Was war wird sein - Friedrich Schmidt - E-Book

Was war wird sein E-Book

Friedrich Schmidt

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Beschreibung

In naher Zukunft erfindet ein Tüftler eine Zeitmaschine. Er manipuliert damit die Weltweiten Börsen. Alle Versuch ihn zu fassen, misslingen. Es kommt zum dritten Weltkrieg. Ein Mann jedoch hat Visionen - er versucht das Schlimmste zu verhindern. Jedoch...

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Prolog

Teil 1

„Da war diese wunderschöne Frau, Daniela, du kennst sie. Sie bewegte sich stets so graziös, ihre Sprache konnte man als gewandt bezeichnen. Ihre Haut, ihre Nägel, ihr Haar, ja, selbst ihre Stimme… alles Makellos… ihre Beine, der Po, ihre Brüste. Es gab nichts auszusetzen, an dieser Frau. Doch, einen Schönheitsfehler hatte sie – aber durch den wurde sie nur noch interessanter… sie hatte zweifarbige Augen! Ihr rechtes Auge war Königsblau und das linke Auge, und dies hatte sie wohl von ihrer nicht minder schönen Mutter geerbt – hatte eine Giftgrüne Färbung.“

„Ich könnte stundenlang nur von ihr erzählen, doch will ich, was diese Frau angeht, gleich auf den Punkt kommen, um weiter zu erzählen, was mich so bewegt.“

Peter nickte stumm und hörte weiter zu. Wir saßen, wie so oft, in einer Spelunke, die zwar alt, aber nicht schäbig war. Wir lümmelten uns an unserem Stammtisch in der Ecke am Fenster, und tranken Bier. Mit einem wink zum Wirten, machten wir klar, dass jeder ein weiteres kühles Blondes wollte. Kopfschüttelnd machte sich der Wirt, Werner, daran, zwei Gläser zu spülen und zu füllen.

„Also… es fällt mir teilweise schwer, darüber zu reden – und dies, obwohl ich nicht gerade ein Typ bin der, wie es so schön heißt: …nahe am Wasser gebaut hat – soll heißen: mich wirft nichts so schnell aus der Bahn.“ Ich hob die Augenbrauen, als ich sagte: „Ich will bei Leibe nicht behaupten, dass ich der Ironman schlechthin bin – aber eben auch kein Waschlappen, der gleich zu Weinen beginnt, nur weil des Nachbars Hund gestorben ist. Nun, diese kleine, von der ich sprach… na, ich kenne sie von klein auf. Ich sah sie aufwachsen. Ich erinnere mich, wie sie als kleines Mädchen meine Kirschen von den Bäumen klaute… ich erinnere mich an ihr bezauberndes Lachen… den liebevollen Umgang, den sie mit jedem pflegte, der auch nett zu ihr war. Wer, zum Teufel hätte gedacht, dass – zum Beispiel ich, ihr alter Nachbar… diese Frau überlebt. Ihr Freund, ihre Familie – jeder der sie kannte, hat sich gefragt: „Warum gerade sie? Warum Krebs? Wieso sie - wo sie doch so gesund gelebt hat, Sport getrieben hat – weder geraucht, noch getrunken hat. Warum hat Gott, oder war es der Teufel? - eines der vollkommenen Geschöpfe der Stadt ausgesucht? Doch nicht sie… . Was mich also bewegt ist das, was man das Schicksal nennt. Wobei das Schicksal es ja auch durchaus gut, wenn nicht sogar besonders gut mit dem einen oder anderen von uns meint. Aber gerade dies ist es ja, was ich meine… die Frage – die philosophische Frage heißt doch: Gibt es Glückspilze oder Pechvögel? Was kann man tun, um sein Leben zu beeinflussen – kann man dies überhaupt? Da ist, und da sind sich alle Psychologen einig, zum einen das Elternhaus, in dem man… mehr oder weniger gut… aufwächst, samt der dazugehörigen Schulbildung, ein wichtiger Faktor. Und auch der Freundeskreis, welcher einen, während der wichtigen Zeit, in der man heranwächst, einen umgibt – und natürlich erheblichen Einfluss auf einen Jeden haben kann. Beides sind nicht zu unterschätzende Punkte, in der Entwicklung eines Menschen. Die sogenannten Freunde – oder eben echte Freunde – und natürlich die Familie.“

„Alles kann also eine Rolle im Leben spielen. Es heißt nicht umsonst, dass das Leben einen prägt. Denn die oben genannten Umstände – das Elternhaus, mit seinen Eindrücken – die Schulbildung, mit ihren positiven, aber auch negativen Momenten, weil man sich – wie auch im Freundeskreis, schlechtes abschauen kann.“

„Und - nicht außer Acht zu lassen, ist der Einfluss der, falls vorhandenen, Geschwister. Und auch die jeweilige Religion eines Menschen kann, je nach Festigkeit des Glaubens, große Macht bedeuten.“

„Es sind da also eine Menge Begebenheiten, die einen Menschen prägen. Äußere Einflüsse und auch Gefühle und unser Verstand, die aus einem Wesen erst einen Menschen machen – uns aber auch in bestimmte Bahnen lenken. Jedem ist klar, wie wichtig die Schulbildung ist, ebenso, wie der richtige Umgang.“

„Aber durch alle diese Dinge wird höchstens ein Grundgerüst gebaut. Nichts von alledem sagt grundsätzlich aus, ob dieser oder jener Mann ein Anwalt oder Verbrecher wird. Nein, der Charakter eines Menschen ist nicht alleine maßgebend dafür, was aus einem wird – es gehört auch Glück oder Pech dazu. Denn sonst wäre doch alles Schicksal… vorbestimmt… von wem? Gott? Der Zahnfee? Also ich weiß nicht.“

Peter hatte sich, nur stumm nickend, alle meine Ausführungen angehört, und nichts dazu gesagt – bis jetzt. Er gab mir aber Recht, indem er: “Ja” sagte, und dies mit einem deutlichen Kopfnicken unterstrich – „… ich denke auch, dass es so etwas wie ein Schicksal geben muss. Denn Pech oder eben auch Glück kommt nicht einfach so. Ich denke, dass unser Leben durch die beiden Dinge in eine Bahn gelenkt wird. Wie du sagtest… da ist das Elternhaus und der Freundeskreis. Die Schule - alles nimmt Einfluss auf einen, und dann ist da aber noch die Sache mit dem Glück – oder Pech, wie du willst. Aber eben, und das ist der springende Punkt, kann man sein Glück, wenigstens zum Teil, beeinflussen… ein Beispiel: Ich erwähle, welchen Beruf ich im Leben erlernen will. Ich komme zu einem Entschluss, und nun kommt’s – um den Beruf dann wirklich zu erlernen, muss ich meinem Glück auf die Sprünge helfen. Ich tue das, indem ich mich bemühe… anstrenge… Bewerbungen schreibe und so. Von allein kommt das Glück eben nicht.“

