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Wer hat das unschuldige Opfer auf dem Gewissen? Der spannende Kriminalroman »Tod eines Mädchens« von Michael Winter jetzt als eBook bei dotbooks. Als die alte Frau im strömenden Regen am Grab ihres Mannes ankommt, ist ihr Entsetzen groß: Dort liegt ein junges Mädchen – nackt und tot. Die beiden Kommissare Assauer und Hammer finden schnell heraus, dass Anna vom Kirchturm gestürzt ist. Aber warum? Für die Leiterin der Mordkommission besteht kein Zweifel: Es war Selbstmord – und schuld ist der Vater der Sechzehnjährigen. Während ihre Chefin eine regelrechte Hetzjagd auf den Trauernden startet, entdecken Hammer und Assauer Unstimmigkeiten und andere Hinweise: Hatte das Mädchen eine heimliche Beziehung? Wer ist der geheimnisvolle Unbekannte … und hat er Anna auf dem Gewissen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende Kriminalroman »Tod eines Mädchens« von Michael Winter vereint besten Regiokrimi-Charme aus Passau mit fesselnder TATORT-Spannung. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 162
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Lesetipps
Über dieses Buch:
Als die alte Frau im strömenden Regen am Grab ihres Mannes ankommt, ist ihr Entsetzen groß: Dort liegt ein junges Mädchen – nackt und tot. Die beiden Kommissare Assauer und Hammer finden schnell heraus, dass Anna vom Kirchturm gestürzt ist. Aber warum? Für die Leiterin der Mordkommission besteht kein Zweifel: Es war Selbstmord – und schuld ist der Vater der Sechzehnjährigen. Während ihre Chefin eine regelrechte Hetzjagd auf den Trauernden startet, entdecken Hammer und Assauer Unstimmigkeiten und andere Hinweise: Hatte das Mädchen eine heimliche Beziehung? Wer ist der geheimnisvolle Unbekannte … und hat er Anna auf dem Gewissen?
Über den Autor:
Michael Winter wurde 1946 in Frankfurt am Main geboren. Nach seinem Studium in München arbeitete er bei Siemens im Bereich Informatik. 1975 wechselte Michael Winter zum Bayerischen Rundfunk, wo er 35 Jahre lang Sprecher und Moderator war. Bis heute ist er außerdem als Regisseur und Drehbuchautor für Werbe- und Industriefilmproduktionen in Europa und Übersee erfolgreich.
Michael Winter veröffentlicht bei dotbooks auch die beiden weiteren Passau-KrimisTod im Schützenhaus. Ein Fall für Assauer und Hammer Tod eines Unbekannten. Ein Fall für Assauer und Hammer
sowie den Thriller DNA des Todes.
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eBook-Neuausgabe Juni 2019
Dieses Buch erschien bereits 2013 unter dem Titel Acht Tage im August im Gmeiner Verlag.
Copyright © der Originalausgabe 2013 Michael Winter
Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur Scripta, München.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shuterstock/Rudy Balasko
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)
ISBN 978-3-96148-340-2
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Michael Winter
Tod eines Mädchens
Ein Fall für Assauer und Hammer
dotbooks.
Vorbemerkung
Alle Personen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Manchen sind Sie aber vielleicht schon begegnet. Das Dorf Rasting zwischen Fürstenzell und Ortenburg finden Sie nicht auf der Landkarte oder mit Ihrem Navi. Es könnte aber sein, dass Sie schon mal da waren. Die Handlung entspringt der nicht jugendfreien Fantasie des Autors und seiner Erfahrung mit der Spezies homo sapiens.
