Tornado auf vier Pfoten - Judy Kleinbongardt - E-Book

Tornado auf vier Pfoten E-Book

Judy Kleinbongardt

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Beschreibung

Vor 16 Jahren wirbelte Podenca Dunya aus einer spanischen Auffangstation in das Leben der Autorin, die zwar schon seit vielen Jahren ihr Haus und Herz mit Hunden teilt, aber schon bald feststellen musste, dass ein Podenco „etwas anderes“ ist. Das vorliegende Buch ist mehr als eine Sammlung von Situationen, die man im Nachhinein als lustig einstuft und mit Humor nacherzählen kann. Es ist ein persönlicher Bericht, in dem die Autorin ihre Kurzgeschichten über Dunya zusammen getragen hat, unterstützt von Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen. Die schönen Momente, die lustigen Situationen, aber auch die Mutlosigkeit und Frustrationen, mit denen ihre Erziehungsversuche einher gingen, geben einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen ihres Zusammenlebens mit diesem besonderen Hund.

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Über dieses Buch

Im Gegensatz zu „Der Podenco – ein besonderer Mitbewohner“ ist das vorliegende Buch kein Rassenbuch. Es handelt nicht von „dem Podenco“, sondern ist eine Hommage an Dunya, die Podenca, mit der ich sechzehn Jahre meines Lebens geteilt habe, obwohl Sie zweifellos viele Situationen bei Ihrem eigenen Podenco wiedererkennen werden.

Es ist mehr als eine Sammlung von Situationen, die man im Nachhinein als lustig einstuft und mit Humor nacherzählen kann. Es ist ein persönlicher Bericht, in dem ich meine Kurzgeschichten über Dunya zusammen getragen habe, unterstützt von Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen.

Die Erinnerungen sind oft fröhlich, stimmen aber auch manchmal ernst (Die Auszüge aus meinen Tagebüchern sind kursiv gedruckt). Die schönen Momente, die lustigen Situationen, aber auch die Mutlosigkeit und Frustrationen, mit denen meine Erziehungsversuche einher gingen, sind ein Teil davon und geben einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen meines Zusammenlebens mit diesem besonderen Hund. Ich nehme Sie mit auf dem Weg, den ich zurückgelegt habe, von Anfang bis Ende.

Die meisten Erinnerungen stammen aus Dunyas jüngeren Jahren, weil ich in dieser Zeit das Meiste mit ihr erlebt habe. Als sie älter und etwas gemäßigter wurde, gab sie weniger oft Anlass zum Schreiben von Geschichten.

Vieles würde ich heute anders machen als ich es in den ersten Jahren mit Dunya getan habe. Unkenntnis spielte dabei gewiss eine Rolle, aber auch die Tatsache, dass es eben eine andere Zeit war mit anderen Ideen über Hundeverhalten und -erziehung.

Ich zeige Ihnen, dass das Leben mit einem Podenco nicht immer nur Freude mit sich bringt, aber dass ein Podenco Ihr Leben bereichern wird, wie Dunya meines bereichert hat.

Judy Kleinbongardt

Inhaltsverzeichnis

Prolog: Was ist ein Podenco?

Kapitel 1: Dunya

Kapitel 2: Ein Podenco zieht ein

Kapitel 3: Sozialisieren?

Kapitel 4: Überraschunge

Kapitel 5: Schlafen und Schleppen

Kapitel 6: Nacht(un)ruhe

Kapitel 7: Es lebe die Freiheit!

Kapitel 8: Erfolgserlebnisse

Kapitel 9: Erziehung

Kapitel 10: Die Hundeschule

Kapitel 11: Zerstörungswut

Kapitel 12: Erneute Erziehungsversuche

Kapitel 13: Zurück nach Spanien?

Kapitel 14: Schluss mit lustig – an die Leine!

Kapitel 15: Ausbrechen

Kapitel 16: Hundeschule – neuer Versuch

Kapitel 17: Auf, auf zum fröhlichen Jagen

Kapitel 18: Im Garten

Kapitel 19: Die Kunst der Manipulation

Kapitel 20: Ein Unglück kommt selten allein

Kapitel 21: Morgenstund'

Kapitel 22: Agility

Kapitel 23: Podenco im Schnee

Kapitel 24: Hundeveranstaltungen

Kapitel 25: Sonnenkind

Kapitel 26: Winterpodenco

Kapitel 27: Im Auto

Kapitel 28: Regen

Kapitel 29: Kontakt mit fremden Hunden

Kapitel 30: Am See

Kapitel 31: Urlaub

Kapitel 32: Oh, wie brav sie geworden ist!

