtszunahme von 700-1000 g pro Woche und ein BMI von 17kg/m2. Einleitend werden Daten zur Erkrankung sowie seelische und körperliche Veränderungen bei Untergewicht und deren Veränderung bei einem Refeeding dargestellt und folgend das Behandlungskonzept für diese PatientInnen beschrieben. Die Klärung der rechtlichen Grundlage der Behandlung ist ebenso Teil des Konzeptes wie die Anlage einer perkutanen Magensonde zur Unterstützung der Ernährung sowie ein Therapievertrag mit Verknüpfung von Gewicht und verschiedenen Therapiemöglichkeiten.
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Seitenzahl: 157
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Entwickelt auf einer geschützten Station der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig Maximilians-Universität, München, Direktor: Prof. Dr. med. P. Falkai
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1. Auflage 2015
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-026092-4
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-026093-1
epub: ISBN 978-3-17-026094-8
mobi: ISBN 978-3-17-026095-5
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Vorwort
1 Einleitung
1.1 Störungsbild, Zahlen und Fakten
1.2 Veränderungen der Seele bei Untergewicht
1.2.1 Depression, Angst und Zwang
1.2.2 Persönlichkeit, Perfektionismus und Impulsivität
1.2.3 Verhalten und Kognition
1.3 Veränderungen des Körpers bei Untergewicht
1.3.1 Veränderungen der Organe
1.3.2 Veränderungen des Hormonhaushalts
1.3.3 Stoffwechsel
1.4 Diagnostische Überlegungen
1.5 Behandlung der Anorexia nervosa
1.5.1 Psychotherapie der Anorexia nervosa
1.5.2 Medikamentöse Behandlung der Anorexia nervosa
1.5.3 Refeeding
1.5.4 Andere Behandlungen
2 Rückblick und Ausblick
2.1 Bisherige Ergebnisse
2.2 Vergleichbare Arbeiten
3 Ein psychiatrisches Behandlungskonzept mit somatischem Schwerpunkt
3.1 Behandlungsverlauf
3.2 Phase I – Kennenlernen, Mahlzeiten, Klärung weiterer Behandlungsnotwendigkeiten
3.2.1 Aufnahme und Kennenlernen
3.2.2 Teilnahme an den gemeinsamen Mahlzeiten
3.2.3 Klärung weiterer Behandlungsnotwendigkeiten
3.3 Phase II – Sonde, Therapievertrag, Regelverletzung
3.3.1 Sonde und Verabreichung der Sondenkost
3.3.2 Therapievertrag
3.3.3 Umgang mit Manipulationen und Regelverletzungen
3.4 Phase III – Ernährung, Psychotherapie und Planung der Weiterbehandlung
3.4.1 Zusatzuntersuchungen
3.4.2 Ernährung
3.4.3 Psychotherapie in Einzelsitzungen
3.4.4 Planung der Weiterbehandlung
4
Zusammenfassung
5
Anhang
5.1 Beispiel eines Therapievertrags
5.2 Merkblatt für Anorexiepatientinnen
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
In den letzten Jahren wurde in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig Maximilians-Universität in München ein Konzept zur Behandlung schwerst erkrankter PatientInnen mit Anorexia nervosa entwickelt. Begonnen wurde die spezielle Behandlung von PatientInnen mit Anorexia nervosa auf einer geschützten Station unter Leitung von Prof. Dr. em. G. Laakmann, der als Oberarzt für die Station zuständig war.
Die Behandlung von PatientInnen mit Anorexia nervosa auf einer geschützten Station in einer Klinik für Allgemeinpsychiatrie ist sicherlich eine Besonderheit, da die störungsspezifische Psychotherapie doch als Behandlung der ersten Wahl gilt. Auch werden nahezu ausschließlich Erwachsene mit Anorexia nervosa hier behandelt. Auf der Station sollte ein Angebot für PatientInnen geschaffen werden, die sich aufgrund der Erkrankung in einem lebensbedrohlichen und im medizinischen Sinne intensivpflichtigen Zustand befinden. Die PatientInnen kommen meist mit einem Körpergewicht entsprechend einem Body-Mass-Index (im Folgenden BMI) von weniger als 13 kg/m2 zur Aufnahme, was nach der üblichen Einteilung als extremes Untergewicht bezeichnet wird. Beispielsweise kommen PatientInnen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mit einer Körpergröße von 165 cm bei einem Körpergewicht von 30 kg zur Behandlung.
Bei der Behandlung von PatientInnen mit Anorexia nervosa stehen zunächst einerseits die Wiederherstellung des Körpergewichts und andererseits die Veränderung des Essverhaltens als Behandlungsziele im Vordergrund. Im folgend dargestellten Konzept zur Behandlung bei extremem Untergewicht ist vor allem die Wiederherstellung des Körpergewichts Fokus der Behandlung, um – wie noch näher dargestellt – physiologische Prozesse wieder zu ermöglichen. Aus diesem Grunde ist in der folgenden Darstellung der Anorexia nervosa besonders auf seelische und körperliche Veränderungen bei extremem Untergewicht bzw. einem Refeeding und weniger auf allgemeine Ergebnisse zur Häufigkeit von bestimmten Symptomkomplexen eingegangen worden. Beispielsweise wird eine bestimmte Art von depressiver oder Angstsymptomatik häufiger bei Untergewicht als bei Normalgewicht festgestellt, so dass ein Vorhandensein eines bestimmten Symptomkomplexes in vielen Fällen auch als vom Körpergewicht abhängig vorgestellt werden kann.