Der Regen wollte gar nicht aufhören in diesem Verdruss-Sommer. Wenn man von einem der umliegenden Hügel auf Rasting bei Passau hinuntersah, hatte man den Eindruck, das Dorf liege inmitten einer Seenplatte. Dabei standen nur die Wiesen weithin unter Wasser. Dass die Ernte hinüber war, war so sicher wie das Amen in der Marienkirche, in der die Bauern sonntags beim Gottesdienst die Hände eher zu Fäusten ballten, als sie zum Gebet zu falten, so grollten sie ihrem Herrgott, der dieses Sauwetter machte. Auch an diesem Freitag, dem 13. August, hatte es ununterbrochen gegossen wie aus Kübeln. Erst bei Einbruch der Dämmerung, als die Glocke zum Ende der Abendandacht läutete, ließ der Landregen nach. Es tröpfelte bloß noch, als Pfarrer Sebastian Arnsberger die paar Schäflein, die sich durch den Wolkenbruch in seine Kirche gekämpft hatten, unter der Tür verabschiedete. »Auf Wiedersehen, Herr Pfarrer«, sagte Angelika Goller, drückte ihm die Hand und zwängte sich an ihm vorbei, weil er mit seiner ausladenden Gestalt das Portal beinahe ausfüllte. Auch ihre Nachbarin Erna Kammler musste sich mühsam an ihrem Hirten vorbeimanövrieren. Draußen flüsterte sie Angelika zu: »Der Herr ernährt die Seinen wohl.«
»Ja«, versetzte die, »bei uns ist der Hirt’ fetter als die Schafe.« Dann, nach einem Blick zum Himmel: »Du, weißt’ was, jetzt wo’s grad nicht so schüttet, schau ich mal schnell nach dem Grab von meinem Alois. Vielleicht kann ich noch ein paar von den Blumen retten.«
Erna nickte. »Ich wart’ auf dich«, und Angelika ging Richtung Gräber. Das heißt, sie ging nicht, sie hüpfte eher ungeschickt über die Pfützen. Als sie am Turm ums Eck musste, landete sie mit beiden Füßen mitten in einer Riesenlache. Wasser lief ihr in die Schuhe. Das Wasser war rot! Sie hob den Blick. »Um Gotteswill’n!«, entfuhr es ihr kaum hörbar, dann rief sie aus Leibeskräften: »Herr Pfarrer, kommen S’, schnell!«
Er kam angeplatscht, Erna Kammler im Schlepptau. Alle drei standen jetzt in der Riesenpfütze, starrten auf das Grab vor ihnen. »Mein Gott«, sagte Pfarrer Arnsberger tonlos und bekreuzigte sich.
Vor ihnen auf der Marmorplatte lag ein Mädchen, nackt, tot. In die offenen Augen fielen letzte Regentropfen und täuschten jenen Glanz vor, der doch schon erloschen war. Von ihrem Hinterkopf lief ein rotes Rinnsal, füllte die in die Platte eingravierten Buchstaben, lief weiter über den Rand, färbte das Wasser der Pfütze, das den Dreien in die Schuhe drang.
Schritte kamen von hinten. Johannes, der Priesterseminarist, der diesen Sommer in Arnsbergers Pfarrei sein Praktikum machte. »Was ist denn?«, fragte er und drängte sich vor, bis auch er das tote Mädchen sah.
»Anna«, erst leise, dann wie ein Schrei, »Anna! Anna!« Er stürzte vor, wurde aber vom Pfarrer an den Schultern gepackt. »Lass«, sagte Arnsberger und zog ihn zurück. Und nachdem er tief Luft geholt hatte: »Geh, ruf die Polizei an. Und sie sollen den Notarzt mitbringen. Das hilft zwar nichts mehr, aber …« Er zuckte hilflos die Schultern.
Johannes rührte sich nicht.
»Jetzt mach schon«, mit diesen leisen Worten schob ihn Arnsberger sanft Richtung Pfarrhaus. »Und ihr zwei wartet am besten in der Kirche, bis die Polizei da ist«, sagte er zu den beiden Frauen. »Die werden mit euch reden wollen.« Die beiden nickten und gingen wortlos hinein. Pfarrer Arnsberger blieb bei der Toten. Er setzte zu einem Gebet an, aber es wollte ihm nicht über die Lippen.
***
»Autsch, Scheißglump, verreckt’s!« Thomas Assauer ließ den brühheißen Plastikbecher fahren, sodass die Hälfte des Kaffees in den Automaten zurücklief. »Nicht bloß, dass das Zeug schmeckt wie Spülwasser, jetzt verbrenn ich mir auch noch die Finger! Wird Zeit, dass in das Büro endlich mal eine gescheite Kaffeemaschine reinkommt!«
Er schleckte seine Finger ab, blies kühlend darüber und angelte den jetzt halb leeren Becher mit der anderen Hand aus dem Ausgabeschlitz.
