Todeszug: Ein Fall für Seiler und Göbel - Erster Roman - Andreas Schmidt - E-Book
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Todeszug: Ein Fall für Seiler und Göbel - Erster Roman E-Book

Andreas Schmidt

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Beschreibung

Das Grauen lauert dort, wo man es am wenigsten erwartet: Der fesselnde Kriminalroman »Todeszug« von Andreas Schmidt jetzt als eBook bei dotbooks. Eine laue Sommernacht. Leise fährt die Wuppertaler Schwebebahn durch die einbrechende Dunkelheit. Nur ein einziger Fahrgast bleibt bis zur Endhaltestelle sitzen. Als der Fahrer ihn wecken will, stürzt der Mann zu Boden: Er ist tot. War es ein Herzinfarkt – oder ist er das erste Opfer einer heimtückischen Verbrechensserie? Obwohl die Polizei umgehend eine Nachrichtensperre verhängt, gelangen die Radioreporter Stefan Seiler und Heike Göbel in den Besitz eines brisanten Erpresserschreibens, das an die Betreiber der Schwebebahn gerichtet ist. Die beiden beginnen, auf eigene Faust zu ermitteln – und bringen sich damit in größte Gefahr! Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Todeszug«, der erste Fall für die Radioreporter Seiler und Göbel, in dem auch Andreas Schmidts beliebter Kommissar Norbert Ulbricht auftritt. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 358

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Über dieses Buch:

Eine laue Sommernacht. Leise fährt die Wuppertaler Schwebebahn durch die einbrechende Dunkelheit. Nur ein einziger Fahrgast bleibt bis zur Endhaltestelle sitzen. Als der Fahrer ihn wecken will, stürzt der Mann zu Boden: Er ist tot. War es ein Herzinfarkt – oder ist er das erste Opfer einer heimtückischen Verbrechensserie? Obwohl die Polizei umgehend eine Nachrichtensperre verhängt, gelangen die Radioreporter Stefan Seiler und Heike Göbel in den Besitz eines brisanten Erpresserschreibens, das an die Betreiber der Schwebebahn gerichtet ist. Die beiden beginnen, auf eigene Faust zu ermitteln – und bringen sich damit in größte Gefahr!

Über den Autor:

Andreas Schmidt, geboren 1969 in Wuppertal, begann als Redakteur der Schülerzeitung schon früh mit dem Schreiben. Später arbeitete er als Journalist für zahlreiche Zeitungen und andere Medien, bevor er begann, sich ganz der mörderischen Unterhaltung zu widmen: »Ich liebe den Krimi, weil er so facettenreich ist!«

Der Autor im Internet: www.mordundtotschlag.com

Bei dotbooks veröffentlichte Andreas Schmidt seine Trilogie rund um das Wuppertaler Ermittlerduo Seiler und Göbel (»Todeszug«, »Todeswasser«, »Todesschnitt«) sowie die Kriminalromane »Der Kopf des Toten« und »Tod mit Meerblick«, die den Leser in den Westerwald und an die Nordsee entführen. Auf für ihn ungewöhnlichen Pfaden wandelt Andreas Schmidt in »Chaos schützt vor Liebe nicht«, einer beschwingten Komödie – und beweist, wie meisterhaft er auch diese Tonart beherrscht.

***

eBook-Neuausgabe April 2019

Dieses Buch erschien bereits 2002 unter dem Titel Das Schwebebahn-Komplott bei KBV

Copyright © der Originalausgabe 2002 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von shutterstock/Sergey Dzyuba

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-327-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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Andreas Schmidt

Todeszug

Ein Fall für Seiler und Göbel – Kriminalroman

dotbooks.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Danksagung

Lesetipps

Kapitel 1

»Nächster Halt: Hammerstein!« Verzerrt klang Hans Zochs Stimme durch die Lautsprecheranlage der Schwebebahn, während er das Tempo des Zuges konstant hielt. Soeben überquerte der orange-blaue Lindwurm das Sonnborner Kreuz. Hell erleuchtet lag das bizarr anmutende Betongebilde mit seinen vierundzwanzig Brücken links neben der Schwebebahn. Auf der Autobahn floss der Verkehr vorüber, während der grauhaarige Zugführer das Geschehen aus der so genannten zweiten Ebene betrachtete. Mit gemischten Gefühlen erinnerte er sich an die Zeit, als der Verkehrsknotenpunkt entstanden war. Längst schon hatte man vergessen, dass die architektonisch wertvolle Sonnborner Kirche der Abrissbirne zum Opfer gefallen war, um den neuen Fahrspuren Platz zu machen. Auch zahlreiche Menschen hatten ihre Häuser verloren, da die Autobahn genau durch den kleinen Stadtteil Sonnborn verlaufen sollte. Diese traurige Tatsache hatte man in der damaligen Euphorie großzügigerweise totgeschwiegen.

Mit einem unterdrückten Seufzer auf den Lippen glitt Hans Zochs Blick über die Armaturen des Führerstandes. Alles in Ordnung – eigentlich hatte er auch nichts anderes erwartet. Ein langweiliger Spätdienst neigte sich dem Ende entgegen. In dieser lauen Sommernacht war zwar halb Wuppertal auf den Beinen, doch verbrachte man den wohlverdienten Feierabend lieber in einem gemütlichen Biergarten als in einem miefigen Schwebebahnzug. Als der Schwebebahnfahrer einen routinemäßigen Blick in den großen Panoramaspiegel über seinem Kopf warf, entdeckte er einen einsamen Mann mit ergrauten Schläfen. Er hockte in sich zusammengesackt auf der letzten Bank und schlief tief und fest. Der Mann wirkte irgendwie seriös in seinem Anzug, und dennoch konnte Hans Zoch nicht umhin, ihn mit einem mitleidigen Blick zu betrachten. Vermutlich war der Gute völlig betrunken. Den Kopf auf der Brust, die Arme verschränkt, schlief er in Zochs Bahn seinen Rausch aus. Immerhin nahm kein anderer Fahrgast Notiz von ihm. Zoch wusste nicht einmal, wann der Kerl im zerknitterten Sommeranzug zugestiegen war. Irgendwann hatte er einfach in seiner Schwebebahn gesessen. Wenigstens war er friedlich und randalierte nicht, denn sonst hätte Zoch ihn an die frische Luft setzen müssen. So aber würde er ihn bis zur Endstation Vohwinkel mitnehmen, um ihn dort in eines der wartenden Taxis verfrachten zu lassen. Eigentlich wirkte der Grauhaarige gar nicht wie jemand, der sich regelmäßig zulaufen ließ. Der Mann kam Hans Zoch bekannt vor. Es ging ihm wie schon hundertmal vorher: Er kannte den Fahrgast, ohne zu wissen, woher. Immerhin nutzten siebzigtausend Menschen pro Tag das Wuppertaler Wahrzeichen als Transportmittel, und da konnte er sich unmöglich jedes Gesicht merken.

