Tod den Killern - Friedrich Schmidt - E-Book

Tod den Killern E-Book

Friedrich Schmidt

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Beschreibung

Der Vater einer jungen Frau wird ermordet. Durch die Aufzeichnungen ihres Vaters erfährt sie so einiges, was sie nicht von ihm wusste. Einige Leute in seiner Firma starteten einen Komplott gegen ihn. Silke fasste einen Entschluss: sie würde alle töten... ihre Rache war gewaltig!

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Seitenzahl: 189

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Über den Autor

Friedrich Schmidt, geboren – 1962 in Saarbrücken, begann seine schriftstellerische Laufbahn mit der Sciense Fiction. Nun, nicht ganz, denn seine ersten Werke waren „Gute-Nacht-Geschichten“ - die er für seine Kinder schrieb. Veröffentlicht wurde aber 1999 sein erster S.F.-Roman mit dem Titel: Weg ins Licht... und zurück, erschienen im R.G. Fischer Verlag. Doch dabei blieb es nicht. Es folgten mehrere Dramen und ein Gedichtband mit Kurzgeschichten.

Er liebt beim Schreiben, wie er sagt, das weglassen. Ohne Umschweife eine Story erzählen – dass ist sein Credo. Daher – viel Spaß an den folgenden Seiten!

Der Inhalt des Romans ist frei erfunden. Orte sind teils real, stehen aber in keinem echten Bezug zum Roman. Für Namen gilt das gleiche. Sollten Namen die existieren vorkommen, wäre das rein zufällig.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Ende

Danksagung

Hinweis auf das nächste Buch

An meine Leser/innen

Mitwirkende

Edgar Meier, Opfer/Chef des Unternehmens

Helga Meier, Exfrau von Edgar

Thomas Meier, Sohn

Silke Meier, Tochter/Heldin... und Rächerin

Peter Hofmann, Kompagnon... und Widersacher

Friedrich „Fritz“ Kuhn – untersuchender Polizist und späterer Mann von Silke

Norbert Frank, alias Fred Lux - Killer von Edgar

Felipe Petronella, Mafiaboss

Helmut Klein, Bankier

Egon Stephan – Firmenleiter.

Marion Schmidt - Personalchefin

Doktor Timmel – Psychologe von Silke

Joe Malic - Detektiv

Bisher von Friedrich Schmidt erschienen:

Weg ins Licht... und zurück (SF) 1999 im R.G. Fischer Verlag

Was war wird sein (SF) 2018 Twentysix-Verlag

Lemmy, ich brauch´ dich (Teil-biographisch) 2019 Twentysix-Verlag

Tod oder Liebe – Lisa (Liebesdrama) 2019 Twentysix-Verlag

Mond 99 (SF-Drama/Fantastisch) 2020 Twentysix-Verlag

Die Frau des Teufels (Liebesdrama/Gedichte) 2022 Twentysix-Verlag

Headfield´s Erbe (SF-Krimi/Drama) 2023/24 Twentysix-Verlag

Und nun: Tod den Killern – meine Rache im Verlag BoD

Prolog Papas Mörder

Der Killer lief den grauen Schotterweg entlang. Es knirschte also bei jedem Schritt. Aber das Geräusch störte noch nicht einmal die Amseln, die auf der Wiese des großen Grundstücks nach Würmern suchten. Da es heute Mittag noch geregnet hatte, wurden die Vögel auch fündig. Der Killer beobachtete, wie eine schwarze Amsel gerade einen Wurm zwischen seinem Schnabel hatte – der Wurm wandte sich, was dem Killer gefiel. Lächelnd schaute er kurz zu, wie der Vogel den Wurm verschlang. Dann blickte er zum Himmel und erkannte, dass die schwarzen Wolken schnell über die Gegend hinwegzogen.

