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Im Küstenland Hahl vollzieht sich eine gewaltige Umgestaltung. Brachliegende Strände sollen für den Tourismus erschlossen, Hotels und Vergnügungszentren erbaut werden. Probleme bereitet noch das unwirtliche Klima, doch eine geniale Lösung scheint gefunden: Vulkane sollen angezapft und mit ihrer Glut eine warme Meeresströmung bis in die Bucht vor Hahl geführt werden. Der Journalist Vangrin erhält das Angebot, dieses Projekt mit seinen Reportagen zu begleiten. Da er in letzter Zeit privat wie beruflich einige Niederlagen einstecken musste, sieht er in dem Auftrag eine neue Chance. Zumal das Angebot vom Manager des Baukonzerns kommt, einem früheren Freund und Mitstudenten. Das gigantische Vorhaben, das tief in die Natur eingreift, stößt nicht nur auf Zustimmung. Während die lokale Wirtschaft, die Sex- und Unterhaltungsbranche von hohen Gewinnen träumt und manche jungen Leute Aufstiegsmöglichkeiten erhoffen, befürchten die Küstenfischer das Ausbleiben der Fischschwärme, die Umweltschützer Verschmutzung und Zerstörung der Natur. Das Anheizen des Meeres birgt Gefahren, die nur schwer abzuschätzen sind. Der Journalist gerät in einen Konflikt, weil sich über der See erste "Rüssel", kleine Tornados, bilden. Seine Lage wird noch schwieriger, als er sich in die Freundin seines Auftraggebers verliebt. Mit dem Fortschreiten des Projekts, dem Bau immer neuer Hotels, aber auch Industrieanlagen spitzt sich die Situation zu. Der Konzern will seine Ziele unbedingt erreichen, die Gegner rufen zu Widerstand und Sabotage auf. Auch Vangrin muss letztlich erkennen, dass er nicht neutral bleiben kann. "TORNADO " ist ein Roman voller Spannung und Konflikte. Liebe, Hass und Hoffnung beschwören dramatische Situationen herauf. Unaufhaltsam treibt die Handlung einer Katastrophe entgegen. Ein zerstörerischer Wirbelsturm, der das Meer aufwühlt und an Land alles mit sich reißt, stellt die Akteure auf eine letzte harte Probe. INHALT: Der Aufbruch Erste Erfolge Verwirrende Zeichen Ein stürmischer Frühling Die Gefahren mehren sich Die Ruhe vor dem Sturm Die mörderischen Rüssel
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Seitenzahl: 435
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Klaus Möckel
Tornado – Die tödlichen Rüssel
Ein fantastischer Roman
ISBN 978-3-86394-170-3 (E-Book)
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
© 2011 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.com
Der Mann, einen dunklen Umhang um die Schultern und die Kapuze in die Stirn gezogen, hatte keuchend den Hügel erklommen. Unter ihm lag die Stadt Hahl mit ihrem Hafen und den Stränden, weiter hinten dehnte sich leicht wellend und scheinbar unendlich das Meer. Eine falbe Abendsonne ließ ihre Strahlen durch die Wolken sickern, schnitt eine glitzernde Bahn ins Wasser. "Fuego corriente", flüsterte der Mann, "ihr dürft es nicht, haltet ein!" Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf; er kauerte sich auf den Boden, murmelte unverständliche Worte. Doch die Ruhe, die er suchte, verweigerte sich. Zwar schlummerte er, an einen Federbaumstamm gelehnt, schließlich ein, aber Alpträume schienen ihn zu quälen. Sie schüttelten ihn, ließen ihn ein ums andere Mal zusammenzucken.
Fuego corriente, fließendes Feuer, so hieß eine warme Meeresströmung, die in den letzten Jahren im Land für Aufregung gesorgt hatte. Weit im Süden, dort wo unablässig eine heiße Sonne brannte und ein gleichmäßig kräftiger Wind die Wellen peitschte, nahm sie mitten im Ozean ihren Ursprung. Sie sog die Hitze des Himmels in sich ein, wirbelte sie in die Tiefe und bildete ein kilometerbreites Band, das sich immer mehr von den kalten Fluten abgrenzte. Diese Fluten machtvoll zerschneidend, schäumte die Strömung mit großer Geschwindigkeit nach Nordosten.
Fuego corriente war ein gewaltiger tiefreichender Fluss im Meer, der Tausende und Abertausende Seemeilen dahinströmte, dem Mondkontinent ein freundliches Klima brachte, die Wanderklippen und die Westinseln umspülte, um endlich vor der bergigen Küste der Stadt Hahl zu verebben. Den Ländern hier gab er nur noch wenig von seiner Wärme ab. Lediglich in besonders günstigen Jahren setzte er der rauen Gebirgsluft seinen milden Atem entgegen, ermöglichte einen etwas längeren Sommer und eine reichere Ernte. Meist jedoch schien die Luft mit Eisnadeln durchsetzt, die feinsandigen Strände westlich von Hahl dehnten sich leer unter einem kalten Himmel.
So war es zumindest Jahrhunderte hindurch gewesen, seit Menschengedenken. Doch nun war überraschend etwas geschehen, sollten sich die Dinge grundlegend ändern. Einige Unternehmen von jenem hinter dem Meer liegenden Kontinent hatten einen Plan vorgelegt, der den Tourismus ankurbeln und Wohlstand in das nicht gerade reiche Land mit der Hafenstadt Hahl bringen sollte. Das Projekt Silberstrand war zwar nur mit modernster Technik zu realisieren und erforderte gewaltige Investitionen, aber es erschien Erfolg versprechend. Seine Grundidee: die warme Strömung sollte verlängert, die Wassertemperatur vor den Küsten erhöht und damit das Klima angenehmer gestaltet werden. Dann, so argumentierte das entsprechende Konsortium, könne sich das Land bald nicht mehr vor Touristen retten; man würde endlich die nahezu unberührten Strände nutzen, Hotels bauen und die Infrastruktur entwickeln. Die Industrie würde einen ungeahnten Aufschwung nehmen, die Wirtschaft aufblühen.
Alles einleuchtend - aber mit welcher Energie sollte das "Fließende Feuer" neu angeheizt und nach Norden hin ausgedehnt werden?
Die Antwort lautete: durch die vulkanische Glut im Südzipfel des Landes, die auf Grund wiederkehrender Ausbrüche bisher nutzlos verpufft. Wird die Strömung durch sie dauerhaft erhitzt, so ist das gewünschte Ergebnis bald erreicht. Denn diese Glut aus dem Innern der Erde ist unerschöpflich. Die Vulkane müssen nur mit Bedacht angezapft werden, damit die ungeheure Hitze nicht außer Kontrolle gerät.
Zu diesem Zweck hatten die Projektanten riesige, aus wärmedämmendem Material erbaute Lavaröhren vorgesehen, die in Staukesseln am Meeresboden endeten. Ein wirksames System, genial in seiner Einfachheit, so dass die Regierung den Plänen zustimmte. Dem Konsortium wurden weitgehende Rechte für das "Unternehmen Silberstrand" eingeräumt.
"Fuego corriente", flüsterte der Mann im dunklen Umhang und ihm schien, der milchig blaue Himmel in seinem Traum habe sich verdüstert. Eine Wolke bildete sich, wuchs zu ungeheurer Größe heran. Schwarzgrauer Horizont, lila leuchtende Blitze, Orkanböen, die aus dem Nichts kamen. Urplötzlich bildete sich zwischen den Wolken und dem Meer ein dicker Schlauch, ein rotierender Rüssel, der übers Wasser aufs Land zulief, mit mächtigen Wirbeln die Flut spaltete. Zugleich aber entstanden neue Schläuche - oder waren es Arme, deren geballte Fäuste alles packten, was sich auf dem Meer befand: Segelgleiter, Yachten, Passagierschiffe und Tanker.
"Thuron", brüllte, jaulte der Mann, der in der Wolke eine geballte Faust zu erkennen glaubte, "ich hab es gewusst, du wehrst dich, du steigst hernieder!" Er wollte aufspringen, vermochte es nicht, der Sturm seiner Vision drückte ihn zu Boden. Zuckend lag er da, Horrorbilder vor Augen: Häuser, die zerplatzten, gläserne Paläste, zersplitternd unterm Orkan, Schiffe, die sich im Kreis drehten, wie aufbäumende Pferde aus dem Wasser stiegen und in die Tiefe gerissen wurden. Durch die Luft wirbelten Wagen und Räder, Menschen flohen schreiend vor der Kraft der Windhosen, wurden zu Boden gestreckt und gegen Mauern geschleudert; in Todesangst heulten Tiere. Schneisen, in Wälder gebrochen, taten sich auf - Türme stürzten ein, Brücken zerbarsten, Strommasten knickten.
"Lass es nicht zu, Thuron", wimmerte der Mann, dem die Bilder nun in ein hässliches, schmutzigbraunes Gebräu zusammenflossen. Er erwachte und hob die Augen zum milchigen Himmel. Langsam schien er zu begreifen, dass nichts an seinen Träumen wirklich war, aber er wollte es nicht wahrhaben. Er sprang auf und stand einige Minuten starr da, bevor er sich, den Umhang zusammengerafft, wieder an den Abstieg machte. Es sah aus, als sei er selbst in einen dunklen Schlauch gehüllt, der jeden Augenblick mit ihm davontanzen konnte.