„So ist es“, gab ich zu. „Aber diese Punkte sind nicht die Einzigen, welche uns beeinflussen. Was wäre zum Beispiel, wenn keiner das Rad erfunden hätte? Alle folgenden Erfindungen wären nicht gemacht worden. Es gäbe also auch kein Fahrrad oder Auto… ganze Berufsgruppen hätte es nie gegeben. Wer kann die Frage beantworten, wie unsere Welt dann aussehen würde? Wäre die Luft, die wir atmen, sauberer, oder gäbe es eine andere Erfindung, welche die Luft noch mehr verschmutzt hätte? Würden wir alle mit Flugrobotern fliegen oder müssten wir jeden Weg zu Fuß zurücklegen? Fragen über Fragen… und keiner da, welcher die Fragen beantworten könnte. Die Fragen sind unbeantwortbar, weil keiner Hellseher ist, und sich auch keiner, außer uns solche Fragen stellt… oder?“

Wieder nickte Peter, und er lehnte sich zurück, weil Werner unsere Biere brachte. Werner stellte die Gläser ab, nahm die leeren Gläser von den runden Pappdeckeln, und stellte die vollen Biere auf die Deckel. Er nahm die leeren Gläser mit zwei Fingern auf, doch bevor er sich wieder hinter seine Theke machte, sagte er: „Zum Wohle, die Herren.“ Er sagte dies, obwohl er seine gebogene Pfeife im Mund hatte. Dann machte er sich, nachdem er mit dem Kugelschreiber vier Striche auf meinen Deckel gemalt hatte, wieder auf den Weg. Das Lokal war klein, nur drei Tische vor der Fensterreihe, an denen Fernfahrer gerne ihre Wurst mit Pommes mamften. Und dann waren da noch die Hocker, die um die U-Förmige Theke gruppiert waren. Die Hocker waren beinahe an jedem Tag von Bier sabbernden Alkoholikern besetzt, die Werner sein Einkommen sichernden.

„Ich denke nicht“, kommentierte Peter meinen Einwand, - „… dass wir die einzigen sind, die sich über solche Dinge Gedanken machen… ich denke eher, dass nicht genug Menschen philosophieren.“

An meinem Bier nippend, stimmte ich ihm zu, und fragte mich in Gedanken, wo wir stehengeblieben waren. Doch da fiel es mir wieder ein und ich überlegte, wie ich den Gedanken weiterspinnen konnte. Ich kam zu keinem richtigen Schluss. Peter und ich kamen ja bereits zu der Erkenntnis, dass die Frage nicht klar beantwortbar ist, ob unser Leben denn nun vom Glück, beziehungsweise Pech, den Einflüssen von außen oder dem, was wir selbst tun, beeinflusst wird – oder eben vom Schicksal bestimmt wird, oder einer Mischung von alledem. Die Beantwortung der Frage, zu der Erkenntnis kam ich letztendlich, konnte nur heißen, dass es wohl für jeden Menschen unterschiedlich sein muss. Daher sagte ich: „Es gibt wohl Leute, die man als Glückspilze bezeichnen muss. Denn von ihrer Intelligenz her ist bei vielen nicht zu verstehen, dass alles, was diese Leute angreifen, zu Gold wird. Demnach muss es auch Pechvögel geben – welche einfach nichts dafür können, dass ihnen kaum was gelingt… sie haben den nötigen Verstand, einen guten Umgang mit normalen Freunden, vielleicht sogar einen guten Chef… Ehefrau… alle Voraussetzungen zum Erfolg scheint gegeben, und dennoch gelingt ihnen nichts im Leben. Bei den meisten Menschen wird ihr – na, sagen wir mal – mittelmäßiger Erfolg darin liegen, dass ihr durchschnittlicher Chef… die durchschnittliche Ehe… der durchschnittliche Job… ein durchschnittliches Leben ermöglichte. Es gab nichts Auffallendes bis zu ihrem Tode… was nicht als Fehler zu werten ist. Aber, ob es so etwas wie das Schicksal gibt… dazu fehlte mir bis jetzt jede Erklärung. Ich schaute aus dem Fenster. Wir befanden uns am Rande des Städtchens, auf einem Parkähnlichen Gelände. So konnte ich, obwohl die Sonne, an diesem siebenundzwanzigsten Mai, seit Stunden untergegangen war, sehen, dass viele Spatzen sich auf einem Baum sammelten. Wie auf Kommando, und ohne erkennbaren Grund, flogen sie plötzlich alle davon, und ich fragte mich warum.

„Fragen über Fragen“, murmelte ich vor mich hin, und dachte wieder an Daniela, die heute Morgen an dieser schlimmen Krankheit verstarb. Ich wurde unendlich traurig, sah ihr wunderbares Gesicht vor mir, ihr Lächeln, und musste selbst dabei lächeln.

„An was denkst du“, fragte mich Peter.

„An den Tod“, antwortete ich.

„Und dabei lächelst du?“, fragte er, und zog dabei ungläubig die Augenbrauen hoch.

„Ja“, antwortete ich schwermütig, und schaute ihn an.

„Warum nicht, Peter, warum soll man nicht lächeln, wenn man an den Tod denkt… es werden Witze gemacht und gelacht. Babys werden in dem Moment geboren. Du musst dem Tod ins Gesicht sehen können, lächelnd, und sagen: mich bekommst du noch nicht – ha, noch lange nicht. Ich nehme mein Schicksal in die Hand, überlasse nichts dem Zufall, bestimme selbst, was ich wann tue!“

„Ist es so einfach?“, fragte mich Peter.

„Meinst du das wirklich? Denke mal nach… konntest du bisher alles lenken… bist du wirklich deines Schicksals eigener Schmied?“

Peters Worte machten mich erst recht nachdenklich. Wie war das? Was geschah in meinem Leben. Ich wollte Peter, und auch mir, die Frage beantworten, und so sinnierte ich nach und blickte dabei wieder aus dem Fenster. Die Vögel setzten sich wieder auf den Kastanienbaum.

Kapitel 1

Gedankensprünge

Meine Erinnerungen begannen, als ich in die zweite Klasse ging. Wir waren fünf Kameraden damals. Alles Jungs, echte Kumpels, Freunde fürs Leben… jedenfalls zu der Zeit, später verloren wir uns größtenteils aus den Augen.

