Tödliches Beileid - Rita Mae Brown - E-Book

Tödliches Beileid E-Book

Rita Mae Brown

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Beschreibung

Aufruhr an der renommierten Privatschule St.-Elizabeth von Crozet: Zwei Mitglieder des Kollegiums müssen in der Zeitung ihre eigenen Todesanzeigen lesen. Wenig später stirbt einer von ihnen in der Autowaschanlage, der andere wird auf dem Halloween-Ball erdolcht. Als Postbeamtin ist Mary Minor »Harry« Haristeen die erste, die alle Gerüchte in der Stadt zu hören bekommt. Hatten die Pläne der beiden Männer für eine Filmabteilung an der Schule womöglich etwas mit ihrem Ableben zu tun? Wieder ein Fall, den nur Harry  mit ihrer klugen Tigerkatze Mrs. Murphy lösen kann.   Alle Fälle der Mrs.-Murphy-Erfolgsserie gibt es jetzt als E-Books bei Ullstein!

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Die Autoren

Rita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin.

Sneaky Pie Brown ist Co-Autorin von Rita Mae Brown. Beide leben in Crozet, Virginia.

Das Buch

Aufruhr an der renommierten Privatschule St.-Elizabeth von Crozet: Zwei Mitglieder des Kollegiums müssen in der Zeitung ihre eigenen Todesanzeigen lesen. Wenig später stirbt einer von ihnen in der Autowaschanlage, der andere wird auf dem Halloween-Ball erdolcht. Als Postbeamtin ist Mary Minor »Harry« Haristeen die erste, die alle Gerüchte in der Stadt zu hören bekommt. Hatten die Pläne der beiden Männer für eine Filmabteilung an der Schule womöglich etwas mit ihrem Ableben zu tun? Wieder ein Fall, den nur Harry  mit ihrer klugen Tigerkatze Mrs. Murphy lösen kann.

 

Alle Fälle der Mrs.-Murphy-Erfolgsserie gibt es jetzt als E-Books bei Ullstein!

Rita Mae Brown & Sneaky Pie Brown

Tödliches Beileid

Ein Fall für Mrs. Murphy

Roman

Aus dem Amerikanischen von Margarete Längsfeld

Ullstein

Die Originalausgabe erschien 1998 unter dem Titel Murder on the Prowl bei Bantam Books, New York.

Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

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ISBN 978-3-8437-1587-4

© 1998 by American Artists, Inc.Illustrationen © 1998 by Wendy Wray© für die deutsche Erstausgabe: Alle Rechte an der deutschen Übersetzung von Margarete Längsfeld © 1999 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg© für die deutsche Ausgabe: 2018 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagabbildung: FinePic®, MünchenAutorenfoto: © Jerry BauerE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.

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Inhalt

Die Autoren / Das Buch

Titelseite

Impressum

Personen der Handlung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Hinweis der Autorin

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Personen der Handlung

Mr. Wonderful gewidmet,der zuweilen David Wheeler heißt

Kapitel 1

Städte haben Seelen, genau wie Menschen. Die Kleinstadt Crozet, Virginia, 38° geographische Breite, 78° 60' geographische Länge, hatte die Seele eines irischen Tenors.

Dieser schöne 21. September, der Tag des Äquinoktiums, ließ alle Seelen, wenn nicht alle Stimmen emporschwingen – denn er war vollkommen: Sahnige Wolken trödelten über den türkisblauen Himmel. Die Blue Ridge Mountains thronten in ihrer ganzen Farbenpracht schützend über smaragdgrünen Weiden. Die Temperatur hielt sich bei 22 °C, und die Luftfeuchtigkeit war gering.

An diesem Donnerstag arbeitete Mary Minor Haristeen lustlos im Postamt. Als Posthalterin konnte sie nicht so einfach nach draußen laufen, war die Versuchung noch so groß. Ihre Tigerkatze Mrs. Murphy und ihre Corgihündin Tee Tucker schossen zum Tiertürchen hinein und hinaus, wobei die kleine Klappe jedesmal flappte. Das war für die Tiere wie Türenknallen für Teenager, und bei jedem Kommen und Gehen wurde Harry daran erinnert, daß sie bei der Arbeit festsaß, während die Tiere flüchten konnten.

Harry, wie sie genannt wurde, war fleißig, wenn auch ein bißchen ziellos. Mrs. Miranda Hogendobber, ihre Gefährtin im Postamt, war überzeugt, daß sich durch eine erneute Eheschließung die Frage nach ihrem Lebenszweck automatisch erübrigen würde. Für Miranda, die um etliches älter war als Harry, war die Ehe Zweck genug für eine Frau.

»Was summen Sie da?«

»›Ein feste Burg ist unser Gott‹. Das hat Martin Luther 1529 geschrieben«, klärte Mrs. H. sie auf.

»Sollte ich eigentlich kennen.«

»Ja, wenn Sie zu den Chorproben kämen!«

»Da ist nur die Kleinigkeit, daß ich nicht Ihrer Kirche angehöre.« Harry faltete einen leeren Leinenpostsack zusammen.

»Das könnte ich im Handumdrehen regeln.«

»Und was würde Reverend Jones dazu sagen? Er hat mich in der evangelischen Kirche von Crozet getauft.«

»Papperlapapp.«

Mrs. Murphy flitzte mit einer großen Grillenschabe im Maul durch die Tür, dicht gefolgt von Pewter, der dicken grauen Katze, die tagsüber im Lebensmittelladen nebenan ihr Unwesen trieb; abends fuhr sie mit Harry nach Hause. Market Shiflett, der Lebensmittelhändler, hatte erklärt, da Pewter nie eine Maus gefangen hätte und nie eine fangen würde, könnte sie ebenso gut mit ihren Freundinnen spielen gehen.

Zugegeben, Pewter war rund gebaut; ihr Schädel war rund, ihre Ohren, klein und zierlich, waren rund. Ihr Schwanz war etwas kurz geraten. Sie selbst bezeichnete sich als stämmig. Ihre graue Wampe wabbelte beim Gehen. Sie schwor, dies sei eine Folge »der Operation« und habe nichts mit ihrer Dickleibigkeit zu tun. In Wahrheit war es beides. Die Katze fraß für ihr Leben gern.

Mrs. Murphy, eine hübsche Tigerkatze, hielt sich fit, indem sie mit Inbrunst Mäuse fing.

Den beiden Katzen folgte Tee Tucker, der Hund.

Mrs. Murphy sprang mit einem Satz auf den Schalter, die Grillenschabe zappelte in ihrem Maul.

»Die Katze hat ein geflügeltes Ärgernis mitgebracht. Sie liebt das Töten«, sagte Miranda mißbilligend.

»Schaben haben keine Flügel.«

Miranda näherte sich der glänzenden braunen Beute, die im Kiefer der Katze klemmte. »Das ist ja eine Riesenschabe – die müßte eigentlich Flügel haben. Also, mir scheint, diese Schabe ist so groß wie eine Gottesanbeterin.« Sie legte das Kinn in die hohle Hand, was ihr ein weises Aussehen verlieh.

Harry schlenderte herbei, um die Schabe zu betrachten, gerade als Mrs. Murphy das Insekt mit einem raschen Biß in die Innereien erledigte und dann die Überreste auf den Schalter legte.

Der Hund fragte: »Du wirst die Schabe doch nicht essen, oder?«

»Nein, die Dinger schmecken gräßlich.«

»Ich esse sie«, erbot sich Pewter. »Jemand muß schließlich den Schein wahren! Immerhin sind wir alle Raubtiere.«

»Pewter, das ist ja widerlich.« Harry verzog das Gesicht, als das rundliche Tier die Grillenschabe vertilgte.

