Toskanaherzen - Wolf September - E-Book

Toskanaherzen E-Book

Wolf September

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Beschreibung

Mach dich bereit für ein Liebesabenteuer gespickt mit Humor, Emotionen und jeder Menge Romantik. "Toskanaherzen" lädt dich ein zu einem Sommer, den du nie vergessen wirst. Klappentext: Jensons Marketingagentur steht kurz vor dem Ruin, als ihm sein skrupelloser Konkurrent Grant Bingham auch noch einen sicher geglaubten, lukrativen Auftrag vor der Nase wegschnappt. Dabei ahnt der zutiefst enttäuschte Jenson nicht, dass Grant und er schon länger ein geheimes Doppelleben als Chatpartner führen, ohne sich ihrer wahren Identitäten bewusst zu sein. Als beide zu einer exklusiven Reise in die romantische Toskana eingeladen werden, eskaliert ihr erbitterter Wettstreit. Zwischen malerischen Weinbergen und alten Legenden der Region bahnt sich eine Liebesgeschichte an, geprägt von Missverständnissen, Geheimnissen und unerwarteten Enthüllungen. Die Spannung zwischen Jenson und Grant nimmt immer weiter zu und sie sind gezwungen, sich ihren Gefühlen und Vorurteilen zu stellen. Doch als die Wahrheit ans Licht kommt, stehen sie vor der größten Herausforderung – denn manchmal muss man alles verlieren, um zu erkennen, was wirklich zählt. Packe Deinen Koffer und bereite Dich auf eine Reise voller Lachen, Tränen und natürlich Romantik vor. Dieses Buch ist Deine Eintrittskarte in einen unvergesslichen Sommer, der dir zeigt: In der Liebe und im Wettstreit ist alles erlaubt – besonders in der Toskana. Es ist Zeit, sich zu verlieben... auf die italienische Art! Tropes: Enemies to Lovers, Forced Proximity, Bad Boy, Slow Burn, Opposites attract, Holiday Romance, Bully Romance, Sworn off Relationships

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Kapitel 1 – Jenson
Kapitel 2 – Jenson
Kapitel 3 – Jenson
Kapitel 4 – Grant
Kapitel 5 – Grant
Kapitel 6 – Jenson
Kapitel 7 – Grant
Kapitel 8 – Jenson
Kapitel 9 – Jenson
Kapitel 10 – Grant
Kapitel 11 – Jenson
Kapitel 12 – Jenson
Kapitel 13 – Jenson
Kapitel 14 – Grant
Kapitel 15 – Jenson
Kapitel 16 – Jenson
Kapitel 17 – Grant
Kapitel 18 – Jenson
Kapitel 19 – Grant
Kapitel 20 – Jenson
Kapitel 21 – Jenson
Kapitel 22 – Jenson
Kapitel 23 – Jenson
Kapitel 24 – Jenson
Kapitel 25 – Grant
Kapitel 26 – Jenson
Kapitel 27 – Jenson
Kapitel 28 – Jenson
Kapitel 29 – Grant
Kapitel 30 – Jenson
Kapitel 31 – Jenson
Kapitel 32 – Jenson
Kapitel 33 – Jenson
Kapitel 34 – Jenson
Mehr von Wolf September:
Leseprobe „Föhr immer“ von Lili B. Wilms

 

 

 

 

 

 

Toskanaherzen

 

von

 

Wolf September

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Wolf September

C/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

www.wolfseptember.de

Instagram: wolf_september_info

Facebook: autorwolfseptember

 

 

 

Lektorat & Korrektorat

Matti Laaksonen - www.mattilaaksonen.de

 

Coverdesign: rebecacovers / Fiverr

Bildrechte: © iciakp /© yemelyanov /© vadymvdrobot - de.depositphotos.com

 

 

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, Vervielfältigung oder anderweitige Veröffentlichung sind nicht gestattet und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Autoren (Ausnahme: kurze Zitate für Rezensionen). Sämtliche Handlungen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten, wie die Namen der Protagonisten, mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Orte, Markennamen, Künstler und Lieder werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Örtliche Begebenheiten wurden teilweise oder ganz für den Storyverlauf angepasst. Alle Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Roman verwendet werden, sind Eigentum der jeweiligen Inhaber.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vielen lieben Dank an meine Testleser

 

 

Björn, Sandra, Susan, Stefan, Lili, Matti und Lisa,

 

 

die mich mit Tipps, Hinweisen und

sehr umfangreichem Feedback unterstützt haben.