„Dort oben weht ein stärkeres Lüftchen als hier unten“ - dachte er. Er war gerade aus seinem Auto ausgestiegen, das er ein paar Meter weiter am Straßenrand abgestellt hatte. Nach wenigen Metern gelangte er an ein schwarzes, zweiflügeliges Eisentor. Aber das versperrte ihm nicht wirklich den Weg. Mit seinen Spezialschlüsseln... Dietrichen, öffnete er beinahe jede Tür. Er hatte ein ganzes Bündel davon. Dieses Bündel steckte er nun wieder in die rechte Manteltasche, wo er es zuvor entnommen hatte. Er war vollkommen schwarz gekleidet. Mit seinen schwarzen Lederhandschuhen hinterließ er keine Spur – keine Fingerabdrücke. Dann hatte er noch eine schwarze Hose an und einen Stoffmantel, der wohl aus Flanell war. Der hielt warm. Aber genauso wichtig für ihn... er war mit dem langen Mantel an diesem nebligen Tag, im Halbdunkel, beinahe unsichtbar – jedenfalls gut getarnt. Und selbst wenn im Hause ihn jemand gesehen hätte – an seinem Auftrag hätte es nichts geändert. Es wäre höchstens blutiger geworden, und daran war selbst dem Killer nicht gelegen. Er mochte ruhige Jobs, ohne Probleme. Dies unterschied ihn nicht von gewöhnlichen Menschen. Bis auf den Umstand, dass – sollte es bei ihm Probleme geben, wie eine Schießerei mit der Polizei beispielsweise, dann sah die Welt natürlich anders aus. Nein, er machte seinen Job am liebsten auf die ruhige Art, und ging dann für gewöhnlich in sein Lieblingsrestaurant und aß dort zu Abend... meist ein blutiges Steak.

Das parkähnliche Gelände, mit den vielen Bäumen, gab ihm, von der Straße her Schutz. Das große Haus lag sowieso etwas abgelegen – die Gegend war, um diese Zeit, so gut wie Menschenleer. Das alles half ihm, dass er heute einen ruhigen Job machen konnte. An belebten Straßen sah das oft anders aus. Hier, an diesem Ort, würde wahrscheinlich noch nicht einmal jemand die Polizei rufen, weil es keiner mitbekommen würde. Erst die Putzfrau würde ihn morgen finden... die Ärmste; aber bis dahin wäre er über alle Berge. Hinter dem großen Busch – ein gewaltiger Kirschlorbeerbaum, war dann das Haus gut zu sehen. Der feine Schotter knirschte leicht unter seinen gelackten, schwarzen Lederschuhen. Doch das störte ihn nicht, da das Geräusch nicht laut genug war, um Aufmerksamkeit zu erregen. Er lief also, ohne weitere Eile weiter... blieb sogar kurz stehen, um den Sitz der Waffe zu überprüfen. Alles an seinem Ort. Er liebte seine Pistole. Sie war leicht, zuverlässig, lag gut in der Hand – und sie traf ihr Ziel immer. Okay, das lag auch an seinen Fähigkeiten. Als Soldat war er Scharfschütze – und er war einer der Besten!

Auf zwei Etagen waren an der Front des imposanten Hauses zehn hohe Fenster vorhanden. Die große, dunkle Eichentür war fast in der Mitte, darüber ein halbrunder Balkon. Das weiße Haus machte, durch seine schiere Größe, durchaus Eindruck. Den Sockel bildeten große Sandsteinblöcke. Zwei hohe Schornsteine zierten das, mit Schiefer bedeckte, steile Dach.