Früher war er als Straßenbahnfahrer im Depot an der Ueldahler Straße stationiert gewesen. Nachdem die altmodische Wagenhalle geschlossen worden war, wurde er nach Heckinghausen versetzt. Für Hans Zoch durchaus von Vorteil, da er von nun an zu Fuß zur Arbeit gehen konnte. Sein ganzer Stolz war das Häuschen am Hammesberger Weg, das er mit seiner Hilde von den Ersparnissen gekauft hatte, um den beiden Kindern ein Heim im Grünen bieten zu können. Die kleine Welt war bis zu dem Tag in Ordnung gewesen, an dem die Stadtwerke die Stilllegung des kompletten Wuppertaler Straßenbahnnetzes beschlossen hatten. Die Züge waren hoffnungslos veraltet und mussten dringend erneuert werden. Auch das Schienennetz war störanfällig geworden und hätte einer Überholung bedurft – ein aus kaufmännischer Sicht unsinniges Unterfangen. Sogar der Kauf einiger gebrauchter Bahnen aus Dortmund brachte nur einen Aufschub. So kam es, wie es kommen musste: Nach unzähligen Ratssitzungen beschloss man, dass die definitiv letzte Straßenbahn in der Nacht zum 31. Mai 1987 über die brüchige Tal-Achse rumpeln sollte. Das bestehende Liniennetz wurde fortan von einer Flotte nagelneu angeschaffter Gelenkbusse bedient. Hans Zoch kam sich plötzlich überflüssig vor. Er schien am Ende seiner beruflichen Laufbahn angelangt zu sein, und nur ungern erinnerte er sich an diese Zeit. Er hatte zu oft und zu viel getrunken.

Zwar hatte man ihm eine Stelle als Busfahrer in der neuen Nächstebrecker Wagenhalle angeboten, den Vorschlag aber rasch zurückgezogen, als man von seinen Alkoholproblemen erfuhr. Außerdem wäre es nie sein Ding gewesen, einen überfüllten Linienbus durch die engen Straßenschluchten von Wuppertal zu quälen. Andererseits war das Haus noch nicht ganz abbezahlt. Vorsichtig hatte er sich nach einer Stelle als Schwebebahnfahrer erkundigt – das kam seiner guten alten Tram ziemlich nahe, wie er wehmütig meinte. Er hatte Glück gehabt und durfte – nach rund 65 Fahrstunden beim einzigen Schwebefahrlehrer der Welt – endlich hinters Steuer. Seitdem betrachtete er seine Stadt aus der zweiten Ebene. Sanft schwingend am lindgrünen Gerüst der Bahn hatte er mit Staus und dem Gewimmel in der Innenstadt herzlich wenig am Hut. Da die Bahn nur tagsüber verkehrt, fielen fortan keine Nachtschichten mehr für Zoch an. Ein weiterer Vorteil für ihn, denn aus dem hektischen, zu cholerischen Anfällen neigenden Hans Zoch war ein besonnener, ausgeglichener Mann im besten Alter geworden. Zoch war mit sich und seiner kleinen Welt zufrieden und konnte sich bis zu seiner Rente nichts anderes mehr vorstellen, als Schwebebahn zu fahren. Sicherlich gab es aufregendere und anspruchsvollere Jobs, doch er fühlte sich wohl, und nur das zählte.

Als die Station Hammerstein in Sicht kam, erwachte Zoch aus seinen Betrachtungen und zog den Fahrhebel der Bahn etwas zurück. Kaum spürbar verzögerte der Zug. Auf dem Bahnsteig wartete nur ein älterer Mann mit roter Säufernase im Jeansanzug. Zoch betätigte den Mechanismus, der die Türen der Bahn öffnete. Der kleine Schwarzweißmonitor rechts am Fahrerstand flammte auf, und er konnte über eine auf dem Bahnsteig installierte Kamera den Fahrgastwechsel überwachen. Zoch drehte sich um und warf einen Blick nach hinten in das Innere der Bahn. Der Betrunkene auf der letzten Bank schlief immer noch tief und fest. Nun, ihm sollte es egal sein.

Inzwischen hatte er das Strecke frei-Signal erhalten. Nachdem der Fahrgastwechsel abgeschlossen war, verschloss Hans Zoch die Türen und drückte den Fahrhebel vor. Die Laufwerke auf dem Dach der Bahn surrten kaum vernehmlich. Ein leichter Ruck durchlief die Bahn, dann rollte sie aus der Station. Jetzt lag die Kaiserstraße unter ihm. Von der Straße her dröhnten Technorhythmen an seine Ohren. Als er sich im Fahrersitz vorbeugte, erkannte er ein knallrotes BMW-Cabrio, das fast genau unter seiner Schwebebahn nach Westen rollte. Etwas irritiert blickte Hans Zoch in die beleuchteten Fenster der bunten Hausgiebel, an denen die Bahn vorüberrollte. Nein, es bestand kein Zweifel; der Lärm drang aus dem offenen Sportwagen zu ihm hinauf.

In der warmen Nacht waren noch zahlreiche Spaziergänger unterwegs. Vergnügt zogen sie von Kneipe zu Kneipe oder belegten die zahlreichen Tische der Straßencafés und Eisdielen der Kaiserstraße. Nun sah Zoch, wie sich einige Passanten die Hälse nach dem BMW verrenkten. Scheinbar unbewusst hielt der Fahrer des Cabrios das gleiche Tempo wie die Schwebebahn über seinem Kopf. Auf der Höhe des Eissportzentrums erkannte Zoch endlich den Fahrer; einen braungebrannten Typ mit offenem, weißem Hemd. Die schulterlangen, dauergewellten Haare flatterten im Fahrtwind. Zoch sah im Licht der Straßenlaternen eine goldene Armbanduhr glitzern.

»Zuhälter«, entfuhr es dem Schwebebahnfahrer abfällig, als er sah, wie der Typ ein offensichtlich intensives Gespräch mit seiner jungen, hübschen Beifahrerin führte. Er redete mit übertriebenen Gesten auf die Frau ein und schaute sie viel zu lange an, anstatt sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Immer wieder landete seine behaarte Pranke auf dem nackten Knie der jungen Frau, der diese Berührungen anscheinend unangenehm waren, denn geschickt wich sie immer wieder aus und brachte ihre Beine aus der Gefahrenzone. Wie Zoch schätzte, war sie Anfang dreißig. Höchstens. Ihr blondes Haar trug sie sportlich kurz. Als ihr die Annäherungsversuche ihres Verehrers zu bunt wurden, zog sie das geblümte Sommerkleid herunter.

»Widerling«, zischte Zoch kopfschüttelnd.