Kapitel 33: Förster und andere Zeitgenossen

Kapitel 34: Wieder mal Freilauf

Kapitel 35: Eine ruhige Zeit bricht an – obwohl

Kapitel 36: Wie man sich bettet

Kapitel 37: Nicht unterzukriegen

Kapitel 38: Das Ende naht

In memoriam

Epiloog: Maya

Prolog: Was ist ein Podenco?

Die Antwort auf diese Frage könnte mit Leichtigkeit ein eigenes Buch füllen. Aber für den Leser, der die Rasse nicht kennt, hier eine kurze Einführung: Der Podenco ist ein Halbwindhund, Jagdhund par excellence, der in Spanien für die Kaninchenjagd gezüchtet wird. Leider leiden die meisten Podencos in Spanien ein trostloses Leben, weil sie nicht als Mitbewohner, sondern als Gebrauchsartikel gesehen werden. Wenn sie nicht (mehr) jagdtauglich sind, werden sie abgedankt oder getötet.

In den letzten Jahren hat sich die Situation der Podencos in Spanien zwar etwas verbessert, vor allem dank der vorzüglichen Aufklärungsarbeit der Tierschützer; aber dennoch ist in vielen Gebieten das Obengenannte Gang und Gäbe.

In vielen westeuropäischen Ländern gibt es Vereine, die sich das Los der Podencos zu Herzen nehmen. Neben ihren Aktivitäten, die auf eine Mentalitätsveränderung in Spanien gerichtet sind, versuchen sie, einige der tausenden Podencos, die jährlich sterben müssen, zu retten und ein gutes Zuhause für sie zu finden.

Über einen dieser Vereine kam Dunya zu mir.

Der Podenco ist eigentlich mit keiner anderen Rasse zu vergleichen. Er vereint die Eigenschaften eines Jagdhundes mit denen eines Windhundes. Er ist intelligent, beweglich, hat meist einen stark ausgeprägten Jagdtrieb, kann unglaublich schnell und graziös rennen und auch aus dem Stand beeindruckend hoch springen.

Er ist kreativ – wenn es darum geht, seinen Willen durchzusetzen –, hat Humor, ein großes problemlösendes Vermögen und verfügt über ein Arsenal an Gesichtsausdrücken, die beinahe menschlich anmuten.

Außerdem kann er ein richtiger Schmusebär sein und ist im Haus oft ein wunderbar ruhiger Mitbewohner, der am liebsten faul auf der Couch oder dem Bett liegt. Ein Hund also mit vielen Facetten.

1

Dunya

Von dem Moment an, als Dunya als dritter Hund, aber erster Podenco (!) in mein Leben trat, war es vorbei mit meinem geregelten Leben. Dunya, viereinhalb Monate jung, war sehr intelligent, eigensinnig, extrem selbständig und mit einem unglaublichen Jagdtrieb ausgestattet.

Menschen fand sie klasse. Dunya war eine ausgesprochene Partynudel, die jeden Besuch begeistert begrüßte. Meine Katzen tolerierte sie; in ihren jungen Jahren lag sie sogar oftmals gemeinsam mit einer Katze auf der Couch. Andere Hunde außerhalb unserer eigenen Hundegruppe stufte sie meist als geeignete Spielkameraden ein. Manchmal wurden sie aber auch böse angemacht.

Dunya verfügte über große Ausdruckskraft. Sie konnte ein ganzes Arsenal an Stimmungen wiedergeben, durch ihren Gesichtsausdruck, den Stand der Ohren, aber auch verbal. Ich sage oft, dass Dunya “reden” konnte, denn was sie von sich gab, ging über das normale Bellen, Winseln oder Heulen hinaus, das man von Hunden gewöhnt ist.

Wenn Dunya wedelte, so tat sie das mit ihrem ganzen Körper, und sie lachte dazu. Ja, sie hatte Gefühl für Humor, was auch ich - vor allem in den ersten Jahren unseres Zusammenlebens - nötig brauchte. Denn Dunya hat wirklich alles kaputtgemacht, was nicht niet- und nagelfest war. Und das, obwohl sie nie allein zuhause war. Keine geringe Leistung, aber für einen Podenco eine seiner leichteren Übungen.

