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Lemmy Kilmister. wer kennt ihn nicht. Der Autor erzählt seine Erlebnisse mit seinem Idol und zeitgleich die dramatische Story seines Lebens. Ein Buch voller Mystik, Spannung, Dramatik, Freundschaft und Liebe - und natürlich Rock´n Roll.
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Seitenzahl: 181
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Los Angeles...
bei Lemmy (Foto: Privat)
Nicht weit von Lemmy´s Wohnung gingen wir in ein Restaurant
Der Inhalt dieses
Romans entspricht teilweise
wahren Begebenheiten.
Orte und Datum wurden
zum Teil zufällig ausgesucht.
Sollten Namen vorkommen,
welche existieren, wäre dies
rein zufällig.
Außer dem guten alten Lemmy...
Rest in Peace, mein Freund.
Du wirst bis zum Ende meines
Lebens in meinem
Kopf sein...
Für Inge
und Lemmy
Dieser Roman beschreibt nicht nur meine (teilweisen) Erlebnisse
sondern auch meine Gedanken
über das
Schicksal
nicht zum ersten Mal
und wohl nicht zum Letzten Mal
Friedrich Schmidt
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Epilog
Teil 1
Ich... ich soll... man (Er) hat mir aufgetragen diese Story zu erzählen. Ich versuche mich kurz zu halten - weiß gar nicht so genau wo ich anfangen soll (eigentlich sind´s zwei Story´s). Doch, ja, ich weiß. Er, sein Name ist Frank, er hatte an diesem neunten April Geburtstag. Er ist ein Mensch, den man einerseits an jeder Straßenecke sieht, und doch wieder nicht. Anders als Andere, nicht besser oder schlechter. Außergewöhnlich? - in gewisser Weise schon. Nun, er war wohl eher das, was man einen Einzelgänger nennt, jedenfalls zu dem Zeitpunkt – am Anfang. Er lebte, wie man so schön sagt, in den Tag hinein. Möglich machte ihm dieses Lotterleben, vor allem seine Mama, bei der er mit seinen – ab diesem Tag achtundzwanzig Jahren, immer noch wohnte. In seinem Kinderzimmer. Das Zimmer war, seit seinem sechzehnten Lebensjahr, nicht mehr renoviert worden. Aber dies war ihm – wie neunzig Prozent der Dinge – Scheißegal. Ihn interessierte weder seine Umwelt, was die Leute um ihn herum taten oder sagten, was sie von Beruf waren, welche Interessen andere hatten. Geld, Haus, Auto, Urlaub, menschliche Dinge, ihre Ursachen, warum was kommt und woher. Alles war ohne Belang für ihn. Nichts, aber auch gar nichts, auf der Welt gab es, über das Frank sich Gedanken machen wollte, man sich den Kopf zerbrechen müsste. Das Gejammer seiner Eltern, Monika und Eric, - „sie müssten den Pfennig zweimal umdrehen, und, wann er endlich einen Job suchen würde (dieser Spruch kam vor allem von seinem Vater) und, und, und“. Dies alles war ihm so was von egal. Schlimmer noch – das Meiste fand er öde, wie das Gejammer von seinem Opa Fred. Immer und immer wieder die selben alten Geschichten: Wie er verwundet wurde, wie er sah als sein Kumpel seinen Fuß verlor, und sein bester Freund, der mit ihm im selben Dorf wohnte und mit ihm in die Schule ging. Er wurde, direkt neben ihm in den Kopf getroffen... „es hätte auch mich treffen können“ - hatte er zum Abschluss seiner Litanei noch immer wieder erwähnt.
Nun, zu Franks Verteidigung sei gesagt, dass das Schicksal relativ übel mit ihm mitspielte. So machte er als sehr junger Mann eher schlechte Erfahrungen.
Er lernte mit vierzehn die hübsche Selina kennen die so alt war wie er. Wie es so schön heißt: eine Jugendliebe. Sie waren in der letzten Klasse der Hauptschule – in der Nähe einer größeren Stadt – eine relativ große Stadt in Deutschland, genauer: Saarbrücken.