Na, damals hatten wir allen möglichen Unsinn im Kopf. So auch an diesem Tag. Es war der erste Schultag im neuen Jahr. Wir hatten vor den Ferien ausgemacht, dass jeder von uns einen oder mehrere Silvesterkracher vom Vater klaut, die wir heute hochgehenlassen wollten. Jeder von uns hatte sich daran gehalten, und nun, auf dem Nachhauseweg, legten wir alles Material zusammen. Es waren circa zehn Kracher, und einer war ein richtig dickes Ding. Wir berateten, welche Bombe wir wo losgehen lassen wollten. Den größten Kracher wollten wir in einem Briefkasten zünden. Das taten wir auch. Michel hatte die Streichhölzer. Er durfte alle Bomben anzünden, so auch diese. Ich steckte sie, nachdem ich mich in alle Richtungen umgeschaut hatte, ob niemand schaut, in dem Briefschlitz, und zwar so, das nur noch die Zündschnur herauslugte. Michel steckte die Schnur an und wir beobachteten ihn voller Spannung. Nachdem die Lunte zischte, rannten die anderen davon, um das Schauspiel aus sicherer Entfernung zu beobachten. In dem Moment kam der Herr des Hauses aus der Tür gestürmt. Er schrie, was wir denn da… weiter kam er nicht, denn sein hölzerner Briefkasten landete gerade mit lautem Getöse – in mehreren Stücken – samt Inhalt auf dem klatschnassen, schlammigen Boden. Ich blieb lachend stehen, und zeigte nur auf meine Kollegen, die, für den kleinen, dicken Mann, der nur Schlappen anhatte, außer Reichweite waren. Auch sie lachten lauthals, rennend, vor sich hin, und blickten zwischendurch nach hinten. Sie sahen, wie der Mann die Verfolgung aufgab, und auch mich, der ihn frech angrinste, als ich in aller Ruhe an ihm vorbeitappte, vorbeiziehen lies.

Erneut lächelte ich, immer noch aus dem Fenster schauend, die Vögel beobachtend, vor mich hin. Ich spürte Peters Blick, aber er unterbrach mich nicht bei meinen Gedanken, die - zunächst bruchstückhaft, für diesen Moment meine Kindheit zurückholten. Ich erinnerte mich weiter, als wir Jahre später – immer noch die gleiche Klicke, im Wald… mitten im Sommer, Feuer machten, und die zuhause geklauten Würstchen grillten. Das Feuer hatten wir stets ausgepinkelt… die üblichen Jungenstreiche eben. Einmal verirrten wir uns in einer Höhle, die im Wald war. Es war ein Erdloch, das in mehreren Kammern endete. Stockdunkel - weshalb wir uns auch verliefen. Ein Feuerzeug, das einer der Kumpels dabei hatte, rettete uns, mit seinem kleinen Licht quasi das Leben. Es wurden, so erzählte man, mal zwei Kinder in dem Gewölbe tot aufgefunden. Dann machten meine Gedanken einen Sprung – dorthin, wo man mich als jungen Mann bezeichnen konnte. Als ich mich, ich war sechzehn, in ein Mädchen namens Doris verliebte. An dem Tag war ich wohl noch kein Mann, aber meine Kindheit endete in dieser Sekunde, in der ich ihr in die Augen schaute, und ein Blitz mich traf. Die Schmetterlinge, die von nun an aus meinem Bauch wollten, sorgten dafür, dass alle Kindlichkeit mich entließ. Noch am selben Abend erhielt ich von Doris den – bis heute – heißesten Kuss meines Lebens… der Kuss sorgte dafür, dass meine Hose innerhalb einer Sekunde viel zu eng wurde… und der Kuss wollte nicht enden, und die Umarmung wurde enger und inniger… bis unser beider Herzen Rock´ n Roll spielten, und unser Atem sich überschlug, sodass uns nichts mehr anderes übrig blieb, den Kuss zu beenden, wenn wir überleben wollten. Doch das war nur eine Pause, die solange anhielt, bis jeder von uns wieder Luft bekam… dann wiederholte sich der Kuss, bis wieder zu dem Moment, wo nichts mehr ging, außer Luftholen. Doris wurde später meine Frau. Ja, in der Tat – auch wenn das nicht jeder Mann gerne zugibt. Sie war und ist die einzige Frau in meinem Leben… außer meiner Mutter natürlich, und der Oma. Es kann aber auch nicht jeder Mann von sich behaupten, dass er die große Liebe seines Lebens getroffen hat. Dies kann ich. Es gibt nicht Vieles, dass ich mit solcher Sicherheit sagen kann – aber dies schon: mit Doris machte ich den besten Glücksgriff meines Lebens. Solch ein Glück, solch einen tollen Partner zu haben, das trifft beileibe nicht jeden, oder sogar nur wenige. Doris ist eines der wenigen Dinge, wenn ich mal so sagen darf, die mir im Leben vergönnt waren und sind. Sie ist nicht die hübscheste, sexyste, intelligenteste, nein, noch nicht einmal netteste Frau, die ich je kennengelernt habe, aber ihr liebes Wesen, ihre Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, ihr Fleiß, ihre gesunde, wenn auch einfache, Weltanschauung – letztlich auch, um auch dies zu erwähnen, wenn auch durchschnittliche, aber dennoch nicht schlechte Figur, und auch ihr liebes Engelsgesicht – vor allem jedoch ihre echte, große Liebe zu mir, machten sie zur perfekten Frau für mich. Sie war und ist, stets Freundin und Geliebte und Kumpel zugleich. Wir teilen nicht nur Tisch und Bett, wie es so schön heißt, nein, auch unsere Gedanken und Gefühle und unsere Einschätzung über Werte sind identisch. Wir geben für die gleichen Dinge Geld aus, oder eben nicht. Wir haben den gleichen Geschmack – beim Essen, oder einem Möbelstück oder einem Automobil. Wir haben uns gesucht und gefunden, wir ergänzen uns vollkommen. Selbst beim Sex. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass ein Schnösel wie ich, sie nicht verdient hat. Sie ist außergewöhnlich, einzigartig – nicht für andere, aber für mich – und ich glaube und hoffe, dass sie über mich genauso denkt und fühlt.

Meine Gedanken verweilten einen weiteren Augenblick an ihrem Gesicht, so, wie es damals, als junges Mädchen war. Dann alterte gedanklich ihr Gesicht – zu dem Zeitpunkt, als sie unsere Tochter auf die Welt brachte. Da war sie zweiundzwanzig. Meine Gedanken führten mich zur Geburt, bei der ich anwesend war. Es dauerte Stunden, und war anstrengend… auch für mich. Mir fiel ein, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt keine Probleme hatte, Blut zu sehen… von da an schon. Mir wurde damals schlecht, ich wurde kreideweis und musste mich hinlegen.

Ich lehnte mich zurück und trank einen kräftigen Schluck Bier. Peter tat es mir gleich und winkte erneut dem Wirt. Ansonsten blieb er ruhig, er wusste, dass mich meine Gedanken nicht in Ruhe ließen. Und so war es. Diese Gedanken führten jedoch zu keiner Idee. Ich brauchte aber eine Idee um weiter zu kommen. Ich schaute auf die Uhr. Wir hatten mindestens noch zwei Bier Zeit. Erneut beobachtete ich die Spatzen, als ob sie mir, uns, verraten könnten, ob unser aller Leben nun von einem Schicksal abhängt, oder nicht. Welcher Gedanke könnte mir da weiterhelfen? Ich überlegte, welche Eigenschaften die Menschen besitzen. Da war die Erfindungsgabe. Das Rad wurde ja erfunden, und hat so unser aller Leben beeinflusst. Da ist der Charakter eines Menschen… ein guter, oder eben ein schlechter… und die Schulbildung, die Freunde… Stopp, diese Gedanken hatte ich schon – Glück, Pech… ja, was gab es noch? Die Fähigkeit auf Veränderungen und äußere Begebenheiten zu reagieren. Also unser Verstand… mir fiel wieder Daniela ein… der Tot.