Der Bug des gedrungenen Fährbootes zerschnitt die Wellen, seine beiden Rotoren rissen Schaumfetzen aus der grünlichen Flut. Die "Robbe" machte kräftig Fahrt und würde in weniger als einer Stunde in Hahl anlegen. Sie befuhr zweimal wöchentlich eine der üblichen Routen zwischen dem Mondkontinent und dieser Stadt. Das hatte immer ausgereicht, man war manchmal sogar ziemlich leer gefahren. In der letzten Zeit aber wuchs die Zahl der Fahrgäste, und man dachte daran, weitere Tage ins Programm einzubeziehen.
Ray stand, an die Reling gelehnt, auf dem Vorderdeck des Schiffes und schaute den Seestaren zu, die kreischend über ihn hinwegschossen. Einige Passagiere fütterten die Vögel mit Keksen, und obwohl Ray das nicht besonders mochte, bewunderte er die Geschicklichkeit, mit der die Beute geschnappt wurde. Die Stare griffen im Sturzflug zu, und nur selten fiel ein Brocken ins Wasser.
Die Wellen hoben und senkten das Schiff, doch sie waren bereits weniger hoch als auf offener See. Man fuhr am Ufer entlang, war schon in Höhe der Kreidefelsen, die Schneegipfel der Weißen Berge grüßten herüber. Wälder, Strände, ein Fischerdorf. Ihnen entgegen stampfte, erdbraun gestrichen, ein Fischkutter.
Der Steward, ein Mann mittleren Alters, den weißen Rochen als Symbol an der Mütze, Hose und Hemd nach Art der Hahl-Matrosen blau-gelb, trat an Ray heran und salutierte: "Doktor Vangrin, nicht wahr?"
"Ich kann nicht leugnen, dass ich so heiße."
"Ich habe Sie nach dem Foto in Ihrem Buch erkannt. Auch auf dem Panoschirm habe ich Sie schon gesehen, aber das liegt eine Weile zurück."
Erst jetzt bemerkte Ray das schmale Bändchen in der Hand des anderen. Es waren fünf seiner besten Reportagen, von einem rührigen Verleger zu einem Zeitpunkt herausgegeben, als der Name Vangrin bekannt zu werden begann.
"Das Foto ist nicht mehr ganz neu", sagte Ray.
"Es ist Ihnen aber sehr ähnlich. Offenbar haben Sie sich wenig verändert."
Äußerlich, dachte Ray, erwiderte jedoch nichts.
"Ich wollte Sie um Ihr Autogramm bitten", fuhr der Steward fort, "ich habe schon einige berühmte Männer in meiner Sammlung."
"Ich bin kein berühmter Mann."
"Sagen Sie das nicht. Ihre Berichte über den Kanalbau sind überall bekannt, auch bei uns. Und dass man gerade Sie hierher schickt, jetzt, wo das Projekt Gestalt annimmt, hat doch bestimmt seine Gründe."
Der Kanalbau, dachte Ray, die Leute erinnern sich noch immer daran. Damals hatte er durch eine aufsehenerregende Reportage erreicht, dass ein Naturschutzgebiet erhalten geblieben war. Man hatte die Wasserstraße um dieses Gebiet herumgeführt, obwohl es erhebliche Mehrkosten brachte. Er war noch jung gewesen, hatte an den Sieg der Gerechtigkeit geglaubt. Später kamen dann die Zweifel und Misserfolge.
"Man hat mich nicht geschickt. Ich bin auf Grund einer Einladung hier."
"Gewiss ist sie offiziell."
"Wie man's nimmt", sagte Ray ausweichend. Er nahm das Buch, das ihm der Steward hinhielt, und setzte seinen Namen hinein. Schwungvoll war seine Unterschrift nicht. Ein Graphologe hätte wohl einen unentschlossenen Charakter herausgelesen.
Der andere bedankte sich und wollte gehen. Ray fiel noch etwas ein. Er fragte: "Sie sind aus Hahl?"
"Ich wohne dort. Seit zwölf Jahren. Geboren bin ich in der Hauptstadt."
"Weil Sie nun schon davon angefangen haben. Was halten Sie vom ProjektSilberstrand?
"Eine großartige Sache. Das Gebiet war öde, kaum genutzt. Jetzt zieht dort Leben ein. Das wird dem Land Gewinn bringen."
"Dem Land?"
"Uns allen", sagte der Steward überzeugt. "Schaun Sie sich doch den alten Kahn hier an. Bald werden moderne Gleiter zwischen Ihrem Kontinent und unserer Stadt verkehren."
Ray nickte. Die "Robbe" verkörperte zwar noch ein Stückchen Romantik, aber gehobenen Ansprüchen genügte sie nicht mehr. Viel zu langsam und unbequem. "Sie glauben also, dass sich die Pläne der GEOVUL verwirklichen lassen?" Die Geologisch-Vulkanische Gesellschaft war der Hauptträger des Projekts.
"Natürlich. Der wichtigste Schritt ist ja bereits getan. Letzte Messungen besagen, dass sich das Wasser in der Bucht erwärmt. Trotz der kühlen Außentemperaturen. Das wird sich aufs Klima auswirken."
"Sie befürchten keine Pannen? Zum Beispiel einen unkontrollierten Lavaaustritt?"
"Ich verstehe nicht viel davon, aber ich vertraue Ihren Wissenschaftlern", erwiderte der Steward. "Ihren Berechnungen, dem Material, das eingesetzt wird. Dem Kontrollsystem. Es wird keine Pannen geben. Außerdem - warum sollte man immer zuerst an das Schlimme denken."
"Sie haben recht, warum sollte man", sagte Ray.
Der Steward entfernte sich, und der Journalist wandte seine Aufmerksamkeit dem Ufer zu, das nun sehr nahe rückte. Hahl kam in Sicht, der Hafen mit seinen Kränen und Industrieanlagen, dahinter erhoben sich die Häuser und Bürotürme. Auch der Sternenhügel mit dem Poetenrelief tauchte auf, das den Auseinandersetzungen während der sogenannten heroischen Zeit gewidmet war. Links aber, in einiger Entfernung von der Stadt, sah man die ersten neuen Strandhotels.
Fischkutter, ein Drachen, dann größere Schiffe. Auf dem Kai, den sie ansteuerten, winkende Menschen. Die Leute erwarteten Verwandte, Freunde, Bekannte oder waren einfach aus Neugierde gekommen. Die Passagiere des Fährbootes winkten gleichfalls, sie hatten sich auf der Landseite versammelt und verfolgten das Anlegemanöver. Einige von ihnen, das wusste Ray, hatten bereits einen Aufenthalt am Silberstrand gebucht.
Die "Robbe" hatte die Fahrt verlangsamt, nun stoppte sie, stampfte ein wenig zurück, glitt mit der eleganten Plumpheit einer Ente, die bei der Wasserlandung übers Ziel hinausschießt, zur Kaimauer. Taue schlangen sich um Pfeiler, die Gangway wurde angelegt, und die ersten Passagiere gingen an Land. Sechs Stunden hatte die Überfahrt gedauert, mit dem Flugmobil wäre es wesentlich schneller gegangen. Aber Ray liebte das Meer. Den Wind, der hart übers Deck fegte, die Wellen, die gegen den Schiffsrumpf schlugen und das Boot tanzen ließen. Liebte den Seegeruch. Auch das war ein Anreiz gewesen, hierher zu kommen.
Er schob sich zwischen den anderen Passagieren zur Treppe, stieg langsam hinunter. Seine Augen suchten Mohlenberg, aber der Freund war nicht zu entdecken. Der Freund, dachte Ray, sind wir denn tatsächlich Freunde, waren wir es je? Vor Jahren waren sie durch die Studentenbewegung zusammengekommen, hatten in Zentralstadt an Versammlungen und Demonstrationen teilgenommen. Gegen die Mächtigen auf dem Kontinent, die Vermarktung der Ideale. Die wahre Pressefreiheit wollten sie, eine unabhängige Kunst. Denn damals schrieben sie beide Gedichte und Mohlenberg träumte davon, retrofuturistisch zu arbeiten. Doch genauer betrachtet, waren ihre Beziehungen oberflächlich gewesen. Das hatte sich herausgestellt, als Ray wegen aufsässiger Artikel im Studentenblatt Schwierigkeiten bekam und Erken vorsichtig auf Distanz ging. Ihn der Unbedachtheit zieh, alles tat, um nicht in einen Topf mit ihm geworfen zu werden. Später hatten sie sich kurzzeitig wieder einander genähert. Bevor sie dann jeder den eigenen Weg gingen und sich aus den Augen verloren.
Mohlenberg war kein Retrofuturist geworden, dafür aber ein Baumanager, der für die größten Firmen des Mondkontinents arbeitete. Ein enormer Aufstieg. Er besaß Kenntnisse auf vielen Gebieten und Format, er war hartnäckig und wusste, wo es einzusteigen lohnte. Im Augenblick war er Chefkoordinator beim Unternehmen Silberstrand, besaß Stimme im leitenden Gremium der GEOVUL. In dem Brief, mit dem er Ray eingeladen hatte, den Fortgang des Projekts aus der Nähe zu verfolgen und darüber zu berichten, spielte er auf ihren gemeinsamen Beginn an. Auf die Ideale, für die sie seinerzeit eingetreten waren. "Das ist ein Plan, der Größe und Humanismus atmet", schrieb er, "Fortschritt in jeder Hinsicht. Im Namen unserer Freundschaft, es lohnt sich, dabei zu sein." Und tatsächlich hatte der Brief Ray aus der Lethargie gerissen. Vielleicht gab eine solche Aufgabe ihm, dem allzu skeptisch Gewordenen, Auftrieb.
