Tod im Harz - Marion Griffiths-Karger - E-Book

Tod im Harz E-Book

Marion Griffiths-Karger

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  • Herausgeber: Emons Verlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Ein stimmungsvoller, eindringlicher Krimi vor magischer Landschaftskulisse. Antonia kehrt in ihre Heimat Goslar zurück, um das Erbe ihres Vaters anzutreten. Doch die Goslarer meiden sie – und der Grund dafür scheint in Antonias Vergangenheit zu liegen, an die sie keinerlei Erinnerung hat. Als die Leiche eines vermissten Mädchens im Wald gefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Besteht eine Verbindung zwischen dem toten Kind und Antonias Vater? Mit Hilfe der Brunnenhexe Veronika begibt sich Antonia auf die Suche nach der Wahrheit und fördert ein düsteres Geheimnis ans Licht.

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Seitenzahl: 358

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Marion Griffiths-Karger verbrachte ihre Kindheit auf einem ostwestfälischen Bauernhof. Nach Kaufmannslehre und Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft wurde sie Werbetexterin in München, später Autorin und Teilzeitlehrerin. Schauplätze ihrer bisher zwölf Kriminalromane sind Hannover, Ostfriesland, die südenglische Küste und der Harz. Die Deutsch-Britin ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und lebt mit ihrem Mann bei Hannover.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

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© 2019 Emons Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: shutterstock.com/Huy Xiao

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer

Umsetzung: Tobias Doetsch

Lektorat: Dr. Marion Heister

eBook-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-96041-522-0

Originalausgabe

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Die Berge wurden hier noch steiler,die Tannenwälder wogten unten wie ein grünes Meer,und am blauen Himmel oben schifften die weißen Wolken.

EINS

Eine Hexe hatte sie sich ganz anders vorgestellt. Diese hier war blond. Platinblond. Mit ein bisschen Häme könnte man es auch grau nennen. Aber Tonja neigte nicht zur Häme. Die Hexe trug ihr gepflegtes Haar offen. Immerhin. Es umrahmte ihre Schultern wie ein seidener Vorhang. Ihr Gesicht war durchaus ansehnlich. Nicht schön, das wäre zu viel des Wohlwollens. Ansehnlich passte. Und die dunklen Augen bildeten einen reizvollen Kontrast zu ihrer sonst lichten Erscheinung. Eine gute Hexe, dachte Tonja, mit gerader Nase, deren linken Flügel ein kleines Muttermal zierte. Eine Alibiwarze, fuhr es Tonja durch den Kopf, sonst könnte man sie ja gar nicht erkennen. Die Tarot-Karten, die sie liebevoll durch ihre schwer beringten Finger gleiten ließ, waren ein unzureichendes Accessoire, um sie als Hexe zu kennzeichnen. Sie saß in einer abgeschiedenen Ecke der Brunnenschenke, die Tonjas Mutter seit ihrer Rückkehr nach Goslar mied wie der Teufel das Weihwasser. Und das lag nur an ihr, der »Brunnenhexe«, wie sie alle nannten. Man fragte sich schon, warum die Wirtin der Schenke sie dort duldete. Aber das war im Grunde ganz einfach zu beantworten. Sie war eine Touristenattraktion. Das jedenfalls hatte Tonjas Mutter, Adele, mit leisem Grollen in der Stimme ihrem Enkel Otto erklärt, als in der Bäckerei am Marktplatz von der Brunnenhexe die Rede gewesen war.

Als Otto dann wissen wollte, was eine »Touristenattraktion« sei, hatte seine Oma etwas von »verlogenen, wichtigtuerischen Weibern« gemurmelt. Mit dieser eigenwilligen Erklärung war Otto zufrieden gewesen, und sein Interesse war erloschen. Das von Tonja hingegen erwacht. Was hatte es mit dieser Brunnenhexe auf sich? Ihre Mutter hatte sich immer in Schweigen gehüllt, wenn Tonja sie nach ihrem Vater oder ihrer Kindheit in Goslar gefragt hatte. »Vergangenes sollte man ruhen lassen, wenn es einem nicht guttut«, lautete ihre stereotype Antwort auf Tonjas Neugier. Hatte die Brunnenhexe womöglich Antworten auf ihre Fragen?

Tonja hatte ihren Vater seit über zwanzig Jahren nicht gesehen und nichts von ihm gehört. Bis vor einem halben Jahr, als er ihr das Haus in Goslar vererbt hatte. Ihr Sohn, Otto, hatte seinen Großvater nie kennengelernt. Ebenso wie er seinen Vater wohl nie kennenlernen würde. Ein Umstand, der Tonja ganz und gar nicht gefiel. Sie wusste schon heute kaum, was sie ihrem Sohn antworten sollte, wenn er nach seinem Vater fragte. Ich kann ihn nicht finden, war keine besonders befriedigende Antwort, auch wenn es die Wahrheit war. Glücklicherweise waren alleinerziehende Mütter keine Seltenheit, sodass er in seiner Klasse nicht der einzige »vaterlose« Junge war. So hatte sich seine Lehrerin beim Einschulungsgespräch ausgedrückt und Tonja dabei angesehen, als wäre sie ein bemitleidenswertes, unvollkommenes Wesen. Vielleicht war sie das ja auch.

Wenn Tonja sich ihre Mutter zum Vorbild nahm, die nie eine Beziehung gehabt hatte, außer der Ehe mit ihrem Vater natürlich, dann konnte von Unvollkommenheit keine Rede sein. Jedenfalls hatte ihre Mutter eine ziemlich hohe Meinung von sich selbst. Über ihre Ehe redete sie nur als von »dem Fehler«. Immer im Singular. So, als wäre es der einzige in ihrem Leben gewesen. Dabei konnte Tonja ihr mindestens einen zweiten attestieren: nämlich ihre Tochter nach ihrem Großvater Anton benannt zu haben. Antonia war ihr vollständiger Name, aber alle hatten sie Tony genannt. Tonja hatte sich damit wie ein Junge gefühlt. Aber dann hatte sie den Film »Doktor Schiwago« gesehen, und aus Tony wurde Tonja. Das versöhnte sie mit ihrem Namen, auch wenn sie ihren Großvater, den alten Grantler, nicht mochte.

Vor einundzwanzig Jahren wurde die Ehe ihrer Mutter geschieden, kurz nachdem sie beide nach Hannover gezogen waren, wo sie bis vor einem halben Jahr gelebt hatten. Tonja war der Abschied schwergefallen, aber auf ihr Erbe verzichten wollte sie auch nicht. Das Haus, in dem Tonja die ersten fünf Jahre ihrer Kindheit verbracht hatte. Die Mutter hatte ihr geraten, es zu verkaufen, aber Tonja wollte nicht. Sie war eine leidenschaftliche Köchin und hatte sich in den Kopf gesetzt, in dem alten, verkommenen Haus am Schieferweg in Goslar ein Restaurant zu eröffnen. Ihre Mutter hatte alles versucht, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen, aber Tonja im Grunde nur darin bestärkt.