Das bunte Licht von unzähligen Leuchtreklamen der Geschäfte warf bizarre Schatten auf die blank polierte Motorhaube des Cabrios, während Hans Zoch das offenbar ziemlich einseitig verlaufende Gespräch zwischen den beiden von oben beobachten konnte. Es schien, als hätte das junge Paar unter ihm Streit oder zumindest eine Meinungsverschiedenheit. Wiederholt schüttelte die junge Frau trotzig den Kopf und blickte scheinbar gelangweilt aus dem Seitenfenster, während sich ihr Verehrer immer wieder weit zu ihr hinüberbeugte. Dass sich der Cabrio-Fahrer mehr auf die junge Frau neben sich konzentrierte, als auf den fließenden Verkehr, bemerkte er erst, als er um ein Haar auf einen langsam vor ihm herfahrenden Wagen aufgefahren wäre, der einen freien Parkplatz zwischen den Schwebebahnpfeilern suchte. Der BMW geriet ins Schlingern. Zoch vernahm das Kreischen der Reifen bis in den Führerstand der Bahn. »Idiot«, brummte er und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Was gingen ihn die Streitigkeiten anderer Leute an?

Die Haltestelle Bruch kam in Sichtweite, und Zoch drosselte das Tempo, als die Bahn in die menschenleere Station einlief. Auch hier konnte sich der Betrunkene von der letzten Bank nicht dazu aufraffen, endlich auszusteigen.

»Also doch ein Taxi an der Endstation«, murmelte Zoch Gott ergeben und rollte mit den Augen. In wenigen Minuten hatte er Dienstschluss, sollten sich doch andere um den Heini kümmern! Seelisch bereitete er sich schon auf einen gemütlichen Feierabend auf der Terrasse seines Häuschens vor, träumte von einem kühlen Bier und einem kleinen Plausch mit seiner Hilda, die ihn sicherlich schon erwartete. Morgen hatte er frei; da würde er nach Dormagen fahren, zum Angeln.

Der Zug rollte in die Endstation Vohwinkel ein. Ein leiser Seufzer der Zufriedenheit kam über Zochs Lippen, als er die weinrote Krawatte über dem hellblauen Diensthemd mit der pedantischen Bügelfalte zurechtrückte. Brav wies er seine letzten Fahrgäste darauf hin, dass hier Endstation sei und jeder die Güte haben möge auszusteigen. Eigentlich überflüssig, da jeder Wuppertaler wusste, dass die Schwebebahn hier den letzten Halt einlegte. Hinter der engen Wendeschleife erkannte er im gleißenden Lichtschein die Wagenhalle. Zoch sah in Reih und Glied aufgereihte Züge, die bereitstanden für den nächsten Tag, frisch gewaschen und gewartet, denn Sicherheit wurde groß geschrieben bei den Stadtwerken. Immerhin galt die Wuppertaler Schwebebahn als das sicherste Verkehrsmittel der Welt, und das sollte auch so bleiben.

Mit einem wehmütigen Stich im Herzen erinnerte er sich an den Absturz einer Bahn im April 1999, bei dem fünf Menschen ums Leben gekommen waren. Fast fünfzig Verletzte waren zu beklagen gewesen. Infolge des Vorfalls wurde die Strategie, das alte Gerüst der Bahn nur am Wochenende auszutauschen – und dann unter immensem Zeitdruck –, von zahlreichen Stellen kritisiert. Hans Zoch bekam eine Gänsehaut, denn eigentlich hätte er an diesem schwarzen Montag die erste Bahn fahren sollen. Er hatte sich am Wochenende den Magen verdorben und war nicht vom stillen Örtchen gekommen. Glück im Unglück, denn den Kollegen, der ihn vertreten hatte, hatte er wahrlich nicht beneidet. Abgesehen davon, dass der Fahrer der Unglücksbahn im Krankenhaus gelandet war, hatte man ihm zunächst vorgeworfen, er hätte die Kralle, welche den Unfall verursacht hatte, sehen müssen. Dieser Vorwurf hatte sich glücklicherweise nicht sehr lange halten lassen, denn immerhin war es zu diesem Zeitpunkt dunkel gewesen. So war die Schwebahn gegen die Kralle gefahren, als wäre sie auf einen Rammbock aufgelaufen. Das erste der vier Leitwerke auf dem Dach war abgerissen worden und hatte dadurch das Unglück besiegelt.

Zoch dachte nicht gern an diese Schicksalsfügung, wehrte sich aber dagegen, dass man das tragischste aller Ereignisse einfach totschwieg und verdrängte. Er schüttelte stumm den Kopf und versuchte in die Gegenwart zurückzukehren.

Ein letztes Mal in dieser Schicht beobachtete Zoch über den kleinen Monitor, wie die Fahrgäste seine Bahn mehr oder weniger eilig, jedenfalls ohne sich noch um weitere Mitfahrende zu kümmern, verließen.

Nur einer stieg nicht aus.

Der Betrunkene.

Hans Zoch zerquetschte einen Fluch auf den Lippen. Ruckartig sprang er vom Fahrerstand auf und öffnete die halbhohe Tür, die seinen Stand vom Fahrgastraum abtrennte. Mit langen Schritten stürmte er nach hinten.

»He Mann, hier ist Endstation!«, rief er schon vom Gelenk des Zuges aus. Er erhielt keine Reaktion. Der Anzugträger schlummerte tief und fest.

»Mein Gott, ist der voll«, murmelte Zoch und beeilte sich, das Heck der Bahn zu erreichen. Ihm blieb nicht viel Zeit, den unliebsamen Fahrgast an die frische Luft zu setzen, denn er blockierte den Bahnsteig. Solange er sich in der Station aufhielt, wurde die Strecke hinter ihm gesperrt, sodass die folgende Bahn vom Leitstand aus gestoppt wurde. Also musste Zoch rasch die Strecke räumen, sonst gab es wegen ihm Verzug im nachfolgenden Verkehr der Schwebebahn. Das war ihm in all den vielen Dienstjahren noch nie passiert, und Zoch wollte sich von einem sternhagelvollen Fahrgast nicht die Statistik versauen lassen.

»Hallo, guter Mann!«, wagte er einen zweiten Versuch. »Hier ist Endstation!« Dann hatte er den scheinbar Saumseligen erreicht. Zoch stutzte. Er kannte den Herrn. Jetzt war er sich ganz sicher. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Dunkle Erinnerungen wurden lebendig, als er an seine erste Begegnung mit ihm dachte. »Ausgerechnet der«, fluchte er. Erschrocken griff er nach der rechten Hand des Betrunkenen und fühlte den Puls.

Zumindest versuchte er es.

Die Hand war eiskalt. Schockiert ließ Zoch sie los. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Entsetzt konstatierte er, dass der Arm des Fahrgastes leblos am Körper herunterhing. »Kein Puls, Mann, das sieht aus, als hätte ich ein Problem«, stellte Zoch fest und blickte sich irritiert um. Noch immer war er alleine mit dem Anzugträger. Es roch penetrant nach Alkohol. Gehetzt ließ er den Blick über den schlaffen Körper des Mannes gleiten. Der Anzug war zerknittert und wirkte, als hätte der Mann ihn seit Tagen nicht mehr ausgezogen. Zoch schätzte den Fahrgast auf Anfang fünfzig. Er hatte ein rundes, volles Gesicht, die Haut war gebräunt, vermutlich von einer Sonnenbank. An den fleischigen Händen erkannte Zoch protzige Siegelringe. Erst jetzt erblickte er die mit zahllosen Diamanten besetzte Uhr am Armgelenk des Mannes. Die Gedanken rasten förmlich durch Zochs Kopf.