Jedenfalls brannte diese erste Liebe wie ein Strohfeuer. Hell, lichterloh, aber eigentlich kurz. Das dumme war, dass die zwei quasi schon halbwegs getrennt waren als sie ihm prophezeite, dass sie schwanger sei. Frank wurde also mit fünfzehn Vater. Dennoch machte er nach dem Schulabschluss eine Lehre als Maler und Lackierer, also ein Handwerk. Diese Arbeit machte ihm auch Spaß. Was schlimm war, dass er eben noch ein halbes Kind war – ebenso wie die Mutter. Um es kurz zu machen: die beiden mieteten sich, nach der Lehre, als genug Geld zum Leben vorhanden war, ein kleines Reihenhaus am Rande der Stadt, aber es ging nicht lange gut. Bereits circa ein halbes Jahr, nachdem sie dort eingezogen waren, gab es nur noch Streit. Ein lang andauernder Streit könnte man sagen; ein auf und ab der Liebe - über etwa drei Jahre. Selina fühlte sich nach dem Einzug in der großen Wohnung wie im goldenen Käfig - aber irgendwie leer.
Doch irgendwie entwickelte es sich, wenn man es so nennen will, scheinbar alles zum Guten - vorerst – ich glaube man nennt es eine Hassliebe. Sie rauften sich zusammen, hatten Streit das die Fetzen fliegen, dann sahen sie sich im Zimmer, in welchem sie sich gerade begegneten, in die Augen, lächelten sich an und küssten sich leidenschaftlich und landen dann nicht selten im Bett. Oder wo sie sich gerade befanden, auf der Couch, dem Esszimmertisch, hatten sie dann hemmungslosen, heftigen Sex. Dann ging es wieder eine Zeitlang gut, bis sie sich wieder, meist wegen Belanglosigkeiten heftig stritten, ja, bis Frank sich oft mal bremsen musste, um sie nicht zu schlagen. Was aber nie geschah. Sie konnte so zicken, so egoistisch sein. Nein, eine Partnerschaft bei der man hätte sagen können, die Beiden machen alles richtig, nein, so eine Partnerschaft war es nicht. Nicht, wo die Leute sagten: Ein schönes Paar... aber – es funktionierte... irgendwie. Sie heirateten sogar – kurz vor dem Einzug ins Haus - mit achtzehn und bekamen sogar noch zwei Kinder. Nicht alles war schlecht. Frank nannte es den normalen Wahnsinn. Die Zeit verging, alles ging seinen Lauf. Nicht schön, nicht so, wie es sein sollte – oder hätte sein können; aber, es lief, wie man so sagt. Frank arbeitete, sie schmiss den Haushalt, das klassische Klischee. Doch die ewigen Streitereien nervten Frank doch sehr. Wirklich sehr, so sehr, das er oft davor war alles hinzuschmeißen. Er war oft innerlich unruhig, ja, man müsste wohl sagen das Frank depressiv war, oder zumindest nervlich sehr angespannt. Zum zerreißen angespannt. Er wusste, vor allem nach einem schlimmen Streit nicht, wo ihm der Kopf stand. Zeitweise konnte man ihn sogar, wie es der Volksmund betitelt; ein nervliches Wrack nennen.
Am Schluss gab beinahe täglich Streit, was schließlich zur Trennung führte. Frank war zu der Zeit fünfundzwanzig, hatte Schulden, drei Kinder von zehn, neun und zwei Jahren. Alle Kinder wollte er nicht. Nicht wollen war falsch ausgedrückt - er war einfach zu jung gewesen, der Sache nicht gewachsen, was unweigerlich zu Stress in einer sowieso nicht recht funktionierenden Beziehung zum Schlussstrich führte.
Der Hauptgrund für die Trennung war letztendlich die Borderline-Erkrankung seiner zweitältesten Tochter, welche zu dem Zeitpunkt am Anfang der Pubertät stand. Das verwirrte ihn noch mehr. Diese seltsame Krankheit. Es stellte sich heraus, das ein „normal“ denkender Mensch damit nicht zurecht kommt. Frank versuchte krampfhaft alles in geordneten Bahnen zu halten. Seine Ehe, seine Kinder. Er versuchte alles zu richten, geradezubiegen was er konnte. Aber, es gelang ihm nicht. Er scheiterte, nicht alleine, denn er erhielt keine Hilfe von seiner Frau. Der Bruch war dann irgendwann unaufhaltsam. Alles ging seinen weiteren Weg. Aber er war enttäuscht. Fürs Leben enttäuscht.