Als sie das Haus dann gesehen hatte, waren Tonja allerdings Zweifel gekommen. Ihr Vater hatte zwar hier gelebt, aber Haus und Grundstück vollkommen sich selbst überlassen. Den Garten konnten sie nicht betreten, denn er war vollständig mit Brombeeren überwuchert. Tonja fühlte sich an das Märchenschloss von Dornröschen erinnert und war geneigt, dem Prinzen, der Dornröschen aus ihrem Dornengefängnis befreit hatte, eine durchaus noble Arbeitsmoral zuzugestehen. Sie hatte nämlich angefangen, das dornige Gestrüpp zu entfernen, was sich als langwierig und äußerst anstrengend erwiesen hatte.

Ihre Mutter hatte es kategorisch abgelehnt, ihr zu helfen. Immerhin hatte sie sich bereit erklärt, ihren Job bei einem Callcenter in Hannover aufzugeben und mit der Tochter die Landeshauptstadt zu verlassen. Wenn auch unter Protest, zumindest, was den Wohnortwechsel betraf. Den Job hatte sie erleichtert gekündigt. Mit einem Restaurant in Goslar und einer ambitionierten Köchin ließ sich wahrscheinlich mehr Geld verdienen. Obendrein würde es mehr Spaß machen, auf eigene Rechnung zu arbeiten, als sich den ganzen Tag von unzufriedenen Kunden eines Online-Anbieters anmeckern zu lassen.

Das größte Problem war Großvater Anton, der alte Grantler, gewesen. Immerhin wurde er bald achtzig und konnte wohl erwarten, dass seine Tochter sich um ihn kümmerte. So hatte er sich ausgedrückt. Dabei war Opa Anton bei bester Gesundheit, was ihn nicht daran hinderte, mit der Welt, seinem Familienstand als Witwer und seinem Alter zu hadern. Seit dem Tod von Tonjas Großmutter vor sechs Jahren teilte er sich in Hannovers Stadtteil Limmer eine Zweizimmerwohnung mit seinem Freund und ehemaligen Arbeitskollegen Rudi. Und es war ausschließlich Rudis unerschütterlichem Gleichmut zu verdanken, dass die Wohngemeinschaft der beiden bisher ohne größere Katastrophen funktionierte. Anton war nämlich nicht nur grantig, sondern auch ein wenig zerstreut, was ihn noch grantiger machte.

Wie auch immer, Tonja und ihre Mutter hatten den Mietvertrag ihrer Dreizimmerwohnung in Linden gekündigt, hatten ihre geringe Habe zusammengepackt und waren in den Harz gezogen. Tonja wusste nicht viel über das norddeutsche Mittelgebirge, hatte von der Walpurgisnacht und den Brockenhexen gehört, von der Kaiserpfalz in Goslar und vom Bergwerksmuseum Rammelsberg. Alles Dinge, die sie als Kind so sehr interessiert hatten wie die »Tagesschau«, nämlich gar nicht. Als sie dann von dem Erbe erfahren hatte, hatte sie sich im Internet schlaugelesen. Wusste nun, dass Goslar zum Unesco-Weltkulturerbe zählte und diverse Kaiser vor tausend Jahren hier Hof gehalten hatten. Wusste auch, dass der Brocken oder der Blocksberg, wie Otto ihn nannte, mit – ihrer Meinung nach mickrigen – eintausendeinhunderteinundvierzig Metern der höchste Berg im Harz war. Sie hatte sich den Hexentanzplatz und die Rosstrappe bei Thale angesehen, war mit Otto durch dichte Nadelwälder gewandert und hatte verstört die wunderlichen Ortsnamen Elend und Sorge zur Kenntnis genommen. Wie sich das wohl anfühlte, in »Elend« oder »Sorge« zu leben?

Die Vielzahl von Wanderern, die ihr bei ihren Ausflügen begegnet waren, und die pittoreske Fachwerkstadt Goslar hatten sie letztlich überzeugt. Sie würde eine Pension eröffnen und ein kleines, aber feines Restaurant, wenn es sein musste, gegen den Willen ihrer Mutter. Die hatte aber am Ende klein beigegeben. Otto allerdings war der Abschied von seinem Freund Nils ungleich schwerer gefallen. Das war der größte Makel an ihrem Vorhaben gewesen. Glücklicherweise war ihr Vater so rücksichtsvoll gewesen, kurz vor der Einschulung seines Enkels das Zeitliche zu segnen. So musste sie ihrem Sohn keinen Schulwechsel zumuten. Und vor einer halben Stunde war der erste Elternabend zu Ende gegangen.

Es waren überwiegend Ehepaare anwesend gewesen, und die wenigen einsamen Mütter kannten sich alle. Tonja hatte sich ziemlich isoliert gefühlt und sich an Ottos ersten Schultag erinnert, als der Junge mit trotziger Miene, allein und gemächlich neben seiner Mutter hergegangen war und sich geweigert hatte, ihre Hand zu nehmen. Das war vor drei Wochen gewesen. Mittlerweile hatte sich Otto ganz gut eingelebt und war vorgestern bei seinem Tischnachbarn Enno zum Mittagessen eingeladen gewesen. Zwar freute sich Tonja darüber, sie wusste aber auch, dass sie sich revanchieren musste. Und da ihr Heim im Moment ein einziges Provisorium war, wusste sie nicht, wann das sein sollte. Und Ennos Mutter platzte offensichtlich vor Neugier. Da war sie nicht die Einzige. Sie hatte Tonja heute Abend mit ihren kleinen blauen Augen lauernd beobachtet und ihrer Nachbarin etwas zugeflüstert, die sie dann ebenfalls angestarrt hatte wie ein seltenes Tier. Tonja hatte sich unwohl gefühlt. Was dachten diese Frauen über sie? Es war ihr unangenehm, und Tonja hatte sich am Ende schnell aus dem Klassenzimmer verdrückt.

Warum sie dann den Weg zur Brunnenschenke eingeschlagen hatte, wusste sie nicht genau. Vielleicht war es einfach die Neugier gewesen. Neugier auf die Bewohner dieser idyllischen Stadt. Oder auf die seltsame Frau, die Brunnenhexe, die dort in ihrer Ecke saß und einer jungen Frau die Karten legte, vor sich ein Glas mit einer undefinierbaren Flüssigkeit. Nun war sie hier und stand unschlüssig in der Eingangstür. Bei ihrem Eintritt hatten sich ihr alle Köpfe zugewandt, was vielleicht noch nicht ungewöhnlich war, aber dass die etwa zwei Dutzend Gäste bei ihrem Anblick verstummten und sie anstarrten, das war doch seltsam.