Erken war nicht unter den Wartenden, das schien nun gewiss, und obwohl er den Gast hatte persönlich empfangen wollen, gab es daran nichts Verwunderliches. Bei dem Aufgabenbereich, den ein Leiter wie er hatte. Bestimmt würde er jemand anderen schicken. Und tatsächlich trat in diesem Augenblick, ein wenig zögernd, eine junge Frau auf Ray zu. Dunkelhäutig, offenbar aus den Südstaaten. In helles Glanzit gekleidet. Und wie auf dem Schiff der Steward, fragte sie: "Doktor Vangrin?"
"Ja."
"Herr Mohlenberg schickt mich, in seinem Namen soll ich Sie sehr herzlich in Hahl begrüßen. Hatten sie eine gute Fahrt?"
"Eine erfrischende Fahrt. Ich hatte fast vergessen, wie das Meer aussieht. So ganz aus der Nähe, meine ich."
"In Hahl können Sie es jeden Tag genießen."
"Ich weiß. Das ist ein Grund, weshalb ich hergekommen bin", sagte er.
Sie hieß Frika Lamelle und war, was immer das bedeuten mochte, eine persönliche Mitarbeiterin Erkens. So drückte sie sich aus, wurde, als sie das erwähnte, noch einen Schein dunkler um die Augen. Ray amüsierte das, er konnte ein Lächeln nicht verbergen. Wahrscheinlich eine kleine Freundin des großen Häuptlings, ihn ging es nichts an. Nachdem er seinen Koffer in Empfang genommen hatte, steuerten sie ihr Mobil an. "Viel Gepäck haben Sie ja nicht", sagte sie, "wir hofften, dass sie eine Weile bleiben."
"Was verstehen Sie unter einer Weile?"
"Wenigstens einen Monat. Nach Möglichkeit länger, damit Sie alles gründlich kennenlernen."
Er zögerte mit der Antwort. "Was ich brauche, kann ich ja jederzeit hier kaufen", erwiderte er ausweichend.
Martens schob die Schüssel zurück, nahm einen langen Zug aus dem Weinkrug und wischte sich mit dem Handtuch, das ihm als Serviette diente, den Mund ab. Er war zufrieden, denn der Fang war gut gewesen, die anstrengenden Tage auf See hatten sich gelohnt. Als er jedoch nach der Zeitung griff, auf die er seit mehr als dreißig Jahren abonniert war, nach dem "Sozialen Boten", verfinsterte sich seine Miene. "Jetzt ist es so weit", sagte er, "sie eröffnen das erste Strandhotel."
"Ob nun heute oder nächste Woche", erwiderte seine Frau, "das macht keinen Unterschied. Sie eröffnen jetzt sowieso eins nach dem anderen."
Sie war, im Gegensatz zu ihrem klobigen Mann, klein und mager, aber genauso zäh. Ihre Sprechweise war lakonisch.
"Sie werden den Fischfang kaputtmachen", fuhr er fort, "das Land und das Meer mit Lärm überziehen, mit Gestank."
Sie kannte diese Reden. "Mit der Ruhe hier wird es bald vorbei sein", stimmte sie zu.
"Ihr mit eurer Ruhe", mischte sich Aib, die neunzehnjährige Tochter, ein. Sie war längst mit dem Essen fertig, hatte sich in eine Ecke des Raumes zurückgezogen und blätterte in einer Illustrierten. "Kelborn meint..." Sie verstummte, denn dieser Name war für den Vater ein rotes Tuch. Kelborn, ihr Freund, arbeitete zwar im Augenblick noch im Dorf als Fischverkäufer, lebte jedoch vor allem für sein Hobby, die Musik. Sobald das große Touristengeschäft losging, wollte er seinen Beruf an den Nagel hängen und in einer Band spielen.
"Na, was meint Kelborn?"
"Ach, du verstehst ihn ja doch nicht." Die Tochter versuchte auszuweichen.
"Dein Kelborn wird sich noch umgucken", sagte der Vater. "Er glaubt, er gewinnt beim großen Glücksspiel, aber den Kuchen essen die andern."
"Kelborn meint, was ihr Ruhe nennt, ist nur Stillstand und Langeweile", vollendete die Tochter nun trotzig.
Der Vater wollte zu einer heftigen Erwiderung ansetzen, doch die Mutter kam ihm zuvor. "Wir arbeiten", sagte sie sachlich. "Wenn das alle tun würden, ginge es auch so voran, ohne den Touristenrummel."
"Alle? Und die vielen, die keine Arbeit finden?"
"Wer ernsthaft sucht, kriegt schon was", erwiderte ihre Mutter.
"Ein Leben lang schuften, und andere kassieren", maulte Aib.
"Du kannst dich wohl kaum beschweren", sagte der Vater, "du hast immer gehabt, was du brauchtest."
Die Tochter warf ärgerlich die Zeitschrift hin und erhob sich. "Ihr seid altmodisch und werdet uns nie verstehn. Na, egal, es geht sowieso nicht nach euch." Sie lief aus dem Raum.
Martens schlug wütend mit der Faust auf den Tisch. "Stillstand... altmodisch... ausgerechnet wir. Und wer hat den Kredit aufgenommen, um den Kahn zu modernisieren? Nach wem ist die Dame bloß geraten!"
"Lass sie ihre Erfahrungen machen, dann kommt sie wieder zu sich", sagte die Frau.
"Mit diesem... Kelborn?"
Die Frau zuckte die Schultern und wandte sich dem Panogerät zu. Es war Zeit für die Abendnachrichten.
Aib rannte in ihr Zimmer, hielt es dort aber nicht aus. Weder das Schallbord noch die Rhythmenbox beruhigten sie. Sie war unzufrieden mit sich und der Welt. Im Grunde mochte sie ihre Eltern, die ständige Zankerei tat ihr leid. Doch wenn es um Silberstrand ging, und das war in der letzten Zeit immer häufiger der Fall, konnte sie sich nicht zurückhalten. Da geschah endlich etwas Aufregendes in dieser verschlafenen Gegend, eröffneten sich viele neue Möglichkeiten, aber die Eltern waren dagegen. Hatten tausend Einwände, stemmten sich. Vater befürchtete, in fünf bis sechs Jahren könnten wegen der erhöhten Wassertemperatur die Fischschwärme ausbleiben, die von Norden bis vor die Bucht zogen; er hatte einen Artikel darüber gelesen. Er nahm auch an, dass Kolonnen von Touristenflitzern und Motordrachen die See zerpflügen würden. Na wenn schon, dachte Aib, dann soll er seinen Kutter verkaufen und eine Dschibbschule aufmachen. Mit Seeschlitten über die Wellen zu springen, fand sie großartig. Es brachte Geld, und sie würde gern die Ausleihe übernehmen.
Freilich, Kelborn wäre nicht einverstanden, er wollte, sobald er sich als E-Orgler einen Namen gemacht hatte, ganz von hier weg, hinüber zum Kontinent. Sie würde ihn nicht halten können, das war klar. Folgte sie ihm aber, bedeutete das den Bruch mit ihren Eltern. Mit Erbitterung stellten sie sich gegen alles, was von jenseits der Meerenge kam. Besonders für den Vater wäre die Übersiedlung, ja schon der vorübergehende Weggang, ein Verrat.
Zum Glück war es noch nicht so weit, Kelborn musste auf seine Chance warten. Manchmal wünschte sie ihm Erfolg und manchmal auch wieder nicht. Jetzt allerdings wollte sie, dass er es den Eltern bewies. Er war in Hahl, um Freunde zu treffen, die ihm weiterhelfen konnten. Es wäre zu schön, wenn er in einer Hookband mitmachen könnte. Und sei's vorerst nur zur Probe.
Aib verließ das Haus, sie war aufgeregt, die frische Luft würde ihr gut tun. Das Dorf lag ausgestorben da, mäßig von Punktlampen erhellt - man hatte sie erst im vorigen Jahr angebracht. Auch aus den Fischerhäusern drang Licht und vorn, in den Fenstern des "Seeigel", tanzten bunte Reflexe. Laute Musik ertönte, ein Wettbewerb, bei dem die besten Amateure einen Preis erhielten.
Aib wandte sich nach rechts, zum Strand. Die Dünen mit ihrem Schachtelgras, dann feinkörniger Sand. Zusammengerollte Netze, Schaluppen, halb auf den Strand gezogen und vertäut, falls stärkerer Wind aufkam. Weiter drüben, im kleinen Hafen, lagen die Kutter der wohlhabenderen Fischer; der ihres Vaters gehörte dazu. Mat Martens, der Rote, wie er wegen seines Haars genannt wurde, stellte im Dorf etwas dar. Und dennoch, sein Leben - was für eine Mühsal.
Es war dunkel, auch wenn der grüne Mond schien, der karminrote würde erst später zu sehen sein. Einzelne Wolken zogen träge von den Kreidefelsen herüber, die man jetzt allerdings nur erahnen konnte. Der Wind kam aus Nordwest. Er war auflandig und blies gleichmäßig frisch.