»Vielleicht sind sie wie Nachos.« Miranda Hogendobber hörte das laute Knacken.

»Nie wieder esse ich Nachos.« Harry funkelte ihre Mitarbeiterin und Freundin an.

»Auf das Knackige kommt’s an. Darauf gehe ich mit Ihnen jede Wette ein«, zog Miranda sie auf.

»Du hast es erfaßt.« Als Antwort auf die Bemerkung der älteren Frau leckte sich Pewter die Lippen. Sie war froh, daß Katzen keinen Lippenstift trugen wie Mrs. Hogendobber. Nicht auszudenken, wenn Lippenstift an eine Schabe oder eine Maus käme. Das würde den Geschmack verderben.

»Hey, Mädels.« Reverend Jones kam durch den Haupteingang geschlendert. Er nannte alle Frauen Mädels, und sie hatten längst die Hoffnung aufgegeben, es ihm irgendwann einmal abgewöhnen zu können. Auch die zweiundneunzigjährige Catherine I. Earnhart wurde Mädel genannt. Und ließ es sich gern gefallen.

»Hey, Rev.« Harry lächelte ihn an. »Sie sind heute spät dran.«

Er angelte in seiner Tasche nach dem Schlüssel, steckte ihn in sein Messingpostfach und zog eine Handvoll Post heraus, das meiste davon nutzlose Werbung.

»Wenn ich spät dran bin, dann deswegen, weil ich Roscoe Fletcher meinen Wagen geliehen habe. Er wollte ihn mir um ein Uhr zurückbringen, und jetzt ist es drei. Da habe ich mich dann entschlossen, zu Fuß zu gehen.«

»Ist sein Wagen liegengeblieben?« Miranda öffnete die Hintertür, um ein bißchen frische Luft und Sonnenschein hereinzulassen.

»Sein neuer Wagen ist ein regelrechtes Montagsauto.«

Harry, die die Eilsendungen zählte, blickte auf und sah draußen Roscoe auf den vorderen Postparkplatz fahren. »Wenn man vom Teufel spricht.«

Herb drehte sich um. »Ist das mein Wagen?«

»Nicht wiederzuerkennen, wenn der Dreck runter ist, was?« meinte Harry lachend.

»Oh, ich weiß, ich sollte ihn ab und zu waschen, und ich sollte auch meinen Transporter reparieren, aber ich habe keine Zeit dafür. Der Tag hat nicht genug Stunden.«

»Amen«, sagte Miranda.

»Wie schön, Miranda, daß Sie in die Litanei einstimmen.« Seine Augen blitzten.

»Herb, Entschuldigung«, sagte Roscoe, bevor er die Tür hinter sich zumachte. »Mim Sanburne hat mich im Flur aufgehalten, ich dachte schon, ich käme nie weg. Sie wissen ja, wie das ist, wenn die Queen von Crozet erst mal in Fahrt kommt.«

»Allerdings«, sagten sie.

»Warum nennt man sie eigentlich Queen von Crozet?« Mrs. Murphy leckte sich die Vorderpfote. »Queen des Universums wäre zutreffender.«

»Nein, des Sonnensystems«, bellte Tucker.

»Hat aber nicht denselben Klang«, entgegnete Mrs. Murphy.

»Die Menschen halten sich für den Mittelpunkt der Erde. Eine Bande Dummköpfe.« Pewter rülpste.

Die unerfreuliche Aussicht, womöglich ausgekotzte Schabenstückchen auf dem Schalter vorzufinden, ließ Mrs. Murphy einen Schritt zurückweichen.

»Na, wie gefällt Ihnen Ihr Wagen?« Roscoe zeigte auf den Subaru Kombi, der frisch gewaschen und gewachst war.

»Sieht aus wie neu. Danke.«

»Es war nett von Ihnen, mir einen fahrbaren Untersatz zu leihen. Gary vom Vertragshändler bringt mir meinen Wagen nach Hause. Wenn Sie mich zu Hause absetzen könnten, das wäre prima.«

»Wo ist Naomi heute?« erkundigte sich Miranda nach seiner Frau.

»In Staunton. Sie besucht mit der dritten Klasse das Pioneer-Museum.« Er kicherte. »Besser sie als ich. Diese Unterstufenschüler treiben mich zum Wahnsinn.«

Harry lächelte. »Deswegen ist sie ja auch Leiterin der Unterstufe, und Sie sind der Direktor. Wir nennen Sie den Großen Zampano.«

»Nein, das liegt an meiner Fähigkeit, Spenden zu sammeln. Will jemand ein bißchen Kohle ausspucken?« Er lachte, entblößte breite, gerade Zähne, die vom Rauchen verfärbt waren. Er zog ein Päckchen Tootsie Rolls aus seiner Tasche und bot sie den anderen an.

»Wo nichts ist, ist nichts zu holen. Außerdem habe ich meinen Abschluß an der Crozet-Highschool gemacht.« Harry winkte ab, als ihr die Bonbons angeboten wurden.

»Ich auch, ein bißchen früher als sie«, fügte Miranda kokett hinzu.

»Ich war 1945 mit der Schule fertig«, sagte Herb beherzt.

»Ich kann bei Ihnen nicht landen, wie? Sie wollen nicht mal meine Tootsie Rolls.« Roscoe lächelte. Er hatte ein freundliches Gesicht und ebensolche Umgangsformen. »Ich will Ihnen was sagen, wenn Sie in der Lotterie gewinnen, spenden Sie ein bißchen für St. Elizabeth. Bildung ist wichtig.«

»Wozu?« Pewter starrte ihn an. »Ihr macht euch doch bloß alle gegenseitig verrückt, weiter tut ihr nichts.«

»Manche Menschen machen Farmarbeit«, entgegnete Tucker.

Pewter funkelte die hübsche Corgihündin an. »So?«

»Das ist produktiv«, fügte Mrs. Murphy hinzu.

»Ist bloß produktiv, damit sie sich gegenseitig ernähren können. Mit uns hat das nichts zu tun.«

»Sie können fischen«, sagte Tucker.

»Da ist doch nichts dabei.«

»Ist schon was dabei, wenn du Thunfisch willst.« Murphy lachte.

»Sie sind eine nutzlose Spezies.«

»Pewter, die Schabe hat dich um den Verstand gebracht. Verursacht Blähungen. Mich siehst du solche Sachen nicht essen«, sagte Mrs. Murphy.

»Also, mein Auto sieht wahrhaftig neu aus.« Herb ließ seine blauen Augen wieder über den Kombi schweifen.

»Ich war in der Autowaschanlage Ecke Twenty-ninth Street und Greenbrier Drive«, sagte Roscoe zu ihm. »Ich liebe diese Autowaschanlage.«

»Sie lieben eine Autowaschanlage?« Miranda war fassungslos.

»Sie müssen da mal hin. Ich nehme Sie mit.« Er breitete seine fleischigen Arme aus. »Man fährt vor – Karen Jensen und noch ein paar von unseren Schülern arbeiten da, und die weisen das linke Vorderrad auf die Spur. Sie arbeiten am Spätnachmittag und am Wochenende – tüchtige Kinder. Jedenfalls, man hat eine Riesenauswahl. Ich habe das volle Programm gewählt. Man wird reingelotst, Wahlhebel auf Leerlauf, Radio aus, und schlingernd geht’s auf in den Kampf. Zuerst blinkt ein gelbes Neonlicht, eine Wasserwand klatscht auf einen drauf, und dann sagt einem ein blaues Neonlicht, daß der Unterboden gewaschen wird, dann kommt ein weißes Licht und ein rosa Licht und ein grünes Licht – es ist fast wie eine Broadway-Show. Und« – er zeigte nach draußen – »da ist das Resultat. Ein Knaller.«

»Roscoe, wenn eine Autowaschanlage Sie so erregt, muß etwas passieren in Ihrem Leben.« Herb lachte gutmütig.

