Tom und Franziska - Günter Görlich - E-Book
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Tom und Franziska E-Book

Günter Görlich

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Beschreibung

Das ist eine kurze, nur gut 50 Seiten lange Erzählung. Aber diese 52 Seiten haben es in sich. Am Anfang durchkreuzt ein Vater die Sonnabendnachmittagspläne seines Jungen, der gerade aus der Schule gekommen und froh ist, die Woche über die Runden gebracht zu haben. In Gedanken ist er schon mit seinem Freund Marko im Kino Babylon, wo ein spannender Western läuft. An der Wohnungstür empfängt ihn der Vater und sagt: „Thomas, heute Nachmittag bekommen wir Besuch. Räum dein Zimmer auf und zieh dich um.“ Das ist eine Überraschung für Thomas Ammon an diesem letzten Samstag im April. Schon als ihn der Vater mit Thomas ansprach, war dem Jungen klar, etwas Besonderes stand in Aussicht. Vater rief ihn gewöhnlich Tom, manchmal auch Tommy. Mutter hatte ihn nur Tommy genannt. Doch Mutter konnte nicht mehr zärtlich zu ihm sein – sie lebte nicht mehr. Sie war nach langer Krankheit gestorben. Natürlich will Thomas wissen, wer eigentlich zu Besuch kommt, erfährt aber nur, dass er sie kennt. Es seien Mutter und Tochter. Thomas, der sich über den verpatzten Sonnabendnachmittag ärgert, spürt, dass sein Vater offenbar ziemlich aufgeregt ist, wirkt wie ein Tiger vor dem Sprung. Das Überraschendste war Vaters Kleidung. Statt der Cordhose trug er eine graue Stoffhose, dazu ein hellblaues Hemd und einen Schlips. Thomas hätte die Tage an einer Hand zählen können, an denen er seinen Vater mit Schlips gesehen hatte. Alles ist sehr ungewöhnlich. Dann sind die beiden weiblichen Besucher da: Eine blonde Frau war gekommen und ein dunkelhäutiges, kraushaariges Mädchen, ein wenig größer als die Frau. Auch der Vater schaute auf das schwarzhäutige Mädchen. Die Frau sagte: „Das ist meine Franziska.“ Die beiden Frauen wohnen in Schwerin. Dort war sein Vater im Februar zur Kur gewesen. Und er hört, dass auch Franziska keine Mutter mehr hat, früher einen afrikanischen Namen trug, im Süden Afrikas geboren wurde. Als sein Vater vorschlägt, einen Spaziergang zu machen und Elke Briest fragt: „Wollt ihr eure eigenen Wege gehen, oder schließt ihr euch uns an?“, hat Thomas dunkle Vorahnungen. Er befürchtet, dass an der Ecke Marko und ein paar andere Typen herumlungern. Er spürt richtig, wie sie ihn und das schwarzhäutige Mädchen von oben bis unten mustern. Genau so kommt es auch. Diese doppelte Liebesgeschichte scheint zu Ende, bevor sie überhaupt richtig anfängt. Dennoch bleibt auch ein Hoffnungsschimmer: Auf einem Blatt stand in großen Buchstaben: „Lieber Tom, wir sehen uns wieder. Deine Franziska“

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Seitenzahl: 115

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Impressum

Günter Görlich

Tom und Franziska

ISBN 978-3-96521-709-6 (E-Book)

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

Das Buch erschien 1993 im SPOTTLESS-Verlag, Berlin.

© 2022 EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

1. KAPITEL

An einem sonnigen Samstagmittag kommt ein Junge aus der Schule. Er ist froh, dass er die Woche über die Runden gebracht hat. In Gedanken ist er schon mit seinem Freund Marko im Kino Babylon, wo ein spannender Western läuft.

An der Wohnungstür empfängt ihn der Vater und sagt: „Thomas, heute Nachmittag bekommen wir Besuch. Räum dein Zimmer auf und zieh dich um.“

Das ist eine Überraschung für Thomas Ammon an diesem letzten Samstag im April. Schon als ihn der Vater mit Thomas ansprach, war dem Jungen klar, etwas Besonderes stand in Aussicht. Vater rief ihn gewöhnlich Tom, manchmal auch Tommy.

Mutter hatte ihn nur Tommy genannt. Doch Mutter konnte nicht mehr zärtlich zu ihm sein – sie lebte nicht mehr.