Aib ging aufs Wasser zu, der eintönig rauschenden Brandung entgegen. Die Flut war an ihrem höchsten Punkt angelangt und würde nun langsam zurückweichen. Eine Gestalt, schwarz vor blassem Hintergrund, tauchte aus dem Schatten auf, sie war hager, groß, trug Kutte, Kapuze. Der "Mönch", dachte das Mädchen beruhigt, denn im ersten Augenblick war sie erschrocken. Es war kein echter Mönch, er wurde nur wegen seiner Tracht so genannt und wegen seines sonderlichen Gebarens. Er wohnte draußen am Kornhügel in einer ehemaligen Windmühle, kam nur ins Dorf, um Weidenkörbe anzubieten, die er flocht, oder um Lebensmittel zu kaufen. Nachts allerdings wanderte er oft am Strand entlang, saß mitunter auch auf dem Rand eines Bootes. Früher hatten die Leute ihn verjagt, Angst gehabt, dass er ihre Netze zerstöre, Unheil bringe, überhaupt gefährlich sei. Doch er war immer wieder gekommen, hatte niemandem Schaden zugefügt. "Er ist froh, wenn man ihm nichts tut", sagten die Fischer nun und ließen ihn in Ruhe.
Der "Mönch" sprach im Allgemeinen wenig, es fiel ihm schwer, sich auszudrücken, und Aib, die ihm ausweichen wollte, war überrascht, dass er sich jäh an sie wandte. Als sei es normal, sie zu dieser Stunde hier anzutreffen. Und nicht einfach an sie wandte, sondern ihr den Weg abschnitt, sich vor ihr aufbaute. Noch erstaunter war sie freilich darüber, dass er sie zu kennen schien, obwohl sie nie ein Wort miteinander gewechselt hatten.
"ER wird ein Zeichen geben, Aib, ER wird sich entgegenstellen."
"Wer wird ein Zeichen geben, und woher kennen Sie mich?"
"Thuron", murmelte der "Mönch", "Thuron."
"Thuron?"
"Der Mächtige, ER." Und weiter, zusammenhanglos: "Er kennt euch alle."
Den Namen Thuron hatte Aib schon gehört, eine sehr alte Gottheit, an die einzelne Bergbewohner noch glaubten.
"ER wird sich entgegenstellen." Der "Mönch" hob die Hand. Dann, ohne eine erneute Erklärung, ging er davon, verschwand in der Finsternis, wie er gekommen war. Da sich der Strand hier krümmte, konnte man meinen, er schritte mitten ins Meer.
Short Barsing war ein freundlicher und wenig anspruchsvoller Mensch. Er war hier in Hahl geboren und aufgewachsen, hatte den Beruf eines Wohngestalters erlernt und übte ihn seit genau dreizehn Jahren zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten aus. Er war verheiratet, hatte zwei zehnjährige Söhne und einen Hund mit Namen Findling. Barsing hatte ihn als Welpen in einem Hinterhof aufgelesen.
Short liebte seinen Beruf, er richtete sich nicht einfach nach den Vorschlägen irgendwelcher Möbelfirmen und Kaufhäuser, sondern brachte eigene Ideen ein. Zum Beispiel, wie Spiegel, Pflanzen unkonventionell zu gruppieren waren, wie man Heizungen am günstigsten in die Wand oder den Fußboden setzte. Er kannte den Effekt schillernder Textil- und Papierdekors, er konnte sich auch mit seiner Frau darüber beraten, Verkäuferin für jeglichen Hausbedarf. Gewiss, es gab manchmal Ärger mit mäkelnden, unentschlossenen Kunden oder mit solchen, die ihre Ansichten revidierten, so dass man ständig ändern musste. Doch mit Geduld und Humor kam er im Allgemeinen zur Lösung der Probleme - welcher Beruf hatte keine Schattenseiten.
Short hatte es nie in die Ferne gezogen, er fühlte sich auch nicht zu Höherem berufen. Das Leben berühmter Schriftsteller, Schauspieler, Moderatoren reizte ihn keineswegs, und er war nicht böse, in seiner Jugend nur mittelmäßig sportlich gewesen zu sein. Dennoch trug er einen Wunsch in sich, der, obwohl im Grunde naiv, mit den Jahren stets stärker geworden war: eine Wohnung für die Familie oder auch nur ein Zimmer für sich, oben auf dem Sternenhügel. Zwar würde sich der tägliche Weg zur Arbeit verlängern, doch die Sicht über die Stadt und die Bucht würde für alles entschädigen. Er wusste genau, wie die Räume aussehen mussten, hatte die Anordnung der Möbel vor Augen. Ein Arrangement, das den Blick automatisch zum Fenster lenkte und das sich bietende Panorama perspektivisch vertiefte. Es war ein Gemälde in seinem Kopf, dessen Konturen sich mit den Jahren mehr und mehr verschärften. Manchmal stieg er zum Poetenrelief hinauf, um sich alles noch besser ausmalen zu können. Dabei wusste er: Es blieb ein Traum. Sein Verdienst und der seiner Frau würden ihm nie einen solchen Luxus erlauben. Nur Privilegierte wohnten hier, hatten ein zweites Haus oder ein Appartement, dessen Miete allein das Dreifache seines Monatsgehalts verschlang.
An diesem Tag fuhr Barsing wie üblich ins Stadtzentrum zur Firma seiner Arbeitgeber. Hier hatte er sein Büro, entwickelte nach Besichtigung der jeweiligen Räumlichkeiten seine Ideen. Vieles war natürlich schon Routine, bei bestimmten Typenbauten hätte er seine Arrangements auch ohne Besuche am Ort treffen können. Doch er hielt es für seine Pflicht, den Platz, den er einrichten sollte, stets konkret in Augenschein zu nehmen.
Heute stand erst für den Nachmittag eine Besichtigung auf dem Programm, bei einer älteren Dame sollte das Mobiliar des Esszimmers erneuert werden, und Short schaltete eher gelangweilt den Arbeitscomp an. Doch da erwartete ihn eine faustdicke Überraschung. "Ausstattung Appartement 4 in der Lindholmgasse 8", flimmerte es nämlich über den grünlichen Schirm. Und weiter: "Auftrag erster Ordnung".
Lindholmgasse 8, es gab keinen Zweifel, das war sie, die neue Luxussiedlung auf der Höhe des Sternenhügels. Das war sein Traum, auch wenn er sich für ganz andere erfüllte. Vier kleine Villen waren vor kurzem dort errichtet worden, jede mit zwei oder drei Wohnungen, das Gesetz zum Schutz der Märtyrer hatte deshalb geändert werden müssen, denn eigentlich war es streng untersagt, dieses Gelände zu bebauen. Es hatte Erregung im Volk und eine heftige Diskussion bis in die Stadtkammer hinein gegeben, aber schließlich war der Bau genehmigt worden. Als Ausnahme. Wenigstens vorübergehend sollten dort die leitenden Mitarbeiter der GEOVUL wohnen. Das Konsortium bestand gerade auf dieser Gegend: beste Bedingungen für die Männer und Frauen, von denen beste, ungewöhnliche Arbeit verlangt wurde. GEOVUL zahlte außerdem die höchste Miete.
Aber wieso fällt die Einrichtung dieses Appartements ausgerechnet mir zu? fragte sich Short. Noch nie war es ihm vergönnt gewesen, dort oben zu wirken. Er war gut, doch für solche Aufträge brauchte es Beziehungen.
Er wagte nicht, an sein Glück zu glauben, griff zum Videofon. Der Bereichsleiter zeigte sich verwundert. "Was tun Sie denn noch im Haus? Ihre Kollegen sind längst auf dem Sternenhügel."
"Sie richten dort die anderen Wohnungen ein?"
"So ist es", sagte Grossmann selbstgefällig. "Da staunen Sie, was? Es geschehen noch Zeichen und Wunder."
"Ich staune wirklich. Die Lindholmgasse und wir! Sonst wendet man sich in solchen Fällen doch an die Spezialteams."
"Diesmal waren aber wir gefragt. Langsam spricht sich unsere schnelle und kreative Arbeitsweise herum."
"Das finde ich großartig."
"Ganz meiner Meinung. Wenn ich auch ein wenig nachgeholfen habe. Bei Gelegenheit erzähle ich Ihnen, wie ich mit dem Koordinator der GEOVUL, Herrn Mohlenberg, bekannt wurde. Rein zufällig."
"Was mich angeht, so soll er nicht enttäuscht werden."
"Das würde ich Ihnen auch sehr verübeln", sagte Grossmann. "Nun aber ans Werk. Stellen Sie alles andere zurück und lassen Sie mich auf jeden Fall die Entwürfe sehen."
Er legte auf und Short setzte sich erst einmal hin. Vor kindlicher Aufregung klopfte ihm das Herz wie verrückt. Nein, es war nicht seins, er würde nie eines dieser Appartements beziehen. Dennoch handelte es sich um einen Schritt vom Traum zur Realität. Um einen Höhepunkt in seinem Leben. Die Einrichtung dieser Wohnung würde sein Meisterstück werden, er nahm sich vor, ein unvergängliches Kunstwerk zu schaffen.
Short verließ das Büro und setzte sich in sein Kurzmobil. Der wendige Wagen schlängelte sich durch den Vormittagsverkehr. Nieselregen, die Leute in ihren Kapuzenmänteln glichen einer dem anderen, auch die Häuser und Straßen wirkten einförmig. Die Geschäfte und einige Reklameschilder lockerten das Bild zwar etwas auf, doch zu wenig. Noch nie war das Short so aufgefallen wie heute, da er sich in einer Art Hochstimmung befand.
Die Nässe verschleierte die Sicht und Short schaltete die Lichttaster ein. Mehrfach hupte er übermütig, obwohl er wusste, dass dies untersagt war. Ein Polizist mit roter Mütze starrte ihm argwöhnisch hinterher, und er hielt es für besser, das Hupen wieder zu unterlassen. Ohne Zwischenfälle erreichte er den Sternenhügel.