Erst besuchte er seine kleinen Mädchen noch eine Zeit lang. Das verringerte sich jedoch zunehmend, und als die Mutter mit den Kleinen in einen anderen Ort zog, der weiter weg war, sah er sie immer weniger. Irgendwann hatte er das Interesse völlig verloren und ging nicht mehr hin. Seine Töchter waren zu einer Sache geworden, eine kindliche Dummheit seinerseits, für die er heute Unterhalt zu zahlen hatte, für den er aber keine Gegenleistung bekam - keine Liebe.
Wenn ich so darüber nachdenke, war Liebe vielleicht das, was Frank zum großen Teil seines Lebens gefehlt hat. Er doch so gebraucht hätte. Ich sehe darin jedenfalls einen großen Grund, warum er so verbittert wurde. Denn das Schicksal meinte es weiterhin nicht besonders gut. Er war unkonzentriert. Das Ergebnis davon lies nicht lange auf sich warten - er verlor seine Arbeit, was hieß seine Wohnung aufzugeben. Er verscheuerte den größten Teil seiner Möbel an den Nachmieter, einiges an ein Geschäft, das gebrauchte Möbel verkauft... meldete sich arbeitslos und konnte so die Rechnungen zahlen und es reichte zum Leben. Aber nur wenn er wieder zu seinen Eltern ziehen würde. Also zog er widerwillig wieder zu seinen Eltern.
Dies alles ist nun etwa zwei, drei Jahre her. Ja, im April war es wohl, als er sein altes Kinderzimmer wieder bezog. Die Sache mit seiner gescheiterten Ehe, die Kinder, Borderline... das alles hatte ihn seelisch tief herab gestürzt. In ein schwarzes Loch, aus dem er nicht mehr aus eigener Kraft heraus zu kommen schien. Und es geschah nichts wo man hätte sagen können, was dazu geführt hätte, dass es ihm besser ging. Im Gegenteil. Alles in dem Haus seiner Eltern nervte ihn. Anfangs fühlte er sich als Versager, der sein Leben nicht in den Griff bekommen hatte. Die Ehe, die Kinder, den Job, kein Geld, keine Möbel, keine eigene Wohnung. Er musste reumütig wieder zu den Alten zurück, sich die Kriegsgeschichten vom Opa anhören... die ganze Scheiße.
Ja, es ging ihm sehr schlecht, sehr, sehr schlecht. In nichts mehr sah er einen Sinn. Nichts, auch nicht zwischendurch, was mal guttat. Nur Schmerz, nicht echt, aber es fühlte sich echt an – im Kopf. Wirre Gedanken, die sich wie ein Karussell drehten und zu keinem Ergebnis führten. Schlaflose Nächte. Hilflosigkeit. Bitternis. Keiner half, kein Gott, kein Staat, kein Supermann. Alles Quatsch, alles böse. Wenn er den Fernseher anstellte – Tod und Verderben – überall auf der Welt. Für Frank war es kein Wunder, dass er zu der Zeit nichts mehr als „Gut“ erkennen konnte. „Wo war denn das Gute?“, fragte er sich oft. Alle rannten dem Geld, dem Glück und der Liebe hinterher. So waren seine Gedanken. Täglich, immerzu. Am liebsten ging er in die Kneipe am Ende der Straße, in der sie wohnten. Er versuchte die Gedanken von dem was er so erlebte – was ihn so prägte... mit Bier aus dem Kopf zu spülen. Es gelang nicht. Meist hatte er nicht genug Geld dabei um besoffen aus der Kneipe zu kommen, was kurzzeitiges Vergessen bedeutete.
Ärger und Wut kochte so mit der Zeit in ihm hoch. So würde ein Psychologe, spätestens zu dem Zeitpunkt sein Verhalten als mittelschwere Depression betiteln müssen. Er war fertig mit der Welt. Alle Menschen auf der Welt waren Scheiße. Nieten... nicht er war der Looser, sondern die, die nicht verstanden. Die Gesellschaft war versaut. Keine echten Werte mehr vorhanden. Nichts wo es sich rentiert hätte weiterzuleben. Zu der Erkenntnis kam Frank, je mehr er grübelte. Irgendwann malte er sich im Kopf aus, wie und wo er sich umbringen würde, aber er konnte den Schlussstrich nicht ziehen. Hierfür fehlte ihm die Kraft, der Mut... also hatte sich mit der Zeit ein gewisses Verhalten seinerseits eingestellt. Eben das ihm alles egal war, ihn nichts mehr interessierte, ja, er oft pöbelnd durch die Welt lief.