Aber nur aus einem Schornstein kam heller Qualm. Der etwa fünfzigjährige Killer schloss daraus, dass der Hausherr sich sein Süppchen für heute Abend kochte. Von seinem Auftraggeber wusste er, dass – obwohl Stinkreich, er sich keinen Koch leistete. Es kam nur eine Putzfrau, die aber nur die Toiletten und die Küche putzte. Die Betten würde der Hausherr selbst machen. Der Auftraggeber stellte ihn als geizig dar. Dieser Auftraggeber konnte sich scheinbar nicht vorstellen, dass Leute dies gerne machten – oder anderen nicht alles zumuten wollten. Oder eben selbst gerne kochten, dachte der Killer kurz nach. Aber solche Gedanken schob er stets schnell beiseite, sie waren unerheblich. Jedenfalls vermutete der Killer dort, wo der rauchende Schornstein war, die Küche. Oft gab es bei diesen Häusern einen Seiteneingang... der sogenannte Dienstboteneingang. Dort, so stellte sich der Killer vor, käme er so schnell ins Haus, wie er eben durch das Eisentor gelangt war. Innerlich wusste er nun, dass dieser Job ein gemütlicher werden würde (wenn man es denn so nennen kann). Es stellte sich heraus, dass er Recht behalten sollte – die beinahe schwarze Tür, in deren obere Hälfte eine relativ große Scheibe war, war an der Stelle, wo er es vermutet hatte. Und sie ließ sich so leicht öffnen, wie er es gedacht hatte. So, als sei es sein Haus, sperrte er die doch ziemlich dicke Holztür auf. Dahinter war, in der Tat, die Küche. Auf dem Gasherd stand ein grüner, wohl sehr alter Topf (scheinbar noch aus den 70er Jahren!) - aus dem es dampfte und ziemlich lecker nach Gewürzen und Gemüse roch. „Wohl eine Art Eintopf“ - dachte der Killer. „Den wirst du nicht mehr genießen können, mein Freund“ - murmelte er kaum hörbar vor sich hin. Er öffnete nur zwei mittlere Knöpfe, die groß und ebenfalls schwarz waren und zog seine Waffe unter dem Mantel hervor. Vom Hausherr hörte er nichts, doch der würde hier auftauchen, das war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Aus der Manteltasche nahm er also den silbernen Schalldämpfer und schraubte ihn auf die schwarze Pistole. Dann hörte er leise Schritte. Die Lederpantoffel gaben nur ein leichtes Geräusch von sich, aber dem Killer machte es klar: Sein Opfer näherte sich!

„Was wollen sie?“ - schrie Edgar, als er den Eindringling im Eingang sah. „Geld habe ich keines im Haus“ - fügte er schreiend hinzu.

„Ich habe eine andere Überraschung“ - antwortete der Killer kalt, und drückte ab. Mit einem relativ leisen Plopp löste sich der Schuss. Die Kugel traf Edgar wohl mitten ins Herz, denn er sackte augenblicklich zusammen, wie ein dahin geschmissener Sack Kartoffeln. Und es floss sofort viel Blut, welches augenblicklich sein weißes Hemd tiefrot färbte. Für eine Sekunde schaute er den Killer ungläubig an – so, als ob er ihn fragen wollte, warum dieser das tat. Doch seine Augen wurden starr und leer und Edgars Kopf sank langsam zur Seite. Der Küchenschrank stützte ihn am Rücken, sodass er sitzend zum Stillstand kam. Normalerweise fühlte der Killer den Puls, bevor er ging, aber das brauchte er in diesem Fall nicht zu tun. Edgar blutete so stark, dass er sicherlich bereits tot war, bevor er auf dem Boden angelangt war. Würde er wider erwarten noch leben, wäre dies nur noch eine Sache von wenigen Minuten – höchstens.

„Adios Amigo“ - sagte der Killer und fügte dann weiter hinzu: „Ich hatte eben einen Auftrag“ - murmelte er vor sich hin... um Edgar eine Antwort zu geben – und, um sich zu verabschieden. „War nichts persönliches.“

Ja, man konnte schon sagen, dass der Killer einen sehr schwarzen Humor hatte. Dann machte er sich auf den Rückweg.

Da er während der ganzen Zeit seine Handschuhe angelassen hatte, brauchte er keinen Gegenstand abzuwischen. Dennoch – aus Gewohnheit, und um auf Nummer Sicher zu gehen, schaute er sich, auf dem Weg zu seinem Auto, in alle Richtungen um. Nichts zu hören oder zu sehen. Er lächelte vor sich hin und zog tief die frische Abendluft in seine Lungen. Das tat ihm gut. Ja, er war bester Laune.