Der Portier des Gevierts, ein älterer redseliger Mann, erwartete ihn bereits: "Wo bleiben Sie denn, Frau Lamelle ist schon ganz unruhig, sie hat um elf einen Termin."
In den zwei Minuten, die sie brauchten, um in den ersten Stock zu gelangen, erfuhr Short, dass Frika Lamelle, die rechte Hand des Managers der GEOVUL, hier wohnen würde, ein apartes und energisches Frauchen. "Sie kommt nicht, wie die andern alle, aus Zentralstadt, sondern aus dem Süden des Kontinents und spricht mit besonderem Akzent. Sie ist Moltinerin." Moltinerin zu sein, hielt der Alte offenbar für das Höchste.
Sie erwartete ihn tatsächlich mit Ungeduld, hatte nur eine halbe Stunde Zeit. Dunkelhäutig, ein wenig zu mager für seinen Geschmack, aber kein Frätzchen: kurzes schwarzes Haar, ein kantig geformtes Gesicht, das sich einprägte. Sie trug ein asymmetrisch geschnittenes elegantes Tageskleid und hielt sich nicht mit langen Erklärungen auf.
"Leider kann ich nicht ständig hier sein. Ich bin viel unterwegs."
Das war Short ganz recht. Umso ungezwungener konnte er sich in den Räumen bewegen.
"Bitte machen Sie mir alles hell, mit Blumen, weißen Dekors, dabei praktisch; die Schwebematte vielleicht hier und zusätzliche Heizquellen am Fenster."
Short erwiderte: "Sehr gern, Madame, wusste aber, dass er es ganz anders anpacken würde, wenn sie ihm nur ein bisschen Freiheit ließ. Sie hatte bestimmte Vorstellungen von den Möbeln, hatte sich Kataloge angeschaut, er begann ihr sofort auszureden, was ihm nicht in den Kram passte. Mit solcher Leidenschaft, dass sie ihn ganz erstaunt ansah. Zum Glück hatte sie eine Menge anderer Dinge im Kopf. "Ich muss jetzt weg", sagte sie schließlich, "schaun Sie sich alles in Ruhe an, dann entscheiden wir. Sie werden schon das Richtige treffen."
Als sie gegangen war, stand er lange am Fenster, blickte in den Garten der Villa, auf die Dächer hügelab, den Hafen. Zum Meer hin zogen noch Regenwolken, doch am Horizont wurde erstes Blau sichtbar. Ob sie es wirklich schaffen, die Temperaturen anzuheben? dachte Short. Aber im Grunde beschäftigte ihn nicht das, er war noch immer verblüfft und auch gerührt. Wenn ihm gestern jemand erzählt hätte, dass er heute hier oben stehen würde! Gewissermaßen Herr über ein zwar noch zu gestaltendes, aber doch schon vorhandenes Reich. Er musste diese Herrschaft genießen, dieses Gefühl auskosten, solange es ging.
Dann schritt er alle Räume ab, nahm Maß und speicherte die Daten in der Notebox. Fertigte Skizzen an, die er gleichfalls sicherte. Stieg hinunter in den Garten, lief ums Haus herum. Rechts, zum Poetenrelief hin, hob sich das Gelände noch etwas. Dort lagen die Schwebeplätze und das Schwimmbad - man hatte an alles gedacht.
Er hätte längst aufbrechen können, der Pförtner, der wohl darauf wartete, dass er ging, beobachtete ihn fast schon misstrauisch. Aber Short fand stets einen neuen Vorwand zu bleiben. Erst am späten Nachmittag kehrte er ins Büro zurück. Er machte sich sofort ans Werk. Für die Lindholmgasse kam nur das beste Mobiliar in Frage.
Die Eröffnung des Hotels "Schaumkrone" fand am Nachmittag statt, und die Gäste, die zum Empfang geladen waren, nahmen es als ein günstiges Zeichen, dass der Himmel im Süden aufriss, die Sonne hervorkam. Gastgeber war der Minister für Touristik, aber auch der Ministerpräsident selbst wollte es sich nicht nehmen lassen, ein paar Worte zu sagen und dem Unternehmen, das solche Bedeutung für die Wirtschaft besaß, einen guten Fortgang zu wünschen. Erwartet wurde eine beträchtliche Anzahl hoher Persönlichkeiten: führende Herren der GEOVUL, Mitarbeiter inländischer Firmen, die an den Bauarbeiten beteiligt waren, der Bürgermeister sowie mehrere Stadträte von Hahl, Politiker verschiedener Parteien und Diplomaten jener Länder, aus denen man sich den künftigen Touristenstrom erhoffte. Dazu kamen die Panovision, der Funk, die Presse, Vertreter von Sport und Kultur. All diese Leute trafen mit ihren prächtigen Luxus- oder Dienstmobilen ein, stapften von den noch provisorischen Parkplätzen entlang der im Entstehen begriffenen Uferstraße zum Hotel, versammelten sich in Gruppen und Grüppchen vor dem Eingang, begrüßten einander. Das Hotelpersonal, an der Spitze der Direktor, hatte sich unter dem gläsernen Vordach und auf der Treppe zum Eingang aufgestellt, ein Teil der Kellner und Serviererinnen war schon dabei, die Tabletts mit Schwarzem und Blauem Sekt, Fruchtsäften, Hahler Backwerk und Fleischspießchen unter die Menge zu bringen.
Der Premier rollte in seiner perlmuttfarbenen, mit der Staatsflagge geschmückten Limousine an, flankiert von mehreren Begleitfahrzeugen. Die kleine Eskorte fuhr ans Hotel heran, soweit es die Straße zuließ, und wendete, als der hohe Gast ausgestiegen war, im Gleichmaß, wie bei einer militärischen Übung. Der Ministerpräsident hatte seine Frau mitgebracht und einen seiner Staatssekretäre, das Geleit bildeten die üblichen Bodyguards. Er gab sich sehr dynamisch, grüßte freundlich nach allen Seiten.
Ray Vangrin war mit dem Taxi gekommen, er hatte das Angebot der GEOVUL auf einen Firmenwagen für den persönlichen Gebrauch abgelehnt. Er wollte sich nicht zu eng an dieses Unternehmen binden; wenn es nötig wurde, konnte er sich ein Mobil leihen. In den Tagen, die er hier war, hatte er sich den Hafen und die Stadt zu Fuß angesehen. Das half ihm, alte Erinnerungen aufzufrischen und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Er wohnte in einem der ersten Hotels der Stadt - nun gut, er hatte nichts gegen Komfort. Sobald die Appartements auf dem Hügel eingerichtet waren, sollte er dorthin übersiedeln, Frika hatte es ihm angekündigt. "Dort kann ich Sie besser unter meine Fittiche nehmen." Dagegen würde er sich nicht unbedingt wehren.
Mit Erken selbst hatte er bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sprechen können, erstaunlicherweise, denn gleich nachdem Ray angekommen war, musste der Chefkoordinator in den Süden zu den Rinnenbauern. Das waren die Leute, die den Vulkan angezapft hatten und die Lava stauten. "Ein paar kleine Differenzen", hatte Frika gesagt, "wahrscheinlich Lohnforderungen." Das interessierte Ray, aber zunächst wollte er sich hier ein Bild machen. Er wusste noch viel zuwenig vom Projekt.
Die Kameras richteten sich auf den Premier, Ray schob sich näher zum Hoteleingang. Erken stand direkt neben dem Minister für Touristik, er hielt sich straff, hatte nur wenig Bauch, doch leicht angegrautes Haar. Trug Velours mit Glanzit verbrämt, eine Fliege und Brille. War älter geworden, natürlich, aber man sah es nur, wenn man ihn früher, vor Jahren, gekannt hatte. Ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, ein Mann des Erfolgs.
Bei Mohlenberg auch der Bürgermeister von Hahl, den Ray von Fotos kannte, dann ein weiterer Mann, vielleicht ein Vertreter der GEOVUL, extra vom Kontinent angereist. Zwei Frauen, etwas im Hintergrund Frika. Sie hatte ihn entdeckt und winkte ihn heran.
Aber es war nicht leicht, zu dieser Gruppe vorzudringen. Männer in hellgrauen Anzügen, alle jung und durchtrainiert - der Ordnungsdienst -, bahnten dem Premier und seinen Begleitern einen Weg, so dass er schnell nach vorn gelangte. Er schüttelte Hände, die Gruppe stieg die Treppe empor. Ein gelbes Band quer vor dem Glasportal, wo alle haltmachten. Der Touristikminister hob den Arm, es wurde still.
"Verehrte Anwesende, meine Damen und Herren, liebe Freunde! Der Augenblick, der große Augenblick, auf den wir seit Jahren gewartet haben, ist nun endlich gekommen. Wir alle haben uns hier zusammengefunden, um an der Eröffnung des Hotels 'Schaumkrone' teilzunehmen, des ersten einer ganzen Reihe von Komforthotels, die vielen Besuchern Entspannung und Erholung bringen sollen, dem Land aber wirtschaftlichen Aufschwung... Ein großartiger Augenblick, eine Stunde des Hochgefühls, in der uns ein Blick zurück auf die Anfänge gestattet sei, zugleich aber auch nach vorn, auf die gewaltigen Perspektiven. Gemeinsam mit den uns verbundenen Unternehmen vom Mondkontinent haben wir seinerzeit die Möglichkeiten erörtert, utopisch scheinende Pläne durchdacht. Nun beginnen diese gemeinsamen Anstrengungen Früchte zu tragen ..."