Okay, wenn sie aussehen würde wie Naomi Campbell oder Quasimodo, dann wäre es nachvollziehbar, aber weder das eine noch das andere traf auf sie zu. Natürlich war sie hübsch, das jedenfalls hatte Opa Anton gesagt, damals auf der Beerdigung ihrer Großmutter. »Ganz hübsch, das Mädel, aber bisschen dürr.«

Letzteres war für Tonja damals das größere Kompliment gewesen. Dünn war sie immer noch und vielleicht auch hübsch. Die junge Frau, die der Brunnenhexe gegenübersaß, wandte sich nach ihr um und zog die Augenbrauen hoch. Dann warf sie der Hexe einen Blick zu, die nickte kaum merklich, und die Frau musterte sie von Neuem mit unverhohlener Neugier. Tonja straffte die Schultern, und die Gäste wandten sich wieder ihrer eben unterbrochenen Unterhaltung zu. Tonja setzte sich an die Theke und bestellte ein Radeberger. Die Wirtin war eine dralle Mittvierzigerin mit dunklem Haar, das sie zu einem Knoten zusammengebunden hatte. Mit hängenden Mundwinkeln und dünnen Lippen musterte sie Tonja mürrisch, während sie ihr Bier zapfte.

Durch eine Schwingtür, die wahrscheinlich in die angrenzende Küche führte, betrat ein zierlicher Mann, zwei prall gefüllte Teller balancierend, den Schankraum. Als er Tonja sah, blieb er einen Moment verdutzt stehen.

»Was glotzt du so? Willst du das Essen kalt servieren?«, fuhr die Zapferin ihn an.

Der Mann wandte schnell den Blick ab und eilte an der Theke vorbei in den hinteren Teil der Gaststube, wo er die Teller vor zwei jungen Männern absetzte.

Tonja betrachtete die Frau hinter der Theke unauffällig. Ob die beiden verheiratet sind?, fuhr es ihr durch den Kopf. Wenn ja, ist hier alles irgendwie verdreht. Die Frau zapft, und der Mann serviert. Warum nicht, dachte sie und bedankte sich mit einem Lächeln, als die Wirtin ihr schweigend das Bier hinstellte. Tonja trank mit Genuss. Es ging doch nichts über ein frisch gezapftes Bier, vor allem, wenn das Wetter einen so dermaßen mit Wärme und Sonne verwöhnte wie in den letzten Wochen. Die Sommerferien waren in diesem Jahr bereits Anfang August zu Ende gegangen. Aber der Juli war tropisch warm gewesen, und die Wärme hielt unvermindert an.

Die junge Frau, die bei der Hexe gesessen hatte, stand auf, nahm ihren Rucksack und verließ mit gesenktem Kopf die Schenke. Die Hexe mischte ihre Karten, hob den Blick und sah Tonja herausfordernd an. Jetzt oder nie, dachte Tonja, nahm ihr Glas, rutschte vom Barhocker und ging langsam unter den forschenden Blicken der anderen Gäste auf die Hexe zu.

»Setz dich, Antonia«, sagte die mit einer jugendlichen Stimme, die ebenso wenig wie ihr Äußeres zu einer Hexe passte, und wies mit einer zierlichen Hand auf den Stuhl, den die junge Frau soeben verlassen hatte.

»Ich heiße Tonja.«

»Von mir aus. Ich heiße Veritas.«

Tonja schluckte. »Veritas. Ist das Ihr Ernst?«

»Ja, Künstlername. Steht für Wahrheit.« Die Hexe lächelte. »Eigentlich heiße ich Veronika.«

Tonja zuckte mit den Mundwinkeln und setzte sich. »Und woher wissen Sie, wer ich bin?«

»Liebchen, ich weiß vieles. Aber in deinem Fall ist das keine Kunst. Dich kennt hier jeder.«

»Ach.«

Tonja sah sich reflexartig um. Sie wurden beobachtet. Die Brunnenschenke war gut besucht. Es gab einen Stammtisch, an dem fünf Männer in mittleren Jahren und eine junge Frau saßen. Sie unterhielten sich leise und sahen immer wieder zu den beiden Frauen herüber. An einer langen Tafel saß ein Dutzend Leute beieinander, die jetzt ihre Gläser hoben und eine aus ihrer Mitte, eine Frau mit einem Strohhut, von dessen Krempe buntes Geschenkpapier wie ein Schleier auf ihre Schultern fiel, hochleben ließen. Aber das Interesse galt hauptsächlich dem Geschehen in der Ecke.

Die Hexe nahm ihr Glas, kippte den Inhalt hinunter und gab der Wirtin ein Zeichen.

»Und wieso?« Tonja wurde ärgerlich, diese blöde Hexe behandelte sie wie ein kleines Mädchen. »Hab ich irgendwas Verwerfliches an mir? Jemanden verprügelt, eine Revolte verursacht, mich als Bürgermeisterin zur Wahl gestellt oder mich sonst wie danebenbenommen?«

Die Hexe sah sie mit leichter Verwunderung an, legte ihre Karten beiseite und nahm Tonjas Hand.

»Du hast das Haus deines Vaters geerbt, Liebchen. Das Haus im Schieferweg, nicht wahr?«

»Ja, und?« Tonja entriss der Hexe ihre Hand. »Lassen Sie das.« Tonja blieb konsequent beim Sie.

Die Hexe lächelte milde. »Ein andermal«, sagte sie leise. Die Wirtin trat an ihren Tisch, brachte der Hexe ihr Getränk. »Noch ’n Bier?«, fragte sie Tonja, die gar nicht bemerkt hatte, dass sie ihr Glas bereits geleert hatte.

»Nein«, sagte sie barsch und an die Hexe gewandt. »Und Sie sagen mir jetzt, wieso ich hier für alle so interessant bin.«

»Mein Liebchen …«

»Nennen Sie mich nicht so!«

Die Hexe sah sie erstaunt an, ließ sich aber nicht beirren. »Mein liebes Kind … du bist deiner Mutter so ähnlich. Sie war auch so schnell wütend wie du … und auch so schön.«

Tonja kicherte. »War? Lassen Sie sie das nicht hören. Woher kennen Sie sie überhaupt?«

Die Hexe hob verwundert die Brauen. »Hat deine Mutter dir denn nichts erzählt? Wir sind zusammen zur Schule gegangen, waren … Freundinnen.«

»Tatsächlich.« Das hatte ihre Mutter in der Tat nicht erwähnt, als sie über die Brunnenhexe gesprochen hatten. Tonja hatte eher den Eindruck gehabt, dass sie die Hexe nicht ausstehen konnte. Und nun erfuhr sie, dass sie früher befreundet gewesen waren.

»Ist das der Grund, warum mich hier alle kennen? Weil ich meiner Mutter so ähnlich bin? War sie denn so eine Berühmtheit?«

Die Hexe nahm den Kartenstapel wieder auf. »Mir scheint, deine Mutter hat etwas entschieden, und ich will mich nicht noch einmal in ihre Angelegenheiten einmischen. Sag ihr das.« Sie nahm einen kräftigen Schluck von der dunklen Flüssigkeit aus ihrem Glas. Es roch nach Kräutern. Tonja verzog das Gesicht.