Auch meinen Garten hat Dunya im Laufe der Zeit nach eigenem Ermessen umgestaltet.

Und dann die unzählbaren Streiche, die sie im Laufe ihres Lebens vollbrachte! Wie damals, als ich den Flur strich und Dunya „zu Hilfe“ kam. Sie tauchte eine Pfote in den Farbeimer und lief dann übers Laminat, wobei sie natürlich überall Abdrücke ihrer Pfoten hinterließ. Als ich vor Schreck aufschrie, sprang sie begeistert an mir hoch… nun war also auch meine Kleidung voller Farbe!

Natürlich war ich in dem Moment nicht so begeistert, aber wie so oft war auch diese Situation Anlass, später eine Geschichte darüber zu Papier zu bringen.

Dunyas Sprungkraft war enorm. Einmal verfolgte sie ein Eichhörnchen, das an einem Baumstamm hinaufrannte, sprang hinterher… und landete auf dem untersten Zweig des Baumes, von wo aus sie verdutzt hinunterschaute.

Ich brauchte nicht gerade alles, was ich bisher über Hunde gelernt hatte, zu vergessen. Aber ich musste es auf jeden Fall größtenteils anpassen, denn die Ausbildungsmethoden, derer ich mich bei meinen anderen Hunden bedient hatte und die aus ihnen doch recht gehorsame Hunde gemacht hatten, waren für Dunya völlig ungeeignet.

Kann man einen Podenco überhaupt erziehen?, fragte ich mich oft, wenn ich wieder mal der Verzweiflung nahe war nach dem hundertsten Versuch, meine und Dunyas Wünsche etwas mehr auf einen Nenner zu bringen. Bei der Erziehung machte ich meist einen Schritt vorwärts und zwei zurück.

Ich habe Dunya auch frei laufen lassen – mit wechselndem Erfolg. Sie kam immer zurück, aber vor allem die ersten zehn Jahre ihres Lebens konnte das fünf oder sechs Stunden dauern.

Die Beispiele von Spaziergängen, wobei ich stundenlang auf mein iberisches Rennwunder gewartet habe, sind unzählbar. Während unseres Urlaubs in Frankreich ist sie sogar eine ganze Nacht weggeblieben.

Trotzdem konnte ich es nicht über mich bringen, ihr den Freilauf gänzlich zu verbieten. Sie genoss ihn so sehr, und – wenn ich das Glück hatte, dass sie in meiner Nähe blieb – war es für mich ein spektakuläres Schauspiel.

Als sie jung war, habe ich mit Dunya einige Kurse Agility belegt, die ihr viel Spaß gemacht haben, solange sie die Hindernisse aussuchen durfte. Auch haben wir gemeinsam einige Kurse in Hundeschulen besucht, wo wir die Vorbereitung auf die Gebrauchshundeprüfung geschafft haben, für diese Art von Hund durchaus eine Leistung. Leider vergaß Dunya auf den Spaziergängen alles, was sie in der Hundeschule gelernt hatte.

Im Laufe der Jahre hat Dunya viele Hunde und Katzen in unserem Haus kommen und gehen sehen; die regelmäßigen Wechsel ihrer vierbeinigen Mitbewohner ließen Dunya jedoch recht unbeeindruckt.

Meine Hunde sind selten allein zuhause; meist nehme ich sie überall mit hin, und wenn sie irgendwo nicht hinein dürfen, warten sie im Auto. Das geht meist sehr gut, außer im Winter oder Sommer, wenn es im Auto zu kalt oder zu heiß ist. Dann müssen sie halt mit, und das führt manchmal zu recht unbequemen Situationen.

Sind Sie schon mal mit zwei Säcken Katzenstreu, fünfzehn Dosen Katzenfutter, Waschmittel, Trockenfutter und noch so einigem, verteilt über drei Taschen, mit drei Hunden an der Leine durch eine Einkaufsstraße gelaufen, mit einer Jacke an, obwohl es heiß ist, aber es hätte ja auch regnen können?

Nun, ich schon. Aber ich kann es nicht empfehlen.

Erst in hohem Alter wurde Dunya etwas ruhiger, schlief mehr, und auch ihre Zerstörungswut ließ nach. Aber wie es sich für einen richtigen Podenco gehört, blieb sie der verrückte, lustige, besondere Hund. Sie war noch aktiv und wollte durchaus ab und zu noch was klauen, etwas Leckeres von der Anrichte oder Krimskrams vom Tisch. Auch half sie beim Auspacken meiner Einkaufstaschen.