Während der Minister sprach, war Ray Vangrin näher an den Hoteleingang herangerückt, er beobachtete vor allem Erken, der, die Hände auf dem Rücken, die Ruhe selbst schien. Für ihn war das ohne Zweifel eine Stunde besonderen Triumphs, denn abgesehen von dem zu erwartenden geschäftlichen Gewinn, würde die GEOVUL neuen Ruhm an ihre Fahnen heften und sein Name an Klang gewinnen. Obwohl es Zweifler gab, Gegner, die das Projekt von Anfang an bekämpft hatten und ihre Feindschaft auch weiterhin bekundeten. Keine Klimaveränderung, lasst der Natur, was der Natur ist! Gruppen wie die "Meeresschützer", die "Fuego-Gegner", die "Vulkanverteidiger" machten von sich reden. Allerdings waren sie in der Minderheit und zerstritten. Ihren Argumenten konnte Ray bislang nur wenig Überzeugendes entnehmen.
Der Minister hatte seine Ansprache beendet, der Premier ergriff das Wort. Seine Stimme war kräftig, er unterstrich seine Sätze mit schwungvollen Gesten, doch sagte er in der Sache nichts Neues. Die Leute hörten höflich zu, waren aber froh, dass er es kurz machte und schließlich das gelbe Band am Eingang zerschnitt. Nun strömte alles hinein, um die Räumlichkeiten zu besichtigen.
Ray hatte es nicht eilig; ein Glas Blauen Sekts in der Hand, hielt er sich aus dem Gedränge heraus. Eine Radioreporterin aus Zentralstadt hastete heran, erkannte ihn, er hatte früher mit ihr zu tun gehabt. "Schau an", rief sie, "selbst einen Vangrin lockt Silberstrand aus der Reserve."
"Wie ich sehe, ist der halbe Kontinent hier versammelt", erwiderte er.
"Alles zum Ruhme der GEOVUL, und dafür lässt das Konsortium Hahl noch bluten."
"Die GEOVUL, wieso?"
"Sagen Sie bloß, Sie wissen nicht, dass die Senderechte zu achtzig Prozent bei den Firmen liegen. Wer von der Partie sein will, muss sich dort einkaufen."
"Irgendwie müssen die Leute schließlich ihre Kosten decken", sagte Ray flau.
Die Reporterin griente und hastete weiter. Wenn sie mich zusammen mit Erken sieht, wird sie sonst was vermuten, dachte Ray. Doch das war kaum zu verhindern. Er trank sein Glas aus und schritt direkt auf den Eingang zu. Im Foyer, ausgestattet mit Wippsesseln und riesigen gerahmten Spiegeln, drängten sich die Gäste. Kweft, eine fruchtige Joghurtspeise, wurde gereicht, Monitore vermittelten den Blick in einige Zimmer, und wer wollte, konnte mit dem Lift nach oben auf die Terrasse fahren.
Ray schaute sich gerade an der Rezeption um, da stand Frika neben ihm, frisch, ein bisschen exotisch in einem einärmeligen, grünlich flimmernden Kleid. "Nun wird es aber Zeit", tadelte sie, "es sieht ja fast so aus, als wollten Sie sich von uns fernhalten." Sie fasste ihn energisch beim Arm und zog ihn zur Aufgangstreppe, wo einige Herren, unter ihnen der Premier, der Bürgermeister von Hahl und Mohlenberg, ein offenbar angeregtes Gespräch führten. "Darf ich Ihnen unseren berühmten Doktor Vangrin vorstellen", sagte Frika. "Wir haben ihn eingeladen, den Fortgang des Projekts Silberstrand aus der Nähe zu verfolgen und auf dem Kontinent darüber zu berichten. Wie Sie sehen, ist er gekommen."
Blitzlicht von allen Seiten, Kameras richteten sich auf die Gruppe. Auf ihn, er fühlte sich überrumpelt. Schüttelte Hände, murmelte Begrüßungsfloskeln, dachte bei sich: eine gelungene Inszenierung. Hatte den Eindruck, dass weder der Premier noch der Touristikminister seinen Namen kannten - woher auch. Erken Mohlenberg aber umarmte ihn mit herzlicher Unbefangenheit. "Entschuldige, dass wir uns nicht eher sehen konnten, ich bin erst seit dem Morgen zurück. Die Arbeit! Du hast dich wenig verändert seit unserer letzten Begegnung, und die fand in der Tat vor einer Ewigkeit statt. Ja, jünger sind wir alle nicht geworden. Hast dich ein bisschen zurückgehalten in den letzten Jahren, ich hab's bemerkt, trotz aller Verpflichtungen, die unsereinem so aufgebürdet sind. Keine Auftritte im Pano, kein neues Buch." Er wandte sich an die andern: "Aber das lassen wir nicht zu. Wenn er nur will, ist er der Größte, gerade richtig für unser Vorhaben. Dank jedenfalls, dass du unsere Einladung angenommen hast, Ray, du wirst es bestimmt nicht bereuen."
Er gab sich großzügig, Erken, war es auf seine Weise wirklich; er hatte den Vorteil der GEOVUL im Auge, zugleich natürlich seinen eigenen, aber die anderen, wenn sie dazu beitrugen, durften teilhaben. Vangrin würde wieder ins Licht der Öffentlichkeit rücken.
"Will er denn der Größte sein?", fragte der Premier lächelnd.
"Davor bewahre mich der Himmel."
"Er ist die Bescheidenheit selbst", erwiderte Erken.
"Wenn er nur unsere Arbeit entsprechend würdigt", sagte der Bürgermeister, "unser großes Werk."
"Auf jeden Fall interessiert mich dieses... na, ja... Jahrhundertprojekt."
"Wenn es dich erst einmal gepackt hat, wird es dich nicht wieder loslassen", bekräftigte Erken.
"Bestimmt nicht." Der Bürgermeister hob sein Glas.
Der Touristikminister wollte wohl gleichfalls zustimmen, doch in diesem Augenblick entstand an der Eingangstür Bewegung. Die Leute wichen ins Foyer zurück, andere wieder drängten hinzu, manche lachten. Eine sonderbare Gestalt, deren Äußeres absolut nicht zur festlichen Kulisse passte, hatte sich durchs Portal geschoben und streckte die Hände mit beschwörender Geste gegen die Gruppe um den Premier aus. Ein hagerer Mann in grauem Kapuzenumhang, Worte, laut, doch zunächst kaum verständlich, dann ein Ausruf, der eine Aufforderung war: "Verzichtet!"
"Was hat er?", fragte der Premier in die jähe Stille hinein, und direkt an den Fremden gewandt: "Was wollen Sie?"
"Verzichtet", wiederholte der Mann, "ER stellt sich entgegen!"
Bodyguards schoben sich durch die Menge, drängten den Mann zurück. Einer packte ihn an der Schulter.
"ER stellt sich entgegen, Thuron!"
"Lasst ihn", sagte der Premier, "lasst ihn reden."
"Wirbel auf dem Wasser, leuchtende Luft, Thuron!"
"Lieber Freund", der Ministerpräsident war eher amüsiert als beeindruckt, "wenn Sie meinen, dass uns die Gewitter der letzten Zeit stören, die gab es auch früher schon. Was wir tun, tun wir für unser Land, die Menschen. Weshalb sollten wir verzichten?"
Doch auf eine Diskussion schien der Mann nicht eingestellt, seine Worte waren nun nur noch Gemurmel.
"Ein armer Verwirrter", erklärte der Bürgermeister, "er kommt aus der Umgebung, ist für seine Absonderlichkeit bekannt. In den Dörfern wird er nicht weiter ernst genommen. Wir sollten ihn gar nicht beachten."
"Was hat es mit diesem Thuron auf sich?", fragte Ray.
"Aberglaube. Eine Gottheit des Meeres und der Berge, die angeblich alle fünfhundert Jahre auf den Planeten zurückkehrt, um die Guten zu erheben, die Bösen zu strafen. Seit einiger Zeit tauchen selbsternannte Propheten in der Gegend auf, die behaupten, diese fünfhundert Jahre näherten sich ihrem Ende."
"Und weshalb sollte er sich dem Projekt entgegenstellen, Thuron, denn das war doch wohl gemeint?"
"Verkehrung der Realitäten", sagte der Bürgermeister. "Wir verändern etwas zum Guten, doch in ihren Augen ist das von Übel."
Einige Reporter scharten sich um die sonderbare Gestalt im dunklen Umhang, bestürmten sie mit Fragen. Der Mann gab undeutlich Antwort, sagte wohl immer das gleiche, aber da die meisten Gäste ihre Unterhaltung wieder aufgenommen hatten, hörte man ihn kaum noch. Schließlich stürzte er zum Portal hinaus, mit wehenden Mantelschößen, ein großer, tollpatschiger Vogel.
Ray zog sich von der Gruppe zurück, nicht ohne Erken die Versicherung gegeben zu haben, am nächsten Morgen mit ihm zu frühstücken. Über alles zu sprechen, Standpunkte, Informationen und vor allem Erinnerungen auszutauschen. Für den Augenblick dagegen sollte ihm Frika Gesellschaft leisten, die ihn noch anderen Persönlichkeiten vorstellen wollte. Dem Hoteldirektor, einigen Künstlern. Sie fuhren auf die Terrasse hinauf, die mit Liegen und Blumenkästen bestückt war. Man sah über die Dünen und den Strand aufs Meer, das sich heute friedlich zeigte. Nur leichte Wellen stießen gleichförmig ihre weißen Köpfe ans Ufer.