Steinreich und dennoch sternhagelvoll. Der Schwebebahnfahrer spürte instinktiv, dass hier etwas nicht stimmte. Wenn jemand so reich war, wie der hier aussah, hatte er es nicht nötig, mit öffentlichen Verkehrsmitteln heimzufahren. Leichte Panik stieg in Hans Zoch hoch. Er warf immer wieder gehetzte Blicke über die Schulter. Dann schlug er dem Mann vorsichtig auf die Wange, er tätschelte ihn; erst sanft, dann energischer. Als der Anzugträger nicht reagierte, beugte Zoch sich weit über den massigen Körper und zog entschlossen ein Augenlid hoch. Der Knabe blickte ihn aus geweiteten, leblosen Pupillen an.

Das war bizarr.

Jetzt hörte der Spaß auf.

Zoch spürte, wie der Boden unter ihm nachzugeben schien. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, während er gegen die Übelkeit ankämpfte, die von ihm Besitz ergriff. Dann endlich hatte er begriffen: »Ausgerechnet der«, zischte Hans Zoch.

Es sah ganz so aus, als hätte er eine Leiche zur Endstation befördert.

Kapitel 2

»Bitte, bring mich nach Hause!« Die junge Frau warf Klaus Gembowsky einen ernsten, fast beschwörenden Seitenblick zu. Ihr hübsches Gesicht wirkte versteinert, wie eine Maske. Rasch schlug sie das luftige Sommerkleid über die Knie, um einem weiteren tätlichen Annäherungsversuch des dunkelhaarigen Mannes an ihrer Seite zu entgehen. Die Ampel war auf Rot umgesprungen, und er hatte das knallrote BMW-Cabrio mit quietschenden Reifen zum Stillstand gebracht. Dass der schwere Wagen schräg zur Fahrtrichtung stand, empfand er scheinbar als äußerst sportlich. Gembowsky beugte sich weit zu ihr hinüber und bleckte eine Reihe strahlend weißer Zähne.

»Aber Heike, Baby«, seufzte er, »der Abend hat doch eben erst begonnen.«

»Trotzdem«, konterte Heike und zog einen Flunsch. »Ich bin müde.« Sie blickte demonstrativ aus dem Seitenfenster des Cabrios.

»Wir fahren noch auf einen kleinen Absacker zu mir, und dann bringe ich dich wohin du willst, okay?« Er grinste noch eine Spur breiter und brüllte gegen die laute Musik aus den Boxen des Autoradios an. »Von der Terrasse meines Hauses können wir den Sonnenuntergang an der Müngstener Brücke beobachten. So etwas sieht man nicht alle Tage«, gab er sich unbeeindruckt. »Wenn die Lichter in Remscheid angehen ...« Er schnalzte mit der Zunge. »So etwas muss man gesehen haben – mit einem Cocktail in der Hand ...«

»Du bist schwerhörig«, stellte seine hübsche Beifahrerin fest und verschränkte in ablehnender Haltung die Arme vor der Brust. »Ich sagte, dass ich müde bin. Hundemüde, sozusagen. Außerdem wartet Stefan auf mich.«

Klaus Gembowskys Miene verdunkelte sich schlagartig. Das Grinsen gefror. »Wer ist dieser ... dieser Stefan?« Den Namen hatte er hervorgestoßen, als handele es sich dabei um ein übles Schimpfwort.

Nun war es an Heike zu grinsen. »Mein Freund.« Der Triumph in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Die Ampel sprang auf Grün um. Gembowsky legte den Gang ein, und das Getriebe krachte.

›Nein‹, dachte Heike, ›das Autofahren hat er wahrlich nicht erfunden.‹

Er legte einen Kavalierstart hin. Die Passanten auf den Bürgersteigen der Kaiserstraße quittierten das Quietschen der Pneus mit einem missbilligenden Kopfschütteln, und ein junges Mädchen tippte sich bezeichnend gegen die Stirn.

»Was spricht denn dagegen, wenn ich dir nach einem gelungenen Abend in meiner Bar nun mein bescheidenes Heim zeige?« Erneut beugte er sich weit zu ihr hinüber und grinste anzüglich.

Die junge Frau auf dem Beifahrersitz rollte entnervt mit den Augen. Den Job hatte sie sich etwas leichter vorgestellt. »Ist das denn so schwer, Klaus?«, rief sie gegen die laute Musik an. »Ich habe schon vorhin gesagt, dass ein anstrengender Tag in der Redaktion hinter mir liegt und ich endlich die Füße hochlegen will.«

»Aber Heike, Baby, komm – das kannst du doch auch bei mir.« Er winkte ab und fasste sich an die Stirn. »Ich vergaß«, spottete er. »Dieser Stefan wartet ja auf dich.«

Heike nickte. »Ja, das tut er.«

Er umklammerte das Lenkrad fester. Weiß traten die Knöchel unter der Haut hervor.

»Stefan ist übrigens sehr eifersüchtig«, fügte Heike mit einem feinen Lächeln hinzu und goss damit Benzin in ein loderndes Feuer.

Gembowskys Kopf ruckte zu ihr herum. Er zog eine spöttische Grimasse, dann lachte er höhnisch auf. »Wenn er so eifersüchtig ist«, rief er, »dann weiß er doch sicherlich auch, dass du dir den Abend mit dem König der Nacht vertreibst, oder?«

Heike nickte. »Sicher. Aber erstens weiß er, dass unser Treffen rein beruflicher Natur ist, und zweitens habe ich ihm einfach erzählt, dass du schwul bist.«

Die Kinnlade des verkappten Rennfahrers fiel herunter.