»Vielleicht kommst du wieder, und wir befragen die Karten. Sie geben dir viele Antworten.«

»Quatsch.« Tonja stand abrupt auf. »Ich gehe jetzt.« Sie tippte sich an die Stirn und sah herausfordernd in die Runde. »Wir sehen uns«, sagte sie lauter, als sie wollte, und selbstsicherer, als sie sich fühlte. Sie knallte einen Fünfer auf die Theke, was ihr Budget für Luxusgüter wie Bier für den Rest des Monats unverhältnismäßig belastete. »Stimmt so.« Damit verließ sie die Schenke und trat auf die Straße.

Wärme empfing sie, wenige Touristen waren noch unterwegs, wohl auf dem Heimweg zu ihren Hotels oder Pensionen. Sie sah auf die Uhr. Kurz nach zehn. Zu früh zum Schlafengehen, fand sie. Aber, wenn man den ganzen Tag auf Bergen herumkraxelte, blieb nicht mehr viel Energie für den Abend übrig. In diesem Moment vermisste sie Hannover. Die Kneipen, die Kultur, die vielen Menschen, die auch spätabends die bunte Lindener Szene bevölkerten. Sie schüttelte sich. Das war gestern. Hier und jetzt wartete etwas Neues auf sie. Und etwas Unbekanntes. Ihre Mutter verheimlichte ihr etwas. Etwas Wichtiges, und sie wollte herausfinden, was es war. Es musste mit ihrer Kindheit in Goslar zusammenhängen. Sie ging entschlossen ihres Wegs.

ZWEI

Er hasste solche Termine. Glücklicherweise kam es nicht oft vor, dass er Eltern aufsuchen musste, die ein Kind verloren hatten. Genau genommen war das hier das erste Mal. Bisher hatte er es nur mit trauernden erwachsenen Töchtern oder Söhnen zu tun gehabt. Wobei von Trauer nicht in jedem Fall die Rede sein konnte. Bei manchen Hinterbliebenen hatte er den Eindruck von Erleichterung einfach nicht übersehen können. Wie auch immer, dieser Fall lag anders.

Ein Mann Ende dreißig öffnete ihm. Er trug einen Dreitagebart, seine hellen Augen blickten den Besucher desinteressiert an.

»Ja, bitte?«

Achim Gruber nannte seinen Namen und seinen Beruf: Kriminalhauptkommissar, was den Mann jäh aufhorchen ließ. »Haben Sie … wissen Sie …?«

»Nein, tut mir leid, ich habe keine Neuigkeiten«, sagte Gruber bedauernd.

Der Mann sackte zusammen. »Was wollen Sie dann hier? Ich hab Sie noch nie gesehen.«

»Man hat Ihnen doch sicher mitgeteilt, dass Hauptkommissar Weber pensioniert ist.«

»Ach ja.« Der Mann schwieg einen Moment. »Deshalb hat er sich so lange nicht blicken lassen.«

Der Mann drehte sich um und schlurfte den dunklen Flur entlang. Eine viel zu große Jogginghose bedeckte seine dünnen Beine. Sie betraten ein geräumiges Wohnzimmer. Am Esstisch saß eine Frau vor einem Laptop. Sie blickte den Eintretenden ängstlich entgegen und stand auf. Dunkles kurz geschnittenes Haar umrahmte ihr blasses Puppengesicht. Eine schöne Frau, dachte Gruber. Noch schöner als auf den Bildern, die er in der Inspektion gesehen hatte. Schön und zerbrechlich. Die Frau betrachtete ihn schweigend, als traue sie sich nicht, nach dem Grund seines Besuchs zu fragen.

»Ich bin der Nachfolger von Hauptkommissar Weber«, erklärte Gruber, »und ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten, wenn es Ihnen recht ist.«

»Dann gibt es nichts Neues?« Die Stimme der Frau war erstaunlich fest.

»Leider nein.«

Sie nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet, und setzte sich wieder. Der Mann hatte sich schwer auf das Ecksofa fallen lassen.

»Was gibt es denn dann noch zu sagen?«, fragte sie. Es klang resigniert und ein wenig unwillig.

Gruber räumte ein paar Kleidungsstücke beiseite und setzte sich.

»Ich verstehe, dass es für Sie schmerzhaft sein muss. Ich habe die Akte Ihrer Tochter sehr genau gelesen, möchte mir aber auch persönlich ein Bild von dem Fall machen.«

»Was soll denn das noch bringen?«, fragte der Mann. »Oder glauben Sie etwa, dass sie noch lebt?«

»Ich will Ihnen nichts vormachen, das ist unwahrscheinlich, aber ich nehme an, Sie wollen doch wissen, was passiert ist?«

»Das ist das Schlimmste«, sagte die Frau leise. »Die Ungewissheit. Das haben wir auch Kommissar Weber immer wieder gesagt, und er hat sich ja bemüht … aber –«

»Kommissar Weber hat bestimmt alles Nötige unternommen, da besteht kein Zweifel«, unterbrach sie Gruber. Er musste den Leuten ja nicht erzählen, dass sein Vorgänger nicht immer besonders sorgfältig ermittelt hatte. »Vielleicht erzählen Sie mir noch mal genau, was damals passiert ist.«

Die Frau wischte imaginäre Krümel von ihrer Jeans und sah aus dem Fenster in einen mit üppig blühenden Rosensträuchern bepflanzten Garten.

»Es gibt nicht viel zu erzählen, zumindest nichts, was nicht auch in den Akten steht.« Sie wandte sich Gruber zu. »Jedenfalls hoffe ich das.«

»Natürlich.«

»Maike war mit der Schule unterwegs. Sie wollten die Kaiserpfalz besichtigen.«

»Sie war in der dritten Klasse, nicht wahr?«

»Ja, neun Jahre alt … war sie. Jetzt wäre sie zehn.«

»Und als die Klasse die Kaiserpfalz verlassen hat, war Maike verschwunden?«

»Ja … einfach verschwunden«, wiederholte die Frau leise.

Der Mann nickte schweigend.

»Wir wollten die Lehrerin verklagen, aber … die war schon in der Psychiatrie wegen der Sache. Kann ihren Beruf nicht mehr ausüben. Und außerdem bringt uns das Maike nicht zurück.«

»Was war sie für ein Kind?«, fragte Gruber, der natürlich wusste, dass Eltern die am wenigsten objektiven Beobachter ihrer Kinder waren. Dennoch wollte und musste er wissen, wie sie das Verhalten ihrer Tochter beurteilten. Erst wenn er auch mit den anderen Zeugen gesprochen hatte, würde er sich eine endgültige Meinung bilden.

Die Frau lächelte. »Sie war … fröhlich, nicht wahr, Hans?« Der Mann nickte wieder und rieb sich eine Träne von der Wange. »Fröhlich und aufgeschlossen und klug.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht klug genug, und dafür zu aufgeschlossen«, fügte sie bitter hinzu. »Sie muss mit jemandem mitgegangen sein. Davon war Kommissar Weber überzeugt.«

»Halten Sie das auch für wahrscheinlich?«, wollte Gruber wissen.