Kapitel 2

Erlebtes

Der Tod hatte mich mehr als einmal in meinem Leben schmerzlich berührt. Wie jeden von uns. Jeder Mensch lernt den Tot in seinem Leben kennen – früher oder später – brutal, oder kaum merklich, weil man noch zu jung war sich zu erinnern, beziehungsweise – die brutale Tour, weil man vielleicht sogar die ausführende Kraft, also der Killer war. Als Soldat beispielsweise oder als Unfallfahrer.

So einen Killer lernte ich, gewissermaßen, kennen. Ich arbeitete damals schon als Reporter bei einer Zeitschrift. Schräg gegenüber von der Eingangstür unserer Redaktion, also auf der anderen Straßenseite, war eine Bank. An diesem kalten Novembermorgen, es war der fünfte, der Geburtstag meines Bruders… an dem Tag wurde, als ich gerade die Tür zum Treppenhaus öffnen wollte, die Bank überfallen. Ich wurde aufmerksam, weil, wie ich – anfangs nur aus den Augenwinkeln, wildes Getümmel beobachtete. Dann Geschrei, kurze Kommandorufe des Anführers. Kurz darauf hörte man Reifenquietschen, und eine dunkelblaue Limousine kam von der Kreuzung her angerast. Sie hielt vor dem Eingangsportal der Bank. Nur wenige Sekunden später hörte man schon die Sirenen mehrerer Polizeiautos. Ich schaute mich nach allen Seiten um, und stellte mich in den Hausflur. Durch die massive Holztür fühlte ich mich, falls noch Schüsse fallen sollten, sicher. Ich beobachtete von nun an das Spektakel nur noch durch den Spalt zwischen „Tür und Angel“. Vier Polizeiautos kamen nun plärrend aus zwei Richtungen kommend, an. Ein Polizeiauto versperrte dem Fluchtwagen den Weg. Der Fahrer darin hob sofort die Hände, blieb aber im Auto sitzen. Die übrigen Bankräuber, keiner wusste zu dem Zeitpunkt, wie viele es waren, blieben in der Bank. Man konnte nur zwei Schatten hinter der leicht spiegelnden Glastür nervös hin und her rennen sehen.

Ich erinnerte mich, dass sich von nun an die Ereignisse überschlugen. Es kam noch zwei Autos der Polizei an. Mannschaftswagen. Sie hielten mitten auf der Straße. Der eine neben dem Fluchtauto, der andere dahinter. Aus beiden Wagen gingen die Schiebetüren auf, und je vier Polizisten sprangen, kaum dass sie gehalten hatten, mit gezogenen Waffen aus den Busähnlichen Fahrzeugen heraus. Die, neben dem Fluchtauto, umzingelten den dortigen Fahrer. Sie öffneten die Tür, und zerrten den Fahrer, der keinen Wiederstand leistete, aus dem Auto, und zogen ihn hinter den Bus, mit dem sie gekommen waren. Die anderen Beamten, aus den übrigen Autos hatten, ebenfalls mit gezogenen Pistolen, das ganze Szenario abgesichert, und verschanzten sich nun hinter ihren Autos. Die Polizisten aus dem letzten Bus hatten die Heckklappe ihres Fahrzeugs geöffnet, und waren gerade dabei, die Straße abzusperren, und Schaulustige, welche bereits, trotz der frühen Morgenstunde – es war sieben-Uhr-dreißig, herangeeilt waren, und gafften – in Sicherheit zu bringen. Währenddessen war ein Schuss in der Bank zu hören gewesen. Alle duckten sich. Sekunden darauf tat sich was an der Eingangstür der Bank. Sie ging auf, und ein Mann im dunklen Anzug wurde vor die Tür geworfen. Die Bankräuber machten klar, dass mit ihnen nicht zu spaßen war. Sie hatten den Mann – später stellte sich heraus, das er in derselben Straße wie ich wohnte… wir waren also Nachbarn… sie hatten ihn, mit einem Genickschuss hingerichtet. Einfach so, nur, um zu beweisen, dass mit ihnen nicht gut Kirschen essen war, und das ihren Forderungen, die wohl noch folgen würden, Folge zu leisten sein wird.

Schlimme Erinnerungen. Ich schaute zu Peter, der mir zuprostete und trank. Auch ich leerte mein Glas, dankbar, dass mich Peter nicht aus meinen Gedanken riss. Aber so waren wir immer, wenn wir in dieser Kneipe saßen. Wir redeten über Gott und die Welt, diskutierten über Politik oder Frauen, oder verloren uns, wie heute, in unseren Erinnerungen. Keiner von uns käme auf die Idee, den anderen dabei zu stören. Wir saßen uns dann – wie jetzt – nur gegenüber, tranken unser Bier, schauten zwischendurch auf die Uhr, um zu sehen, ob es schon Zeit war nach Hause zu gehen, und spannen unseren Tagtraum weiter. So schaute ich wieder aus dem Fenster, und blickte auf den Baum – ins Leere.

Ich sah wieder die Polizisten vor mir. Auch sie hatten wohl nicht mit einem solchen Vorgehen der Bankräuber gerechnet- nicht zu diesem Zeitpunkt. Es war ja noch zu keinen Verhandlungen gekommen. Warum also diese Brutalität? Sie waren, jedenfalls für den Moment, fassungslos – ich war fassungslos! Richtig Sprachlos und betroffen, war ich erst später, als ich erfuhr, das der Tote, sein Name war Wolfgang Müller, mein Nachbar war.

Ich war damals fünfundzwanzig Jahre alt, arbeitete gerade seit gut einem Jahr bei diesem lokalen Wochenblatt. Dieses Erlebnis war das Extremste, welches ich bis dato erlebte. Ich war, Gott sei Dank, nie beim Militär.

Meine Gedanken holten mich wieder zurück in die andere Welt – meine Gedankenwelt… meine Erinnerung.

Es kam wieder Bewegung ins Spiel. Die ebenerdige Tür der Bank wurde einen Spalt geöffnet. Einer der Bankräuber schrie etwas – ich konnte nicht verstehen, was. Aber die Polizisten hatten verstanden. Jemand ging zu einem der Busse, und nahm ein Megafon aus dem Fahrzeug.