»In Amerika könnt’st jetzt den Automatenhersteller auf eine Million verklagen!«, rief sein Kollege vom Schreibtisch gegenüber. »Aber hier in Bayern gilt des als strafbare Selbstverstümmelung im Amt, weil auch einem Kriminaler eine rudimentäre Restintelligenz zugebilligt wird.«
»Dir bestimmt nicht«, gab Assauer zurück. »Du lässt bekanntlich höheren Orts denken, weil du nach Dienstvorschrift arbeitest. Ich denk’ hingegen noch selber.«
»Ja, mit mechanischen Relais, wie ein Österreicher, drum bist’ auch schon mit einem Kaffeeautomaten überfordert«, kam es zurück.
»Die Maschine verstößt gegen den Heimtückeparagrafen«, beendete Assauer die Flachserei mit seinem Gegenüber, stellte den Becher mit dem Kaffeerest auf den Schreibtisch und rückte seinen Stuhl vor den Computer, um weiter auf eBay zu stöbern. Ein stinklangweiliger Freitagabend zwischen abgewetzten Möbeln in diesem kahlen Büro war das Letzte, was er brauchte.
Das Telefon schrillte.
»Ich nehm’s schon, du bist ja schwer verletzt«, sagte sein Kollege und hob ab.
»Kripo Passau, Hauptkommissar Hammer«, meldete er sich und horchte in den Hörer.
»Ja und, da gehört sie doch hin«, sagte er nach einem Moment. Dann: »Ach so, da gehört sie jetzt eher nicht hin. Wir kommen.« Er legte auf.
»Was ist los?«, fragte Assauer.
»In Rasting liegt eine Tote auf dem Friedhof.«
»Ja und, da gehört sie doch hin.«
»Die liegt aber nicht im Grab, sondern oben drauf.«
»Ach so, da gehört sie wirklich eher nicht hin.«
»Fahren wir«, schloss Maximilian Hammer den Dialog.
Sie waren keine halbe Stunde unterwegs, da tauchte nach einer Kuppe Rasting vor ihnen auf. Assauer sah ein paar Vierseithöfe, ein Gewerbegebiet, Wohnhäuser mit riesigen Gärten, einen Bau, der unverkennbar eine Brauerei darstellte und die barocke Kirche, die das Ortsbild beherrschte. Die überschwemmte Trasse einer halb fertigen Umgehungsstraße links von ihnen glich einem breiten Fluss, aus dem Baumaschinen wie Inseln hervorragten, und die überschwemmten Wiesen und Felder ringsum veranlassten Assauer zu der bissigen Bemerkung: »Das ist ja das reinste Feuchtbiotop!«
Als sie das Ortsschild passiert hatten und durch die schmucke Hauptstraße fuhren, wandte sich Hammer, der am Steuer saß, zu ihm, rieb Daumen und Zeigefinger aneinander und meinte: »Da ist ganz schön Geld daheim.«
»Ja, schaut aus wie’s Mündungsgebiet von einem Subventionsfluss«, versetzte Assauer, der nach der Abzweigung zur Kirche Ausschau hielt.
»Da, wo wir grad hinfahren, ist alles Geld gar nix wert«, stellte Hammer trocken fest, bog links ab und hielt gleich darauf an der Friedhofsmauer.
»Respekt vor deiner Orientierung, ich hätt’s nicht so schnell gefunden«, meinte Assauer im Aussteigen anerkennend.
»Bayerisches GPS, der Friedhof ist immer neben der Kirch’ und neben der Kirch’ ist immer das Wirtshaus und das findet ein Bayer im Schlaf«, erklärte Hammer, deutete auf den Gasthof Rastingerbräu hinter ihnen, schob sich aus dem Fahrersitz, schlug die Tür zu, ging nach hinten ans Auto, öffnete den Kofferraum und nahm ihre ›Feuchtbiotop-Ausrüstung‹, wie er sich ausdrückte, heraus.
Das Blaulicht eines Krankenwagens, das grelle Licht zweier Scheinwerfer und das schwache Abendrot, das durch die stellenweise aufgebrochenen Wolken drang, ließen die Wassertropfen auf der Plastikplane am Grab seltsam schimmern, wenn ein Windhauch darüberfuhr. Durch diese halb transparente Folie hindurch erschien der blasse Mädchenkörper wie eine liegende Steinfigur, die zu der Grabplatte darunter gehörte.