Die Frau zuckte mit den Schultern. »Wenn sie denjenigen kannte, vielleicht, aber eigentlich … Warum sollte sie sich von ihren Schulkameradinnen trennen und mit irgendwem mitgehen?«

»Und ihre Freundinnen können sich nicht erinnern, wann sie sie zuletzt gesehen haben?«

Die Frau lachte kalt. »Lisa hat gesagt, sie hat sie zuletzt vor der Kaiserpfalz gesehen. Da wollte sie noch zur Toilette. Das war um halb zwölf. Die Kinder waren noch auf dem Rasenplatz vor der Pfalz herumgelaufen. Dann sammelten sich alle und wollten sich auf den Rückweg machen. Die Lehrerin hat dann durchgezählt und festgestellt, dass Maike fehlt. Sie haben eine Weile gewartet, weil Lisa ja gesagt hatte, sie ist zur Toilette. Als sie nach zehn Minuten immer noch nicht wieder da war, ist die Lehrerin wieder rein und zur Toilette gegangen, aber da war Maike nicht. Und dann haben sie gesucht. Immer weitergesucht. In der Kaiserpfalz, vor der Kaiserpfalz, dahinter, daneben, die Straße rauf und runter. Dann haben sie die Polizei angerufen, und danach haben sie mich in der Firma angerufen.« Sie schwieg einen Moment. »Sie haben die Suche ausgeweitet, viele Polizisten haben die Stadt und den Wald abgesucht. Ein Hubschrauber war da, Hunde waren da … und alle Freunde haben geholfen. Die ganze Nacht und die nächsten Tage haben wir gesucht. Jeden Stein umgedreht, Taucher haben die Gewässer durchkämmt … Gefunden haben wir sie nicht. Bis heute nicht.«

Bedrückendes Schweigen breitete sich aus. Gruber erhob sich.

»Ich würde mich gern in Maikes Zimmer umsehen. Geht das?«

Der Mann sah auf und verzog den Mund. »Das haben Ihre Kollegen damals schon durchsucht, ohne dass es was gebracht hätte.«

»Natürlich, aber ich mache mir gern selbst ein Bild.«

»Gehen Sie hoch, die erste Tür rechts, das ist Maikes Zimmer. Wir haben nichts verändert.«

Gruber erklomm die Stufen zur ersten Etage. Niemand begleitete ihn. Maikes Zimmer war ein typisches Mädchenzimmer, obwohl er sich da eigentlich nicht so auskannte. Die Vorhänge waren zugezogen, so als wollte man die Privatsphäre des Kindes schützen, wenn man das Kind selbst schon nicht schützen konnte.

Er betätigte den Lichtschalter. Die Deckenlampe, ein großer weißer Ballon, verteilte warmes Licht im Raum. Die Wände waren weiß gestrichen und mit bunten Kindergemälden beklebt. Kopien dieser Bilder hatte er bereits in der Akte gesehen. Weber hatte sich in diesem Fall selbst übertroffen und sie sogar einem Psychologen vorgelegt, der aber nichts Aufschlussreiches dazu hatte sagen können. Den Motiven und der Farbwahl zufolge sei Maike ein fröhliches, aufgeschlossenes Kind.

Aber für diese Erkenntnis brauchte man kein psychologisches Gutachten, das war für jeden Betrachter offensichtlich, und alle Zeugen hatten Maike so beschrieben. Sie hatte Farben geliebt. Vor allem Grün in allen Schattierungen. Ihr Lieblingsmotiv waren Wiesen, auf denen sich Hunde und Pferde tummelten. Auch Menschen hatte Maike gemalt, ihre Eltern, ihren kleinen Bruder und sie selbst Hand in Hand vor einer Pferdekoppel. Zu ihren Füßen ein kleiner schwarzer Hund. Maike hatte sich wie die meisten Kinder einen Hund gewünscht, aber die Familie hatte nie einen besessen. Vielleicht hatte ein Hund bei ihrem Verschwinden eine Rolle gespielt, ging es Gruber durch den Kopf.

Auf dem Schreibtisch lagen verstreut Schulhefte und -bücher, Buntstifte, zwei Barbiepuppen und ein braunes Plastikpony mit langer weißer Mähne. Neben dem Bett, über das ein Moskitonetz gespannt war, war liebevoll ein Playmobil-Bauernhof mit Pferden, Kühen, Schweinen und Hühnern aufgebaut. So was gab es doch eigentlich gar nicht mehr, oder doch? Bestimmt waren hier Bilderbücher der Bauplan gewesen. Bilderbücher. Auch vom Aussterben bedroht, aber in dem Holzregal neben dem Kleiderschrank standen welche. Die meisten waren Tiergeschichten, auch ein reich bebildertes Buch mit den klassischen Märchen war vorhanden. Sie alle wiesen Gebrauchsspuren auf. In diesem Haus wurde den Kindern vorgelesen.

Gruber wandte sich ab. Er hatte genug gesehen, war traurig und wütend zugleich. Hier lebte oder hatte ein gesundes, glückliches Kind in einer intakten Familie gelebt. Das jedenfalls war sein Eindruck. Und dann hatte das Schicksal grausam zugeschlagen. Er löschte das Licht und ging hinunter. Mutter und Vater saßen immer noch im Wohnzimmer. Der Mann brütete vor sich hin, die Frau blickte versonnen aus dem Fenster.

Gruber räusperte sich. »Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, und ich versichere Ihnen, wir geben nicht auf. Die Akte liegt auf meinem Schreibtisch, und dort bleibt sie auch, bis der Fall gelöst ist.«

Die Frau sah ihn freudlos, aber auch dankbar an und stand auf. An der Haustür drückte sie ihm die Hand.

»Finden Sie Maike. Bitte. Wenn sie tot ist, dann werden wir damit fertig. Aber mit dieser Ungewissheit zu leben ist schrecklich. Wir haben noch einen Sohn, Mirko. Er ist sechs. Meine Mutter kümmert sich heute um ihn. Mein Mann … nimmt Medikamente. Wir müssen irgendwie da durch, für unseren Jungen. Finden Sie sie!«

***

Da krähte doch tatsächlich ein Hahn. Tonja blinzelte. An den Seiten der Rollos fiel fahles Licht herein. Sie sah auf die Uhr. Halb sechs. Was hatte dieser Typ sich jetzt wieder einfallen lassen! Sie legte sich auf die Seite und stülpte sich ein Kissen über das andere Ohr. Das Krähen wurde dumpfer. Das machte der doch mit Absicht!