"Haben Sie inzwischen Ihre Liebe zum Meer aufgefrischt?", fragte Frika.
"Zum Meer und zu Hahl, früher war ich öfter hier. Es gibt da einige besondere Winkel."
"Sie meinen den 'Waldhof', die 'Heiligen Erlen'."
"Ich meine vor allem die Gassen am Fluss. Ich war im 'Haifisch', im 'Schifferkrug', dort hat sich fast nichts verändert."
"Das kenne ich noch nicht, das müssen Sie mir irgendwann zeigen", sagte Frika. Und fügte hinzu: "Bald."
"Sehr gern, Sie brauchen nur den Zeitpunkt zu bestimmen. Allerdings nahm ich an, dass Ihnen das alles längst vertraut ist. Da gibt es doch bestimmt jemanden..."
"Wenn Sie Erken Mohlenberg im Auge haben", erwiderte sie leicht ironisch, "so hat er wenig Zeit für romantische Abstecher."
"Gut, ich verstehe."
"Das glaube ich kaum, aber es macht nichts."
Sie begrüßten einen Bildhauer, der Skulpturen für die künftigen Parks anfertigen sollte, den Hoteldirektor, dann einen Landschaftsgestalter - Ray war an seiner Arbeit sehr interessiert, er verabredete sich mit ihm für die nächsten Tage. Wieder allein mit Frika, fragte er: "Also wann?"
"Sonntag Abend, sechs Uhr."
"In Ordnung, ich hole Sie ab."
"Nein", sagte sie, "das ist nicht nötig, wir treffen uns auf halbem Weg. Am Grauen Turm. Sie zeigen mir Ihre Kneipen, und ich erzähle Ihnen einiges über unser Projekt. Einverstanden?"
"Wenn es denn sein muss", entgegnete Ray, ein bisschen gedämpft in seiner Begeisterung.
Orangefarbene Lampen an der Bar und in den zahlreichen Nischen, "Lichtvögel": gelbe, blaue, grüne geflügelte Schatten, die an der Decke entlanghuschten. Die Luft war süßlich von Paim, einer sanften Droge, von den Behörden geduldet, aber mit einer hohen Steuer belegt.
Kelborn, blässlich und mit Augen, in denen ein unnatürlicher Glanz lag, schob das Glas mit dem Rest "Hahler Milch" von sich, einer alkoholischen Spezialität des Ortes. "'Katzenblut'", verlangte er, "zum Munterwerden."
Die Bardame, ganz in schwarzen Netzkrepp gekleidet, spritzte Zitrone und Muskat in ein Gefäß mit einer undefinierbaren Flüssigkeit, begann die Mischung zu schütteln. Ihr Blick flimmerte. "Einfach oder doppelt?", fragte sie.
"Doppelt natürlich."
"Was denn", fragte Reb, "jetzt schon? Wir haben doch noch gar nicht angefangen."
'Katzenblut' machte bis zu einem gewissen Grad nüchtern, und Reb war gegen Nüchternheit. Besonders heute, wo es nach seiner Meinung etwas zu feiern gab. Vor ein paar Wochen hatte er seinen Freund Kelborn mit einem Musikagenten zusammengebracht. Der Mann stammte vom Kontinent und suchte Hobbymusiker für künftige Bands. "Bei denen die Routine noch nicht das Talent erstickt hat", erklärte er. Wenn das Projekt Silberstrand ein Stück vorangekommen war, sollten sie in den Hotels auftreten. Kelborn hatte vorgespielt und war für gut befunden worden. Trotzdem hatte er lange auf einen Bescheid warten müssen, denn es gab eine Menge Bewerber. Viele wollten beim Hook groß herauskommen, und es war schon erstaunlich, was manche Leute an Selbstbewusstsein aufboten. Bliesen recht und schlecht auf dem Kamm, bildeten sich aber ein, für die "Schaumkrone" engagiert zu werden. Heute jedoch war es passiert, sie hatten ein Gespräch mit dem Agenten gehabt und erfahren, dass Kelborn in die engere Wahl gekommen war. Durchaus möglich, dass er schon bald einen Job bekam, denn die Agentur wollte einige schlecht gehende Amüsierlokale in ihre Obhut nehmen. Ein Vertrag mit der Stadt Hahl. Man würde kräftig modernisieren, durch attraktivere Programme Schwung ins Geschäft bringen.
"Schließlich muss ich noch ins Dorf zurück. Es geht auf Mitternacht", murmelte Kelborn.
"Schlafen kannst du zur Not bei mir."
"Und der Alte? Flippt sowieso dauernd aus. Morgen früh soll ich ihm die Schwertflundern ranfahren."
"Ach, schmeiß doch den Fischkram endlich hin", sagte Reb, "jetzt, wo du bald die dicke Knete machst."
Die Bardame stellte das "Katzenblut" hin, und ihre silbergrau gepuderten Fingerspitzen berührten Kelborns Hand. Reb bohrte ihr den Blick ins Dekolleté, doch sie beachtete ihn nicht. Sie wusste, wer die Rechnung begleichen würde.
Das Lokal war nur halb gefüllt, obwohl man sich große Mühe gab, Gäste anzulocken. Die Öffnung nach dem Kontinent brachte eine weitere Lockerung der in den letzten Jahren nach Ansicht der Alten ohnehin verwilderten Sitten mit sich. Doch auch die Preise waren entsprechend. Und noch fehlte es an Touristen.
"Ein letztes Hahl für den alten Reb", verlangte Reb. Er schielte zu Kelborn, ob der Einspruch erhob.
Seitlich auf dem Tanzpodest versuchten sich zwei Kerle im Hooktanz. Dann verstummte die Musik jäh, und in einer der Nischen begann sich ein Mädchen auszuziehen. Sie war blond, hatte lange Beine. Kelborn sah im breiten Spiegel über der Bar, wie sie aus dem Kleid stieg, die hauchdünnen Glanzitstrümpfe abstreifte. Erst rechts, dann links, zwischendurch wippte sie mit dem Fuß. Er drehte sich um, und auch Reb schwenkte seinen Hocker, um sich nichts von dem Schauspiel entgehen zu lassen. "Was ist denn das für eine Fee?", fragte er.
"Rena, eine Neue", sagte die Bardame, und zu Kelborn: "Wenn Sie interessiert sind, kann ich Sie vermitteln."
Reb leckte sich die Lippen. "Er ist nicht interessiert, hat 'ne Braut zu Hause. Da wäre schon eher ich..."
"Bloß dass dir das nötige Kleingeld fehlt."
"Ja, wenn Sie verlobt sind, ist das natürlich was anderes", sagte die Bardame spöttisch."
Das Mädchen wiegte den nackten Oberkörper hin und her, sah zu ihnen herüber. Auf ihre linke Brust war eine Tulpe gemalt, deren Stängel am Nabel endete.
Kelborn zuckte die Schultern. "Sie macht das nicht schlecht, sie wird auch ohne uns einen schönen Abend verbringen."
Er griff nach den Paimröhrchen, ließ sich Feuer geben. Aib kam ihm in den Sinn, unwillkürlich stellte er sie sich drüben in der Nische vor. Auch sie würde keine schlechte Figur machen. Trotzdem war es eine lästerliche Idee. Als wenn sie so etwas nötig hätte. Und an ihre Eltern durfte er dabei schon gar nicht denken.
Das Mädchen war jetzt nackt, Beifall klang auf, in den Reb enthusiastisch einstimmte. Sie winkte dankend, bog den Körper, drehte sich ein paarmal um die eigenen Achse. Dann griff sie schnell nach ihren Kleidern und verschwand. Erneut setzte Musik ein.
Die Bardame wandte sich einem Pärchen zu, das zwei Cocktails bestellte. Reb schlürfte sein Hahl und murrte: "Musst ja nicht gleich jedem auf die Nase binden, dass ich gerade knapp bei Kasse bin. Das mit den Antiquitäten läuft nicht, aber wart's ab. Bestimmt krieg ich einen Job bei der Agentur, immerhin hab ich dich eingebracht. Die wissen Leute mit Fähigkeiten zu schätzen."
"Und was willst du bei der Agentur machen?"
"Musiker wie dich vermitteln, das Geschäft geht doch erst los. Außerdem brauchen die in Zukunft noch ganz was anderes."
"Was denn, nach deiner Meinung?"
Reb setzte eine genüssliche Miene auf. "Nackte Haut, wie eben gesehn, mein Lieber. Zum Panografieren und vor allem für die Lokalitäten."
"Da kannst du gleich den Zuhälter machen", sagte Kelborn.
"Ach was, tu nicht so. Du hast doch auch hingestarrt. Jetzt ist der Augenblick, wo man einsteigen muss. Schlau sein, vorausdenken. Kümmer ich mich nicht drum, tut's ein anderer."
"Das sind ja ganz neue Seiten an dir."
"Denk du nur an deine E-Orgel", sagte Reb, zufrieden mit sich, "ich streck meine Fühler in verschiedene Richtungen aus. Die da", er wies auf die Bardame, "wird noch ganz klein werden vor uns, verlass dich drauf."
"Was hast du gegen sie, ich finde sie nett."
"Eine eingebildete Henne." Reb trank sein Glas aus. Er straffte sich, sein Selbstbewusstsein war bei den Gedanken, die er entwickelt hatte, jäh emporgeschnellt.
"Also gut, zahlen wir", fügte er hinzu. "Hier ist ja doch nichts los."