Nach dieser kurzen Mitteilung verschwand Vater wieder in der Küche.

Der Junge fragte: „Wer kommt denn?“

„Was meinst du?“, rief Vater.

Thomas betrat nun auch die Küche und sah, der Vater bereitete Salate vor. Zwiebeln und verschiedenes Grünzeug lagen auf dem Tisch, Öl, Gewürze und Schüsseln standen bereit.

„Wer kommt denn eigentlich?“, fragte der Junge.

„Kennst du nicht.“

„Wirklich nicht?“

„Nein. Ich will sie dir ja vorstellen.“

„Sind's viele?“

„Mutter und Tochter.“

„Mutter und Tochter? Na so was.“

„Auch wenn du was vorhast“, sagte der Vater und sah Thomas prüfend an, „heute musst du darauf verzichten.“

„Ich wollte mit Marko ins Kino“, sagte der Junge.

„Thomas, ich denke, wir haben uns verstanden“, sagte der Vater und wandte sich wieder seinen Salaten zu.

Da wusste der Junge, es war nichts zu machen, er musste diesen Besuch, weiblichen auch noch, über sich ergehen lassen. Soweit kannte er seinen Vater Rainer Ammon, schließlich waren sie seit Mutters Tod aufeinander angewiesen. Aber er wird gegenüber dieser Frau und ihrer Tochter kühl bleiben, kühl bis ins Herz, wie es heißt. Er wird nur reden, wenn er gefragt wird, und auch dann nur das Nötigste. Das nahm sich Thomas fest vor, als er die Küche verließ und in sein Zimmer ging.

Die Ammons bewohnten eine geräumige Dreizimmerwohnung in fünften Stock eines Häuserblocks, der hinter der Allee lag.

Thomas überblickte sein Zimmer, erinnerte sich an den Wunsch des Vaters aufzuräumen, alles für den Besuch! Was hatte der in seiner Bude zu suchen? Der sollte im Wohnzimmer bleiben, Kaffee trinken, Salate essen und Würstchen oder wer weiß, was Vater noch zusammenzauberte für diese Mutter und ihre Tochter.

Den Tisch muss ich sowieso aufräumen, überlegte er, das hat nicht das Geringste mit diesem Besuch zu tun. Die Fußballtöppen sind auf Hochglanz zu bringen.

Gewöhnlich erledigt Thomas das am Sonntagvormittag. Er kann die Töppen auch schon heute putzen, dann hat er morgen Zeit, Mathe zu machen. Und das ist nötig, schaut er sich die Zensuren der letzten Wochen an.

Auf dem Arbeitstisch stand das Foto der Mutter, der Grit Ammon, halbverdeckt durch einen Schuhkarton, in dem Thomas Kassetten aufbewahrte. Er nahm den Karton vom Tisch, schob ihn unter die Couch, legte die Fußballzeitungen der letzten Wochen zusammen.

Nichts soll von dem Foto ablenken. Wer zur Tür hereinkommt, soll sofort in die lachenden Augen seiner Mutter schauen.

Thomas erinnerte sich an ein anderes Aussehen der Mutter, eingefallen die Wangen und schütter das Haar. So hatte er sie das letzte Mal gesehen an einem kühlen Märzsonntag in einem weißen Krankenbett. Wenige Abende später kam Vater aus dem Krankenhaus und sagte: „Mama lebt nicht mehr.“ Seitdem steht das Foto auf Thomas' Tisch. In der ersten schlimmen Zeit konnte es die Erinnerung an die Mutter im Krankenbett nicht verdrängen.

Das Kranksein begann für Grit Ammon viele Monate davor. Noch ahnte niemand etwas davon, ein freudiges Ereignis stand bevor. Thomas sollte einen Bruder bekommen! Da war Thomas elf Jahre alt. Aus einem Gespräch der Eltern mit den Großeltern hörte der Junge heraus, dass es eigentlich zu spät sei für einen Nachkömmling.

Doch Mutter sagte. „Ich freue mich darauf.“

Thomas hatte keine rechte Vorstellung von dem noch ungeborenen Wesen. Er würde eben einen Bruder haben, nun gut. Er hörte von Mutters Beschwerden, Kreuzschmerzen vor allem, die der späten Schwangerschaft zugeschrieben wurden. Doch dann musste Mutter plötzlich ins Krankenhaus, das Kind wurde ihr abgenommen, musste ihr abgenommen werden, um, wie Vater sagte, ihr Leben zu retten.