Er sprach: „Bitte beruhigen sie sich… wir werden ihren Forderungen nachgeben. Behalten sie Ruhe und versuchen sie sich und die Geiseln zu entspannen. Wir werden den gewünschten Fluchtwagen bereitstellen… sie müssen sich jedoch einen Moment gedulden. Es wird circa eine halbe Stunde dauern… also bitte… bewahren sie Ruhe und entspannen sie die Situation“, wiederholte er – „… sie werden ihr Auto bekommen, aber bitte, schießen sie nichtmehr, es gibt keinen Grund weiterer Gewalt… ich verspreche das wir sie, mitsamt ihrem Fahrer ziehen lassen werden… bestätigen sie.“

Der Bankräuber schrie wieder etwas, das ich wieder nicht verstand. Doch das „O. K.“ des Polizeisprechers lies darauf schließen, das der Gangster seine Forderungen wiederholt hat. Die Glastür der Bank schloss sich wieder.

Einer der Beamten war plötzlich bei mir, und befahl mir, den Ort zu verlassen – ich ging eine Etage höher in mein Büro. Von da konnte ich den Fall aber kaum weiterverfolgen.

Später, in den Nachrichten – im heimischen Wohnzimmer, konnte ich verfolgen, wie der Fall weiterverlief. Die Polizisten hielten scheinbar Wort, und lieferten das Fluchtauto. Sie ließen den Fahrer wieder zu seinen beiden Kameraden. Er setzte sich hinter das Lenkrad des blauen Fluchtautos, die beiden aus der Bank nahmen hinten Platz. Jeder von ihnen hatte eine gefüllte Plastiktüte dabei. Die anwesenden Polizisten verfolgten sie, wie wohl versprochen, nicht. Aber natürlich ließen sie die Kerle nicht einfach so davonkommen. Zwei Hubschrauber verfolgten die Flucht. Einer von ihnen immer im Schatten des Autos, unbemerkt – in großer Höhe. Der zweite Hubschrauber flog tief, parallel zum Fluchtauto, aber außer Sichtweite. Über Funk waren alle natürlich permanent untereinander verbunden, wobei der hochfliegende Helikopter scheinbar den Einsatz leitete und koordinierte. Polizeifahrzeuge folgten dem Geschehen in sicherem Abstand oder auf Parallelstraßen und Autobahnparkplätzen. Und hier, auf der Autobahn schlugen sie zu. Über Fernsteuerung wurde die Elektronik des Fluchtautos gestört. Das Auto wurde langsamer. Die Verfolger schlossen auf, und zusätzlich kamen weitere Polizeiautos vom Parkplatz, und so waren, innerhalb von wenigen Minuten, die Gauner umzingelt. Der tieffliegende Hubschrauber umkreiste das Geschehen. Der Fahrer stieg wieder als erster aus. Einer seiner Kollegen, wohl der, welcher auch schon Wolfgang Müller erschoss, schoss ihm in den Rücken. Daraufhin eröffneten auch die Beamten das Feuer. Sie durchsiebten das Auto… keiner der beiden anderen, kam lebend davon.

Der Oberhammer – so recherchierte einer unserer Reporter - war, dass das Geld unbrauchbar war, weil zwei Farbpatronen – in jeder Tüte eine, explodierten.

Vier Menschen waren gestorben. Hatte das Schicksal wirklich nichts anderes mit diesen Leuten vor? Hatten sie ihr Schicksal selbst in Händen? Die Polizisten… Wolfgang Müller? Wohl kaum.

Ich schaute Peter an.

„Was gibt’s?“ – fragte er mich.

„Ach“, murmelte ich vor mich hin.

„Ich komme zu keinem richtigen Schluss. Weißt du, manchmal denke ich, ich wäre einer von diesen Vögeln da draußen. Ich könnte, einfach so, vom Boden aufsteigen. Aus der Vogelperspektive könnte ich dann alles sehen. Nicht, weil ich neugierig bin, sondern… weil ich dann schlicht und einfach

den Überblick hätte. Man könnte nicht nur alles sehen… mein Gedanke ist, das ich dann alles besser verstehen könnte… die Zusammenhänge erkennen könnte.“

Ich hob die Schultern, und erklärte meine Vision weiter: „Es gibt so viele Dinge, die wir, von hier, vom Boden aus – einfach nicht sehen können, und somit auch nicht verstehen können. Wir wissen zwar vieles. Wie ein Auto gebaut wird. Was Religion ist, wie ein Schiff beladen wird. Wie unsere Gesellschaft funktioniert, und so weiter. Aber wissen wir, wie es Frau Müller erging, als sie hörte, dass ihr Mann bei einem Banküberfall erschossen wurde? Was hatten sie geplant? Einen Urlaub, wollte sie schwanger werden – oder war sie nicht gar schwanger? Wie wurde sie dann damit fertig? Alleine, mit einem Baby, dessen Augen vom Vater waren. Wie oft würde sie ihren Mann in des Kindes Gesicht erkennen? Wie wäre das Schicksal des Kindes beeinflusst, wenn es ohne seinen Papa aufwächst? Würde sein Leben genauso verlaufen – mit oder ohne Vater?

Ich bestellte die letzte Runde für heute Abend und Peter pflichtete mir nickend bei – auch was das letzte Bier anging.

„Ich verstehe nun, was dich beschäftigt“, meinte er, und lehnte sich zurück.

„Du suchst nach der Erklärung, die wir uns alle einmal stellten – warum das Ganze – und wer bestimmt über uns – wir, oder Gott.“

„Genauso ist es“, gab ich zu – „… es beginnt beim Entstehen des Universums, was ja auch so eine ungeklärte Frage ist, und endet nicht bei Danielas Tod, und warum es so schlimme Krankheiten wie Krebs gibt. Ich will nicht alles hinnehmen. Ich will die Fragen klären, wohlwissend, dass ich das nicht kann. Niemand kann alle Fragen beantworten, selbst das größte Genie nicht. Aber ein paar Fragen, die, welche mich am meisten bewegen, die will ich beantwortet haben.Werner brachte die letzten Biere für heute Abend.

Kapitel 3

Erkenntnisse

Ich setzte mich zurück, nahm das Glas in die Hand und Peter tat es mir gleich. Wie Fotos, die man sich in schneller Folge betrachtet, sah ich weitere Bilder meines Lebens vor meinem inneren Auge vorbeihuschen. Bilder meiner Jugend, meine Freunde… Bilder meiner Frau, als sie jung war, etwa zwanzig, und heute, dreißig Jahre später – ihr Gesicht, teilweise gezeichnet von Schmerz und Kummer… den halt jeder während seines Lebens hat… und ja, auch ihre Haarfarbe war nicht mehr die selbe… doch das war immer noch nicht das Bild, welches ich brauchte, um zu einer Erkenntnis zu kommen.