Seelenruhig stieg er in seine Luxuskarosse aus England und fuhr mit dem Wissen davon, dass er morgen 100000 Euro mehr auf dem Konto haben würde. Sein Weg führte ihn aber zunächst ins Steakhaus...

Morgen würde er jedoch, wie vereinbart, bei seinem Auftraggeber auf der Matte stehen, und die andere Hälfte seines Honorars verlangen. Es war klar was passierte, wenn er sein Geld nicht bekommen würde.

Kapitel 1 Papas Bücher

Tränen liefen mir über meine heißen Wangen, als ich eines von Vaters Tagebüchern zitternd in Händen hielt. Erst einmal wusste ich gar nicht, dass er so etwas schreibt. Obwohl – ich, als seine Tochter, ich kannte ihn wohl am besten, und musste gestehen, dass – obwohl er auch harter Geschäftsmann sein konnte... er eine sensible Ader hatte. Das hieß nicht, dass er weich war – nein, er hatte aber Gefühle, die er nur wenigen Menschen zeigte. Ich glaube, noch nicht einmal Helga, seine zweite Frau... für mich ein Drachen, wie er im Buche steht... kannte diese Seite von ihm. Mama hat es wohl gewusst, doch die war seit langem tot. Dieser scheiß Unfall mit dem besoffenen Schwein. Der pure Hass wuchs immerzu in meinem Bauch, wenn ich nur daran dachte. Er kam damals nur kurz ins Gefängnis, weil er noch mehr auf dem Kerbholz hatte. Bei einem unbescholtenen Bürger wäre es gar nur der Führerscheinentzug und eine Geldstrafe gewesen. Aber – wie so oft üblich, wurde auch dieser Kerl, wegen guter Führung frühzeitig entlassen.

Nun waren mein Bruder und ich jedenfalls in Vaters Schlafzimmer, und blätterten in seinen Unterlagen. Die großblütigen Tapeten im Zimmer waren sicherlich längst aus der Mode. Aber so etwas interessierte Papa wenig. Auch, dass sein Bett schon sehr betagt war, war für ihn wenig interessant. Nun, alles war sauber und adrett. Ich kannte ihn gut genug – wusste, dass das bei ihm nichts mit Geiz zu tun hatte. Die Matratze war womöglich neu. Er wollte nichts, was technisch nicht in Ordnung war. Es war nur so, dass er eben keinen Schnickschnack wollte.

Mein Bruder - oder genauer, Halbbruder - Thomas suchte ein Testament. Er rechnete sich wohl das eine oder andere aus. Ich wusste jedoch von Vater, dass er ihn am liebsten vom Erbe ausgeschlossen hätte. Thomas lieh sich immer nur Geld – und war in Vaters Augen ein großer Versager, der – Vaters Worte: „... immer nur groß das Maul aufriss... aber nix dahinter hat!“ Am liebsten würde er ihn enterben – „... diesen Nichtsnutz“ - hatte er mir mal schimpfend gestanden, als er mal wieder wütend über Thomas war - „... aber“ - führte er verärgert hinzu - „... seinen Pflichtteil wird er bekommen!“ Ich wusste also genau, dass ein Testament vorhanden war. Das würde jedoch nicht die Erwartungen erfüllen, die Thomas hegte. Aber es fiel mir nicht ein, dies Thomas mitzuteilen. Er würde es schon noch finden, das Testament. Ich hatte andere Sorgen. Es war wie damals, als Mama starb. Die selbe Wut kochte wieder in mir hoch. Es kostete mich viel Kraft, nicht loszuschreien und davonzurennen. Am liebsten hätte ich Mamas Killer, jetzt, da ich wieder daran dachte, niedergestreckt! Ja, ich konnte ein Biest sein! Ja, ich hatte des öfteren Wut im Bauch, konnte das aber gut kontrollieren, hatte nie Wutausbrüche... war nun aber, wegen Papas Mord, kurz davor.