In der Nische tanzte jetzt ein in Lack gekleideter Mann. Er imitierte eine Jagd auf die "Lichtvögel", die von der Decke verschwunden waren und um ihn herumschwirrten.
Kelborn, etwas verblüfft durch die Verwandlung seines Freundes, nahm das "Zahlen wir" hin, verlangte die Rechnung. Sie war gepfeffert, doch er verzog keine Miene. Gab ein großzügiges Trinkgeld. Die Bardame bedankte sich mit einem gnädigen Lächeln.
"Diesen Laden bringen wir auch noch in Schwung", tönte Reb, als sie zur Tür schritten.
"Reb der Große!"
"Wirst schon sehn."
Draußen flirrte es Kelborn vor den Augen, er hatte zu viel geraucht. Aber das Paim machte auch beschwingt, man musste es sich nur leisten können. Und warum sollte er heute nicht mal eine Ausnahme machen, den Chef mit seinen Flundern sausen lassen.
"Wir heben noch einen am Hafen", sagte der Freund, "dort kenne ich ein paar flotte Bienen, gerade das Richtige für uns."
"Nein, nein... Aib..."
"Deine Freundin weiß doch von nichts, sie liegt selig in ihrem Bettchen, träumt von Motorflitzern, von einer Dschibbschule."
Das hatte er Reb erzählt, der es nicht ganz dumm fand. Die Frage war, ob sie ihre bockigen Alten dafür gewinnen konnte; man brauchte Kapital.
"Wir amüsieren uns ein bisschen, und dann ist Schluss", sagte Reb.
Kelborn suchte nicht mehr nach Gegenworten, er folgte dem anderen, der mit großer Geste, als hätte er die Brieftasche nur so mit Hunderten bestückt, ein Taxi heranwinkte.
Yoko hatte sein Kurzmobil auf einem der steinigen Feldwege stehenlassen und war zwischen Gras und Buschwerk zum Steilufer vorgedrungen. Hier pfiff ein scharfer Wind, so dass er sich eng in seinen Mantel hüllte. Er hatte ein Fernglas umgehängt, setzte es jetzt an die Augen.
Die Welt ringsum war grün, immerhin ging es auf den Sommer zu und die Natur gab an Blattwerk, Riedgras, Ginstergestrüpp her, was sie zu bieten hatte. Auch das Meer flutete grünlich und ein wenig drohend gegen die Küste. In einiger Entfernung allerdings, dort, wo das Steilufer zu Ende war und der Strand flach ins Hinterland überging, riss das Grün ab. Graue Zäune ragten empor, Bagger wühlten den Grund in Ufernähe auf, Planierraupen schoben braune Erde vor sich her. Arbeiter saßen in den Maschinen oder machten sich mit Bohrhämmern zu schaffen. Staubwolken erhoben sich über dem Gelände und trieben landeinwärts. Baulärm drang herüber, Motorengedröhn und das Getöse niederprasselnder Steine.
Yoko, ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren, beobachtete das Geschehen aufmerksam. Sein Kopf war voller rebellischer Gedanken. Nicht die von der Gruppe hatten ihn geschickt - Barry und die anderen warteten ab, diskutierten nur. Die Zeit war angeblich nicht reif für Aktionen, das Projekt Silberstrand bei der Bevölkerung zu populär. Als wenn das den Ausschlag geben würde. Reichte es nicht aus, dass sie seit Jahrzehnten ihren Dreck ins Wasser kippten, ihre Gase in den Himmel jagten? Sterbende Tiere, die Luft verpestender Dunst, Löcher in der Atmosphäre, und die Menschen hielten die Augen geschlossen. Ganz bewusst - jeder einzelne ein erbärmlicher Egoist, der für sein bisschen Wohlstand die Zukunft verkaufte. Sie zerstörten erbarmungslos den Planeten, diese Narren. Hätschelten ihre Kinder und hinterließen ihnen die Kloake. Das Klima änderte sich, beschwor künftige Katastrophen herauf, und jede Clique wollte das Ihre dazutun. Nun auch hier, wo das Land noch einigermaßen intakt war. Nein und abermals nein. Nicht mit ihm!
Dort unten also entstand der Hafen, über den Menschen und Material für die weiteren Vorhaben herangeschafft werden sollten. Für die Straße ins Hinterland, die Kraftwerke. Yoko prägte sich das Gesamtbild, die Einzelheiten der Anlage so gut ein, wie er es von hier aus vermochte. Er hatte nicht gedacht, dass sie schon so vorangekommen waren. Der erste Kai wuchs, bald konnten größere Containerschiffe anlegen. Gleise waren gelegt, eine E-Bahn brachte das anfallende Geröll weg. Ein paar Fischerhütten standen noch am Ufer, leer oder als Lagerräume dienend. Die Einheimischen waren umgesiedelt worden, ob sie nun wollten oder nicht. Sie hatten eine Entschädigung erhalten und Wohnungen am Rand der Stadt. Auch wenn sie an ihrem Heimatdorf hingen, die meisten waren nicht unzufrieden mit dieser Lösung, das gestand sich Yoko ein. Die für ihre Verhältnisse hohe Geldsumme, die neuen Bequemlichkeiten - das korrumpierte.
Schließlich hatte er genug gesehen, er nahm das Fernglas ab, versenkte es in der Manteltasche. Dem Pfad weiter folgend, lief er am Rand des Steilufers entlang, bis ihm eine Wasserrinne, feucht, aber begehbar, den Abstieg ermöglichte. Vorsichtig kletterte er nach unten und schritt auf die Baustelle zu. Kurz danach gelangte er zum Zaun. Große Schilder wiesen ihn darauf hin, dass "Unbefugten" der Zutritt zum Gelände untersagt sei.
Yoko sah keine Möglichkeit, hier den Zaun zu überwinden und Zutritt zu erlangen, die Schilder waren im Grunde überflüssig. Er wandte sich vom Meer ab, das an seinem Schuhwerk leckte, und marschierte an den Begrenzungsplatten entlang. Ab und zu waren sie nachlässig zusammengefügt, gaben einen schmalen Durchblick frei. Er blieb stehen, spähte ins Innere.
Yoko sah, nun aus der Nähe, einen Schreitbagger, der einen Graben aushob, und zwei Arbeiter mit Schutzhelm und Schaufel. Nichts Besonderes, er war im Begriff weiterzugehen, als hinter ihm eine harte Stimme fragte: "Was tun Sie hier?"
"Ich lege mir einen Plan zurecht, will da drin einige Maschinen in die Luft sprengen." Yoko drehte sich ruhig um.
"Solche Scherze solltest du besser unterlassen." Der Mann, der ihm gegenüberstand, trug die Uniform der Wachtruppe.
"Ich gehe spazieren, will hinüber auf die andere Seite. Der Zaun ist mir im Weg."
Der Wachmann wusste offenbar nicht, ob die Worte diesmal ernst gemeint waren. Er sagte: "Siehst du die Schilder nicht? Das Gebiet ist gesperrt."
"Weshalb?"
"Weil hier gebaut wird. Man hört es doch, oder?"
"Lärm macht ihr genug", bestätigte Yoko, fügte aber hinzu: "Und wie komme ich zu den Uferhängen drüben?"
"Da müsstest du schon ein bisschen klettern", erwiderte der Uniformierte. "Am besten ist aber, du kehrst um."
"Das werde ich nicht tun", sagte Yoko. Er lächelte den anderen an.
"Dann geh jetzt weiter, hier kannst du nicht bleiben!"
Ein Streit würde Yoko nichts bringen, also fügte er sich. Verfolgt von den argwöhnischen Blicken des Wachmanns, entfernte er sich landeinwärts. Er lief parallel zum Zaun, traf jedoch auf keinen weiteren Posten. Der am Wasser war wohl nur auf einem Rundgang.
Nach einer Weile stieg das Gelände wieder an, und der Zaun machte einen Knick. Erneut ein Spalt, diesmal nach oben hin breiter. Mit einigem Geschick zwängte sich Yoko hindurch und stand auf dem verbotenen Gelände. Er beschloss, sich ein "befugtes" Aussehen zu geben.
In unmittelbarer Nähe befand sich niemand, die Arbeiten spielten sich weiter vorn ab. Auf einem Stapel Bauhölzer lag ein Schutzhelm, er stülpte sich ihn auf den Kopf. Nun schritt er mit einiger Sicherheit zwischen Stein- und Kieshaufen hindurch quer über den Bauplatz.
Ein Arbeiter kam ihm entgegen. "Bist du von der Versorgung? Wo bleibt das B-Plast? Am Kai stockt alles. Mach doch mal Druck dahinter."
"Ich werd mich darum kümmern." Yokos Stimme war fest. "Wo sitzt der Baustab?"
"Ganz vorn, immer geradeaus."
Der Mann hastete weiter; Yoko stieg über einen Erdwall. Eine Frau in gelbem Kittel saß vor einem Schuppen und frühstückte. Sie sah ihm misstrauisch entgegen.
"Ist da vorn der Baustab?" fragte Yoko, um ihren Argwohn zu zerstreuen.
"Was willst du dort?"
"Ich muss mit denen reden, wegen dem Beton-Plast."
Die Frau schob ein Stück Schwarzbrot mit Speck in den Mund. Ihr Misstrauen schien keineswegs beseitigt. "Bist du vom Transport? Ich hab dich noch nie hier gesehen. Außerdem war vor einer halben Stunde der Kleine da, Calos."
"Der ist dafür nicht zuständig", behauptete Yoko.