Was war da auch schon, in meinem Leben, das so normal ablief wie es wohl bei neunzig Prozent der Menschheit verläuft – unabhängig davon, ob nun einer Millionär, Milliardär oder Bettler ist. Sicher, der Tagesablauf bei einem Millionär und einem Arbeiter, wird wohl – vielleicht sogar extrem – unterschiedlich sein, aber nicht grundlegend. Beider leben verlief, vom Prinzip her jedenfalls, praktisch gleich. Ihre Mütter hatten sie in die Welt gesetzt… sie besuchten eine Schule, beide hatten im Winter einen Mantel an… sie durchlebten die Pubertät, lebten in einem Haus, und gingen beide einer Arbeit nach. Ob des einen Mantel nun 100 oder 1000 Euro kostete, ob das Haus nun 200000 oder 700000 Euro kostete… beide hatten stets warm, und es regnete nicht durch das Dach. Doch hatten beide Söhne… und denen stand beiden beide Möglichkeiten offen – theoretisch jedenfalls, der eine könnte absteigen, der andere aufsteigen… wenngleich die Wahrscheinlichkeit wohl eine andere sein wird.

Nach einem Blick auf meine Armbanduhr, welche halb zwölf – also kurz vor Mitternacht, anzeigte, beschloss ich heimzugehen. Ich würde heute zu keinem Geistesblitz kommen, das wurde mir in dem Moment klar. Ich schaute zu Peter, der mir gähnend zunickte. Er hatte mich, wieder einmal, wortlos verstanden.

Mit den Worten: „Ja, für heute soll Schluss sein“ – machte er deutlich, dass wenn man einen ganz genau kennt, sich gut versteht – und vor allem, wie wir beide, von klein auf miteinander aufwächst – ein Seitenblick genügt, um zu verstehen, was der andere will.

So leerten wir beide unsere Gläser, und taten, was sonst nur Frauen vorbehalten ist – wir gingen zusammen auf die Toilette. Beim hinausgehen zückte ich den Geldbeutel und zahlte die Zeche bei Werner an der Theke. Dann machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Unsere Einfamilienhäuser waren höchstens einen Kilometer weit weg. Unterwegs, auf der anderen Straßenseite, trafen wir noch Siggi, einen weiteren Nachbarn, der wohl ebenso wie wir auf dem Heimweg war. Siggi war Chorleiter des katholischen Kirchenchors und kam wohl gerade von der Probe. Morgen war hoher Besuch angesagt. In unser kleines, nur etwa viertausend Seelen zählendes Örtchen, würde Morgen der Ministerpräsident kommen, um die Anbindung an die Autobahn zu eröffnen. Es würde also einiges los sein, in unserem sonst so verschlafenen Kaff, auf dessen Bürgersteig wir drei hier mit Sicherheit die einzigen waren, die noch unterwegs waren.

Vor meiner Haustür verabschiedete sich Peter mit kurzem Gruß – er musste noch drei Häuser weiter.

Heute war Samstag, Doris könnte also noch wach sein, dachte ich, als ich die Haustüre von unserem Haus öffnete. Doch dem war nicht so. Als ich, auf leisen Sohlen, einen Blick in unser Schlafzimmer riskierte, sah ich, dass Doris bereits tief und fest schlummerte. Ich musste noch einmal auf die Toilette – die vier Bier mussten raus… dann legte ich endlich meine Jacke in der Garderobe ab, dabei sah ich in den Spiegel, und ich verharrte einen Moment und schaute mein Spiegelbild an, als ob das mir meine Fragen beantworten könnte. Ich sah einen Mann, der wohl kaum durchschnittlicher sein konnte. Weder hübsch noch hässlich. Nichtmehr ganz gesund, aber auch nicht wirklich krank… das Bild eines neunundvierzigjährigen, 181 cm großen Mannes halt. Braune Haare, mit nur leicht grauen Schläfen… und noch allen Zähnen… nein, mein Spiegelbild würde mir heute nichts erzählen. Ich beschoss gähnend ins Bett zu gehen.

Im Bett liegend gingen mir noch etliche Bilder durch den Kopf. Ein Stamm in Afrika, eigentlich Wilde Eingeborene – ohne, für uns Mitteleuropäer sichtbare Kultur, welche, die nur mit Lendenschurz bekleidet waren… diese behaupteten, dass sie – ihre Vorfahren, nicht von der Erde stammten. Dieses Volk verfügt sogar über ein Instrument aus Eisen, das so ähnlich aussieht wie ein Sextant und mit einem Ende – in einer bestimmten Richtung, in den Boden gesteckt wird. Das Gerät zeigt dann, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf den Stern* von dem sie kämen. Verblüffend daran ist, das, nach ihren Sagen her, es dort – gemeint ist der Stern Sirus, es drei Planeten gäbe. Die Wissenschaftler – das erste Mal begegnete man dem Volk in den Fünfzigern, konnten zu der Zeit, mit ihren Teleskopen nur zwei Sterne auflösen, sichtbar machen. Erst in späterer Zeit, in den Siebzigeren, wurde festgestellt, dass Sirius tatsächlich ein dreifaches Gestirn ist!

Wissend, das mich auch dieser Gedanke nicht weiterbringt, schlief ich ein. Aber ich würde noch hinter das Geheimnis des Schicksals kommen, dessen war ich mir sicher.

*Dieses Volk, es trägt den Namen Dogon, gibt es wirklich. Ein Planetensystem bei einem der drei Sirius-Sterne, konnte dennoch bis heute nicht nachgewiesen werden, und gilt als unwahrscheinlich (nicht unmöglich)

Kapitel 4

Träume und…

Ich träumte von einem leuchtenden Ei. Das Ei hatte in etwa die Größe eines Straußeneis – und schwebte über einem See. Aber das war noch nicht das verblüffendste – dies war der Umstand, dass das Ei vollkommen aus leuchtenden Buchstaben bestand. Ähnlich den Buchstaben einer Neonreklame. Alle Buchstaben leuchteten in goldgelber Farbe. Bei genauerem Hinsehen, konnte ich erkennen, das auch Zahlen unter den Buchstaben waren. Einen Sinn ergaben aber weder die Zahlen, noch die Schriftzeichen. Ich schaute noch besser hin, und sah, dass die Buchstaben nicht alle arabisch waren, nein, auch griechische Ziffern und sogar so etwas wie Keilschrift war zu erkennen.

Dann sah ich einen Vogel, der einem Adler ähnlich war. Er stieg vom Rande des Sees auf und stieg kreisend immer höher – so hoch, dass er die gesamte Welt im Blick haben musste. Er schien sich alle Details zu merken, die er beobachtete.

Der Vogel flog, nachdem er alles gesehen hatte, zu einem Mann, der auf dem Gipfel eines hohen Berges stand. Ich konnte nur die schwarze Silhouette des Mannes erkennen. Der Vogel landete auf der breiten Schulter des Mannes. Er schien dem Mann ins Ohr zu flüstern. Als der Vogel sich vor die Füße des Mannes setzte, breitete der Mann – scheinbar warnend, die Arme aus, und schrie nach unten ins Tal… aber niemand hörte ihn… auch ich nicht.