„Ja“ - dachte ich, als ich an das Erbe von Thomas dachte... „... er konnte auch hart sein – dort, wo es angebracht war“. Und im Falle von Thomas war er eben hart.

Er erkannte eben, wenn er seine Antennen ausfuhr, wo und ob was zu holen war, und wo nicht – beziehungsweise, wer ein Arschloch war, und wer nicht. Die Idioten ließ er abblitzen, die Guten holte er ins Boot. Das meinte ich mit seiner sensiblen Seite. Es war sein feines Gespür – nicht nur im Geschäft, sondern auch als Mensch. Als solcher konnte er genauso lieb und Fürsorglich sein. Ja, ich liebte ihn, wie man seinen Vater überhaupt nur lieben kann. Wir hatten ein inniges Verhältnis. Viele Väter – und auch Töchter träumten von dem, was wir hatten. Zu unserem Alltag gehörte es, dass wir oft zusammen die Mittagspause miteinander verbrachten. Wir redeten dann übers Geschäft, aber auch, wie es daheim lief. Er beschwerte sich über Helga, bevor er sich von ihr scheiden ließ. Ja, wir redeten sogar über Sex... nicht in jedem Detail – das hätte keiner von uns so genau wissen wollen... aber, er erzählte zum Beispiel, dass der Sex mit Helga langsam weniger wurde. Es stellte sich dann irgendwann heraus, dass sie ihm fremd gegangen war. Die Sau. Sie war eine von Denen, die ihn schwer verletzt hatte – und aus meiner Sicht den Tod verdient hatte. Sie hatte ihn jedenfalls ein Vermögen gekostet. Hat ihn also menschlich und finanziell sehr belastet. Das hatte er nicht verdient! Er wollte danach lieber alleine leben... in dem Riesen Haus, das – ich glaube zwölf oder fünfzehn Zimmer hat. Eine sogenannte Vorstadtvilla in Saarbrücken. Einem, wie es so schön heißt – gehobenen Viertel.

Für heute hatte ich nun genug. Es war bereits sechs Uhr abends und bereits dunkel – an diesem fünften November. Nebel lag über der Stadt. Der Anblick, als Thomas und ich das Haus verließen, war schon cool. Ein weiterer Punkt, wo ich meinen Vater verstand. Er wollte das Haus nie verlassen, hatte immer gesagt: „Natürlich könnte ich – jetzt, wo ich alleine lebe, in ein Apartment ziehen, aber das hier ist mein Zuhause und das wird es auch bis zu meinem Tod bleiben“. Ich wusste nun warum! Alleine diese Aussicht war ein Punkt unter vielen. Man sah über die halbe Stadt – und, bei klarer Sicht, war dann dort abends ein Lichtermeer, das nur durch die nördlichen Hügel des Winterbergs unterbrochen wurden – eines der Krankenhäuser der Stadt.

Als ich Thomas anvertraute, dass ich heute keine Kraft mehr hätte, und lieber Morgen wiederkommen würde, willigte er, mit den Worten: „Okay Silke“ – ein. Und wir fuhren mit seinem Auto heim. Ich hatte mir aber einen ganzen Stapel seiner Tagebücher unter den Arm geklemmt. Ich wusste jetzt schon, dass eine lange – eine sehr lange Nacht auf mich wartete. Wahrscheinlich war es auch nicht rechtens, dass ich seine Tagebücher mitnahm, schließlich untersuchte die Polizei noch seinen Mord... aber genau deshalb nahm ich sie ja mit! Ich versprach mir jedenfalls Hinweise, die zur Aufklärung zu seinem Mord führen konnten. Ich würde anschließend, so klammheimlich, immer mal wieder ein Buch, es waren vier, in einer Ecke „liegen“ lassen – also zurückbringen. Es war klar, dass ich mich beeilen musste. Die Polizei war sicherlich nicht so langsam, wie der eine oder andere ihnen nachsagte. Sehr wohl hatte ich ein flaues Gefühl im Magen, wusste ich doch, was ich da tat. Aber ich konnte nicht anders.