Seine blonde Beifahrerin genoss es, wie seine Gesichtszüge sekundenlang entgleisten. Dann hatte er die Fassung zurückerlangt und warf Heike einen weinerlichen Blick zu. »Er denkt also ernsthaft, ich sei ... schwul?«

»Was spricht dagegen?«, fragte Heike kokett. Es gefiel ihr, mit dem großen Klaus Gembowsky zu pokern. Er war Besitzer von drei Nachtbars im Bergischen Land und stand im Ruf, Drahtzieher der örtlichen Prostitution zu sein. Da man ihm in der Vergangenheit Beziehungen zum Milieu und sogar Mädchenhandel vorgeworfen hatte, hatte Heike Göbel ein Treffen mit ihm vereinbart, um die Wahrheit herauszufinden. Sie war Reporterin beim örtlichen Radiosender Wupperwelle und hatte sich freiwillig dazu bereit erklärt, Licht in das Dunkel zu bringen. Er aber hatte von Geschäftsschädigung und Rufmord geredet und immer wieder beteuert, dass seine Animierdamen, wie er sie nannte, freiwillig und sogar gern bei ihm arbeiteten. Jetzt starrte der große Klaus Gembowsky seine Beifahrerin sichtlich erschüttert an. »Ich bin aber nicht schwul, verdammt noch mal!«

Heike schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Mach dir nichts daraus. Mein Bruder Peter ist auch schwul. Er ist ein Mensch wie du und ich – nur, dass er mit Frauen nichts anzufangen weiß. Du arbeitest täglich mit schönen Frauen zusammen, und keiner wird es dir verübeln, wenn du dich nach Feierabend ... nun, anders orientierst ...«

Betroffen schwieg er. Erst als die Ampel wieder auf Grün schaltete, schüttelte er den Kopf und fuhr an, diesmal etwas moderater. »Das ist unglaublich«, stammelte er. »Eine hübsche, intelligente Frau und dann ein solches Gerücht ...«

Heike winkte gelangweilt ab. »Hmm. Ehrlich gesagt: Das Interview wäre wohl besser gelaufen, wenn du tatsächlich auf Männer stehen würdest.«

»Das ist ja wohl das Letzte!«, schimpfte Gembowsky nun. Sein Kopf war puterrot geworden. »Erst machst du mich den ganzen Abend lang an, reizt mich mit deinen langen Beinen, und nun wirst du zickig! Du hast ja dein Interview – das ist es doch, oder?«

»Pah«, flötete Heike und blickte betont gelangweilt aus dem Seitenfenster. Die schmucken Häuser der Kaiserstraße flogen an ihnen vorüber. Ein lauer Wind wehte in den offenen Wagen.

Als sie die große Kreuzung erreicht hatten, an der es links nach Solingen-Gräfrath geht, deutete Heike durch die Windschutzscheibe nach vorn. An der Endstation der Schwebebahn standen zwei Taxis am Taxistand. »Ich denke, es ist besser, wenn du mich dort aussteigen lässt. Dann kann ich mir einen Wagen nehmen und mich heimfahren lassen.«

Klaus Gembowsky, der sich bereits auf der Linksabbiegerspur eingeordnet hatte, riss das Sportlenkrad energisch nach rechts.

»Wie du willst«, zischte er mit verbissener Miene. In einem Affenzahn schoss der rote Sportwagen über die Kreuzung, direkt auf die Vohwinkler Straße zu. Die Wagenhalle der Schwebebahn gähnte über der Straße und erinnerte Heike an das weit aufgerissene Maul eines überdimensionalen Krokodils. Als sie an der Endstation vorbeibrausten, erkannte Heike eine Gruppe von Menschen, die sich unter dem eisernen Tor der Wagenhalle versammelt hatte. Heike kam nicht dazu, sich Gedanken über die Leute an der Station zu machen. Sie hatte andere Sorgen.

Die Zornesadern pochten an Gembowskys Schläfen. Es war unvorstellbar für ihn, eine Schlappe hinnehmen zu müssen. Insgeheim hatte er sich schon auf eine heiße Nacht mit der Blondine von der Wupperwelle gefreut. Sicherlich wäre später, nach dem offiziellen Teil des Abends noch etwas mit ihr gelaufen. Sie war ein steiler Feger, hatte eine tolle Figur und einen sinnlichen Schmollmund. Nur selten hatte eine Frau eine Einladung in die luxuriöse Villa am Stadtrand von Solingen abgelehnt.

Nur diese Radiotante machte Zicken.

Der Traum von einer heißen Nacht mit der Journalistin war wie eine Seifenblase geplatzt. Mühsam unterdrückte er einen Seufzer, während er das Cabrio an den Straßenrand lenkte. An der großen Bushaltestelle kam der BMW zum Stillstand. Klaus Gembowsky drehte das Radio leiser. Wütend beugte er sich nach rechts und stieß die Beifahrertür auf. Dabei berührte er Heike, spürte ihre warme Haut unter dem dünnen Stoff des Sommerkleides. Er ermahnte sich, jetzt nur keine Schwäche zu zeigen. ›Es gibt tausend andere Frauen, und sie alle können dir gehören, alter Junge‹, machte er sich selber Mut. Dennoch kochte er vor Wut. Mit einem Klaus Gernbowsky legte man sich besser nicht an. Das roch nach Ärger. Er würde eine Niederlage nicht so einfach hinnehmen.

»Bitte«, rief er und machte auf cool, als er nach draußen deutete. »Du hast es selbst so gewollt.«

Heike hatte bereits einen Fuß auf den Bürgersteig gesetzt. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und strich sich eine Strähne aus der Stirn.

»Vielen Dank«, erwiderte sie schnippisch und stieg aus. »Auf ein Wiedersehen kann ich wohl verzichten.« Mit einem tausendfach geübten Augenaufschlag warf sie die Wagentür hinter sich zu und wandte sich zum Gehen.

Das Getriebe krachte, als Gembowsky einen Gang einlegte und die Kupplung kommen ließ. »Zicke!«, rief er wütend, bevor er einem Golf die Vorfahrt nahm und sich den Zorn des Fahrers zuzog. Das Hupen des altersschwachen VW überhörte er weltmännisch. In einem beängstigenden Tempo jagte er weiter über die Vohwinkler Straße in Richtung Haan. Es stank nach verbranntem Gummi.

»Wichser!«, rief Heike ihm nach und beobachtete, wie Gembowsky nach rechts über die lange Eisenbahnbrücke verschwand.

***

Als sie auf den Taxistand zumarschierte, fiel ihr wieder die Menschenmenge vor der Wagenhalle der Schwebebahn auf. Sie blieb stehen und runzelte die Stirn. Ihre berufliche Neugier war erwacht. Heike schlenderte am Taxistand vorbei und gesellte sich zu der bunt gemischten Gruppe. Der Besitzer des kleinen Kiosk am Fuß der gewaltigen Stahlkonstruktion beugte sich weit aus seinem Büdchen.

»Ist etwas passiert?«, fragte Heike den dunkelhaarigen Mann mit dem imposanten Schnurrbart. Der Kioskbesitzer, augenscheinlich ein Türke, legte den Kopf schräg und kehrte die Handflächen nach oben. »Ein Mann ist gestorben. In der Schwebebahn. Einfach so – tot.«

Damit hatte die Reporterin ihr unerfreuliches Treffen mit Gembowsky schon wieder vergessen. Ihr Jagdinstinkt war erwacht. Eine Leiche im berühmten Wuppertaler Wahrzeichen?

Sie roch eine heiße Story.