 

Schön, dass es Euch gibt.

Kapitel 1 – Jenson

Nach seinem Vortrag fiel Jensons Blick auf Ingram Ackerman. Dieser hatte den Kopf gesenkt und machte sich Notizen in seine Dokumentenmappe, die geöffnet vor ihm lag. Ganz von selbst formte sich in seinen Gedanken das Bild eines Buddhas. Ackermans runder Kopf und sein schwerer Atem taten ihr Übriges dazu. Ihm schräg gegenüber saß Florence, seine Assistentin, lächelte ihm aufmunternd zu und strich sich eine Strähne ihres rot gelockten Haars aus dem Gesicht.

Jensons Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Wochen der Vorbereitung lagen hinter ihm und hatten in diesem Pitch gemündet. Er hatte alles gegeben. Nun lag es an Ackerman, wie und ob es weitergehen würde.

„Sie haben einige sehr interessante Ansätze, Mr Cornett.“ Ackerman ließ seinen Füllfederhalter in der Aktentasche verschwinden und klappte sie zu.

Jenson fiel ein Stein vom Herzen – er war noch im Spiel. Das erkannte er an dem Lächeln und der Art, wie Ackerman ihn jetzt ansah.

„Gäbe es die Möglichkeit, dass ich irgendwo ungestört telefonieren kann?“

„Natürlich. Kommen Sie, ich bringe Sie in unseren anderen Konferenzraum.“ Florence stand auf und deutete mit einer Handbewegung lächelnd zur Tür.

„Geben Sie mir ein paar Minuten“, wandte sich Ackerman an Jenson und hievte seinen massigen Körper vom Stuhl, auf dem er gesessen hatte.

„Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie benötigen.“ Jenson nahm die Fernbedienung des Whiteboards und schaltete es aus, während sein Kunde das Zimmer verließ. Erleichtert sank er auf einen der Stühle. Er hatte es geschafft. Eine tiefe Zufriedenheit legte sich um sein Innerstes. Kein Hänger, kein Patzer. Alles war reibungslos gelaufen.

Einen Augenblick später kam Florence zurück in das kleine Besprechungszimmer. Sie drückte die Tür hinter sich ins Schloss, dann drehte sie sich zu Jenson um. Ein breites Grinsen schob sich über ihren geschäftigen Gesichtsausdruck. Leise klatschte sie in die Hände. „Du warst phänomenal.“

„Danke.“ Jenson spürte Wärme in seinen Wangen aufwallen. Wurde er rot? Noch immer konnte er nur schwer Lob annehmen, selbst wenn es von seiner engsten Freundin kam. „Dann hoffen wir, dass es gereicht hat. Wir brauchen diesen Auftrag.“ Er atmete langsam aus und legte seine Stirn in Falten.

„Wir werden ihn bekommen. Wenn ich seinen Blick richtig gedeutet habe, war er begeistert und wenn nicht …“, Florence winkte ab, „bekommen wir eben einen anderen. Ach, was sage ich. Er wäre ein Idiot, wenn er jemand anderen für sein Marketing nehmen würde.“

Sie kam zu Jenson und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Mach dir nicht so einen Druck. Du kannst in sechs Wochen nicht wiedergutmachen, was dein Vater in all den Jahren versäumt hat.“

Jenson stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er seinen Angestellten kündigen müsste. Seinen Leuten. Menschen, für die er sich verantwortlich fühlte. Er stockte innerlich – es war das erste Mal, dass er die Angestellten seines Vaters als seine Leute wahrnahm.

Eiseskälte kroch in ihm hoch. Nein, das konnte er nicht tun. Nach dem Tod seines Vaters hatte er dessen Marketingagentur übernommen. Der erste Gedanke, nachdem er davon erfahren hatte, dass sein Vater ihm die Firma übertragen hatte, war, die Firma zu verkaufen. Aber das hätte er nicht übers Herz gebracht. Die Menschen, die hier arbeiteten, waren nach dem frühen Tod seiner Mutter zu seiner Familie geworden. Er war mit ihnen aufgewachsen.