Thomas hatte mich, mit seinem Kabrio, bei mir Zuhause abgesetzt und fuhr dann zu sich heim – mal wieder viel zu schnell. Papa hatte Recht – er war ein Angeber. Nur – bei mir oder Papa hätte er sich das sparen können. Weder auf ihn, noch auf mich, machte er je mit seinem Getue Eindruck. Nun, er brauchte es wohl für sein Ego.

Obwohl ich ziemlichen Hunger hatte, ging ich, ohne Umwege, mit den Büchern unterm Arm, ins Wohnzimmer. Ich war mehr als wissbegierig, wollte unbedingt das erste Buch lesen. Jedoch – so hungrig konnte ich mich nicht konzentrieren, stellte ich fest. Ich legte die Bücher also auf das kleine, runde Beistelltischchen, das sich neben meinem Fernsehsessel befand. Also – für mich war es ein „normaler“ Lesesessel, da ich so gut wie kein Fernsehen sah. Nur die Nachrichten waren mir wichtig! Im Internet las ich zwar oft was in der Welt los war, aber wenn ich dann die TV-Nachrichten sah, stellte ich oft fest, dass im Internet viel gelogen wird.

Ich nahm mir also, bevor ich mich in das weiche Leder kuscheln würde, ein Stück Lyoner-Wurst aus dem Kühlschrank. Diese Wurst aß ich, wie Papa so oft, direkt aus der Hand. Das war lecker, nur ein wenig fettig. Bevor ich die Bücher wieder in die Hand nehmen würde, müsste ich mir also erst die Hände waschen. Halbwegs gesättigt, wusch ich mir also über dem Waschbecken in der Küche, die Hände. Doch dann zog es mich eilig zu den Büchern. Ich setzte mich in den gesteppten, naturfarbenen Sessel, dessen Leder immer noch diesen typischen Geruch hatte, und schaute mir die Bücher an. Sie waren unterschiedlich abgegriffen. Der Umschlag war aus heller Pappe. Typisch Papa, dachte ich. Wahrscheinlich hat er zehn Bücher gekauft, das Stück für zwei Euro. So war er, wenn er sparen konnte, dann tat er es. Obwohl er seit langem schon Multimillionär war. Aber er hasste Verschwendung jeglicher Art. Das war auch ein Grund warum mein Halbbruder keinen Fuß bei ihm fassen konnte. Sowie Thomas Geld in Händen hielt, verfloss es zwischen seinen Fingern, wie Wasser beim Händewaschen. Oft genug hatte Edgar – also Papa, ihm gesagt: „Junge, tue das nicht, mache das besser so... spare mal ein wenig“ – und – „... ich nehme dich in der Firma auf, wenn du dies und jenes so machst.“

Aber diese Ratschläge gingen ihm ins eine Ohr hinein und durchs andere sofort wieder hinaus. Diese Feststellung machte Papa jedenfalls irgendwann und setzte ihn an dem Tag, als ihm das bewusst wurde, vor die Tür – und, weil von Thomas nur dumme Phrasen kamen, die Papa schon hundert mal gehört hatte: „Ich bin da an etwas dran... mein Kumpel gab mir einen Tipp, und – ja Papa, ich mache es so“ - aber nichts von alledem war dann dann je geschehen. Ja, auch sein Sohn Thomas kostete ihn nur immer viel Geld. Und an dem Tag platzte Papa eben der Kragen – das war einer der Momente, an denen er so unglaublich hart sein konnte.