Ein älterer uniformierter Kollege hatte Hammer und Assauer kommen sehen und hergeführt. »Nix Schönes«, hatte er nur kopfschüttelnd gesagt. Beide hatten mit den Achseln gezuckt und waren wortlos hinter ihm hergetrottet. Jetzt standen auch sie in der roten Pfütze, mit Dienst-Gummistiefeln aus dem Kofferraum ihres Polizeiwagens. Der Uniformierte zog die Plane zur Seite.
»So ein junges Mädchen«, murmelte Hammer leise.
»16«, sagte eine Stimme hinter ihnen, »Anna Friese, die Tochter von einem Zahnarzt, der hier im Ort wohnt.« Es war Monika Erdmann, die noch vor ihnen eingetroffen war. Klein, kugelig, mit runder Nickelbrille, in weißen Gummistiefeln und rotem Umhang mit Kapuze, hätte man sie an diesem Ort für einen deplatzierten Gartenzwerg halten können. Tatsächlich war sie die vermutlich beste Gerichtsmedizinerin in Deutschland, blitzgescheite Autorin zweier Standardwerke und doch zufrieden in der niederbayerischen Provinz. Sie mochte Städte nicht, hieß es, und Menschen noch weniger. Beides stimmte. Das Letztere diagnostizierte sie bei sich selbst als nicht therapierbare Berufskrankheit.
»Und?«, fragte Hammer.
Die Ärztin machte eine Kopfbewegung nach oben, zur Schallöffnung im Kirchturm. »Auf den ersten Blick würd’ ich sagen, sie ist da runtergesprungen.«
»So? Nackt?«, fragte Hammer. »Wer springt denn pudelnackt von einem Kirchturm?«
Die Erdmann zog die Augenbrauen hoch. »Von einem Dresscode bei Selbstmördern ist mir nichts bekannt.«
»Respekt, bist auch approbierte Zynikerin?«, fragte Hammer. Dann zu Assauer: »Einer von uns muss da rauf.« Er deutete zum Turm.
»Du«, versetzte Assauer, »ich bin ja bekanntlich schwer verletzt.«
»Aber nicht an den Füßen und außerdem bist du zwanzig Kilo leichter und sportlicher. Und der Turm da ist ja nicht das Empire State Building.«
»Das hätt’ einen Aufzug.«
Assauer nahm sein Funkgerät aus der Tasche, schaltete es ein und setzte sich in Bewegung.
»Vergiss nicht …«, rief ihm Hammer nach.
»Schon recht«, kam es zurück, »Augen auf am Tatort!«
Das Zitieren ihres Chefs war ihnen zum Ritual geworden. Assauer verschwand in der Kirche.
»Selbstmord also?«, Hammer sah die Erdmann fragend an.
»So, wie’s aussieht …« Sie zuckte die Achseln. »Alkohol, Drogen vielleicht, kommt ja genug rüber.« Sie deutete mit dem Daumen gen Osten. »Viele, viele bunte Goodies. Gibt’s in jeder Dorfdisco. Morgen kann ich mehr sagen. Sie muss übrigens nach dem Sturz noch eine Weile gelebt haben, nach dem vielen Blut zu urteilen.«
Hammer schauderte. »Irgendwelche Spuren an ihr?«
»Unwahrscheinlich. Wenn da was war, hat’s der Regen weggewaschen, so wie das heute geschüttet hat.«
»Wie lang liegt sie schon da?«
»Mindestens zwei Stunden, bis die Frau sie gefunden hat.«
»Und der Todeszeitpunkt?«
»Wahrscheinlich so zwischen vier und fünf.«
Hammers Funkgerät piepte. Assauer!
»Die Spurensicherung wird eine Freud’ haben.«
»Warum?«
»Da heroben muss kürzlich ein ganzer Haufen Leute rumgetrampelt sein, Kinder, wie’s ausschaut. Aber immerhin hab’ ich die Schuhe und die Kleidung von dem Mädchen.«
»Lass sie liegen. Ich schau später selber noch rauf. Und komm wieder runter, wir müssen mit dem Pfarrer reden.«
Pfarrer Arnsberger saß in der Bank vorne beim Altar neben den beiden Frauen und Johannes. Assauer und Hammer traten hinzu. Sie sahen, wie der junge Mann zitterte.
»Das Mädchen heißt also Anna Friese«, sagte Assauer.