Doch das wuchernde Geschwür ließ sich nicht aufhalten. Und es kam der Abend, da Vater den schrecklichen Satz sagte, den Thomas nie vergessen wird, an dem er seinen Vater zum ersten Mal weinen sah.

Thomas rückte das Foto in die Mitte des Tisches, fuhr mit dem Taschentuch über die Glasplatte. Sollte der Besuch in sein Zimmer vordringen, konnte er das Foto nicht übersehen. Später schaute Vater ins Zimmer und meinte: „Sieht schon anders aus.“

Auf dem Treppenflur putzte Thomas die Fußballtöppen, dachte an den Film, den er verpassen würde, und ärgerte sich erneut über den Besuch. Er grollte dem Vater, der ihn zwang, mit wildfremden Leute zusammen zu sein. Eigentlich war es ganz gegen Vaters Art, die Samstagnachmittage seines Sohnes zu verpfuschen.

Bevor der Besuch kam, musste Thomas noch sein Hemd wechseln. Er hatte sich eine saubere Hose aus dem Schrank geholt, doch von dem Hemd mit der Reißverschlusstasche auf der linken Brustseite wollte er sich nicht trennen.

„Hab ich heute früh erst angezogen“, protestierte er.

„Du bist herumgetobt“, widersprach Vater.

„Herumtoben? Wir doch nicht mehr.“

„Red nicht, Tom. Du ziehst ein frisches Hemd an“, beharrte Vater.

Thomas sah das alles nicht ein, doch was half‘s. Überhaupt verhielt sich Vater ganz schön merkwürdig. Sonst war er die Ruhe selbst. Heute aber lief er von der Küche ins Wohnzimmer, warf einen Blick ins Bad, wirkte wie ein Tiger vor dem Sprung.

Dabei war alles in Ordnung. Im Bad hingen frische Handtücher für die Gäste, und das Erstaunlichste, zwei neue Zahngläser standen dort. Blieb der Besuch etwa über Nacht?

Der runde Tisch im Wohnzimmer war für vier Personen gedeckt, Blumen leuchteten in einer Vase. In der Küche stand die Kaffeemaschine bereit und auch Kuchen.

Das Überraschendste war Vaters Kleidung. Statt der Cordhose trug er eine graue Stoffhose, dazu ein hellblaues Hemd und einen Schlips. Thomas hätte die Tage an einer Hand zählen können, an denen er seinen Vater mit Schlips gesehen hatte. Bei der Schlipsauswahl wurde er sogar zurate gezogen. Thomas hatte keine Ahnung, was farblich stimmen sollte, der Schlips war rot und blau und sah nach seiner Meinung gut aus.

Und doch band sich Vater dann einen anderen um.

Als es läutete, schaute Vater auf die Armbanduhr und nickte.

„Das sind sie“, sagte er, „pünktlich auf die Minute.“

Thomas überlegte, wie man auf die Minute pünktlich sein konnte. Ihm war das noch nie gelungen, entweder kam er zu früh oder zu spät.

Vater drückte die Taste der Sprechanlage und fragte: „Ja?“

Komisch, dieses aufgeregte Ja, dachte Thomas, er weiß doch, wer dort unten steht.

Eine Frauenstimme sagte: „ Wir wollen zu Ammons. Sind wir richtig?“

„Ihr seid sehr richtig. Vierter Stock. Fahrstuhl ist nicht.“ Thomas hörte leises Lachen, dann das Schnurren des Türöffners.

„So, sie sind da“, sagte Vater und öffnete die Tür.

„Räum die Fußballschuhe weg.“

Sie standen sorgfältig geputzt auf dem Abtreter.

„Die stehen doch immer hier am Wochenende“, sagte Thomas.

„Na, dann lass sie dort.“

Vater stand groß und breit in der Tür, Thomas hatte Mühe vorbeizuschauen. Es war, als hielte Vater den Atem an vor Aufregung.

Das nimmt meinen Alten aber mit, dachte Thomas. Doch dann verstand er die Aufregung seines Vaters. Eine blonde Frau war gekommen und ein dunkelhäutiges, kraushaariges Mädchen, ein wenig größer als die Frau.