»Fahren Sie zu der Waschanlage und sehen Sie selbst.«

Die beiden Männer gingen; Herbie rutschte auf den Fahrersitz, Harry und Miranda sahen vom Fenster aus zu.

»Waren Sie schon mal in der Autowaschanlage?«

»Nein, ich sollte wohl meinen Sonntagsschmuck anlegen und gleich lossausen.« Miranda verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Busen.

»Ich fahr durch keine Autowaschanlage. Ich hasse das«, knurrte Tucker.

»Wenn du Donner hörst, versteckst du dich unterm Bett.«

Der Hund blaffte Murphy an: »Tu ich nicht, das ist gelogen.«

»Sabbern tust du auch.« Da Murphy auf dem Schalter saß, konnte sie so gehässig sein, wie sie Lust hatte; der Hund kam nicht an sie heran.

»Du hast in den Transporter gepinkelt«, schoß Tucker zurück.

Mrs. Murphys Pupillen wurden weit. »Ich war krank.«

»Warst du nicht.«

»War ich wohl.«

»Du warst auf dem Weg zur Tierärztin und hattest Schiß!«

»Ich war auf dem Weg zur Tierärztin, weil ich krank war.« Die Tigerkatze verteidigte sich vehement.

»Du hast bloß deine alljährliche Spritze gekriegt«, säuselte der Hund.

»Lügnerin.«

»Angsthase.«

»Das ist zwei Jahre her.«

»Im Transporter hat’s monatelang gestunken«, trat Tucker nach.

Mit einem einzigen wilden Tritt der Hinterpfote schob Mrs. Murphy dem Hund einen Haufen Post auf den Kopf. »Ekelpaket.«

»Hey!« brüllte Harry. »Jetzt macht mal halblang.«

»Wir verduften!« Mrs. Murphy sprang von der Theke, segelte über die Corgihündin hinweg, die in einem Erdrutsch von Post feststeckte, und sauste zum offenen Hintereingang hinaus.

Tucker rannte ihr nach und schüttelte im Laufen Umschläge ab.

Pewter entspannte sich auf der Theke; sie dachte gar nicht daran, zu rennen.

Harry ging zum Hintereingang, um zuzusehen, wie ihre Lieblinge sich durch Mirandas Garten jagten; sie verfehlten knapp ihre Chrysanthemen, die reinste Farborgie. »Ich wünschte, ich könnte noch ein einziges Mal so herumtollen.«

»Sie sind köstlich.« Miranda sah ihnen ebenfalls zu, dann bemerkte sie das funkelnde Licht. »Die Tagundnachtgleiche, das ist eine ganz besondere Zeit. Licht und Dunkel befinden sich in vollkommenem Gleichgewicht.«

Sie erwähnte nicht, daß nach dem heutigen Tag das Dunkel langsam die Oberhand gewinnen würde.

Kapitel 2

Auf dem Rücken liegend, die Beine in der Luft, präsentierte Mrs. Murphy ihren schlanken beigefarbenen Bauch mit den stumpfen Streifen, die anders waren als die tiefschwarz glänzenden Tigerstreifen auf ihrem Rücken. Sie hörte den Audi Quattro in vierhundert Meter Entfernung in der Zufahrt, lange bevor Harry merkte, daß jemand in den Weg zur Farm eingebogen war.

Tucker, für gewöhnlich die Aufpasserin, war zu dem Bach getrottet, der Harrys Farm von Blair Bainbridges Farm an der südlichen Begrenzung trennte. Ein Murmeltier lebte dort bei dem riesigen Hickorybaum. Tucker, ein Hütehund, war nicht von einem brennenden Tötungsverlangen beseelt. Dennoch liebte sie es, Beutetiere zu beobachten und gelegentlich ein wildes Tier in ein Gespräch zu verwickeln. Sie war zu weit entfernt, um die Ankunft des Autos durch einen Warnlaut anzukündigen.

Wäre auch nicht nötig gewesen, denn die Besucherin war Susan Tucker, Harrys beste Freundin seit Kindertagen. Da Susan ihren alten Volvo gegen einen Audi Quattro eingetauscht hatte, klangen ihre Reifen anders, und Tucker war noch nicht daran gewöhnt. Mrs. Murphy hatte ein besseres Gedächtnis für solche Geräusche als Tucker.

Pewter, die sich unter den Küchentisch hatte plumpsen lassen, war der Besuch schnurzpiepegal. Sie träumte von einem Riesenspeerfisch, mit Makrele garniert. Daß sie den Fisch mit niemandem teilen mußte, machte den Traum besonders süß.

Harry, von einem Aufräumrausch gepackt, warf den Inhalt ihrer Kommodenschubladen aufs Bett.

Mrs. Murphy öffnete ein Auge. Sie hatte das Schlagen der Autotür gehört. Ein zweiter Schlag ließ sie den Kopf heben. Gewöhnlich kreuzte Susan allein bei Harry auf. Mit der regelmäßigen Flucht vor ihren Ablegern bewahrte sie sich ihr psychisches Gleichgewicht. Die hintere Fliegentür ging auf. Susan kam herein, gefolgt von ihrer schönen fünfzehnjährigen Tochter Brooks. Heute kein Entkommen.

»Tatütata«, rief Susan.

Verärgert über diesen Weckruf fauchte Pewter: »So einen Schwachsinn hab ich mein Lebtag noch nicht gehört.«

Mrs. Murphy legte den Kopf wieder auf ihre Pfote. »Meckerkrabbe.«

»Das ist es ja gerade, Murphy, ich hatte den schönsten Traum meines Lebens, und jetzt – aus und vorbei.« Pewter betrauerte den Verlust.

»Hi, Murphy.« Susan kratzte die Katze hinter den zierlichen Ohren.

»Oh, guck mal, Pewter ist unter dem Küchentisch.« Brooks, die Katzen liebte, bückte sich, um Pewter zu streicheln. Ihr kastanienbraunes Haar fiel ihr wie ein Vorhang vors Gesicht.

»Was ich mir alles gefallen lassen muß«, beschwerte sich die graue Katze; sie machte jedoch keine Anstalten, sich zu entfernen, also war die Beschwerde nur pro forma.

»Ich bin beim Aufräumen«, rief Harry aus dem Schlafzimmer.

»Gnade uns Gott«, sagte Susan lachend, als sie in das Chaos trat. »Harry, du wirst die ganze Nacht auf sein.«

»Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich brauche fünf Minuten, um zwei zusammenpassende Socken zu finden, und« – sie zeigte auf ein paar klägliche Seidenreste – »meine Unterwäsche ist hinüber.«

»Du hast dir keine neue Wäsche gekauft, seit deine Mutter tot ist.«

Harry ließ sich aufs Bett plumpsen. »Solange Mom das Zeug gekauft hat, brauchte ich es nicht zu tun – außerdem kann ich es nicht ausstehen, zu Victoria’s Secret zu latschen. Das hat was leicht Pornographisches.«

»Ach Quatsch, du kannst es bloß nicht ausstehen, größere BH-Größen zu sehen als deine.«

»So mickrig ist mein Busen gar nicht.«

Susan lächelte. »Das hab ich auch nicht behauptet, ich meine bloß, manchmal mißt du dich gern mit anderen.«

»Tu ich nicht. Auf gar keinen Fall. Sonst würde ich irgendwas mit meinem Kunstgeschichtsexamen anfangen, statt Posthalterin von Crozet zu sein.«

»Ich denke da an ein tückisches Hockeyspiel in unserem letzten Schuljahr.«

»Das zählt nicht.«

»Du konntest BoomBoom Craycroft schon damals nicht leiden«, erinnerte sich Susan.