Ihre früher satt braune Farbe verblasste im Laufe der Zeit; sie wurde hellbraun mit viel weiß dazwischen, und ihr Kopf war zum Schluss fast ganz weiß geworden.

Ich habe nur einige Jahre mit einer Dunya erleben dürfen, die noch bei guter Gesundheit, aber – auch auf den Spaziergängen – bereits etwas ruhiger war. Dann begannen die Altersbeschwerden, erst die Inkontinenz, später dann zwei Mal ein geriatrisches Vestibularsyndrom und zum Schluss ein Tumor in der Nase.

Am 4. August 2014 habe ich Dunya für immer einschlafen lassen. Meine geliebte Podenca, die so viele Jahre mein Leben geteilt hat. Ich bin dankbar für die Jahre, die ich mit diesem besonderen Hund verbringen durfte, selbst für die Anfangszeit - die alles andere als einfach war -, auch wenn ich das damals nicht so erfahren habe.

Ich habe viel von Dunya gelernt, über Hunde, über Podencos und über mich selbst.

Meine Gedanken gehen zurück zu der Zeit, als alles begann…

2

Ein Podenco zieht ein

1997. Ich teile mein Haus mit Mira, meiner Teenager-Tochter, einigen Katzen, der Pyrenäenhündin Rubis und Flits, einem Mischling aus dem örtlichen Tierheim.

Durch Zufall – oder war es Bestimmung? – kaufte ich die Zeitschrift “Hart voor Dieren” (Ein Herz für Tiere) und las einen Artikel über das traurige Leben der Podencos in Spanien und die damalige Podenco Aid Foundation (PAF; heute: Animal Aid Foundation), die versuchte, diesen Hunden zu helfen.

Davor hatte ich noch nie von Podencos gehört und kannte auch ihre Situation im Ursprungsland nicht. Der Artikel traf mich zutiefst, und ich entschloss mich, die Patenschaft für einen Podenco der PAF zu übernehmen, um wenigstens ein klein wenig zu helfen.

So kam ich im Oktober 1997 mit diesem Verein in Kontakt. Regelmäßig erhielt ich Updates über meinen Patenhund.

Allmählich reifte der Entschluss, einen Schritt weiterzugehen und selbst einen Podenco zu adoptieren.

Aber was genau war nun eigentlich ein Podenco?

In einigen Zeitschriften und Hundelexika fand ich Informationen über diese Rasse. Die PAF teilte mir ihre eigenen – positiven - Erfahrungen mit, die die Leiter der Auffangstation mit einem Podenco gemacht hatten, als sie noch in den Niederlanden wohnten. Außerdem gaben sie mir die Adressen von einigen Podenco”besitzern” in den Niederlanden.

Mit diesen Menschen habe ich mich beraten. Ihre Erfahrungen waren unterschiedlich, aber die meisten stimmten in einem Punkt überein: Mach das bloß nicht!

Fast alle erzählten mir, dass es unmöglich ist, den Podenco zum sicheren Freilauf zu erziehen. Obwohl es für mich wichtig ist, dass meine Hunde frei laufen können, war ich eigensinnig genug zu denken, dass mir das sicher gelingen würde, vor allem, wenn ich einen jungen Hund aufnähme.

Mit der PAF entspann sich ein reger Brief- und Telefonverkehr – ich hatte damals noch kein Internet –, in dem wir beratschlagten, welcher Hund am besten zu mir passen würde.

Eine Möglichkeit war ein blinder Podenco namens Treasure. Aber so gern ich ihn auch aufgenommen hätte, Freilauf wäre für ihn nicht möglich gewesen. Außerdem erschien ein Welpe oder junger Hund geeigneter, weil er sicherlich leichter erziehbar sein würde.

Ja, das dachte ich damals noch...

14. Mai 1998: Eine halbe Stunde mit der PAF telefoniert. Sie haben jetzt Welpen, sieben Wochen alt. Die PAF ist davon überzeugt, dass es tolle Hunde sind, die man auch erziehen kann.

Heute, sechzehn Jahre später und viele Erfahrungen reicher, weiß ich, dass die Adoption eines Welpen absolut keine Garantie für den Freilauf bietet, und was die “leichtere” Erziehung betrifft, kann davon nach meinem heutigen Wissen bei einem Podenco sowieso keine Rede sein. Aber damals war ich wie gesagt noch eigensinniger als ich es heute immer noch bin und dachte: Das schaffe ich schon!