Auch der Vater schaute auf das schwarzhäutige Mädchen. Die Frau sagte: „Das ist meine Franziska.“

Das Mädchen gab dem Vater einen Blumenstrauß und sagte: „Meine Mutter hat mir schon viel von Ihnen erzählt.“ Thomas sah die weißen Zähne im ebenholzdunklen Gesicht aufschimmern, lauschte dem Klang der Stimme. Klar und sauber war die Aussprache und ein wenig gedehnt. „Danke, Franziska“, sagte Vater, „auf einem Foto habe ich dich ja schon gesehen. Aber dass du so groß bist …“

Rainer Ammon war einen Schritt zur Seite gegangen. Franziska wandte sich dem Jungen zu.

„Du bist Thomas.“

„Ja, das ist Tom“, sagte Vater rasch.

Alle wissen voneinander, dachte Thomas, nur ich habe nichts gewusst. Er nahm die ausgestreckte Hand des Mädchens, er konnte sie ja nicht übersehen. Und warum auch. Aber er brachte kein Wort heraus, nur ein unverständliches Knurren. Doch das fiel nicht auf, weil auch die Frau ihm die Hand gab.

„Ich bin Elke Briest. Und das Sie lass weg, darum bitte ich.“

„Nun kommt endlich rein. Was stehen wir hier vor der Tür“, rief Vater ungewöhnlich laut

Thomas wollte Platz machen und trat auf seine mühevoll blank geputzten Töppen. Morgen wird er noch einmal die Bürste zur Hand nehmen müssen.

Er sah, dass Vater die Frau freundschaftlich umfasste und ihr aus dem Mantel half.

Thomas überlegte, ob er Franziska auch helfen sollte. Doch er überlegte zu lange, sie hatte den Anorak bereits ausgezogen. Franziska war unglaublich schlank, fast dürr. Die langen Beine steckten in eng anliegenden Jeans, die rote Bluse wurde von einem schwarzen Gürtel zusammengehalten. Vater redete immer noch viel und laut. Die Wohnung wurde dem Besuch gezeigt, und Elke Briest sparte nicht mit Lob.

In Thomas' Zimmer sagte sie mit einem Seitenblick: „Immer so aufgeräumt?“

„Elke, ich gebe mir aber auch große Mühe“, meinte Franziska.

Sie stand in der Nähe der Tür und das Licht fiel voll auf sie. Thomas sah, wie tiefdunkel ihre Haut war, sah auch den breiten Nasenrücken, die aufgeworfenen Lippen und die schwarzen Augen, die sich nicht von der Hautfarbe unterschieden. Das Weiß der Augäpfel fiel auf.

Elke Briest betrachtete den Arbeitstisch. Doch sie stutzte nicht vor dem Foto der Mutter, ging weiter, sagte nichts. Cool bleiben, dachte Thomas. Sie übersieht einfach das Bild seiner Mutter, hat sich mächtig in der Gewalt. Cool bleiben, Tom.

Vater führte Elke Briest zum Fenster, zeigte ihr die Weberwiese und erzählte etwas über diese Gegend hier in Berlin. Franziska war zum Kassettenrekorder gegangen, Thomas' Stolz. Er hatte ihn von Opa Georg bekommen.

„Hast du viele Kassetten?“, fragte das Mädchen.

„Es geht. Mein Freund Marko hat dreimal so viele.“

„Ich fange jetzt schon zu sammeln an“, sagte das Mädchen, „einen Rekorder für mich habe ich noch nicht. Aber das ist mein großer Wunsch. Du hast es gut. Du gehst in dein Zimmer, schließt die Tür hinter dir und legst eine Kassette ein. Dann kannst du hören und an vieles denken.“

„Du hast keine eigene Bude?“

„Wir haben nur eine kleine Wohnung. Aber vom Fenster haben wir einen ganz weiten Blick.“

„Wo wohnt ihr denn?“

„Du weißt nicht, wo wir wohnen?“

„Nein“, sagte Thomas.

Franziska sah ihn erstaunt an.

Vater war mit seinen Erklärungen fertig und sagte: „So, nun wollen wir Kaffee trinken. Uns ist danach.“

Thomas wunderte sich über den Vater. So geschwollen redet er sonst nicht.

Der Besuch hatte Durst und Franziska dazu noch guten Appetit. Der Kuchenberg verschwand im Handumdrehen.

Am Tisch redeten nur die Alten, und ganz besonders eifrig der sonst gar nicht so redselige Vater.