»Wo wir gerade von Titten sprechen … ich hab gehört, sie hat meinen Ex-Mann mit einer großen Auswahl Reizwäsche verführt.«

»Wer hat dir das erzählt?«

»Sie selbst, die blöde Kuh.«

Susan setzte sich auf die andere Seite des Bettes, weil sie vor Lachen nicht mehr stehen konnte.

»Sie selbst! Ist das zu fassen? Hat mir in allen Einzelheiten den schwarzen Spitzenbody beschrieben, den sie anhatte, als er zur Farm gerufen wurde«, fügte Harry hinzu.

Pharamond Haristeen, »Fair«, war zufällig einer der besten Pferdeärzte der Region.

»Mom, Pewter hat Hunger«, rief Brooks aus der Küche.

Tucker, die heimgerannt war, stieß die Fliegentür auf und raste zu Susan, um sich ihr zu Füßen zu setzen. Da Susan sie gezüchtet und Harry geschenkt hatte, stand sie der Frau mit den kastanienbraunen Haaren sehr nahe.

»Pewter hat immer Hunger, Brooks; fall bloß nicht auf ihre Schmachtnummer rein.«

»Halt die Klappe«, rief Pewter und rieb sich schnurrend an Brooks’ Bein.

»Mom, sie hat wirklich Hunger.«

»Trickbetrügerin.« Harry, auf dem Weg in die Küche, wandte sich streng an die Katze, die schnurrte wie verrückt: »Wenn es einen Oscar für Katzen gäbe, würdest du bestimmt als ›beste Schauspielerin‹ ausgezeichnet.«

»Ich hab soooo’n Hunger«, trillerte die Katze.

»Wenn wir den elektrischen Dosenöffner bedienen könnten, würde ich dich füttern, bloß, damit du Ruhe gibst.« Mrs. Murphy setzte sich auf und ließ ihre Schnurrhaare vor- und zurückschnellen.

Harry, die zu demselben Schluß gekommen war, griff nach einer Büchse Mariner’s Delight. »Was gibt’s?«

»Wir haben eine Familienkrise«, sagte Brooks kichernd.

»Nein, haben wir nicht.«

»Mom.« Der Widerspruch war nicht zu überhören.

»Ich bin ganz Ohr.« Harry teilte das nach Fisch riechende Futter aus. Glückselig steckte Pewter das Gesicht hinein. Mrs. Murphy ging mit mehr Raffinesse an ihr Fressen heran. Sie klopfte mit der Pfote auf den Rand ihrer Schüssel, schnupperte, nahm dann ein Bröckchen zwischen die Zähne und kaute sorgfältig. Sie glaubte, dies fördere die Verdauung und helfe auch, ihr Gewicht zu halten. Pewter verschlang alles. Kalorienmieze.

»Ich hasse meine Lehrer dieses Jahr, besonders bei der Versammlung vor dem Unterricht.« Brooks ließ sich auf einen bunt gestrichenen Küchenstuhl fallen.

»Miss Tucker, du wurdest nicht aufgefordert, dich zu setzen.« Susan stemmte die Hände in die Hüften.

»Mom, wir sind hier bei Harry und nicht bei Big Mim oder so.« Sie sprach von Mim Sanburne, einer grimmigen Wahrerin der Etikette.

»Übung macht den Meister.«

»Bitte nimm Platz.« Harry wies auf den Stuhl, auf dem Brooks bereits saß.

»Danke«, erwiderte Brooks.

»Paß bloß auf, daß du deine guten Manieren nicht vergißt.«

»Keine Chance.« Brooks lachte ihre Mutter an.

Sie waren sich sehr ähnlich, und trotz ihrer Kabbeleien verband Mutter und Tochter eine tiefe Liebe.

Danny, Susans älteres Kind, wurde ebenfalls mit mütterlicher Zuneigung überschüttet.

Brooks stand abrupt auf und flitzte nach draußen.

»Wo gehst du hin?«

»Bin gleich wieder da.«

Susan setzte sich. »Ich frage mich täglich, manchmal stündlich, wie ich jemals auf die Idee verfallen bin, ich könnte eine Mutter sein.«

»Ach, Susan.« Harry winkte ab. »Hör auf, nach Komplimenten zu fischen.«

»Tu ich nicht.«

»Du weißt, daß du eine gute Mutter bist.«

Brooks erschien wieder, in der Hand die Samstagszeitung, die sie auf den Tisch legte. »Verzeihung.«

»Oh, danke. Ich bin heute Morgen noch nicht am Briefkasten gewesen.« Harry entfernte das Gummiband von der zusammengefalteten Zeitung. Der kleine weiße Umschlag unter dem Gummiband enthielt die Monatsrechnung. »Ich weiß gar nicht, wieso ich diese verdammte Zeitung bezahle. Die Hälfte der Zeit wird sie nicht ausgetragen.«

»Aber heute ist sie gekommen.«

»Halleluja. Und –?« Harry zuckte die Achseln. »Was ist nun die Familienkrise?«

»Wir haben keine Familienkrise«, erwiderte Susan ruhig. »Brooks mag bloß ihre Lehrer nicht, deswegen überlegen wir, ob –«

»Ich hasse meine Lehrer, und Mom kriegt die Krise. Weil sie den Abschluß an der Crozet High gemacht hat, will sie, daß ich dort auch den Abschluß mache. Danny wird dieses Jahr an der Crozet High fertig. Das sollte genügen. Und auch noch ein As, Mom«, unterbrach Brooks.

Harry machte große Augen. »Du kannst nicht die Schule schmeißen, Brooks.«

»Ich will sie nicht schmeißen. Ich will auf die St. Elizabeth.«

»Diese verdammte Snobistenschule kostet ein Vermögen.« Susan sah zu Pewter hin, die sehr laut schmatzte. »Die Katze klingt wie ein alter Mann, der an seinem Zahnfleisch lutscht.«

Pewter drehte sich beleidigt zu Susan um, bestätigte jedoch nur die Behauptung, da kleine Futterbröckchen in ihren Schnurrhaaren hingen.

Susan lächelte. »Wie ein alter Mann, der seinen Schnurrbart nicht saubermachen kann.«

»Ha!« Mrs. Murphy lachte laut.

»Sie sieht wirklich so aus«, pflichtete Tucker bei, die sich unter die Anrichte auf den Boden setzte, wo Pewter den Futternapf attackierte. Falls die Katze etwas fallen ließ, würde Tucker es vertilgen.

»Hey, ich hab Plätzchen«, sagte Harry.

»Danke, nein. Wir haben reichlich gefrühstückt.«

»Wie wär’s mit Kaffee, Tee?«

»Nein.« Susan lächelte.

»Meinst du nicht, du könntest mit deinen Lehrern klarkommen oder sie wenigstens ignorieren?« Harry griff das anliegende Thema wieder auf.

»Ich hasse Mrs. Berryhill.«

»Die ist doch nicht so übel«, verteidigte Harry eine Dame mittleren Alters, seit ein paar Jahren Witwe.

»Sie ist zum Kotzen.« Brooks tat, als ob sie würgte.