»Ja«, antwortete der Pfarrer. »Sie ist die Tochter eines Zahnarztes. Er hat seine Praxis in Passau, seine Frau ist Verkaufsleiterin in einer Firma in Ruhstorf. Die Familie wohnt aber hier in Rasting. Sie haben vor Jahren einen alten Bauernhof gekauft. Die Frau ist passionierte Reiterin, hat auch ihr Pferd hier stehen. Die Gegend ist ja ideal.«
»Haben Sie sie auch gekannt?«, wandte sich Assauer an den jungen Mann, der, reichlich blass um die Nase, in der Bank saß.
Der nickte. »Ja, ich leite die Jugendgruppe, seit ich hier bin. Da ist …«, er korrigierte sich, »da war Anna auch dabei. Sie war eher eine von der ruhigen Sorte.« Nach einer Pause setzte er hinzu: »Ich versteh’s nicht. Ich versteh’s einfach nicht.«
Assauer ließ ihn. Er wandte sich den beiden Frauen zu. »Wer hat sie denn gefunden?«
»Ich«, antwortete Angelika Goller. »Ich wollt’ bloß schnell zum Grab von meinem Mann, da hab’ ich sie liegen sehen.«
Assauer nickte. »Geben Sie bitte dem Kollegen draußen Ihre Adresse und gehen Sie heim. Und Sie«, wandte er sich an Johannes, »gehen, glaub’ ich, auch besser.«
Er schaute ihnen hinterher, als sie weggingen. Gutaussehend war der junge Mann, jung, schlank, sportlich, dunkle Haare. Ein Frauentyp. Keiner, bei dessen Anblick man auf einen angehenden Priester mit Zölibat kam.
Hammer sagte nichts. Erst als die Kirchentür hinter Johannes und den Frauen zuschlug, fragte er, mit einer Geste Richtung Turm: »Kann da jeder einfach so rauf?«
»Der Schlüssel hängt immer am Brett neben der Tür«, antwortete der Pfarrer achselzuckend.
»Stimmt, da hängt er, ich hab ihn gesehen, wie ich rauf bin«, bestätigte Assauer. »Sehr sinnvoll.«
»Da vorn zur Sakristei kommt doch keiner hin«, entgegnete der Pfarrer entschuldigend.
»Kürzlich muss aber ein ganzer Haufen Kinder oben rumgelaufen sein. Da sind jede Menge Fußspuren.«
»Ja, am Donnerstag«, erklärte Pfarrer Arnsberger, »eine Schulklasse, wegen der Fledermäuse. Es kommen öfter Klassen deswegen.«
Hinter ihnen ging die Tür auf. Zwei Kollegen von der Spurensicherung mit ihren Koffern. ›Ernie und Bert‹, wie sie allgemein nach zwei Figuren aus der Sesamstraße, denen sie nicht unähnlich waren, genannt wurden. Ernie klein, mit breitem Gesicht und Quäkstimme, Bert hoch aufgeschossen, mit Eierkopf und kleinem, hochstehendem Haarschopf. Hammer ließ sie herankommen.
»Ihr wisst Bescheid?«, fragte er.
»Ja, wo geht’s rauf?«
»Ich geh’ vor«, antwortete Hammer. »Ich will mich eh’ noch droben umsehen.«
»Viel werdet ihr nicht finden«, unkte Assauer. »Da waren vorgestern jede Menge Kinder droben und außerdem hat der Wind aufgefrischt und pfeift durch.«
Es dauerte nicht lang, bis Hammer zurückkam.
»Nix«, bemerkte er achselzuckend.
»Sag ich doch«, versetzte Assauer. »Und jetzt?«
»Jetzt müssen wir den Eltern Bescheid sagen«, seufzte Hammer.
Der Pfarrer stand auf. »Ich könnte mitkommen.«
»Nein, lassen Sie nur. Schau’n Sie lieber nach Ihrem Seminaristen. Der sieht aus, als könnt’ er’s brauchen«, meinte Assauer und wandte sich zum Ausgang. Hammer ging hinter ihm drein.
Was jetzt kam, wusste er, würde schlimm werden.