Sein Verhalten ging soweit, dass er Selbstgespräche führte, oft vor sich hinmurmelte. „Ihr Scheißer oder Armleuchter,“ - war noch harmlos.
Frauen betitelte er zum Beispiel als „nachgemachte Gummifuzze, hässliche, alte Nutte“, - dann setzte er – als Gag – noch einen drauf, indem er den Spruch noch höher spielte, und lachte dabei „oh, Entschuldigung - dumme, hässliche Nutte... ach nee, abartige, dumme, hässliche Nutte“ - die Steigerung fand er besonders lustig und lachte verfressen: „Harharhar“
Natürlich machte er sich keine Freunde mit so einem Verhalten. Sein Äußeres trug ebenso nicht dazu bei, bei anderen anzukommen. Sein blondes Haar hatte, so schien es, seit vier Jahren weder Shampoo, Wasser oder Kamm gesehen. Sie waren bis auf die Schulter gewachsen, was nicht schlimm war – das schlimme war, dass die Haare in alle Richtungen standen und fettig waren. Er dazu, stets unrasiert war. Er kaputte, dreckige Jeans trug. Seine Mutter schämte sich dafür. Oft genug hatte sie ihm gesagt er solle seine Sachen in die Wäsche tun, was er aber nicht tat. Gleiches galt für die T-Shirts und Hemden, die auch nicht mehr gut rochen. Man könnte auch sagen: er lief herum wie ein Penner. Aber das war ihm auch egal. Wenn jemand ihn wegen seines Äußeren ansprach, antwortete er mit: „Verpiss dich“ oder „neidisch, hä?“, oder einfach: „Arschloch, schau halt wo anders hin.“ Was alles zu noch mehr Ablehnung führte. Noch nicht einmal seine Kumpels in der Kneipe hielten zu ihm. Hier und da lachten sie über einen seiner Gags oder Sprüche, aber meistens schauten sie in die andere Richtung wenn er in die Kneipe kam. Eigentlich schlossen sie ihn aus, sprachen nur das nötigste mit ihm. Am ersten des Monats gab Frank daher hier und da ein Bier aus. Dann klopften sie ihm wieder auf die Schulter. Er wusste, dass das verlogenes Gehabe war, und dies hasste er besonders, dieses Getue, dieses falsche Lachen, aber, außer Denen hatte er sonst keinen. Sie sprachen wenigstens mal von was anderem. Sport, Weibern und so. Auch wenn ihn das nicht wirklich interessierte. Er hatte keinen mehr. Dort hatte er wenigstens ein wenig das Gefühl dazu zu gehören, zu dieser Gesellschaft. Die lehnte er ja eigentlich ab, aber... aber so war es nun mal... man musste irgendwen haben. Zum Reden. Sonst war man einsam. Und dann dachte man wieder wie man sich umbringt oder über die ganze Scheiße auf der Welt.
„Frank“, schrie seine Mutter von unten herauf. Sie wohnten in dem Haus, was sein Vater, wie er oft betonte, „mit eigenen Händen erbaute. Stein auf Stein“ - Frank konnte es nicht mehr hören. Nicht nur, dass stets die gleichen Storys erzählt wurden – von allen um ihm herum, - nein, sie benutzten immer und immer wieder die gleichen Worte und Gesten. Bei „Stein auf Stein“ pflegte sein Vater immer die Hände so zu formen, als hätte er die Steine in der Hand. Sein Opa Fred ebenso „man hat dem Karl, er wohnte drei Häuser von uns im selben Ort“ - Frank konnte die Wörter in Gedanken mitreden „da hat man ihm, direkt neben mir im Schützengraben in den Kopf geschossen. Er hatte soeben den Helm abgenommen um sich zu kratzen.“ Dabei schüttelte er stets den Kopf, was wohl heißen sollte, dass er das Geschehene bis heute nicht verstand.