Heike strich sich das Kleid glatt und wühlte aufgeregt in ihrer Handtasche herum. Sie kramte ihr Handy hervor und tippte eine Nummer ein. Sie war Radioreporterin und als solche immer stand by für den Job. Immer am Ball, wenn etwas in der Stadt geschah, immer auf der Jagd nach einer heißen Sensation. Im Telefon herrschte Stille.

Absolute Stille.

Mit einem Stirnrunzeln blickte Heike auf das Display ihres Handys. Das Ding war aus – hatte sich einfach so abgeschaltet.

»Oh nein«, seufzte sie und ließ es in ihrer Tasche verschwinden. »Der Akku ist leer. Ausgerechnet jetzt. Mist.«

Plötzlich trieb die Menschenmenge auseinander. Heike reckte den Kopf, dann sah sie den Grund für die Unruhe. Ein dunkelblauer Opel Omega rollte auf den kleinen Platz vor dem Tor.

Heike Göbel kannte das unauffällig lackierte Fahrzeug.

»Kripo?«, fragte sie sich selbst und hielt es für richtig, sich zunächst im Hintergrund zu halten. Teilweise reagierte die Kriminalpolizei sehr stur, wenn sie Medienvertreter am Tatort antraf, bevor sie selber eingetroffen war. Rasch duckte sie sich hinter dem Postkartenständer des Kiosks und spähte zwischen den bunten Ansichtskarten hindurch. Zu ihrer Verwunderung stieg nur ein einziger Mann aus dem Dienstwagen aus. Sorgfältig verschloss er den Omega und verschaffte sich zunächst ein Bild von der Gruppe, die sich vor dem eisernen Tor versammelt hatte. Der Beamte war hoch gewachsen, dunkelhaarig, hätte längst zum Frisör gemusst und trug ein zerknittertes Hemd der Marke bügelfrei zu einer hoffnungslos altmodischen Bundfaltenjeans. Unter einem ungepflegten Oberlippenbart kaute er auf einem kalten Zigarettenstummel herum, den er jetzt ausspuckte und mit dem Absatz seiner Hush Puppies endgültig austrat. ›So sieht nur ein typischer Junggeselle aus‹, durchzuckte es die Reporterin der Wupperwelle. Nachdem der Kripomann sich einen kurzen Überblick verschafft hatte, steuerte er zielstrebig auf die hohe, blickdichte Metalltür der Wagenhalle zu.

Jemand aus der versammelten Menge rief: »Was ist denn geschehen?«, doch diese Frage überhörte der Polizeibeamte in Zivil großzügig und schlug mit der flachen Hand gegen das Tor.

Heike hielt die Zeit für gekommen, ihn anzusprechen. Wenn der Kripomann erst mal hinter dem Eisentor verschwunden sein würde, wäre für sie alles zu spät. Rasch verließ sie ihre Deckung und näherte sich ihm. Da er mit dem Rücken zu ihr stand, hatte er sie nicht bemerken können.

»Kommissar Ulbricht«, rief Heike laut und ergriff seinen Unterarm. Wenn sie sich recht erinnerte, war Verdammt sein Lieblingswort. In Journalistenkreisen wurde er deshalb nur Kommissar Verdammt genannt. Ruckartig fuhr der Angesprochene herum. Zunächst schaute er die Journalistin verwirrt an, über die Störung seiner Amtshandlung verärgert, dann huschte ein überhebliches Lächeln um seine Mundwinkel. Bevor Heike etwas sagen konnte, stöhnte er gequält auf.

»Sie – hier?« Verdammt blickte sich unter den versammelten Menschen um. Erst als er keine weiteren Medienvertreter erkannte, schien er ein wenig erleichtert zu sein.

Heike baute sich grinsend vor ihm auf. »Sie wissen doch: Wupperwelle ist immer dort, wo etwas geschieht.«

Ulbricht musterte sie schweigend und für einen kleinen Augenblick verliebte er sich in die lustigen Grübchen auf ihren Wangen. Doch schon im nächsten Moment hatte ihn die Realität eingeholt.

»Woher wollen Sie wissen, dass überhaupt etwas geschehen ist?«, fragte er emotionslos und ließ die Hände in den ausgebeulten Taschen seines Jacketts verschwinden.

Heike winkte gelangweilt ab. »Wir wissen immer, wo etwas los ist.«

Kommissar Verdammt schien diese Antwort zu reichen, denn er nickte nur knapp. Möglicherweise vermutete er, dass die Radioreporterin den Polizeifunk abgehört habe. Diesen Journalisten traute er alles zu.

»Schön«, log er und zwang sich zu einem verbindlichen Lächeln. »Sie entschuldigen mich bitte. Ich habe zu tun.«

»Moment noch, Kommissar Ulbricht«, rief Heike Göbel.

Ulbricht, der sich bereits abgewandt hatte und mit dem Rücken zu ihr stand, rollte mit den Augen. Dann blickte er sich nach ihr um. »Was – verdammt?«

»Können Sie mir sagen, was genau passiert ist?«

Jetzt grinste er wieder. »Ich dachte, das wüssten Sie schon. Sie haben selbst gesagt, Wupperwelle weiß immer, wo etwas los ist.«

Heike blieb der Spott in seiner Stimme natürlich nicht verborgen: Ulbricht schaltete also auf stur. Nun gut, es gab auch andere Mittel und Wege, um an Informationen zu kommen.

»Wenn Sie mir keine Auskunft geben, werde ich die Schaulustigen befragen.« Demonstrativ zog sie aus der Handtasche das kleine Diktiergerät hervor, das sie stets mitführte, wenn sie für den Sender unterwegs war. Eigentlich hatte sie es im weiteren Verlauf des Abends für den zweiten Teil des Interviews mit Gembowsky benutzen wollen. Aber das stand auf einem anderen Blatt. »Sicherlich«, räumte sie gedehnt ein, »niemand der hier Versammelten weiß genau, was passiert ist. Also werden Sie morgen früh im Wupperwecker die O-Töne der Leute hier hören können. Ich weiß nicht, ob das im Interesse des Polizeisprechers ist. Außerdem könnte es hinderlich für Ihre weiteren Ermittlungen sein.« Heike schenkte ihm einen bezaubernden Augenaufschlag.

Er konnte ihr einfach nicht böse sein. »Das ist verdammte Erpressung«, stellte Ulbricht nüchtern fest und bemühte sich, freundlich zu bleiben.

Heike winkte gleichgültig ab. »Ich nenne so etwas die Aufbereitung von vorhandenen Informationen – nicht mehr und nicht weniger. Also werde ich das Volk fragen, und ich bin sicher, man kann mir eine Menge erzählen.«

Aber ...« Verdammt brach ab. Sein Kopf verfärbte sich dunkelrot.

»Es liegt also in Ihrer Hand, den Bürgern dieser Stadt und den Hörern unseres Senders das Grundrecht auf Information zu gewähren.«

»Das ist verdammte Erpressung«, wiederholte er gefährlich leise und maß sie mit Blicken. Seine Zornesader pochte an der Schläfe, und Heike kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass sie mit dem Feuer spielte. Wenn er morgen bei Eckardt, dem Chefredakteur, anrief, um sich über sie zu beschweren, dann sah sie alt aus.