Er dachte an Maria. Sie schrieb nicht nur die prägnantesten und griffigsten Slogans, ihr Sohn war lange Zeit wie ein Bruder für ihn gewesen. Sie hatte sich mehr um ihn gekümmert, als es sein Vater jemals getan hatte. Oder Walter, der Buchhalter der Firma, der ihm das Schwimmen beigebracht hatte. Jenson wusste es noch, als wäre es erst gestern gewesen. Sie hatten damals einen Betriebsausflug an einen See in der Nähe von Birmingham gemacht. Die Erinnerung an das Gefühl, als er gemerkt hatte, dass Walter ihn nicht mehr hielt, sondern er ganz allein schwamm, blitzte in ihm auf. Er hörte wieder Walters Lachen und sein „Du kannst es!“.

Diese und viele andere Gründe hatten dagegen gesprochen, seinem ersten Impuls zu folgen und die Firma zu verkaufen. Angst, das wusste Jenson, war nie ein guter Ratgeber. Und Angst war es gewesen, die in ihm aufgeflammt war, nachdem er vom Tod seines Vaters erfahren hatte. Die Angst, es nicht schaffen zu können. Ein Gefühl, das ihm sein alter Herr zeitlebens gegeben hatte, auch noch, als er nach all den Streitereien mit ihm aus dem Familienunternehmen ausgestiegen war. Doch heute, hier und jetzt, war es ihm bewusst: Sie können es schaffen. Er kann es schaffen.

Es war unumstößlich, er würde alles dafür tun, dass sie ihren Job behielten. Nicht zuletzt auch wegen Florence. Immerhin war sie nicht nur die Assistentin seines Vaters gewesen – sondern schon seit Kindheitstagen seine beste Freundin. Der einzige Mensch, dem er bedingungslos vertraute und der wirklich alles über ihn wusste.

Ein Klopfen an der Tür holte ihn aus seinen Gedanken. Noch bevor er etwas rufen konnte, hatte Ackerman sie schon geöffnet und war zurück in den Konferenzraum gekommen.

Jenson versuchte, seine Miene zu deuten, als er sich an den Tisch setzte. Die paar Schritte aus dem Nachbarzimmer schienen ihn angestrengt zu haben. Er atmete schwer und sein Gesicht war gerötet.

„Also, Mr Cornett … ich würde sagen, wir machen das!“ Kurz huschte ein Lächeln über Ackermans Lippen. „Es ist zwar noch einer Ihrer Konkurrenten im Spiel, aber Ihr Konzept hat mich schon jetzt überzeugt“, ergänzte er und sah Jenson mit festem Blick an. „Bis wann können Sie die Verträge fertig machen? Ich bin noch bis übermorgen in der Stadt.“

„Wie wäre es mit heute Abend?“, schoss es aus Jenson. Sein Blick glitt zu Florence, die kaum merklich nickte.

Ein wissendes Lächeln schob sich auf Ackermans Lippen und er stand auf. „Sehr gut. Ich habe eine Suite im Grand Savoy. Heute Abend um acht?“

Jenson sah erneut zu Florence, die wieder nickte. „Heute Abend um acht. Ich werde da sein.“

Ackerman verabschiedete sich und verließ den Konferenzraum. Als die Tür ins Schloss fiel, zählte Jenson bis fünf und wartete, ob er noch einmal zurückkommen würde. Dann sprang er auf und zog Florence in eine feste Umarmung. „Wir haben es geschafft!“ Hastig wischte er sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel. Er konnte nicht glauben, dass er den Auftrag bekommen hatte – seinen ersten für diese Firma. Jede seiner Zellen wurde von Euphorie geflutet. Es war das beste Gefühl, das er jemals verspürt hatte, besser noch, als schwimmen zu können.

„Du hast es geschafft“, entgegnete Florence freudig. „Nicht wir.“

„Nein! Wir haben es geschafft. Wir sind ein Team.“ Jenson ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen und blickte lachend zu seiner Assistentin, die sich vor ihm auf die Tischplatte gesetzt hatte.