Zu der Zeit hatte die PAF zwei Würfe von Hündinnen, die trächtig eingeliefert worden waren: einen Wurf Podencomischlinge und einen reinrassiger Podencos.

Wenn ich mich schon auf dieses Abenteuer einlasse, dann auch ein “richtiger” Podenco, dachte ich mir.

12. Juni 1998: Ich überlege mir, was das Schlimmste ist, was schiefgehen kann. Das ist denke ich, dass so ein Hund sein Leben lang an der Leine laufen muss. Bei anderen Rassen bestehen andere Risikos, wie Aggression, andere Hunde oder Radler anmachen... Eine Bekannte hat es sogar mit einem zweijährigen Hund geschafft. Warum soll es bei mir dann mit einem Welpen nicht klappen?

14. Juni 1998: Ausführlich mit Mira über einen Podenco gesprochen. Ihr gefällt die Idee und mir auch. Aber was ist nun besser: der blinde Podenco, ein Welpe... oder doch lieber ein Hund aus dem hiesigen Tierheim?

22. Juni 1998: Es wird auf jeden Fall ein Podenco aus Spanien!

Die PAF hat Medusa für mich ausgesucht, wie Dunya damals noch hieß, eine Podencohündin von viereinhalb Monaten. Schön, goldig anzusehen, sehr begeisterungsfähig und schon etwas erzogen, so wurde mir versichert.

8. Juli 1998: Ich habe mich entschieden: Es wird Medusa. Die Auffangstation ist begeistert von ihr. Aber sie ist schon viereinhalb Monate alt; mit sechzehn Wochen ist die Sozialisierungsphase eigentlich abgeschlossen.

Ein bisschen Angst habe ich auch, weil sie so ein Wildfang ist. Hätte ich doch lieber den ruhigeren Treasure nehmen sollen?

Eigentlich war Medusa bereits reserviert, zufällig von einer Familie ganz in unserer Nähe, aber die Leute hatten nichts mehr von sich hören lassen. Als dann auch auf eine Notiz mit der Bitte, Kontakt aufzunehmen - die ich dort auf Bitte der PAF hin in den Briefkasten warf - keine Reaktion erfolgte, wurde die Reservierung storniert, und Medusa war frei zur Adoption.

Und so kam Dunya am 23. Juli 1998 in mein Leben. Ja, “Medusa” wurde zu “Dunya”. Der Klang war ähnlich, und meine Schwägerin hatte jahrelang einen ganz tollen Hund gehabt, der Dunya hieß (ihre Dunya war allerdings eine Deutsche Dogge...). Darum entschied ich mich für diesen Namen. Vielleicht war es ja ein gutes Vorzeichen? Seitdem bekommt jeder Hund, den ich aufnehme, einen neuen Namen als Symbol für sein neues Leben.

Mitten in der Nacht holten wir Dunya vom Flughafen ab, und den Moment, in dem die Tür des Transportkäfigs aufging und uns einen ersten Blick auf den Neuankömmling gestattete, werde ich nie vergessen. Die PAF hatte noch ein Foto schicken wollen, aber das hat irgendwie nicht geklappt; daher hatte ich keine Ahnung, wie Dunya aussehen würde, und war sehr neugierig.

Noch etwas groggy von den Beruhigungsmitteln, kam zögernd ein spitzer Kopf mit ebensolcher Schnauze aus dem Transportkäfig zum Vorschein. Als die Ohren aus gefaltet wurden, waren sie tatsächlich riesengroß, im Gegensatz zu dem kleinen Körper, der folgte. Der lange Rattenschwanz war ganz unter den Bauch gezogen. Und sie war so mager! Die Hüftknochen stachen wie zwei spitze Hügel heraus, und man konnte alle Wirbel zählen. Und dann zu bedenken, dass sie für spanische Verhältnisse in ausgezeichneter Verfassung war!

Auf ging's in die kühle Nachtluft. Dunya lebte sofort sichtbar auf und reagierte auf alles und jedes. Im Zickzack lief sie von links nach rechts, mal vor, mal hinter mir, Ohren auf Empfang und die Nase am Boden. Hundert Prozent Jagdhund. Kein noch so kleines Geräusch entging ihr. Ich muss zugeben, dass der Mut mich ein bisschen verließ. Wie sollte ich so einen Wirbelwind erziehen?