Äußerlich blieb Heike gelassen. »Sie dramatisieren«, erwiderte sie. »Also: Was ist nun?«

Der hoch gewachsene Kripomann legte einen Arm um ihre zierliche Schulter und zog sie durch das eiserne Tor, das in diesem Moment von einem uniformierten Polizisten geöffnet wurde. Nun befanden sie sich in der Vohwinkler Wagenhalle, die sich über drei Stockwerke erstreckte. Dumpf schlug das massive Tor hinter ihnen zu, und der Polizist verriegelte sofort wieder.

»Kommen Sie schon, Frau Göbel«, forderte Ulbricht sie auf. »Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«

Heike blickte erfreut zu ihm auf und strahlte.

»Mehr wollte ich doch gar nicht ...«

***

»Das war Summer In The City von Altmeister Joe Cocker – passend zum Wetter im Tal. Es ist einundzwanzig Uhr fünfzig. Ich räume jetzt das Studio für den netten Kollegen von der Nachrichtenredaktion. Bleiben Sie dran – mein Name ist Stefan Seiler.« Er startete den Werbejingle und zog den Regler für das Mikrofon zurück. Mit einem Seufzer auf den Lippen nahm Stefan den Kopfhörer ab und fuhr sich durch das kurze Haar. Wehmütig blickte er aus dem Studiofenster hinaus in die Nacht. Draußen in der Stadt brodelte an diesem Sommerabend das Leben und er hockte hier im Sender und moderierte die Spätsendung. Drei Stunden Sendung an einem Stück – erst gegen Mitternacht würde er an Feierabend denken können.

Während die Hörer an den Radios mit dem Werbeblock vor den Nachrichten berieselt wurden, betrat Roland Kracht, ein untersetzter Nachrichtenredakteur, das Studio und machte es sich an den Reglern bequem. Den Zettel mit den Nachrichten, die er vor wenigen Minuten zusammengestellt und am Computer formuliert hatte, warf er auf das Pult, während er nach dem Kopfhörer angelte, den Stefan gerade noch warm gehalten hatte.

»Toller Abend und wir hängen in diesem Aquarium hier fest, was?«, fragte Roland mit einem gewinnenden Lächeln und überflog den Text, den er gleich verlesen würde.

Stefan winkte ab und freute sich auf die zehnminütige Pause zwischen Werbung, Musiktitel und Nachrichtenblock. »Was soll's. Bedank dich bei Lutz – er hat den Dienstplan erstellt. Ich hatte heute sowieso nichts Wichtiges vor.«

»Ist Heike noch mit diesem Gembowsky unterwegs?« Kracht blickte mit gerunzelter Stirn zu ihm auf. Stefan nickte.

»Wohl ist mir nicht bei dem Gedanken, dass sie in den Fängen dieses Zuhälters ist. Aber sie hat es abgelehnt, sich begleiten zu lassen.«

»Ja ja, unsere Heike. Kann sich zwar nicht zwischen Nachrichtenredaktion und Kultur entscheiden, aber wenn es darum geht, Skandale aufzudecken, ist sie unschlagbar.« Roland Kracht räusperte sich. Eilig ordnete er die Blätter und rückte sich das Mikrofon zurecht.

»Sie wollte sich melden, wenn sie fertig ist«, erwiderte Stefan und verließ das kleine Studio. Der Glaskasten war jetzt Rolands Arbeitsplatz. Stefan verschwand in der winzigen Küche der Redaktion und schüttete sich einen Kaffee in die bereitstehende Tasse ein. Die Zeit lief.

»He«, ertönte hinter ihm eine Stimme. Erschrocken fuhr Stefan herum. Um diese Zeit hielten sich nur noch wenige Mitarbeiter im Sender auf.

»Ist noch ein Kaffee da?« Karin Dahl steckte ihren braunen Wuschelkopf durch die Tür.

Etwas verdattert nickte Seiler und hielt ihr die Warmhaltekanne hin. »Was treibst du noch hier?«, fragte er. »Hast du nicht morgen früh Sendung?«

»Ja, ich mache den Wupperwecker.«

»Und?«

»Was – und?« Karin schenkte sich Kaffee ein und nippte an dem nur noch lauwarmen Getränk. »Ich musste noch einen Beitrag vorbereiten. Aber jetzt werde ich zusehen, dass ich noch auf einen Sprung im Brauhaus vorbeischaue.« Sie grinste Stefan an. Ihre braunen Augen funkelten lustig. »Bei dir dauert es ja wohl noch etwas. Kannst ja nachkommen, wenn du willst. Aber mach keinen Lärm, wenn du ins Brauhaus kommst, ja?«

Das Wuppertaler Brauhaus im Herzen der Barmer City war so etwas wie der Treffpunkt nach Feierabend für alle Mitarbeiter der Wupperwelle.

»Ich glaube nicht, dass ich nachkommen werde«, murmelte Stefan und warf einen Blick auf die Armbanduhr.

»Du wartest wohl wieder auf deine Heike, was?« Karin zog eine Schnute. »Das ist zum Heulen. Ein netter Kerl wie du, und dann verschenkst du dein Herz an eine ... Blondine!«

Freundschaftlich buffte Stefan der Redakteurin in die Seite. »Jeder ist seines Glückes Schmied«, behauptete er und stellte die leere Kaffeetasse in die Spüle. »Ich muss dann wieder, sonst herrscht gleich Stille im Radio.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, verschwand er in Richtung Studio. Wie Stefan aus den Lautsprechern in der Redaktion hören konnte, verlas Roland schon die Verkehrsnachrichten. Im Laufschritt erreichte er das Studio. Sie waren ein eingespieltes Team: Hatte Stefan vor dem Werbeblock noch die CD eingelegt, dessen Titel als erstes nach den Nachrichten laufen sollte, hatte Roland soeben den Player gestartet. Er nahm die Kopfhörer ab, als Stefan sich hinter das Pult fallen ließ und im fliegenden Wechsel übernahm. Der Laufplan, in dem alle CDs der Sendung exakt aufgeführt waren, sah ein so genanntes Ramp vor, ein Musikstück, bei dem der Gesang erst später einsetzte. So hatte der DJ die Zeit, eine kurze Begrüßung über den Äther zu schicken.

»Und da sind wir wieder mit der Sperrstunde – mein Name ist Stefan Seiler, schönen guten Abend.« Dann zog er den Regler des CD-Players weiter auf und schob den des Mikros zu.