»Wenn es so schlimm ist, wirst du nichts lernen.«

»Siehst du, Mom, siehst du – ich hab’s dir gesagt.«

»Ich halte es für wichtig, daß du dich nicht aus dem Staub machst, bevor du es nicht ein, zwei Monate versucht hast.«

»Bis dahin bin ich in Französisch durchgefallen!« Ihre Mutter legte besonders großen Wert darauf, daß sie Französisch lernte.

»Sei nicht so theatralisch.«

»Nur zu, sei ruhig ein bißchen theatralisch.« Harry knuffte Susan in den Arm, während sie Brooks zuredete.

»Wir brauchen hier ein bißchen Theater.« Tucker war Harrys Meinung.

»Ich werde nichts lernen. Ich werde einen Mangel erleiden. Ich werde in sträflicher Ignoranz versinken –«

Harry unterbrach sie. »Alle Achtung, Brooks. Entweder du liest gute Romane, oder du hast deine Wortschatzlektionen gelernt.«

Brooks lächelte scheu, dann fuhr sie fort: »Ich werde mein Leben lang benachteiligt sein, und dann kann ich nie aufs Smith College gehen.«

»Das ist unfair«, sagte Susan, die mit Harry am Smith College Examen gemacht hatte.

»Dann heiratest du eben einen Tankwart und –«

»Harry, du sollst ihr nicht zureden. Sie muß die Rechnungen ja nicht bezahlen.«

»Was meint Ned?« fragte Harry. Ned war Susans Mann, ein Anwalt und ein liebenswerter Mensch.

»Er sorgt sich auch wegen der Kosten, aber er will unbedingt, daß sie eine solide Basis bekommt.«

»St. Elizabeth ist eine gute Schule, auch wenn ich finde, daß das alles Snobs sind«, sagte Harry freimütig. »Roscoe Fletcher macht seine Sache gut. Das sagen zumindest alle. Ich kann nicht behaupten, daß ich viel von Bildung und Erziehung verstehe, aber ich erinnere mich, daß letztes Jahr zwei Schulabgängerinnen in Yale angenommen wurden, eine in Princeton und eine in Harvard.« Sie hielt inne. »Ich glaube, alle sind auf gute Colleges gekommen. Da kann man nichts gegen sagen.«

»Wenn ich schon so viel Geld ausgebe, sollte ich sie auf St. Catherine in Richmond schicken«, entgegnete Susan.

»Mom, ich will nicht weg von zu Hause. Ich will bloß weg von Crozet High. Ich werde noch früh genug weg sein, wenn ich aufs College gehe. Smith, Mom, Smith«, erinnerte sie ihre Mutter.

»Hm.« Susan überlegte.

»Ruf Roscoe Fletcher an«, schlug Harry vor. »Brooks ist erst zwei Wochen auf der Schule. Frag ihn, ob er sie jetzt wechseln läßt oder ob sie bis zum zweiten Halbjahr warten muß.«

Susan stand auf, um sich eine Tasse Tee zu machen.

»Ich habe dich gefragt, ob du Tee möchtest«, sagte Harry.

»Hab’s mir anders überlegt. Willst du einen?«

»Ja.« Harry setzte sich wieder.

»Ich habe Roscoe schon angerufen. April Shively, seine eifrige Sexbombe von Sekretärin, hat eine Ewigkeit gebraucht, um mich durchzustellen. Das ist ein Widerspruch in sich, Sexbombe und Sekretärin.« Sie überlegte kurz, dann fuhr sie fort: »Natürlich hat er St. Elizabeth über den grünen Klee gelobt, das war zu erwarten. Welcher Direktor würde unser Geld nicht nehmen?«

»Eine Menge hat er durch Spenden aufgebracht, sagt jedenfalls Mim.« Harry hielt inne. »Mim hat in der Madeira-Schule ihren Abschluß gemacht, wußtest du das? Man hätte meinen sollen, sie wäre auf St. Elizabeth gegangen. Little Mim war auch nicht auf St. Elizabeth.«

»Mim tut, was ihr paßt«, erwiderte Susan.

»Miranda wird wissen, warum Big Mim nicht dort war.«

»Wenn sie sich bequemt, es uns zu erzählen. Was für eine Geheimniskrämerin!« Susan mochte Miranda Hogendobber sehr und wußte über ihre Marotten bestens Bescheid. Mirandas Geheimnisse drehten sich gewöhnlich um ihr Alter oder die kleinlichen Machenschaften ihrer diversen weltlichen und kirchlichen Vereinigungen.

»Die große Frage: Wird Brooks aufgenommen?«

»Natürlich wird sie aufgenommen«, erwiderte Susan laut. »Sie hat einen hervorragenden Notendurchschnitt. Und damals hatte sie gute Zeugnisse, als sie dort war, in der Unterstufe.«

»Und was ist mit Danny? Wird er neidisch sein?«

»Nein«, antwortete Brooks. »Ich habe ihn gefragt.«

Harry nahm ihre Tasse Tee, Susan setzte sich.

»Ich habe gerade den Audi Quattro gekauft«, stöhnte Susan. »Wie soll ich das alles bezahlen?«

»Ich kann nach der Schule jobben«, erbot sich Brooks.

»Ich will, daß deine Noten oben bleiben, oben, oben. Wenn du aufs College kommst, wirst du dich vielleicht um ein Stipendium bewerben müssen. Zwei Kinder gleichzeitig auf dem College – warum habe ich meine Schwangerschaften nicht mit vier Jahren Abstand geplant statt zwei«, jammerte sie in gespieltem Entsetzen.

»Damit deine Kinder so Freunde sein können, und damit Danny Brooks überall hinfahren kann.«

»Von wegen.« Susan knallte ihre Hand auf den Tisch. »Verschiedene Schulen bedeutet verschiedene Freizeitaktivitäten. Er wird sie nirgendwohin fahren.«

»Mom, die Hälfte meiner Freundinnen geht auf die St. Elizabeth. Ich kann immer irgendwo mitfahren.«

»Brooks, ich halte nicht viel von der St.-Elizabeth-Truppe. Die sind mir zu – oberflächlich, und wie ich höre, werden an der Schule jede Menge Drogen genommen.«

»Bleib auf dem Teppich. Auf der Crozet High werden auch jede Menge Drogen genommen, wenn ich wollte, könnte ich an sie rankommen, egal, wo ich zur Schule gehe.« Sie runzelte die Stirn.

»Das ist ja fürchterlich«, rief Harry aus.

»Aber leider wahr.« Susan seufzte. »Harry, die Welt sieht ganz anders aus, wenn man Kinder hat.«

»Das sehe ich«, stimmte Harry zu. »Brooks, wer sind denn deine Freundinnen auf St. Elizabeth?«

»Karen Jensen. Ich kenne noch andere, aber Karen ist meine beste Freundin dort.«

»Sie macht einen netten Eindruck«, sagte Harry.

»Ist sie auch. Sie ist allerdings älter als Brooks.« Susan war frustriert. »Aber der Rest ist absolut oberflächlich. Reiche, verwöhnte Blagen, absolut einfältig, und –«

Harry unterbrach sie. »Aber Brooks ist nicht oberflächlich, und St. E. wird sie nicht umkrempeln. Hat sie früher nicht und wird sie auch diesmal nicht. Brooks hat ihren eigenen Kopf, Susan.«

Susan tauchte einen Löffel in ihren Tee und rührte langsam Kleehonig hinein. Sie mochte keinen raffinierten Zucker. »Schatz, geh Harrys Pferde besuchen. Ich muß mit meiner besten Freundin unter vier Augen reden.«

»Klar, Mom.« Brooks verließ zögernd die Küche, Tucker heftete sich an ihre Fersen.