„Weißt du“, sagte er nach einer Weile, „heute habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass es gut werden könnte.“

Florence hob überrascht eine Augenbraue. „Natürlich wird es gut. Was soll das denn jetzt?“

Jenson verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und rutschte ein wenig tiefer in seinen Stuhl. „Du weißt selbst, in welche Lage mein Vater diese Firma gebracht hat.“

„Aber du bist nicht dein Vater.“

Freudlos lachte Jenson auf. „Nein, das bin ich nicht.“ Und das wollte er auch niemals werden. Sein Vater hatte für ihn so ziemlich alles dargestellt, was er nicht sein wollte. Nach dem Tod seiner Mutter hatte er seine Partnerinnen schneller gewechselt, als Jenson sich ihre Namen hätte merken können. Auch beruflich hatte für ihn das Motto gegolten: Mehr Schein als Sein. Die Produkte seiner Kunden hatte er nicht beworben oder verkauft, er hatte sie verhökert, wie er stets gesagt hatte. Er hatte seine Leute für ihn ackern lassen, ohne selbst etwas beizusteuern – Hauptsache, er hatte die Lorbeeren ihrer Arbeit ernten und damit glänzen können.

Natürlich war er mit dieser Taktik irgendwann gescheitert. Die guten Leute waren abgewandert. Lediglich Maria, Walter, Florence und zwei andere waren geblieben. Wohl mehr aus Loyalität der Firma gegenüber, in der sie schon immer gearbeitet hatten, stellten sie ihre persönlichen Karrieren zurück. Für sie war diese Firma wie eine zweite Familie.

Jenson schüttelte sich innerlich und versuchte, seine Gedanken weg von seinem Vater zu lenken.

„Dann werde ich mal eine gute Assistentin sein und dir den Vertrag aufsetzen.“ Florence sprang vom Tisch auf und schob den Stuhl darunter, auf dem sie während der Besprechung gesessen hatte.

„Schaffst du das bis heute Abend?“, erkundigte er sich.

„Hallo?“ Sie warf mit einer Hand ihre Lockenpracht nach hinten und hob grinsend eine Augenbraue. „Du weißt schon noch, mit wem du hier sprichst? Der Vertrag ist schon so gut wie fertig. Ich habe mir bereits erlaubt, ihn in den letzten Tagen aufzusetzen. Es müssen nur noch ein paar Details angepasst werden.“

„Aber du wusstest doch gar nicht, ob wir den Auftrag bekommen“, erwiderte Jenson erstaunt.

„Wusste ich nicht?“ Sie zwinkerte Jenson vergnügt zu.

Lachend schüttelte er den Kopf. „Wenn ich dich nicht hätte.“

„Ja, genau. Wenn du mich nicht hättest. Ich werde dich bei meiner nächsten Gehaltsverhandlung daran erinnern.“ Grinsend beugte sie sich zu ihm hinunter. „Und das wird nicht billig für dich, Sweetie-Pie.“

Jenson folgte ihr aus dem Konferenzraum und ging zurück in sein Büro. Bevor er sich jedoch an seinen Schreibtisch setzte, holte er sich noch einen Kaffee. Dann ließ er sich zufrieden in seinen Stuhl fallen. Einen Moment lang genoss er die Wärme der Tasse in seinen Händen, die sich auf seinen ganzen Körper zu übertragen schien, und blickte aus dem Fenster. Die Sonne strahlte ihm von einem nahezu wolkenlosen Himmel entgegen und spiegelte sich in den Glasfassaden der benachbarten Gebäude.

Sein Handy, das neben seinem Laptop lag, blinkte.

Maurice hatte ihm geschrieben. ‚Hey, wie ist es gelaufen?‘

‚Alles perfekt. Was treibst du gerade?‘, schrieb Jenson zurück. Er nippte an dem Kaffee, schon vibrierte es.

‚Muss gleich bei meinem Alten antreten. Mal sehen, was der wieder will. Wenn ich das überlebe, gehe ich mit dir etwas essen.‘

Ein Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. ‚Väter – man kann einfach nicht mit ihnen, und was das Essen angeht – träum weiter. Ich drücke dir trotzdem die Daumen.‘

Es klopfte, schon wurde die Tür geöffnet. Es konnte sich dabei nur um Florence handeln, die niemals eine Antwort von ihm abwartete.

„Schreibst du wieder mit deinem geheimnisvollen Mr X?“, fragte sie amüsiert und nickte in Richtung des Handys, das vor Jenson lag und erneut blinkte.

„Nur kurz.“ Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lächelte ertappt.

„Trefft ihr euch jetzt endlich mal? Es ist doch irgendwie schräg, mit jemandem zu schreiben, ohne zu wissen, wer an der anderen Leitung tippt.“ Sie setzte sich schwungvoll auf das abgewetzte Ledersofa seines Vaters, das Jenson in dem Büro hatte stehen lassen, und überschlug die Beine.