Kapitel 3

Schweigend beobachteten sie, wie die dunkel gekleideten Männer den Zinksarg hinaustrugen. Ein Kloß hatte sich in Heike Göbels Kehle gebildet, und sie räusperte sich vernehmlich. Kommissar Verdammt hatte ihr sogar gestattet, einen Blick auf den Toten aus der Schwebebahn zu werfen. Die Bahn war sofort aus dem Verkehr gezogen worden. Um den Todeszug kümmerten sich jetzt Ulbrichts Leute von der Spurensicherung. Heike hatte den Männern mit den weißen Einmalanzügen kurz bei den Arbeiten zusehen dürfen – zumindest durch die Fenster der Bahn, denn das Betreten hatte Norbert Ulbricht ihr streng verboten. Jetzt kreisten ihre Gedanken um den Toten, den sie gesehen hatte, als man ihn in den hässlichen Zinksarg verfrachtet hatte. Irgendwie war der Mann ihr sogar bekannt vorgekommen, und noch immer grübelte sie, wo sie den Braumelierten Mann im zerknitterten Sommeranzug gesehen haben könnte. Oder irrte sie sich einfach nur? Möglich, denn seit sie beim Radio arbeitete, lernte sie täglich irgendwelche Leute kennen, die entweder wichtig für das Geschehen der Stadt waren oder sich einfach nur für wichtig hielten und unter einer nahezu krankhaften Profilierungssucht litten. Heike wusste beim besten Willen nicht, zu welcher Kategorie der Tote zählte.

»Herzversagen soll die Todesursache sein?«, fragte sie, an Ulbricht gewandt. Der Kripomann im Schmuddellook nickte.

»Der Arzt schrieb das als vorläufige Todesursache in die Sterbeurkunde.«

Heike runzelte die Stirn. »Vorläufig?« Sie schüttelte den Kopf. »Kann ein Mann denn vorläufig sterben?«

Ulbricht zuckte mit den hageren Schultern und zündete sich eine Zigarette an. Erst als der Qualm des Glimmstängels zur Decke der Wagenhalle aufstieg, redete er: »Offen gestanden, sind wir uns über die Todesursache noch nicht im Klaren. Deshalb habe ich mich für eine Autopsie ausgesprochen.«

»Liegen denn Anhaltspunkte für einen Tod durch Fremdeinwirkung vor?« Heike hatte das kleine Diktiergerät eingeschaltet, und Ulbricht beschwerte sich – sehr zu ihrer Verwunderung – nicht darüber.

Er zuckte mit den Schultern. »Da liegt mein Problem. Wir konnten an der Leiche keine äußeren Zeichen von Gewaltanwendung feststellen. Kein Messerstich, keine Würgemale oder gar eine Schussverletzung – einmal davon abgesehen, dass ein Schuss die anderen Fahrgäste auf den Mörder aufmerksam gemacht hätte.«

Heike stutzte. »Mörder?«

»Wir können nichts ausschließen. Und sobald uns ein auch nur noch so vager Verdacht vorliegt, sind wir gezwungen, Ermittlungen in entsprechendem Umfang einzuleiten.« Er wirkte zerknirscht.

»In welcher Dienstvorschrift steht das?«, fragte Heike, mehr rhetorisch, um Zeit zu gewinnen. Ihre Gedanken rasten.

»Paragraph 159 der Strafprozessordnung«, rasselte der Kommissar unbeeindruckt herunter und schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln.

»Also gibt es jemanden, der bestraft wird?«, spielte Heike das begonnene Spiel weiter und erntete ein Schulterzucken.

»Das wollen wir herausfinden. Seltsam ist nur, dass niemandem der anderen Fahrgäste auffiel, dass der Mann nicht schlief, sondern tot war.«

»Was hat das zu bedeuten?«

»Vermutlich ist er in der fahrenden Schwebebahn verstorben«, überlegte Norbert Ulbricht und massierte sein Kinn. »Der Schwebebahnfahrer sagte aus, dass er angenommen habe, der Mann sei volltrunken gewesen und wäre schlicht eingeschlafen.«

»Und?« Heike wunderte sich insgeheim über die Offenheit des Kripomannes. Ulbricht war eigentlich als stur und eher medienscheu bekannt.

»Der Arzt stellte bei dem Schnelltest kaum Alkohol im Blut fest. Er war zwar angetrunken, aber nicht genug, um einer Alkoholvergiftung zu erliegen.« Verdammt wiegte den Kopf.

»Und das hat uns auf den Plan gerufen.«

»Wo ist der Fahrer der Bahn jetzt?« Heike blickte sich demonstrativ um.

»Er steht unter Schock.« Norbert Ulbricht fand, dass diese Auskunft zu reichen hatte. Vorerst. Vielleicht konnte er die Mitarbeit der Medien zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gebrauchen. Möglicherweise um Zeugen ausfindig zu machen, die sagen konnten, an welcher Station und in welcher Verfassung der Mann in die Schwebebahn eingestiegen war.

»Darf ich mit ihm reden?«

Ulbrichts Miene verdunkelte sich schlagartig. »Auf keinen Fall.«

»Schon gut«, griente Heike. »Einen Versuch war's wert, und mehr als nein sagen können Sie nicht.«

»Es wird morgen Vormittag eine Pressekonferenz geben, zu der ich Sie hiermit herzlich einlade. Herr Zoch, der Fahrer der verdammten Bahn, wird aber nicht da sein.«

Heike nickte nachdenklich und schaltete das Diktiergerät ab. Mehr konnte sie von dem Kommissar wirklich nicht verlangen – er hatte ihr geholfen und sie mit Informationen versorgt. Immerhin würde die Wupperwelle das erste Medium sein, das über den rätselhaften Toten in der Schwebebahn berichten konnte. Brav reichte sie Kommissar Verdammt die Hand und bedankte sich für die Informationen.

»Frau Göbel?«

Sie hatte das schwere Eisentor der Halle erreicht und fuhr herum.

Norbert Ulbricht grinste schief. »Es wäre schön, wenn Sie in Ihrem Radiobeitrag auf jegliche Spekulationen verzichten würden. Senden Sie bitte nichts, solange ich Ihnen nicht mit Fakten dienen kann.« Der schnoddrige Kommissar versenkte die Hände in den Hosentaschen und begann ein wildes Fummelspiel. Heike beobachtete ihn bei seinem seltsamen Taschenbillard, bevor sie antwortete.

»Aber Herr Kommissar«, rief sie amüsiert. »Sie kennen mich doch!«

Ehe der Kripomann etwas erwidern konnte, war die Reporterin bereits durch die eiserne Tür verschwunden. Norbert Ulbricht zuckte erschrocken zusammen, als die Eisentür mit einem lauten Knall zuschlug.

»Eben«, murmelte er nachdenklich, »eben ...«

***

Heike stand im Eingangsbereich der Endstation und hatte den Fahrkartenschalter rechts neben sich. Sie nickte dem jungen Mädchen hinter der gläsernen Wand knapp zu, bevor sie die ausgelatschten Stufen hinabschritt und Sekunden später auf der Vohwinkler Straße stand. Die Sonne stand tief, und so erkannte sie die gedrungene Gestalt nur schemenhaft, die auf sie zugestürmt kam.