Sie fuhren zum Bauernhof der Familie, trafen dort aber nur die Haushälterin an. Von ihr erfuhren sie, dass Annas Mutter auf einer Messe in Hannover war und der Vater freitagabends stets länger in der Praxis blieb, um den Papierkrieg der Woche nachzuarbeiten. Sie sagten nichts von Anna und machten sich auf den Weg nach Passau zu ihrem Vater.
Unterwegs hingen beide ihren Gedanken nach, verarbeiteten, was sie gesehen hatten.
»Eines versteh’ ich nicht«, sagte Assauer nach einer Weile in das Schweigen.
»Ihre Kleider meinst du, oder?«, fragte Hammer.
»Ja, ist doch eigenartig.«
»Und ob! Das ist schon seltsam, dass das Mädchen, bevor es gesprungen ist, seine Kleider noch ganz sorgfältig zusammengelegt und seine Schuhe dazugestellt hat, als wollte sie die Sachen gleich wieder anziehen. Schlau werd ich da nicht draus.«
»Ich auch nicht.«
Den Rest des Wegs fuhren sie wortlos. Jeder dachte dasselbe: Wie bringt man einem Vater bei, dass sein Kind tot ist?
›Professor Dr. Walter Friese – Implantologie und Kieferchirurgie‹ stand auf dem Messingschild des schicken Hauses am Residenzplatz, in dem Annas Vater seine Praxis hatte. Die Haustür war offen und sie stiegen hoch in den ersten Stock.
»Die Praxis ist schon geschlossen«, empfing sie eine Sprechstundenhilfe an der Rezeption.
»Aber die Tür ist noch auf«, erwiderte Hammer. »Wir müssen zu Professor Friese.« Er hielt ihr seine Polizeimarke unter die Nase. Sie stutzte.
»Zwei Herren von der Polizei für Sie, Herr Professor«, sagte sie in pikiertem Ton in ihre Sprechanlage und wies gleichzeitig auf eine Tür gegenüber ihrer Theke.
»Beeilen Sie sich bitte, es kommt gleich noch ein Patient mit Zahnschmerzen«, forderte sie Hammer auf.
»Den schicken’s zur Bereitschaft«, sagte Assauer trocken und folgte Hammer.
Professor Friese erhob sich, um sie zu begrüßen, das heißt, er erhob sich nicht, er wuchs hinter seinem Schreibtisch zu erschreckender Größe empor. Sein Händedruck ließ erkennen, dass er auch den widerspenstigsten Weisheitszahn bloß mit zwei Fingern ziehen konnte. Falls er seine Riesenpratzen überhaupt in einen Mund hineinbekam, wie Assauer unwillkürlich denken musste.
Hammer kramte umständlich nach seinem Dienstausweis und reichte ihn über den Schreibtisch, wie um noch einen Augenblick zu gewinnen, bevor er das Unvermeidliche doch sagen musste.
»Wir kommen wegen Ihrer Tochter Anna«, begann er und fuhr fort, »es ist etwas sehr Schlimmes passiert.«
Assauer war froh, dass Hammer das Reden übernahm und er selbst sich auf’s Zuhören beschränken konnte.
Es wurde ein langes Gespräch, aber Assauer war klar, dass der Mann da hinter dem Schreibtisch immer nur eines begriff: Anna ist tot, Anna lebt nicht mehr, meine Tochter wird nie mehr heimkommen. Dass er es immer wieder hörte, es aber nicht verstand. Wie auch sollte ein Vater verstehen, dass sein Kind, mit dem er noch am Morgen gefrühstückt hatte, – nach allem was sie wussten – auf einen Turm gestiegen und runtergesprungen war? Dass Anna dabei nackt gewesen war, verschwieg Hammer. Es war so schon schlimm genug. Hammer verzichtete auch weitgehend darauf, Fragen zu stellen. Dafür würde, wenn nötig, später noch Zeit sein. Für den Augenblick beließ er es dabei, Annas Vater zu versichern, die Polizei werde die Umstände von Annas Tod genau untersuchen und biete ihm und seiner Frau professionelle psychologische Hilfe an.
Professor Friese schüttelte dazu nur den Kopf.
Assauer griff nicht in das Gespräch ein, beobachtete nur still, wie der Riese hinter seinem Schreibtisch nach und nach zerbrach. Als er aufstand, um sie zu verabschieden, erschien er Assauer trotz seiner Größe fragil und schwach, wie ein waidwundes Tier. Sein Händedruck war nur noch ein Hauch.