Okay, Tim, ihr Nachbar, hatte neulich so etwas erwähnt, von wegen irgendwer hätte seinen Hahn geklaut und er müsse sich einen neuen beschaffen. Dabei hatte er gegrinst, und Tonja hatte geglaubt, er scherze nur. Ein Irrtum, offensichtlich. Dabei hatte er nur sein kleines Grundstück und darauf diesen beweglichen Hühnerstall. Gut, er versorgte sie mit billigen Eiern. Bio, hatte er ihr versichert. Tonja hatte da zwar ihre Zweifel, denn wer wusste schon, was sich in seiner Gartenerde, in der die Tiere so hingebungsvoll scharrten, alles verbarg. Aber im Grunde war es ihr egal. Sie aß fast alles, außer Tierkinder, wie Kalb oder Spanferkel oder gar Lamm. Hauptsache, den Tieren ging es gut, solange sie lebten. Bio war in Ordnung, aber nicht zwingend erforderlich. Wieder dieses Krähen.

Was würden ihre zukünftigen Gäste wohl dazu sagen, wenn der Hahn vom Nachbarn sie um halb sechs aus dem Schlaf krähte? Was dachte Tim sich? Durfte der das überhaupt? Wahrscheinlich hatte ein müder Nachbar den alten Hahn geklaut. Oder ihm gleich den Hals umgedreht.

Die Tür wurde geöffnet, und Otto kam herein. Er war hellwach, trug Jeans und T-Shirt, seine blonden Haare waren ordentlich gescheitelt.

»Mama, hörst du das? Ein Hahn!«

»Ja, mein Schatz, allerdings«, brummte Tonja und warf das Kissen ans Fußende.

»Komm, lass uns hingehen und gucken!«

»Nein.«

»Doch!«

Tonja erhob sich. »Das geht nicht, der ist in Tims Garten, und da können wir nicht rein.«

»Was soll denn das?« Ihre Mutter stand in der Tür. »Otto, du gehst sofort wieder ins Bett, und ich geh rüber und mache Tim zur Schnecke.«

»Ich geh mit.« Otto strahlte.

»Kommt nicht in Frage.«

Tonja warf die Bettdecke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Das mit dem Schlafen hatte sich für heute erledigt, obwohl Samstag war und sie eigentlich hatte ausschlafen wollen.

»Und du bleibst auch hier.« Sie warf ihrer Mutter einen warnenden Blick zu und zog ihren Morgenmantel an. »Wir wollen uns nicht gleich mit der Nachbarschaft überwerfen.« Tonja kannte ihre Mutter nur zu gut. Wenn ihr etwas gegen den Strich ging, konnte sie ausgesprochen ungemütlich werden. Vor allem, wenn sie müde war.

»Fragt sich nur, wer sich hier mit wem überwirft«, schnaubte Adele und schloss die Tür von außen.

»Gehen wir jetzt?«, fragte Otto.

»Nein, aber du darfst das ›Dschungelbuch‹ gucken.«

Tonja strich ihrem Sohn über die Haare. Das war zwar pädagogisch nicht besonders klug, aber das war Tonja egal.

Otto schien sich nur zögerlich mit dem Gedanken an ein Frühstück vor dem Fernseher anzufreunden, war aber letztlich bereit, Balu den Vorzug vor Nachbars Hahn zu geben, und trottete hinter seiner Mutter her, wo er sich auf seinem Platz vor dem Fernseher niederließ.

»Ich bring dir gleich deine Cornflakes«, sagte Tonja gähnend, während Otto sich bereits auf den Bildschirm konzentrierte.

Zwanzig Minuten später saß Tonja ihrer Mutter am Frühstückstisch gegenüber, jede einen Becher dampfenden Kaffee in der Hand. Das Fenster, das zum Garten zeigte, war weit geöffnet. In der Wohnung war alles improvisiert. Die alten Möbel, die noch zu gebrauchen gewesen waren, hatten sie behalten. Es waren nur wenige. In der Küche eigentlich nur der Spülautomat, alles andere war alt und marode gewesen. Ihr Vater hatte sich nicht um sein Haus gekümmert. Ihm war wohl alles egal gewesen. Tonja fragte sich, warum. Immerhin war er doch kein fauler Mensch gewesen, war bis zu seinem plötzlichen Tod Forstarbeiter. Das zumindest hatte ihre Mutter ihr erzählt, wenn die auch sonst äußerst sparsam war, wenn es um Informationen über ihren Vater ging. Sein Bankkonto allerdings war leer gewesen, bis auf wenige hundert Euro.

Tonja fragte sich, was er wohl mit seinem Verdienst angestellt hatte. Das Haus war immerhin schuldenfrei, aber für die Pflege und Instandhaltung hatte er nichts ausgegeben. Seine Kontoauszüge halfen auch nicht weiter. Er hatte so gut wie keine Überweisungen getätigt, fast immer nur bar abgehoben. Immer mehrere hundert Euro. Wofür hatte er das Geld ausgegeben? Eine Geliebte vielleicht, hatte sich Tonja überlegt. Oder er war irgendwie süchtig. Drogen oder Spiele, oder sonst was. Aber konnte man denn noch seiner Arbeit nachgehen, wenn man süchtig war?

Ein wütendes Krähen unterbrach ihre Gedanken. »Scheißvieh!«, schrie irgendwer. Dann war alles ruhig. Im Nachbargarten rumorte es.

»Na, der soll mal schleunigst seinen blöden Hahn einsperren. Sonst kriegt er Ärger. Nicht nur mit uns.« Adele prostete ihr mit der Kaffeetasse zu.

»Ich war gestern in der Brunnenschenke«, begann Tonja vorsichtig.

»Ach ja«, erwiderte ihre Mutter ebenso vorsichtig.

»Und habe mit dieser Veronika gesprochen.« Tonja gluckste. »Sie nennt sich Veritas.«

»Das passt zu ihr«, schnaubte Adele und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Kaffeebecher.

»Sie sagt, ihr wart früher Freundinnen, in der Schule.«

»Das ist lange her.«

»Was ist zwischen euch passiert?«

»Gar nichts. Ich kann sie nur nicht mehr leiden.«

»Ach nee.« Tonja stellte ihren Kaffeebecher ab und sah ihre Mutter herausfordernd an. »Und wieso kannst du sie nicht mehr leiden?«

»Ach«, Adele winkte ab, »blöde alte Geschichten. Ich will nicht darüber reden. Dann kommt nur alles wieder hoch. Kann dir ja auch völlig egal sein.«

»Ist es aber nicht. Außerdem möchte ich mal wissen, wieso mich hier alle anstarren, als wäre ich ein exotisches Tier oder sonst was Besonderes.«

Adele warf Tonja einen kurzen Blick zu. »Das bildest du dir nur ein.«

»Nein!« Tonja stellte energisch ihren Kaffeebecher ab. »Egal, wo ich aufkreuze, ob in der Schule oder in der Kneipe, überall verstummen alle und gaffen.«

»Na ja«, Adele grinste, »so was Hübsches wie dich bekommt man ja auch nicht alle Tage zu sehen. War bei mir genauso. Früher.«

»Quatsch«, sagte Tonja ärgerlich, aber auch ein bisschen geschmeichelt. »Irgendwas ist da, aber …«

»Da hupt schon wieder einer, hast du’s gehört?« Adele war aufgesprungen und lugte durchs Küchenfenster, das einen halbwegs freien Blick auf den Nachbargarten bot. Zumindest jetzt, nachdem Tonja die Dornenhecke entfernt hatte.