Ich hatte mich gründlich mit Decken, Handtüchern, Trinkwasser und Leckerchen auf die zweieinhalbstündige Rückreise vorbereitet. Aber Dunya sorgte für eine Überraschung: Erst saß sie zitternd wie Espenlaub im Auto, aber nachdem der Motor angelassen war, rollte sie sich zusammen wie ein Igel, Kopf auf meinem Schoß, seufzte zufrieden und rührte sich den Rest der Reise nicht mehr. Sie lag herrlich in eine warme Decke eingekuschelt; denn von vierzig Grad in Spanien plötzlich in unserem nasskalten Holland mit fünfzehn Grad zu landen, war schon gewöhnungsbedürftig.

Als wir todmüde um vier Uhr morgens endlich nach Hause kamen, wurden wir begeistert von unseren Vierbeinern begrüßt, die wir mit einem Dogsitter zurückgelassen hatten. Dunya fand alles aufregend und wollte sofort spielen. Rubis und Flits waren etwas reservierter, akzeptierten Dunyas Anwesenheit allerdings recht gut, zumindest so lange wir draußen waren.

Einmal im Haus, änderte sich ihre Haltung sofort. Dunya stellte die Toleranz von Rubis und Flits allerdings auch auf eine harte Probe, als sie innerhalb von einer halben Stunde nicht nur in Flits' Körbchen lag, sondern sich auch noch seinen Kauknochen angeeignet hatte.

Das war dann doch zu viel des Guten. Wie rührend Dunya auch versuchte, die beiden für sich zu gewinnen, wurde ihr unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie hier erst mal gar nichts einzubringen hatte. Als Dunya schließlich auf dem Rücken lag, Schwanz gegen den Bauch gedrückt, waren unsere beiden Bulldozer zufrieden und gingen ihres Weges.

Um fünf Uhr morgens, nach dem Genuss etlicher Tassen Kaffee an diesem ereignisreichen Tag, ging ich mit Dunya ins Bett.

Ja, sie musste (durfte?) mit nach oben. Ich wollte sie nicht jetzt schon unten mit den anderen Hunden allein lassen. Auch hatte ich Angst, dass sie im Wohnzimmer vielleicht etwas kaputtmachen würde (ach, ich Ahnungslose!).

Dunya schlief an mich geschmiegt, unter dem Deckbett, mit ihrer spitzen Schnauze auf meiner Schulter. Eine richtige Schmusekatze. Dazu reizend und - das merkte man schon - sie würde sich die Butter nicht vom Brot essen lassen. Ich erwartete – zurecht, wie sich die kommenden Jahre herausstellen sollte! –, dass die verschiedenen Hundetrainer und ich noch so einiges mit ihr erleben würden.

3

Sozialisieren?

Nach ein paar Stunden Schlaf ging's los in eine für Dunya neue Welt. Wir mussten an diesem Tag zufällig in eine Kleinstadt, wieder etwas anderes als das Dorf, in dem wir wohnen. Unterwegs - Dunya problemlos auf meinem Schoß - hielten wir an einem Waldsee, um den Hunden noch einen Spaziergang zu gönnen, bevor es in die Stadt ging. Dunya fand alles außerordentlich interessant und machte dankbar Gebrauch von den zehn Metern Freiheit, die ihre Leine ihr bot.

Beim See angekommen, hatte Dunya wieder eine Überraschung für uns in Petto.

Rubis und Flits schwammen beide nicht; sie kühlten sich nur die Füße. Daher waren wir sehr erstaunt, als Dunya seelenruhig ins Wasser stakste und, als hätte sie nie etwas anderes getan, hinter Stöckchen her schwamm, die ich ins Wasser warf, und sie auch noch apportierte.

Ich habe das nachgefragt. In Spanien hatte sie noch nie einen See oder Teich gesehen, geschweige denn geschwommen. Aber dafür sah es wirklich gekonnt aus!

Auf in die Stadt. Auch dort benahm Dunya sich prima. Interessiert begutachtete sie allen Trubel um sich herum. Radler, Skater, Autos, sogar ein großer Müllwagen, Menschenmassen, nichts konnte sie aus der Ruhe bringen.

Als wir dann auf einer Terrasse eine kleine Pause einlegten, war allerdings deutlich, dass Dunya nach all diesen Eindrücken geschafft war. Sie rollte sich auf meinem Schoß zusammen und schlief ein.