Thomas dachte, nun könnte er endlich aufhören mit dem Palaver, sollte mir lieber erklären, was hier gespielt wird. Das ist er mir schuldig. Und er bemerkte auch, wie Vater ihm hin und wieder einen prüfenden Blick zuwarf. Thomas erinnerte sich wieder seines Vorsatzes, kühl zu bleiben, kühl bis ans Herz.

Nach dem Kaffee holte Vater eine Flasche Weinbrand und sagte zu Elke Briest: „Einen Kleinen sollten wir uns genehmigen.“

„Von mir aus auch einen großen“, sagte die Frau.

Sie wandte sich an Franziska und Thomas. „Euch wird es langweilig mit uns. Thomas hat ein wunderschönes Zimmer.“ Elke Briest sagte das freundlich aber bestimmt. Und Thomas dachte: Die ist gewöhnt zu kommandieren. Wer weiß, was sie für einen Job hat. Bestimmt einen, wo so was gebraucht wird.

„Ich trinke noch eine Tasse Kaffee“, sagte er.

„Na so was“, wunderte sich Vater, „bist auf den Geschmack gekommen?“

„Ich hätte auch gern noch eine Tasse Kaffee“, bat Franziska.

„Das wäre deine dritte“, sagte Elke Briest, „ich weiß nicht, ob das nötig ist.“

„Heute ist eine Ausnahme“, meinte Rainer Ammon.

Elke Briest füllte Thomas die Tasse, doch ihrer Franziska schenkte sie nur halb voll ein. Das Mädchen nahm fünf Stück Zucker, und Thomas goss reichlich Sahne in den Kaffee.

Vater hob sein Glas und sagte: „Auf eure Ankunft. Und dass es euch gefällt bei uns.“

Thomas fing einen Blick der Frau auf. Er konnte ihn schwer deuten. War er nachdenklich? Was bist du für einer, den der Rainer Ammon zum Sohn hat?

Als Thomas und Franziska das Wohnzimmer verließen, sagte Elke Briest: „Ihr seid ja gleich groß, merkwürdig.“

Was ist daran merkwürdig, dachte der Junge. Vielleicht werde ich eines Tages größer sein als diese schwarze Franziska. Ist doch auch egal, ob dann der eine einen Kopf größer oder kleiner ist als der andere. Aus den Augen, aus dem Sinn, war ein Spruch der Oma Marianne.

Franziska trat an ein Fenster.

Thomas sagte: „Das ist die Weberwiese.“

Er dachte an Marko und seine anderen Kumpel.

„Wenn du bei uns zu Hause am Fenster stehst“, sagte Franziska, „siehst du den See. Ist das Wetter klar, erkennst du das andere Ufer.“

„Ich weiß ja immer noch nicht, wo ihr wohnt“, sagte Thomas.

„Kennst du Schwerin?“

„Auf der Landkarte.“

„Dort wohnen wir.“

„Schwerin“, sagte Thomas nachdenklich, „ach, in Schwerin wohnt ihr. Komisch.“

„Was ist daran komisch?“

„Ich hab das nur so gesagt“, wich der Junge aus. Doch er ahnte jetzt, wo sein Vater Elke Briest kennengelemt hatte. Im Februar war er zur Kur gefahren. Von Schwerin hatte er eine Karte geschrieben. Während er, Thomas, bei den Großeltern war, hatte sich das zusammengebraut. Franziska war an den Tisch getreten und zeigte auf das Foto der Grit Ammon.

„Deine Mama?“

„Ja, meine Mutter. Sie ist gestorben.“

Franziska beugte sich zu dem Foto.

„Sie war eine schöne Frau.“

„Sie ist schon zwei Jahre tot“, sagte der Junge hilflos.

„Meine Mama, die mich geboren hat, lebt schon viele Jahre nicht mehr“, sagte Franziska, „ich kann mich nur ganz schwach an sie erinnern. Damals hieß ich auch nicht Franziska, ich hatte einen afrikanischen Namen. Aber den weiß niemand mehr. Ich weiß nur wenig über diese Zeit in Afrika, nur das, was ich von Elke gehört habe.“

„Was hast du gehört?“, fragte Thomas. Er stand neben dem Mädchen und schaute auch auf das Foto der Mutter.

„Darf ich das Bild hochnehmen?“, bat Franziska.

„Na, klar.“

Franziska betrachtete das Foto, es war, als suche sie im Bild dieser jungen Frau das Bild der eigenen Mutter.