Ich wurde wach. Schweißgebadet. Was der Traum mir sagen wollte, war klar. Es würde was Großes geschehen, und ich war dabei. Das Ei symbolisierte das große, noch zu klärende Geheimnis. Der Vogel war sowas wie ein Spion, ein Allwissender. Und der Mann auf dem Berg – das wardann wohl ich… derjenige, der alle Anderen Warnen will, und nicht gehört wird… ich musste hinter das Geheimnis kommen. Vielleicht würde ich das Geheimnis erkennen können… vielleicht. schaute auf meinen Wecker, welcher in roten Lettern 4: 07 Uhr anzeigte. Ich legte mich wieder hin und schlief weiter.

Doch ich schlief unruhig, weil mich erneut wilde Träume plagten. Ich sah einen Mann vor mir, einen dunkelhaarigen, untersetzten – mir völlig unbekannten Mann, im dunklen Anzug, welcher einen Hut anhatte. Der Mann hockte in einem Zug. Er schaute sich die vorbeihuschende Landschaft an. Er spiegelte sich im Fenster. Der Mann blickte plötzlich auf – etwas schien seine Aufmerksamkeit zu erwecken – der Blick des Mannes verfinsterte sich… wurde ängstlich – ich konnte nur nicht erkennen warum, da mein Traum stumm ablief. Nun flogen Glassplitter unbekannter Herkunft dem Mann entgegen – er hob schützend die Arme vor das Gesicht. Er beugte sich nach vorne, und nahm den Kopf zwischen die Knie, er wurde hin und her geschüttelt… noch mehr Bruchstücke flogen dem Unbekannten um die Ohren, doch wie durch ein Wunder wurde der Mann von keinem Teil getroffen. Der Zug schien nun auf der Seite zu liegen – Funken sprühten, die Scheibe, in der der Mann sich eben noch gespiegelt hatte, flog als Ganzes weg… die ganze Seitenwand wurde stark verformt… Bleche flogen, ebenso wie eben das Fenster, davon. Schotter wurde ins Abteil geschaufelt, spritzte hoch – dem Mann knapp an der Schläfe vorbei – er schloss die Augen, ihm wurde sichtbar schlecht, er war ganz bleich und der Zug schlitterte immer noch über den Boden, aber unglaublicher Weise war der Mann noch auf seinem Platz. Der Zug kam zum Stillstand – er öffnete die Augen und sah zwischen seinen Füßen einen Kopf. Den Abgetrennten Kopf seiner Frau… der Mann musste Kotzen… ich erwachte. Ich stand auf. Ich zitterte. Noch nie hatte ich einen so realen – so einen emotionalen, unwirklichen, heftigen Traum. Ich musste was trinken gehen, stand auf, und begab mich in die Küche. Bevor ich die Küchenschranktür öffnete, um mir ein Glas zu nehmen, nahm ich erst tief Luft. Langsam atmete ich aus, danach ging es mir etwas besser. Ich schaute auf die Küchenuhr über der Tür, sie zeigte 6: 09 Uhr an – es war noch sehr früh, für einen Sonntagmorgen, aber ich würde heute wohl nichtmehr einschlafen. Ich füllte mein Glas am Wasserhahn, und trank das Glas halb leer. Ich füllte nach und begab mich ins Wohnzimmer damit. Dann setzte ich mich auf die Couch und stellte das Glas auf den Couchtisch. Ich nahm die Fernbedienung, und schaltete den Fernseher ein. Einen Nachrichtensender. Die Schrift, die zu sehen war hieß – „Breaking News“ – dann erschienen Bilder eines Zugunglücks… ein Feuerwehrmann begleitete einen Überlebenden aus dem Zug… der Mann aus meinem Traum – ich schluckte… schluckte die nicht vorhandene Spucke herunter – träumte ich immer noch? Ich kniff mich mit der rechten Hand in den linken Unterarm… es tat weh. Was war geschehen? War ich Verrückt – plötzlich Hellseher? Bildete ich mir nur etwas ein? Wie konnte der Fernsehsender diese entsetzlichen Bilder so schnell senden… das konnte doch nicht sein?!

Als ob die Moderatorin meine Gedanken lesen konnte, gab sie mir quasi Antwort auf die letzte Frage, indem sie ihrem Publikum mitteilte: „Das Kamerateam war gerade in einem ganz anderen Fall unterwegs… eigentlich auf dem Rückweg ins Studio, als der Fahrer des Busses, in dem das Filmteam oft unterwegs ist, das Zugunglück beobachtete. Sie hielten sofort an, um zu helfen – informierten gleichzeitig Polizei und Feuerwehr… und ja, sie machten ihre Kamera fertig, um sie, liebe Zuschauer – aktuell und exklusiv, über dieses tragische Unglück zu informieren. So, wie unsere Reporterin, Angela Mauren, uns telefonisch mitteilte, seien die Einsatzhelfer der Polizei und der Feuerwehr nur wenige Minuten nach dem Unglück eingetroffen. Doch ob, oder wie viele Tote oder Verletzte sich an dem Unfallort… kurz hinter Frankfurt… eh… befinden, dazu lässt sich bis zur Stunde noch nichts Genaues berichten… ebenso wenig ist klar, warum der Zug entgleiste… aber wir bleiben selbstverständlich für sie am Ball, und werden ihnen laufend berichten. Moment bitte… ich höre gerade von unserer Reporterin die neueste Meldung… Angela, hörst du mich… die Verbindung ist schlecht…“

Auf dem Bildschirm war nun nichtmehr die blondgelockte Moderatorin zu sehen, sondern die Reporterin vor Ort, die gerade ihr Handy zuklappte, und stattdessen in ihr Mikro sprach: „Ja, Monika Sanders… die Verbindung müsste nun stehen…“

Sie strich sich das – im dunkeln, schwarz aussehende Haar aus den Augen, welches vom Wind jedoch sofort wieder vor die Augen flog, weshalb sie sich in den Wind stellte – dann sprach sie: „Ja, eh… wir können einen Mann interviewen… ein Überlebender… Herr Frey… sie sind, Gott sei Dank, ohne weitere Verletzungen aus dem Zug gekommen… können sie uns mitteilen, was passiert ist?“

Dieser Herr Frey - meine Vision, mein Herz raste bei seinem Anblick und schlug bis zum Hals – starrte zunächst nur, immer noch gestützt von dem Feuerwehrmann – sekundenlang, mit weit aufgerissenen Augen, in die Kamera, bevor er stammelte: „Tod… se sin alle Tod“ – er schaute nach unten, und der Feuerwehrmann führte ihn zum Krankenwagen, der, nur wenige Meter weiter, bereits mit geöffneten Türen auf Herrn Frey wartete.