29. Juli 1998: Gleich am ersten Tag habe ich damit angefangen, Dunya an alle notwendigen Handlungen zu gewöhnen, wie das Befühlen des Körpers, Gebisskontrolle, Betasten der Pfoten und Ohren. Das ließ Dunya sich problemlos gefallen.

An ihrem zweiten Tag in den Niederlanden gehen wir erneut ans Wasser, wo wir einem fröhlichen Golden Retriever begegnen; und zum ersten Mal sehen wir Dunya ein bisschen rennen. Zwar wird sie durch ihre lange Leine etwas in ihrer Freiheit eingeschränkt, aber es sieht trotzdem toll aus!

Rubis abweisende Haltung Dunya gegenüber bleibt anfangs bestehen, während ich bei Flits schon gewisse Zweifel sehe: «Ich muss zwar ein Auge auf sie halten, aber vielleicht ist sie doch ganz nett zum Spielen. Schnell genug ist sie ja...»

Allerdings nimmt Flits es entschieden übel, wenn Dunya an sein Spielzeug kommt. Er hat ja nun wirklich genug davon, aber sobald Dunya ein Spielzeug packen will, reagiert er sauer und nimmt es ihr weg. Ich lasse den Dingen ihren Lauf, da sie sich meist von selbst regeln, und das war auch zwischen Rubis, Flits und Dunya der Fall.

Schon nach einigen Tagen hatten Flits und Dunya einen Konsensus über ihren Schlafplatz tagsüber erreicht: das Hundekissen, das neben Flits' Körbchen lag und das ich für ihn genäht hatte, weil die Katzen immer in seinem Korb lagen.

Dunya hat sich sehr schnell an ihr neues Leben gewöhnt, wobei sie allerdings mit den Hausregeln ihre Probleme hatte. Für mich stellte ihre Erziehung fast eine Vollzeitbeschäftigung dar.

Ich merkte gleich, dass Dunya das «Nein!» von Spanien her kannte. Da sie noch in der Phase des Auskundschaftens war, hörte sie dieses Wort natürlich recht häufig. Ich mag's nun mal nicht, wenn meine mühsam überwinterten Geranien aufgefressen werden, um nur ein Beispiel zu nennen. Und obwohl es rührend aussah, dass Dunya mit ihren langen Beinen schon die Anrichte erreichen konnte, um das Katzenfutter zu stehlen, musste ich ihr das doch abgewöhnen. Oder besser gesagt: hätte ich es ihr abgewöhnen müssen; denn so ganz geklappt hat das leider nie.

31. Juli 1998: Das Wetter ist umgeschlagen, seit zwei Tagen nichts als Regen. Heute Morgen kam Dunya nass und zitternd vom Spaziergang nach Hause und liegt jetzt, in ihre Decke gekuschelt, auf meinem Bett und schläft.

Sie braucht regelmäßig Ruhe, um alle Eindrücke verarbeiten zu können, denke ich. Aber wenn sie wach ist, dann ist sie auch richtig wach...

In ihren jungen Jahren war Dunya ein goldiger und spontaner Hund, der mit seinen großen Ohren und schelmischem Kopf die Herzen im Sturm eroberte. Aber von Anfang an war auch der Unterschied zwischen einem Podenco und einem “normalen” Hund deutlich. Natürlich müssen auch Welpen anderer Rassen alles noch lernen und wissen nicht, was man darf und was nicht. Aber Dunya war erstaunlich einfallsreich in allem, was sie im und ums Haus ausprobierte.

Ein weiterer Unterschied war Dunyas unglaublicher Charme. Die meisten jungen Hunde rühren einem ans Herz, aber bei Dunya war es mehr als das. Sie war unglaublich „anwesend“ und wickelte einen mit ihrem Charme und Humor problemlos ein.

4

Überraschungen

Dunya blieb ihr Leben lang ein Hund, der für Überraschungen sorgte, ein echter Podenco eben. Ich nannte sie oft eine Mischung aus Mensch, Hund und Katze.

Sie verfügte auch über viele für Hunde untypische Eigenschaften – zum Beispiel klaute sie Himbeeren aus meinem Garten und labte sich im Herbst an den Brombeeren im Wald. Rohe Paprika fand sie lecker, und für ein gut gewürztes Reisgericht ließ sie ihr eigenes Futter stehen. Dunya liebte „Menschenessen“.