Das Konzept sieht zunächst die Klärung der rechtlichen Grundlage der Aufnahme und Behandlung vor. Oft können die PatientInnen sich die Gefahr und die damit verbundenen Risiken für ihr Leben nicht eingestehen und erwarten von einer Behandlung anderes als die Therapeuten. Manche PatientInnen können überzeugt werden, die angebotene Behandlung anzunehmen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird ein Antrag auf richterliche Unterbringung und ggfs. Zwangsbehandlung beim Amtsgericht gestellt. Des Weiteren wird die Anlage einer mittels perkutaner endoskopischer Gastroenterostomie (im Folgenden PEG) angelegten Sonde zur Unterstützung der oralen Nahrungsaufnahme mit hochkalorischer Sondenkost dringend empfohlen und mit den PatientInnen besprochen. Zuletzt wird ein möglichst individuell gestalteter Therapievertrag abgeschlossen, in dem Körpergewicht mit Reduktion der Sondenkost, Ausgangsregelung und weiteren Therapiemöglichkeiten verknüpft werden.
Nachdem diese Methode der Behandlung eingeführt worden war, wurde dieses Therapieprogramm in den letzten Jahren weiterentwickelt und besonders durch psychotherapeutische Angebote ergänzt sowie von Seiten des pflegerischen Teams (pflegerische Leitung der Station von Frau Marion Dorn), Informationsblätter für die PatientInnen und Zusammenfassungen der Behandlungsregeln erstellt. In der folgenden Darstellung sind die verschiedenen Vorarbeiten einheitlich zusammengefasst sowie die Weiterentwicklungen berücksichtigt.
Neben dieser Darstellung des auf der Station entwickelten Konzeptes zur Behandlung dieser schwerkranken PatientInnen sollte hiermit auch eine Einführung für Interessierte, auch neu auf der Station eingesetzte KollegInnen in das Behandlungskonzept, aber auch das komplexe Störungsbild der Anorexia nervosa gegeben werden. Im klinischen Alltag begegnet man oft den seelischen Auswirkungen dieser schweren Erkrankung, wenn die PatientInnen berichten, »… je weniger ich gewogen habe, desto dicker habe ich mich gefühlt …«. PatientInnen, die sobald sie ihr Zimmer verlassen, über Wochen ihren Körper in Decken einhüllen. Andere PatientInnen, die berichten, »… inhaltlich und auch vom Aussehen her perfekt sein …« zu müssen, oder äußern, dass Farben und Muster auch beim Essen stimmen müssten. Weniger offensichtlich sind die körperlichen Veränderungen, die aber bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen auffallen. Veränderungen der Konzentrationen von Elektrolyten im Blut und Veränderungen des Blutbilds sowie Veränderungen des EKG werden bei den Untersuchungen deutlich und müssen entsprechend interpretiert werden. Aber auch subtilere Veränderungen wie bei der Regulation des Hormonhaushalts bei PatientInnen mit Anorexia nervosa wurden besonders in den letzten Jahren erforscht. Wegen des Schwerpunkts der Wiederherstellung des Körpergewichts und der Aktualität der Forschungsergebnisse ist ausgewählten Hormonen ein eigener Abschnitt eingeräumt.
Es kann dabei nicht der Anspruch erhoben werden, dass die Darstellung der Anorexia nervosa in all ihren Facetten vollständig ist. Auch war es nicht die Absicht, ein Lehrbuch zur Anorexia nervosa zu verfassen, sondern es sollte ein Behandlungskonzept dargestellt werden, wie es in den letzten Jahren entstanden ist, sowie die Herangehensweise einleitend begründet werden. Bei der Zusammenstellung wurde besonders auf die Aktualität der Literaturhinweise mit Schwerpunkt auf aktuelle Forschungsergebnisse sowie auf die klinische Relevanz mit Bezug zum Refeeding wert gelegt. Die Darstellung sollte möglichst engen Bezug zum klinischen Alltag haben. In diesem Sinne sind auch die Hinweise auf die bei der alltäglichen Arbeit auf der Station vorkommenden Probleme und in den Text eingearbeiteten Beispiele zu verstehen.
Hautala und Mitarbeiter fanden in einer epidemiologischen Studie zu Essstörungen bei Jugendlichen, dass sich bei 24 % der Mädchen und bei 16 % der Jungen, die an der Studie teilnahmen, Symptome einer Essstörung fanden (Hautala et al. 2008). Solche Ergebnisse epidemiologischer Studien mögen die Bedeutung der Essstörungen verdeutlichen. Frühere Studien hatten ergeben, dass bis zu 25 % der normalgewichtigen Mädchen ihren Körper als zu dick einschätzten und bis zu 50 % ungesunde Methoden benutzten, um ihr Körpergewicht zu regulieren.
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