»Lenk nicht ab«, sagte Tonja. »Seit wann interessiert es dich, wenn einer hupt?«

»Seit ich weiß, dass Hupen die Hühner vom Nachbarn aufscheucht.« Sie kicherte. »Guck dir mal die Staubwolke an.«

»Was meinst du?« Tonja war ebenfalls aufgestanden und gesellte sich zu ihrer Mutter ans Fenster.

Tatsächlich, über dem Nachbargarten hing eine Staubwolke, und die Hühner hatten sich unter einem Apfelbaum verkrochen.

»Irgendwie haben die Angst vor dem Geräusch. Ist dir noch nicht aufgefallen, dass in dieser Straße unverhältnismäßig viel gehupt wird? So viel Verkehr ist hier doch gar nicht.«

»Ja«, sagte Tonja verblüfft, »jetzt, wo du’s sagst.«

»Genau, das machen die nur, um die Hühner zu ärgern.«

»Du verarschst mich doch«, zweifelte Tonja.

»Nein! Hat Tim mir selbst erzählt.«

»Ach«, staunte Tonja und bemerkte gerade noch, wie ihre Mutter durch die Küchentür verschwand. Mist, dachte sie, hatte sie sich wieder mal erfolgreich um die Antwort herumgedrückt.

Tonja nahm ihren Becher, öffnete die Terrassentür und ging hinaus. Trotz der frühen Stunde erwärmte eine strahlende Sonne bereits den Garten, der nach Süden ging. Tonja setzte sich auf einen der beiden wackeligen Klappstühle, die ihr Nachbar ihnen zusammen mit einem kleinen Tisch als Übergangslösung überlassen hatte.

»Stehen bei mir sowieso nur rum«, hatte er gesagt und die Möbel über den verfallenen Staketenzaun und die Brombeerranken hinweg zu ihr auf die Terrasse getragen.

Tonja war ihm dankbar, nicht nur für die Möbel, sondern auch dafür, dass er zu den wenigen gehörte, die ihr neutral begegneten. Das lag wohl daran, dass er mit seiner eigenen turbulenten Vergangenheit zu kämpfen hatte. Seine Mutter war durch einen Unfall ums Leben gekommen, als er zehn Jahre alt war. Zwei Jahre später hatte sein Vater wieder geheiratet, damit der Junge nicht ohne Mutter aufwachsen musste. So jedenfalls hatte Adele es ihr erzählt. Aber kaum ein Dutzend Jahre später starb auch seine Stiefmutter. Sie war nach einer Ohnmacht in einer Pfütze ertrunken. Rainer, sein Vater, hatte sie gefunden und kurz darauf einen Schlaganfall erlitten, der ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen hatte. Tonja hatte ihn bisher nur schweigend und mit gesenktem Blick die Straße entlangschlurfen sehen. Er trug immer einen verschlissenen, viel zu großen Anzug und einen Strohhut.

Tim hatte die beiden Schicksalsschläge ziemlich gut weggesteckt, fand Tonja. Zumindest machte er auf sie einen ganz gesunden Eindruck. Aber was wusste man schon von seinen Mitmenschen. Seine Vorliebe für Hühner war zugegebenermaßen ziemlich schräg. Er arbeitete beim Touristikverein, organisierte Wanderungen, Konzerte, Lesungen und sonstige Veranstaltungen und machte Stadtführungen. Tonja mochte ihn, er war unkompliziert, wenn auch ein wenig zu ernst. Einmal hatte sie ihn beobachtet, wie er auf seiner improvisierten Gartenbank aus zwei Holzklötzen und einem Brett gesessen und ebenso liebevoll wie gedankenverloren seinen Hühnern beim Scharren zugesehen hatte. Was mochte ihn wohl bewegen, und wieso war er solo? Vielleicht wegen der Hühner? Oder war sonst etwas Sonderliches an ihm, was sie noch nicht entdeckt hatte?

Tonja nahm den letzten Schluck aus ihrem Becher und ging seufzend zurück ins Haus. Es gab noch viel zu tun.

Am Montagmorgen, Tonja hatte vor einer Stunde Otto zur Schule gebracht, war sie gerade dabei, die Decke des Zimmers zu streichen, das einmal ihr Wohnzimmer werden sollte, als etwas passierte, das ihre Planung von einem friedlichen Neuanfang vorerst über den Haufen werfen sollte. Es klingelte. Tonja fluchte leise, stieg von der Leiter und klemmte den Farbroller auf den Eimerrand. Sie hatte gehofft, heute mit diesem Zimmer fertig zu werden. Ihre Mutter war in der Stadt, eine alte Schulfreundin besuchen. Tonja wunderte sich, dass es so was für ihre Mutter in Goslar noch gab, eine alte Schulfreundin.

Jedenfalls war das Haus leer, und sie hatte den Vormittag nutzen wollen. Wer immer da vor der Haustür stand, hatte hoffentlich einen guten Grund, sie zu stören. Sie riss mit finsterem Blick die Haustür auf und empfing den Besucher mit einem barschen »Ja«.

Vor ihr stand ein stattlicher Mann mit vollem, dunklem Haar und ebenso dunklen Augen, die sie amüsiert musterten. Angesichts der Attraktivität des Mannes fuhr Tonja sich verlegen durchs Gesicht, was das Lächeln des Mannes noch vertiefte. Wahrscheinlich hatte sie sich mit Farbe beschmiert, dachte sie und räusperte sich. »Ich brauche nichts, danke.«

Sie wollte die Tür schon wieder zuklappen, als der Mann ihr einen Ausweis unter die Nase hielt.

»Mein Name ist Gruber, ich bin von der Kripo Goslar. Könnte ich Sie kurz sprechen?«

»Bitte, was?«, stotterte Tonja, obwohl sie den Besucher natürlich genau verstanden hatte. Akustisch zumindest. »Ist irgendwas mit Otto?«, fragte sie und hielt den Atem an.

»Wer ist Otto?«

»Mein Sohn. Er geht in die erste Klasse.«

»Nein, ich bin nicht hier, weil irgendwem etwas passiert ist. Zumindest nicht in den letzten Tagen.«

»Ach.« Tonja legte verwirrt die Hand an ihren Hals.

»Darf ich reinkommen?«

»Äh, könnte ich bitte Ihren Ausweis noch mal sehen?« Tonja kam sich albern vor. Wie oft hatte sie diese Szene in Fernsehkrimis schon gesehen, und nun gehörte sie plötzlich selbst zum Ensemble.

Er verzog leicht den Mund und hielt ihr noch mal den Ausweis hin. Sie nahm ihn ein wenig ehrfürchtig und verglich das Bild mit dem Original. Kein Zweifel, der Mann war von der Kripo. Sie gab ihm den Ausweis zurück und trat zur Seite.