Auch war sie ganz verrückt auf rohe Kartoffeln. Ich wusste damals noch nicht, dass die Schale ungekocht giftig für Hunde ist; zum Glück hat es Dunya nicht geschadet.

Manchmal klaute sie eine Kartoffel aus dem Korb, wenn ich vergessen hatte, die Schranktür zu schließen… und verriet sich dann selbst, indem sie mit ihrer illegalen Beute so schnell durchs Zimmer fegte, dass ich sofort merkte, dass etwas nicht stimmte.

Ab und zu bekam sie auch eine Kartoffel als Belohnung, und für diesen Leckerbissen zog sie alle Register: sich brav hinsetzen, hoch springen, Pfötchen geben, Ohren nach hinten klappen und lachen.

Lediglich meine Idee, sie auf dem Spaziergang mit Kartoffelscheiben zu belohnen, war kein Erfolg. Dunya schaute mich an, als ob sie sich fragte, ob ich noch ganz bei Trost sei. Also kehrte ich reumütig zu den vertrauten Käse- und Wursthäppchen zurück.

Auch rohe Möhren mochte Dunya gern. Irgendwann wurde es zur Gewohnheit, ihr nach jeder Mahlzeit eine rohe Möhre zu geben. Wenn ich es mal vergaß, kam sie zu mir und forderte selbst ihren „Nachtisch“ ein.

Wie viele Hunde hatte auch Dunya eine ausgesprochene Vorliebe für… nennen wir es mal Unrat. Auf den Spaziergängen verbrachte sie viel Zeit mit der Suche und dem Verzehr von Schafs-, Hundenund Pferdeexkrementen.

Ich habe versucht, ihr das abzugewöhnen, indem ich sie mit Leckerchen belohnte, wenn sie die Pferdeäpfel liegen ließ. Aber wenn ich kurz nicht aufpasste, weil ich mit einem der anderen Hunde beschäftigt war, hatte Dunya prompt wieder so ein fieses Ding in der Schnauze.

Wenn sich dazu die Gelegenheit bot, rollte Dunya sich gern ausgiebig in halb verfaultem Fisch. Besonders wenn der Kanal, an dem wir oft spazieren gingen, gerade gesäubert worden war, lag alles Mögliche am Ufer, und Dunya klebte mit der Nase am Boden, um all die herrlichen Gerüche in sich aufzunehmen. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.

Da Dunya bei mir im Schlafzimmer übernachtete, musste sie jeden Abend nach oben und morgens herunter getragen werden. Ich hatte vor, ihr das Treppensteigen beizubringen, war aber noch nicht dazu gekommen. Eines Tages stand die Dame neben mir – oben! Und schaute mich verschmitzt an: «Schau mal, gut, was?» – Und das war es wirklich.

31. Juli 1998: Ich habe Dunya jetzt, nach nur einer Woche, schon richtig liebgewonnen. Natürlich gibt es auch Unangenehmes, aber sie ist ein reizender Hund mit einem gewissen Charme und einer Sanftmut, wie ich sie von den anderen Hunden nicht kenne.

Unterwürfig, aber auch schlau und oftmals provozierend. Ich kann mir vorstellen, dass wir noch die nötigen Probleme mit ihr bekommen werden, aber auch sehr viel Spaß.

5

Schlafen und Schleppen

Die erste Zeit schlief Dunya bei mir im Bett. Ich fand das ganz gemütlich, und es war auch praktisch, sie bei mir zu haben. Nach ein paar Tagen ließ ich wohl die Schlafzimmertür offen stehen, sodass auch Flits und die Katzen herein konnten.

Aber mein Bett mit Frau Podenco – und manchmal noch mit einer Katze – zu teilen, wurde immer schwieriger. Manchmal wurde ich nachts mit ziemlich steifen und verkrampften Gliedern wach, auf dem Rand des Bettes, während Dunya sich - zufrieden vor sich hin seufzend - mitten im Bett ausstreckte.

Wie schaffte so ein Hund, der nur aus Haut, Knochen und überlangen Beinen zu bestehen schien, es doch, meine achtzig Kilo Lebendgewicht aus dem Bett zu drücken?

Ganz einfach: Erst pflanzte sie sich scheinheilig mit tiefem Seufzer neben mich. Peu à peu legte sie dann stets mehr Gliedmaßen auf