Susan legte den Teelöffel auf die Untertasse und beugte sich vor. »An der Schule herrscht ein solcher Wettbewerb, manche Kinder packen das nicht. Weißt du noch, wie Courtney Frere voriges Jahr zusammengebrochen ist?«

Harry versuchte sich an den Vorfall zu erinnern und holte vage Einzelheiten aus der Versenkung. »Schlechte Karten beim College – war da nicht so was?«

»Sie hatte solche Angst, ihre Eltern zu enttäuschen und nicht auf ein gutes College zu kommen, daß sie eine Überdosis Schlaftabletten genommen hat.«

»Ja, stimmt, jetzt fällt’s mir wieder ein.« Harry preßte die Lippen zusammen. »Das kann überall passieren. Das Mädchen war vollkommen überreizt. Ist sie nicht aufs Tulane College gegangen?«

Susan nickte. »Ja. Aber es herrscht nicht nur Wettbewerb unter den Schülern, sondern auch zwischen Kollegium und Schulbehörde. Sandy Brashiers hat immer noch eine Stinkwut im Bauch, weil er nicht Oberstufendirektor geworden ist.«

»Politik findet in jedem Beruf statt. Sogar in meinem«, stellte Harry ruhig fest. »Du machst dir zu viele Sorgen, Susan.«

»Du weißt ja nicht, wie es ist, Mutter zu sein!« brauste Susan auf.

»Warum fragst du mich dann nach meiner Meinung?« blaffte Harry zurück.

»Weil –« Susan schlug mit ihrem Teelöffel auf den Tisch.

»Hey!« bellte Tucker.

»Still, Tucker«, sagte Harry.

»Was kann denn schlimmstenfalls passieren?« Harry riß Susan den Teelöffel aus der Hand. »Ist sie dort unglücklich, nimmst du sie raus. Schließt sie sich der falschen Truppe an, zerrst du sie raus.«

»Dieser kleine Umweg könnte ihrem Notendurchschnitt schaden.«

»Schön, dann geht sie entweder auf ein weniger gutes College als unsere Alma mater, oder sie kann ein, zwei Jahre auf ein Junior College gehen, um ihre Noten aufzubessern. Susan, es ist nicht das Ende der Welt, wenn Brooks nicht so gut mitkommt, wie du es dir wünschst – aber es ist eine harte Lektion.«

»Ich finde Mrs. Berryhill gar nicht so übel.«

»Wir sind keine Fünfzehn. Berryhill war schon für uns nicht gerade zum Totlachen.«

Susan atmete tief durch. »Die Kontakte, die sie auf St. Elizabeth knüpfen wird, könnten sich später als nützlich erweisen, vermute ich.«

»Sie ist sehr anpassungsfähig. Sie wird aufblühen, wohin sie auch verpflanzt wird.«

»Du hast recht.« Susan atmete aus, dann griff sie nach der zusammengefalteten Zeitung. »Apropos Zeitung, mal sehen, in was für einem neuen Schlamassel die Welt heute wieder steckt.«

Sie faltete den ersten Teil der Zeitung auseinander. Das Geräusch erregte Mrs. Murphy, die von der Anrichte sprang, um sich auf den Sportteil, den Gesellschaftsteil und die Kleinanzeigen zu setzen.

»Murphy, rück mal ein Stückchen.« Harry versuchte, den Gesellschaftsteil unter der Katze wegzuziehen.

»Ich sitze so gern auf Papier. Am liebsten ist mir das Seidenpapier in Geschenkschachteln, aber die Zeitung tut’s auch.«

Harry hob Mrs. Murphys Hinterteil sanft an und zog einen Teil der Zeitung darunter weg, während Murphy unwillig mit dem Schwanz peitschte. »Danke schön.«

»Ich muß doch sehr bitten«, murrte Mrs. Murphy, als Harry ihr Hinterteil sinken ließ.

»Neuerlicher Streit im Kongreß um den Bundeshaushalt«, las Susan laut vor.

»Gaunerbande.« Harry zuckte die Achseln. »Von denen tut doch sowieso keiner was.«

»Ein wahres Wort. Was steht in deinem Teil?«

»Autounfall Ecke Twenty-ninth und Hydralic. Officer Crystal Limerick war am Schauplatz.«

»Steht was über Coop drin?« Sie sprach von ihrer gemeinsamen Freundin, die jetzt Stellvertreterin des Sheriffs von Albemarle County war.

»Nein.« Harry blätterte die Seiten durch, enttäuscht, weil sie nicht fand, wonach sie suchte.

»Du hast die Todesanzeigen, laß mal sehen, wen’s erwischt hat.«

»Du wirst schon so schlimm wie Mom.«

»Deine Mutter war eine wunderbare Frau, und es ist unsere Bürgerpflicht, die Todesanzeigen zu lesen. Schließlich müssen wir bereit sein, Beistand zu leisten, falls –«

Sie sprach ihren Satz nicht zu Ende, weil Harry die Zeitung auf der Seite mit den Todesanzeigen aufschlug und plötzlich aufschrie: »Scheiße noch mal!«

Kapitel 3

Ich hab gestern erst mit ihm gesprochen.« Susan hielt erschüttert den Atem an, als sie über Harrys Schulter hinweg den Namen Roscoe Fletcher las, fünfundvierzig, am 22. September plötzlich und unerwartet verstorben. Sie war aufgesprungen, um sich selbst zu überzeugen.

»Die Todesanzeige steht ja irrsinnig schnell in der Zeitung.« Harry konnte es auch nicht glauben.

»Die Todesanzeigen haben den spätesten Annahmeschluß.« Susan las die Anzeige noch einmal, um sicherzugehen, daß sie nicht unter Halluzinationen litt. »Da steht nicht, woran er gestorben ist. Oh, das bedeutet nichts Gutes. Wenn sie es nicht reinschreiben, heißt das Selbstmord oder –«

»Aids.«

»In dieser Zeitung schreiben sie nie, woran die Leute gestorben sind. Ich finde aber, daß es wichtig ist.« Susan schnippte auf die Rückseite der Zeitung.

»›Die Familie bittet um Spenden für den Roscoe-Harvey-Fletcher-Gedächtnisfonds zugunsten von Stipendien für die St. Elizabeth …‹ Was zum Teufel ist passiert?« Harry sprang auf und griff nach dem Telefon.

Sie wählte Mirandas Nummer. Besetzt. Dann rief sie Dr. Larry Johnson an. Er wußte alles über jeden. Besetzt. Sie rief Reverend Herbert Jones an.

»Rev«, sagte sie, als er sich meldete, »ich bin’s, Mary Minor.«

»Ich kenne Ihre Stimme.«

»Woran ist Roscoe gestorben?«

»Das weiß ich nicht.« Er senkte die Stimme. »Ich wollte gerade rübergehen, um zu sehen, was ich tun kann. Niemand weiß etwas. Ich habe mit Mim und Miranda gesprochen. Ich habe sogar Sheriff Shaw angerufen, um zu hören, ob es vielleicht spät in der Nacht einen Unfall gegeben hat. Alle tappen im dunkeln, und es gibt keinerlei Informationen über die Beerdigung. Naomi hatte keine Zeit, ein Bestattungsinstitut auszusuchen. Sie steht vermutlich unter Schock.«

»Sie wird wohl Hill and Wood beauftragen.«

»Ja, das würde ich annehmen, aber, hm –« Seine Stimme verlor sich einen Moment, dann erhöhte er die Lautstärke. »Er war nicht krank. Ich habe Larry erreicht. Roscoe war bei bester Gesundheit, es muß also irgendein Unfall gewesen sein. Ich werde jetzt hingehen, um zu helfen. Wir sprechen uns später.«

»Verzeihung«, entschuldigte sich Harry, weil sie ihn aufgehalten hatte.