Jedenfalls nahm ich mir das Buch, das am abgegriffenen aussah. Im ältesten Buch, dachte ich mir, wird drinstehen, was ihn als erstes bewogen hatte, mit dem Führen eines solchen Buches anzufangen – oder, was ihn am meisten bewegt und beschäftigt hatte. Ich musste als erstes doch etwas schmunzeln – waren es doch Blätter, die nicht einmal Linien hatten. Also wirklich billigste Sorte von Notizbüchern. Egal, sie erfüllten ihren Zweck.

Beim ersten durchblättern wurde ich schnell fündig. Sein Kompagnon wollte expandieren. Aber Papa wollte das nicht – natürlich – das hätte mich auch überrascht! Einst hatte Papa zu dem Chef der Konkurrenzfirma, die dieser Peter aufkaufen wollte, ein freundschaftliches Verhältnis. Zum anderen hätte das immense Schulden bedeutet, und drittens wollte Peter fast die halbe Mannschaft aus beiden zusammengelegten Firmen entlassen. Laut Peters Rechnung, stand da zu lesen, würde sich so der Verdienst beinahe verdoppeln lassen. Klar, dass das Papa nicht gefiel – obwohl es natürlich zunächst gut aussah – jedenfalls auf dem Papier. Papa pflegte zu sagen, dass Papier geduldig ist. Das war, so las ich weiter, der Hauptgrund, warum er sich nicht auf den Deal einließ. Außerdem, so wusste ich, war er nicht geldgierig. Was ihm jedoch vor allem am Herzen lag, waren seine Mitarbeiter. Viele von ihnen – immerhin über Hundert, kannte er persönlich. Er liebte es, durch die Fabrik zu laufen, um hier und da einen kleinen Plausch mit den Leuten halten zu können. Wenn er von einem Mitarbeiter hörte, dass dieser beispielsweise Papa wurde, freute er sich ehrlich mit ihm – oder ihr, wenn sie eben Mama werden würde. Er gab auch jedermann immer gute Ratschläge, oder ließ auch mal fünfzig Euro heimlich in die Tasche eines „Kollegen“ fließen. Er zahlte freiwillig Tarif, obwohl keine Gewerkschaft im Hause war. Und er zahlte Weihnachtsgeld aus, was er auch nicht gemusst hätte. Seine Mitarbeiter gaben es ihm aber auch gerne zurück. Vereinzelt gab es freiwillige Überstunden, ohne Zuzahlung. Aber auch das hatte Papa nicht gewollt, er gab dann – im Büro wenigstens eine Pizza aus... oder in der Fabrik eine Lyoner-Wurst mit Weck. Ja, es gab mehr als einen Grund, warum er von aller Welt gemocht wurde. Und genau dies ließ mich, seit die Polizei uns vorgestern mitgeteilt hatte, dass er ermordet wurde, nachts nicht mehr schlafen. Wer hatte einen Grund diesen liebevollen Menschen umzubringen? Ich las weiter...

Gleich nach den ersten Zeilen wurde ich, wie erwähnt, fündig! Peter Hofmann, sein langjähriger Kompagnon, hatte ihn geradezu gedrängt – so stand da, die Firma aufzukaufen. Im Moment – so fiel mir spontan ein, störte mich nur eines... wir haben so oft vom Geschäft geredet, Papa und ich; warum hat er nur nichts zu mir gesagt? Sicher – so, wie er nun mal war, wollte er vieles von mir fernhalten. Aber, wenn er mir dies mitgeteilt hätte, hätte ich vielleicht mal eine gute Ratgeberin sein können... wie er sonst immer bei mir. Vielleicht könnte er sogar noch leben! Bei diesem Gedanken zuckte mein ganzer Körper, als ob ich den Finger in die Steckdose gehalten hätte! Plötzlich hatte ich das starke Gefühl, dass dieser Peter den Auftrag gab, Papa umbringen zu lassen! Ich las weiter. Schnell wurde mir klar, warum mich mein Vater nicht damit belasten wollte. Er hatte eine Buchprüfung selbst durchgeführt, und festgestellt, dass über eine Millionen Euro vom Firmenkonto auf Peters Konto gelandet waren – wohl, um eine Anzahlung