„Frank“, kam es schon wieder von unten - „ich hab Kuchen für dich gebacken.“
Er hasste es. Er wollte es nicht.
„Die alte Schabracke, soll es doch einfach lassen“, sprach er vor sich hin, machte sich aber auf den Weg, da sie sonst doch keine Ruhe gegeben hätte. Also machte er sich zähneknirschend auf den Weg und setzte sich wortlos an den gedeckten Esszimmertisch. Mit einem Lächeln klopfte ihm seine Mutter auf die Schulter - „alles liebe zum Geburtstag, Schatz“. Sein Vater gab ähnliche Worte von sich, aber er hatte ihm nicht zugehört – nicht einmal angesehen, so hasste er ihn. Frank konnte ihn – und vor allem seinen Opa, kaum noch ertragen. Seine Mutter, nun, war halt seine Mutter. Sie nervte ihn auch, aber, seine... was auch immer – Liebe? Er glaubte nicht an so was, aber etwas ließ ihn noch irgendwie zu seiner Mutter stehen. Zuneigung? Nee, Mutterliebe beschrieb es wohl noch am ehesten. Es war wohl noch etwas aus der Kindheit davon übrig geblieben. Sie hatte ihm seine Wunden verbunden, und wenn er krank war, verarztet. Sie hatte ihm bei den Hausaufgaben geholfen und ihm beim Zubettgehen Geschichten vorgelesen. Das alles ging ihm durch den Kopf. Ja, er erinnerte sich. Es war nicht alles Scheiße auf dieser Welt. Erst seit er seit ein paar Jahren, als die Scheiße anfing, mit diesen Schreihälsen, da verwandelte sich die Welt in diesen gigantischen Misthaufen. Ja, das wurde ihm durch diese Gedanken klar, er hatte auch einen Hass auf sich selbst. Andere bekamen, wenigstens irgendwann, ihr Leben in den Griff – er nicht. Aber es war egal. Er lebte. Nicht gut, aber er konnte nichts daran ändern. Das war ihm seit langem klar. Es war ein Kreislauf. Geld steht im Vordergrund, dazu braucht man Arbeit. Glücklich ist man aber erst, wenn man die Liebe gefunden hat, mit den Kindern spielt. Nichts von alledem traf auf ihn zu, nichts von alledem hatte er, und er konnte es auch nicht erwerben, er konnte nichts tun. Eigentlich wartete er auf den Tod – jetzt schon. Denn ein Tag war wie der andere, und kein Tag war schön. Nie. Frank hatte resigniert, seit langem. Das verstand nur keiner.
Er kaute das letzte Stück des trockenen Kuchens, was auf seinem Teller war und sagte dann: „Tschau, ich geh in die Kneipe.“
Sein Vater schüttelte den Kopf, ebenso sein Opa, und, als Frank aus der Tür war, tat es Monika ihnen gleich. Sie verstand ihren Sohn auch seit langem nicht mehr.
„Ich wäre froh“, sagte Eric, als er die Tür draußen hörte, und er wusste, das Frank das Haus verlassen hatte - „wenn er endlich einen Job hätte, und er ausziehen würde. Das wäre für alle das Beste.“
Monika nickte bejahend. Eric sprach nur aus, was alle Betroffenen dachten – sie merkte jedoch an, dass das Schicksal es ja nicht gut mit ihm meinte, wusste jedoch ebenso gut, dass es anderen auch nicht besser oder schlechter ging. Dennoch hatten sich die Meisten, denen es so, oder so ähnlich erging, nicht so entwickelt, wie er sich entwickelte.
Die Kneipe war so gut wie leer. Auf dem Hocker an der Theke, saß nur sein Kumpel Thomas. Es war kurz nach sechzehn Uhr. Sie redeten nicht viel. Thomas begleitete ein ähnliches Schicksal wie Frank. Sie stierten wortlos vor sich hin und tranken ein Bier nach dem anderen. Einmal schaute Frank in seinen Geldbeutel, um zu sehen wie viele Biere er sich denn heute leisten wird können. Sam, der Wirt, schrieb zwar auf den Bierdeckel an. Aber das wollte er nicht. Nun, es würde für zehn Bier reichen. Damit hätte er genug. Er wäre besoffen genug um alle Scheiße dieser Welt für eine halbe Stunde zu vergessen.