»Nein, nein, ich bin froh, daß Sie angerufen haben.«

»Mich hat niemand angerufen.«

»Miranda hat es versucht. Wenn Sie einen Anrufbeantworter hätten, wüßten Sie es längst. Sie hat früh um sieben angerufen, gleich, als sie es in der Zeitung las.«

»Ich war im Stall.«

»Dort hat sie auch angerufen.«

»Vielleicht war ich gerade mit dem Düngerstreuer draußen. Spielt ja auch keine Rolle. Es gibt jetzt viel zu tun. Wir treffen uns bei Fletchers. Susan und Brooks sind bei mir. Wir können bei allem helfen, was getan werden muß.«

»Das wäre großartig. Wir sehen uns dort.« Er atmete kräftig ein. »Ich weiß nicht, was wir vorfinden werden.«

Als Harry auflegte, stand Susan gespannt auf. »Und?«

»Komm, wir sausen zu Fletchers. Herbie ist schon unterwegs.«

»Irgendwas?« Sie waren schon so lange befreundet, daß sie sich im Stenogrammstil unterhalten konnten, und manchmal brauchten sie überhaupt nichts zu sagen.

»Nein.«

»Dann nichts wie raus, alle miteinander.« Susan machte eine Geste des Zusammentrommelns.

Tucker schlich sich mit Brooks’ Hilfe ein. Sie lag auf dem Fußboden des Audi, bis sie die halbe Strecke nach Crozet hinter sich hatten. Mrs. Murphy und Pewter, beide stinksauer, weil sie zurückbleiben mußten, machten brummige Gesichter, als das Auto aus der Zufahrt fuhr.

Bei Fletchers angekommen, erlitten die Freundinnen den nächsten Schock. Fünfzig bis sechzig Autos säumten die Straße in der Wohnsiedlung Ednam. Cynthia Cooper regelte den Verkehr. Das war nicht ihre Aufgabe, doch ihre Dienststelle war übers Wochenende unterbesetzt.

»Coop?« Harry winkte ihr zu.

»Die verrückteste Sache, die mir je begegnet ist«, sagte die hübsche Polizistin.

»Wie meinst du das?« fragte Susan.

»Er ist nicht tot.«

»WAS?« riefen die drei Menschen wie aus einem Mund.

Tucker verlor unterdessen keine Zeit. Sie ging zur Haustür hinein, die offenstand wegen der überwältigenden Menge von Freunden, Bekannten und St.-Elizabeth-Schülern, die ihren Beileidsbesuch abstatteten. Tucker schlängelte sich dicht über dem Fußboden zwischen den Menschen hindurch zur Küche.

Brooks hatte ihre Freundinnen Karen Jensen und Jody Miller rasch entdeckt. Sie wußten auch nichts.

Als Harry und Susan ins Wohnzimmer traten, hielt Roscoe ein Glas Champagner in die Höhe und rief den Versammelten zu: »Die Berichte über meinen Tod sind maßlos übertrieben!« Er trank einen Schluck. »Bierce.«

»Twain«, verbesserte Sandy Brashiers. Er war der Leiter der Englischabteilung und rivalisierte mit Roscoe um die Macht.

»Ambrose Bierce.« Roscoe lächelte, jedoch mit zusammengebissenen Zähnen.

»Ist doch egal, Roscoe, Hauptsache, du lebst.« Naomi, eine gutaussehende Frau Ende Dreißig, prostete ihrem Mann zu.

April Shively, die ihren quicklebendigen Vorgesetzten anhimmelte, stieß mit Ed Sugarman an, dem Chemielehrer.

»Hört, hört«, sagte die Gruppe, zu der die meisten von Harrys engen Freunden gehörten, sowie auch ein paar Feinde.

Blair Bainbridge, kein Feind, sondern ein potentieller Verehrer, stand neben Marilyn oder Little Mim, der picobello gekleideten Tochter von Big Mim Sanburne.

»Wann bist du nach Hause gekommen?« konnte Harry schließlich Blair fragen, nachdem sie Roscoe zu seiner Auferstehung gratuliert hatte.

»Gestern abend.«

»Hi, Marilyn.« Sie begrüßte Little Mim mit ihrem richtigen Namen.

»Schön, dich zu sehen.« Was nicht stimmte. Marilyn fürchtete, daß Blair Harry lieber mochte als sie.

Fair Haristeen, der die anderen Männer überragte, schlenderte zu seiner Ex-Frau hinüber, die er immer noch liebte. »Ist das nicht das Verrückteste, was man je erlebt hat?« Er griff in die große Schüssel mit Bonbons, die auf einem Beistelltisch stand. Roscoe hatte immer Süßigkeiten herumstehen.

»Ziemlich unheimlich.« Sie küßte ihn auf die Wange und stellte fest, daß Morris »Maury« McKinchie, Roscoe Fletchers bester Freund, nicht da war.

Unterdessen saß Tucker mit Winston in der Küche. Winston war die englische Bulldogge der Familie, ein kluger und gutmütiger Hund. Sie hatten Artigkeiten ausgetauscht, bevor Tucker zur Sache kam.

»Was wird hier gespielt, Winston?«

»Ich weiß es nicht«, lautete die ernste Antwort.

»Ist er in Richmond oder New York bei einem Arzt gewesen? Harry hat nämlich von Herb Jones gehört, daß er gesund ist.«

»Alles in Ordnung mit Roscoe – außer daß er zu viele Weiber im Leben hat.«

Die Corgihündin legte den Kopf schief. »Ah, hm«, sagte sie, »war wohl ein Streich, diese Todesanzeige.«

»Roscoe weiß jetzt, wie vielen Menschen an ihm liegt. Wenn die Leute an ihrer eigenen Beerdigung teilnehmen könnten, würden sie sich freuen, sollte man meinen«, sagte Winston.

»Daran habe ich nie gedacht.«

»Hmm.« Winston watschelte zur Hintertür, von der man auf den Senkgarten hinaussah, der von Naomi liebevoll gepflegt wurde.

»Winston, was bedrückt dich?«

Der Hund wandte den mächtigen Kopf und entblößte die furchterregenden Zähne. »Und wenn das eine Warnung war?«

»Wer wollte so etwas tun?«

»Tucker, Roscoe kann sein Dingen nicht in der Hose halten. Ich kann seine Affären schon nicht mehr zählen, und Naomi ist auf hundertachtzig. Sie erwischt ihn jedesmal. Nach vielen Lügen gesteht er schließlich. Er verspricht, es nie wieder zu tun. Drei Monate, sechs Monate später – ist er wieder auf und davon.«

»Wer?«

»Die Frau?« Die gefurchte Stirn legte sich in noch tiefere Falten. »April vielleicht, bloß, das ist so auffällig, daß sogar die Menschen es schnallen. Mal sehen, eine junge Frau aus New York, ihren Namen habe ich vergessen. Oh, er hat sich an BoomBoom rangemacht, aber ich glaube, sie ist gerade anderweitig beschäftigt. Ach weißt du, ich hab den Überblick verloren.«

»Naomi bestimmt nicht«, erwiderte die kleine Corgihündin weise.