„Ein gebrochener, am Boden zerstörter Mann, meine Damen und Herren, wohlmöglich der einzige Überlebende dieser Zerstörung, dessen Grund wir noch nicht kennen… bitte bleiben sie dran. Wir werden versuchen alles Wissenswerte für sie zu erfahren, wir werden sie auf dem Laufenden halten – bis dahin, für Kanal 6 – ihre Angela Mauren, danke… und somit zurück zum Sender.“

Kapitel 5

Teil 2

… Visionen

Doch statt nun etwas Reales zu tun, wie, mich beruhigen, und mich wieder ins Bett zu legen… oder mit Doris, wenn sie denn wach ist, über das Erlebte oder meine Träume zu reden – über das, was in den letzten zwei Stunden geschah… über meine Hellseherei – oder was immer es war. Stattdessen tat ich etwas, was ich bis dahin noch nie getan hatte. Ich wusste noch nicht einmal, warum ich tat, was ich da vorhatte. Ich wurde innerlich gezwungen. Als ob ich eine Marionette wäre. Ich hockte mich vor den PC und schaltete ihn an. Als er gebootet hatte klickte ich auf mein Schreibprogramm und begann wie irre zu schreiben… ohne Unterbrechung. Beinahe den ganzen Tag schrieb ich. Ich unterbrach das Schreiben nur, um mir zwischendurch ein Glas Wasser zu holen und um auf die Toilette zu gehen. Alles geschah wie in Trance. Doris sprach mich an, fragte, was ich da tat und bot mir Essen an. Doch ich winkte nur ab und sagte, dass ich dies hier nur fertig machen müsse und keinen Hunger hätte, obwohl mir der Magen knurrte. Ich wollte, musste meine Gedanken, die nur so aus mir heraussprudelten, aufschreiben.

Ich schrieb:

Roman von

Markus Ferra

Geldgier

Kapitel 1

Franks Erzählung.

Köln, Deutschland, gestern, - in der Zukunft.

Im Fernsehstudio eines Privatsenders.

Im Fernsehstudio war es heiß und ich schwitzte. Unter den Scheinwerfern fühlte man sich wie unter der Sonne Spaniens. Nur dass keine kühlende Brise kam. Und obwohl mir die Maskenbildnerin eben noch Puder auf die Stirn geklatscht hatte, standen schon wieder Schweißperlen auf meiner Stirn.

Das schlimme war, das mir, obwohl ich nicht viel anhatte, tatsächlich heiß war – ich erlebte zeitgleich, was ich schrieb. Dies war also mehr, als nur eine Vision – ich war dieser Frank… ich roch und fühlte, was er fühlte, und ich war nervös, als ob ich real auf diesem Sessel saß…

Das Interview begann von Seitens der Moderatorin mit einem feinen Lächeln. Dieses Mona Lisa – Lächeln… damit machte sie nicht nur mich, sondern Millionen anderer männlicher Zuschauer verrückt… und, - sie schwitzte nicht, und ich fragte mich wieso. Ich schob es auf meine Nervosität. Hinter der Kamera machte ein, ebenso nervös wirkender Mann, der ganz in dunkelblau gekleidet war ein Handzeichen und Karin, die Moderatorin, drehte sich zu mir und eröffnete die Sendung mit den Worten…

„Guten Abend, Herr Sommer, und…“ – nun zum Publikum gewandt,

„… Guten Abend, meine Damen und Herren.“

Die Applauslampe leuchtete, und der Applaus der etwa 100 Besucher vor Ort folgte prompt. Das rote Licht der Kamera zwei leuchtete und der Kameramann in weißer Jeans und schwarzem Hemd kam näher. Der Monitor zeigte, für das Publikum unsichtbar, Karin - in Großaufnahme.

Mein Herzschlag ging auch in der Parallelwelt höher, obwohl ich diese Karin, die wirklich sehr sexy war, nur mit meinem inneren Auge sah – meiner Fantasie?

Die Kamera die auf mich zeigte war aus, das erkannte ich an dem gelöschten Lämpchen. Karin drehte ihren hübschen Kopf wieder zu mir, und zeigte etwas mehr von ihren strahlend weisen Zähnen, die wie Perlen wirkten. Ihre gelborangefarbene Bluse, die sehr viel Dekolletee zeigte, blendete etwas im Scheinwerferlicht, aber vor allem musste ich versuchen, nicht auf ihre vollen Brüste zu starren, also blickte ich zum Publikum. Von dem erkannte ich aber nur die Leute, die in den ersten beiden Reihen setzten, alles dahinter verschwand im Halbdunkel.

„Ich darf ihnen Heute Herrn Sommer vorstellen. Herr Sommer ist der Bruder und einzige verbliebene Verwandte von Johann Sommer, dem Mann, der unsere Welt verändert hat. Herr Sommer, bitte erzählen sie den verehrten Zuschauern, aus ihrer Sicht, wie das damals war… mit ihrem Bruder“, sagte sie und ihre fast schwarze Haarpracht wallte beim Kopfschütteln hin und her.

Man hatte mir vor der Sendung gesagt, wie es in etwa ablaufen würde. Sie versuchten eine lockere Atmosphäre zu schaffen um mir das Lampenfieber zu nehmen… was sogar einigermaßen gelungen war, - dennoch nahm ich erst einen Schluck Wasser, und lehnte mich zurück in den weichen, schwarzen und wuchtigen Ledersessel, und pustete erst aus, bevor ich anfing zu erzählen. Nachdem ich mich gefasst hatte, und zum ersten Satz Luftgeholt hatte, sprudelte ich richtiggehend los, mir wurde in dem Moment klar, das auch ich heilfroh war, dass nun alles vorbei war. Denn Karin hatte Recht, mein Bruder hatte die Welt verändert.

„Ich sehe ihn heute noch vor mir, meinen Bruder. Wenn ich heute daran zurückdenke, wie alles begann, gebe ich ihnen… den Zeitungen, die später über ihn berichteten… hatten natürlich recht, jemand… ich, hätte ihn aufhalten müssen“, gab ich Achselzuckend zu.

Aber wie hätte ich das tun sollen, - und vor allem, ich glaubte nicht daran, an dass, was immer er auch tat – Tag für Tag“, sagte ich.

„Und sie wussten nie um was es geht?“

„Nein, nicht so richtig, ich… wir wussten nur, dass er sich mit dem Universum und der Zeit beschäftigt. Wie ein Verrückter zeichnete er seine Skizzen, Radierte, Kopierte, schrieb Notizen an den Bildrand. Er war besessen, gerade als er seinem Ziel sehr nahe war. Schon so oft hatte er das Projekt begonnen, und musste es immer wieder verwerfen, weil sich immer wieder Fehler eingeschlichen hatten. Doch immer neue Ideen zwangen ihn immer wieder dazu, sich hinzusetzen, und erneut zu zeichnen. Um seinen Plan endlich zu verwirklichen. Es musste sein. Es war mit der Zeit zum Zwang geworden. Er musste es schaffen. Seine Gedanken drehten sich um nichts anderes. Für nichts Anderes sonst hatte er Zeit. In seinem Leben gab es keine Frauen, - und schon gar keine Kinder, keine Zeit.