Im Hintergrund in der Kneipe lief, so auch an diesem Tag, leise Musik. Radiomusik halt. Wie in tausenden Kneipen dieser Welt.
Plötzlich aber drangen Klänge an Franks Ohren, die ihm gefielen. „Sam, mach mal lauter.“ Sam gehorchte nickend. Langsam wandte Sam sich zu dem Radio, welches wohl aus den siebziger Jahren seinen Weg in diese Kneipe fand. Er drehte an dem silbernen Knopf des braunen Radios.
Franks Stimmung besserte sich Zusehens, als er das Lied hörte. „Wer ist das?“, fragte er die beiden Anwesenden. Doch diese hoben nur die Schulter. Von ihnen bekam er keine Antwort. Diese erhielt er vom Sprecher des Senders, als das Lied geendet hatte: „Ja, das war der gute alte Lemmy von Motörhead mit einem ihrer größten Hits – Ace of Spades... ja, der Gute lebt wohl für immer, jedenfalls seine Musik. Freunde, weiter geht’s mit...“
Frank hörte nicht mehr hin. Er hatte den Song noch im Ohr. Man, das war das Beste was er je hörte. Er musste mehr von diesem Lemmy erfahren.
Womit keiner der Beiden anderen rechnete; Frank zahlte und ging, sozusagen vorzeitig, nach Hause. Ohne daheim Hallo zu sagen, machte er sich wortlos in sein Zimmer. Dort angekommen schaltete er seinen alten PC an. Frank wollte mehr wissen über diesen Lemmy.
Alles, was er im Internet von Lemmy und der Band, Motörhead, sah und hörte, begeisterte Frank. Als er den PC angeschaltet hatte, war es auf seiner alten Armbanduhr 17:33 Uhr. Jetzt zeigte sie ihm 01:46 Uhr an.
Frank rieb sich die Augen. Er war müde. Seine Mutter hatte ihn – es muss wohl so zwischen 18 und 19 Uhr gewesen sein, mindestens ein dutzend mal zum Abendessen gerufen. Er hatte nicht reagiert. Es war nur, nach jedem rufen von ihr, Wut in ihm hochgekocht, weil sie ihn halt mal störte. Aber die Doofen verstanden ja nie etwas, hatte er gedacht – nicht mal das er auch gern mal seine Ruhe hatte, oder wie jetzt, sich mal was angucken mochte. Nun, irgendwann gab sie endlich Ruhe. Irgendwann hatte er aber schon Hunger. Er lies, es muss so gegen 23 Uhr gewesen sein, den PC laufen, ging runter an den Kühlschrank, schnitt sich ein gutes Stück Wurst ab, welche, Gott sei Dank, da war, und machte sich damit davon. Er setzte sich wieder vor seinen Computer und schaute weiter. Videos, Konzertausschnitte, eine Art Biographie von Lemmy, Interviews... er sog alles in sich auf. Von Anfang an, also dem Moment an, wo er sich mit Lemmy und allem was damit zu tun hatte, beschäftigte, ging es ihm besser. Er fühlte sich irgendwie besser, sein Herz drückte nicht mehr so. Es war so, als ob sein Brustkorb gewachsen wäre. Irgendetwas, er merkte es, wusste aber nicht warum, hatte ihm – seit vielen Jahren, ein Lächeln auf seine Lippen gezaubert. Aber, nun, kurz vor drei Uhr in der Nacht, wäre es doch Zeit ins Bett zu springen und eine Mütze voll Schlaf zu erhaschen. Er dachte dies, und dann noch, dass er heute vielleicht mal durchschlafen könnte, ohne, wie sonst, alle Stunde auf den alten Wecker schauen zu müssen, der ihm in roten Lettern jeweils anzeigte, dass die Nacht noch nicht zu Ende war. Murrend drehte er sich dann stets noch einmal um, um zu versuchen noch einmal einzuschlafen. Was jedoch meist nicht gelang, und wenn doch, nur, nach einiger Zeit des hin und her wälzen`s im Bett, bis ihm alles weh tat und er irgendwann aufstand. Meist so gegen acht Uhr morgens.