»Na bitte, dann kommen Sie mal rein. Wir müssen in die Küche gehen, dort haben wir die meisten Sitzgelegenheiten. Wie Sie sehen, sind wir am Renovieren.«

Sie wusste nicht, warum sie immer wieder dem Drang nachgab, sich bei allen möglichen Leuten für alles Mögliche zu rechtfertigen. Sie musste dringend an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten.

Er setzte sich auf einen der Küchenstühle an den Tisch und warf einen prüfenden Blick durch den Raum.

»Ja, man sieht, dass hier jemand sehr fleißig war«, sagte er freundlich.

»Allerdings.« Tonja setzte sich ebenfalls. »Darf ich fragen, wieso das die Kripo interessiert?«

Er räusperte sich. »Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll. Offiziell dürfte ich gar nicht hier sein, aber …«

»Ach«, wiederholte Tonja und fragte sich schon, ob sie den Mann nicht lieber wieder vor die Tür setzen sollte.

»Sehen Sie«, begann er dann zögernd, »ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber mein Vorgänger hat den Unfall Ihres Vaters bearbeitet. Er ist mittlerweile pensioniert, und ich gehe einfach seine letzten Fälle noch einmal durch, und … na ja, möglicherweise habe ich nur Probleme mit seiner Art, Berichte zu schreiben. Sie ist, vorsichtig ausgedrückt, etwas lückenhaft.«

»Wieso fragen Sie ihn nicht einfach?«

»Weil er verreist ist. Und das noch für die nächsten zwei Monate. Ich möchte ihn wirklich nicht in seinem Urlaub stören, deswegen dachte ich, vielleicht können Sie mir ja ein paar Auskünfte geben.«

»Tut mir leid«, Tonja zuckte mit den Schultern, »ich hatte nie Kontakt zu meinem Vater. Meine Mutter hat immer gesagt, er sei gestorben. Sie hat allerdings nicht dazugesagt, dass er nur für sie gestorben war. Ziemlich frech.«

Tonja bekam immer noch Herzklopfen, wenn sie daran dachte, wie sie den Brief vom Anwalt geöffnet hatte und plötzlich Erbin ihres bis vor Kurzem noch quicklebendigen Erzeugers sein sollte. In ihrem Zorn hatte sie Otto genommen und war zu ihrer Freundin Hanne gefahren, die eine kleine Wohnung im hannoverschen Stadtteil List bewohnte. Nach knapp einer Woche Wohngemeinschaft hatte Hanne dann aber, wohl auch um ihre Wohnung wieder für sich zu haben, zwischen Tonja und ihrer Mutter vermittelt.

Adele hatte ihrer Tochter erklärt, ihr Vater sei ein gewalttätiger Schläger gewesen und sie hätte Angst um ihre kleine Tochter gehabt. Er hatte auf das Sorgerecht verzichtet, und sie hatte ihn nicht angezeigt. Das war die ganze Geschichte. Tonja hatte ihr verziehen, wenn auch mit Zähneknirschen. Wie oft hatte sie sich einen Vater gewünscht, der sie auf den Schultern trug, sie beschützte, den sie bewundern konnte. Aber so ein Mann war ihr Vater wohl sowieso nicht gewesen, und einen Stiefvater hatte ihre Mutter ihr nicht zumuten wollen. Nun gut, Tonja hatte sich damit abgefunden und das Erbe ihres toten Vaters angetreten.

»Ihr Vater ist auf der B 4 frontal gegen einen Baum gefahren, richtig?«

»Ja, das hat jedenfalls die Polizei gesagt.« Tonja runzelte die Stirn. »Stimmt das etwa nicht?«

»Doch, doch … nur … Es ist so, dass ich mir die Stelle angesehen habe und nicht ganz nachvollziehen kann, was da passiert ist. Es war am frühen Morgen, und die Strecke ist vollkommen gerade. Es war nicht neblig, die Straße war trocken, und es gab keine Bremsspuren. Manchmal ist es so, dass Leute hinter dem Steuer einen Herzinfarkt oder Schlaganfall haben und die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren. Die Obduktion hat aber nichts dergleichen ergeben.«

»Ich wusste nicht, dass Sie meinen Vater obduziert haben.«

»Das ist Routine, wenn die Todesursache nicht ganz klar ist.«

»Was ist denn unklar, wenn jemand frontal gegen einen Baum fährt? Da stirbt man halt an den Verletzungen. Oder nicht? Vielleicht war er einfach kurz eingenickt.«

»Möglich.« Gruber lächelte und sah sie unschlüssig an. »Könnte es sein … ich meine, hatte Ihr Vater vielleicht Depressionen?«

Tonja starrte den Gast verdutzt an. »Sie meinen, er könnte … mit Absicht …?«

Gruber zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, es könnte ja sein, dass Sie noch irgendwelche Medikamente gefunden haben, das wäre dann eine Erklärung. Kann aber auch sein, dass er tatsächlich einfach hinter dem Steuer eingenickt ist«, wiegelte er ab.

Tonja schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben nichts dergleichen gefunden.«

»Das war’s auch schon. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.« Gruber stand auf, und sie begleitete ihn zur Tür, wo er ihr die Hand reichte und lächelnd mit den Augen an ihrem Körper hinabfuhr.

Mist, dachte Tonja, die sich bewusst wurde, dass sie ein altes Hemd ihres Großvaters trug und eine Jogginghose. Mist, dachte sie noch mal, nachdem sich die Haustür hinter ihm geschlossen hatte. Da kam mal ein Typ vorbei, bei dem es sich wirklich lohnte, Eindruck zu schinden, und sie sah aus wie Puttchen Brammel. Erst als sie wieder auf die Leiter stieg, fragte sie sich, was dieser Besuch zu bedeuten hatte.

***

Adele hatte die Einladung ihrer alten Schulfreundin Dorothea mit gemischten Gefühlen angenommen. Sie waren sich im Edeka-Markt über den Weg gelaufen. Adele hatte noch versucht, sich hinter den Regalen zu verstecken, leider erfolglos. Thea, wie sie sich jetzt nannte, hatte sie entdeckt und ihren Namen durch den halben Laden geschrien, sodass Adele gezwungen war, sich ihr zu stellen.

»Hach, ich hab dich gleich wiedererkannt«, hatte Thea gesagt.

»Ich dich nicht«, hatte Adele geantwortet, aber die Einladung zum Frühstück angenommen, ganz einfach, weil ihr so schnell keine Ausrede eingefallen war.

Nun saß sie hier, in Dorotheas modernem Wohnzimmer, Wohnhalle würde es besser treffen, dachte Adele, nachdem sie in der ebenfalls hochmodernen Küche am Küchentisch ein opulentes Frühstück eingenommen hatten. Adele bewunderte die Fotos von Theas Kindern, die irgendwo irgendwas studierten. Natürlich, dachte Adele, wer ging heute noch arbeiten? Handwerker mussten mittlerweile doch ein Vermögen verdienen, so knapp, wie die waren.