Kapitel 4

An diesem Abend kroch dichter Nebel vom Yellow Mountain hinunter. Harry, die im Stall war, ging hinaus und sah einen einzelnen Nebelstreifen über dem Bach schweben. Dem Streifen folgten Finger, die sich über der Weide ausbreiteten, bis die Farm in Grau gehüllt war.

Sie schauderte; die Temperatur sank.

»Zieh deine Daunenweste an, du holst dir sonst den Tod«, riet ihr Mrs. Murphy.

»Wovon redest du, Miezekatze?« Harry lächelte ihre geschwätzige Katze an.

»Von dir, ich rede von dir. Du brauchst wen, der auf dich aufpaßt.« Die Tigerkatze seufzte, wußte sie doch, daß Harry sich zuallerletzt um sich selbst kümmern würde.

Tucker hob den Kopf. Feuchtigkeit brachte gute Witterung mit sich. »Rotluchs in der Nähe.«

»Dann gehen wir besser in den Stall.« Die Katze fürchtete sich vor ihrer größeren Cousine.

Als die kleine Familie in den Stall stapfte, wieherten die Pferde. Die Dunkelheit kam so geschwind wie der Nebel. Harry nahm ihre rote Daunenweste von einem Sattelhaken. Sie knipste das Licht an. Da sie so lange bei Roscoe Fletcher geblieben war, um zu feiern, war sie jetzt mit der Farmarbeit im Rückstand.

Tomahawk, das älteste Pferd im Stall, liebte es, wenn es Herbst wurde. Als echtes Jagdpferd konnte er den Beginn der Saison nicht abwarten. Gin Fizz und Poptart, die jüngeren Pferde, spitzten die Ohren.

»Der olle Rotluchs schleicht herum.« Mrs. Murphy sprang auf die quergeteilte Boxentür, deren obere Hälfte von einem vernickelten Haken offengehalten wurde.

Tomahawk sah Murphy mit seinen großen braunen Augen an. »Das ist ein ganz gemeines Stück.«

Zwei glänzende schwarze Perlenaugen erschienen am Rand des Heubodens. »Was hör ich da von Rotluchs?«

»Simon, ich dachte, du schläfst noch.«

Das Opossum rückte näher an den Rand und zeigte sein ganzes hellgraues Gesicht. »Ihr macht genug Lärm, um Tote aufzuwecken. Jeden Moment wird das Plattgesicht runterflattern und uns bitterlich beschimpfen.«

Simon sprach von der großen Eule, die in der Kuppel nistete. Die Eule konnte die Haustiere nicht leiden, am wenigsten Mrs. Murphy. Auf dem Heuboden überwinterte außerdem eine schwarze Schlange, aber die war ungesellig, sogar im Sommer. Eine Überfülle an Mäusen machte die Raubtiere fett und froh.

Der Heuboden überdeckte ein Drittel des Stalls, was eine lichtere, luftigere Atmosphäre schuf, als wenn er über die gesamte Länge des Gebäudes verliefe. Harry hatte mit wiederverwertetem Holz dreißig Meter vom Stall entfernt einen Heuschuppen gebaut. Sie hatte ihn dunkelgrün gestrichen, mit weißer Umrandung; das war ihr Sommerprojekt gewesen. Jeden Sommer bemühte sie sich, die Farm zu vervollständigen. Sie liebte diese Art von Handwerk, aber nachdem sie einmal in der glühenden Sonne Schindeln angenagelt hatte, würde sie sich dergleichen zweimal überlegen.

Mrs. Murphy kletterte die Leiter zum Heuboden hinauf. »Nebel so dick wie Erbsensuppe.«

»Macht nichts. Ich kann ihn trotzdem deutlich riechen.« Simon sprach von dem gefürchteten Luchs.

»Vielleicht, aber er kann schneller rennen als wir alle, außer den Pferden.«

»Ich hab Hunger.«

»Ich laß mir von Mom Katzenkekse in meine Schüssel tun. Die kannst du haben.«

Simon strahlte. »Klasse.«

Mrs. Murphy spazierte auf dem obersten Boxenbalken entlang und begrüßte jedes einzelne Pferd, über dessen Kopf sie hinwegkam. Dann sprang sie hinunter auf das hohe hölzerne Medikamentenschränkchen, das neben der Sattelkammertür stand. Von da aus konnte sie sich ohne weiteres auf den Fußboden fallen lassen.

Nachdem Harry die Pferde gefüttert hatte, ließ sie sich in der Futterkammer auf Hände und Knie nieder. Kleine Löcher in den Holzwänden zeugten von der Emsigkeit der Mäuse. Harry kleidete ihre Futtereimer mit Weißblech aus, was die Mäuse fernhielt, aber sie verschlangen jeden Krümel, der auf dem Boden liegenblieb. Sie fraßen auch Löcher in Harrys Stalljacke, was die Besitzerin erzürnte.

»Murphy, tu doch was!«

Die Katze setzte sich neben Harry und klopfte auf das Loch in der Wand. »Die haben ein Verkehrsnetz wie die New Yorker U-Bahn.«

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Personen der Handlung

Mary Minor Haristeen (Harry), die junge Posthalterin von Crozet

Mrs Murphy, Harrys graue Tigerkatze

Tee Tucker, Harrys Welsh-Corgi-Hündin

Pharamond Haristeen (Fair), Tierarzt, ehemals mit Harry verheiratet

Mrs George Hogendobber (Miranda), eine Witwe, die zusammen mit Harry im Postamt arbeitet

Market Shiflett, Besitzer von Shiflett’s Market neben dem Postamt

Pewter, Markets unverschämt fette graue Katze, die jetzt bei Harry und ihrer Familie wohnt

Susan Tucker, Harrys beste Freundin

Big Marilyn Sanburne (Mim), Queen von Crozet

Rick Shaw, Sheriff

Officer Cynthia Cooper, Polizistin

Herbert C. Jones, Pastor der lutherischen Kirche von Crozet

Roscoe Fletcher, Direktor der exklusiven Privatschule St. Elizabeth

Naomi Fletcher, Leiterin der Unterstufe von St. Elizabeth. Sie steht ihrem Mann hundertprozentig zur Seite

Alexander Brashiers (Sandy), Englischlehrer an der St.-Elizabeth-Schule

April Shively, Sekretärin des Direktors, den sie liebt

Maury McKinchie, ein Filmregisseur, der seine Vitalität verloren hat und im Begriff ist, seine Frau zu verlieren

Brooks Tucker, Susan Tuckers Tochter. Sie ist auf die St.-Elizabeth-Schule gewechselt

Karen Jensen, respektloser Star der Hockeymannschaft, von den meisten Jungs begehrt

Jody Miller, ebenfalls eine gute Hockeyspielerin, die unter den Nebenwirkungen einer ausklingenden Romanze mit Sean Hallahan zu leiden scheint

Sean Hallahan, Star der Footballmannschaft

Roger Davis, ein ruhiger, stiller und wachsamer Junge, der in Seans Schatten steht

Kendrick Miller, rastlos, isoliert und aufbrausend. Er hat einen blühenden Gärtnereibetrieb aufgezogen und seine Familie verloren … die er kaum wahrnimmt

Irene Miller, eine verblassende Schönheit, die sich mit der Arbeitsbesessenheit ihres Mannes und den Stimmungsschwankungen ihrer Tochter abfindet, indem sie sie ignoriert

Father Michael, Priester der katholischen Kirche, ein Freund von Reverend Herbert Jones

Jimbo Anson, Inhaber der High-Tech-Autowaschanlage an der Route 29

Renee Hallvard, äußerst beliebte Trainerin der St.-Elizabeth-Mädchenhockeymannschaft