„Eigentlich nicht. Er ist so etwas wie ein Freund, nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

Florence schüttelte den Kopf. „Ein Freund, den du noch nie gesehen hast. Seltsamer Freund. Ein Freund, mit dem man ein Date hat, ist ein richtiger Freund. Man geht essen, lacht, küsst sich und landet im Bett. Ein paar Jahre später heiratet man und alles ist Zucker. Das wäre ein Freund. Das da …“ Sie deutete wieder auf das blinkende Mobiltelefon. „Das ist bestenfalls ein Brieffreund.“ Beim Wort Brieffreund verzog sie angewidert das Gesicht und schüttelte sich.

Jenson lachte auf. „Das, was du beschreibst, ist auch kein Freund, sondern deine von Hollywood geschwängerte Fantasie einer Liebesschnulze. Du weißt, ich bin weder an belanglosem Sex interessiert noch an einer Beziehung – oder wie auch immer du es nennen willst.“

Florence setzte sich auf und blickte Jenson prüfend aus großen grünen Augen an. „Auch du hast Bedürfnisse. Oder bist du nach Mike asexuell geworden?“

„Ich habe die hier.“ Er hob seine rechte Hand und winkte Florence zu. „Rechte Hand, darf ich dir Florence vorstellen. Florence, rechte Hand.“

„Das ist nicht dasselbe.“ Florence winkte ab und lehnte sich wieder zurück.

„In diesem Punkt muss ich dir allerdings recht geben.“ Jenson sah seine Hand an. „Kein Ärger, keine Lügen, kein anderer Kerl, keine enttäuschten Erwartungen.“

„Ach komm schon. Es sind nicht alle so. Du schreibst mit diesem Typen jetzt schon seit Wochen.“

„Ganz genau. Wir schreiben, sonst nichts – und das ist auch gut so.“ Jenson strich mit seinem Zeigefinger über den Handybildschirm und lächelte. „Verrückt, dass sich aus einer plumpen Anmache so etwas entwickelt hat. Hin und wieder habe ich den Eindruck, ich würde mit einem Seelenverwandten texten.“ Als Maurice ihn vor einiger Zeit mit einem ‚scharfe Krawatte‘ angeschrieben hatte, hätte er beinahe nicht geantwortet. Doch inzwischen war er froh, dass er mit einem ‚nettes Hemd‘ gekontert hatte, dabei trug er auf dem uralten Foto in seinem Profil seine liebste blau-weiß gestreifte Krawatte, zumindest war sie das gewesen – damals. Und Maurice ein furchtbares Hawaiihemd in schrillen Farben.

„Hey“, protestierte Florence, „ich bin deine Seelenverwandte.“

Ein Grinsen schob sich auf Jenson Lippen. „Ja, das bist du.“

„Ich gebe die Hoffnung jedenfalls nicht auf, dass es sich noch weiterentwickelt. Weißt du jetzt wenigstens, wie er wirklich heißt?“

„Wozu?“, fragte Jenson. „Für mich ist er Maurice87 und ich bin für ihn Bertyco.“

„Das ist auch so was. Ausgerechnet der Namen deines Vaters?“ Sie schüttelte ihre Lockenmähne.

„So ist er wenigstens für etwas Gutes in meinem Leben verantwortlich. Aber du bist doch bestimmt nicht hergekommen, um mit mir über meinen Chatfreund zu sprechen.“

„Du Schlaufuchs. Schau mal in deine Mails. Ich habe dir den Vertrag geschickt. Lies ihn bitte noch einmal durch und dann ab mit dir.“ Sie deutete zur Tür, machte einen kleinen Knicks und verschwand anschließend selbst in die gedeutete Richtung.

 

Kapitel 2 – Jenson

Es dämmerte bereits, als Jenson mit seiner ledernen Aktentasche das Grand Savoy erreichte. Imposant ragte das Gebäude vor ihm in den Himmel. Schon von außen strahlte der mondäne Bau Luxus, Reichtum und Macht aus. Der Architekt hatte ganze Arbeit geleistet.

Jensons Finger umklammerten den Griff seiner Mappe fester, als er auf die Drehtür, die ins Innere führte, zuging. Rechts und links davon standen zwei Männer in der hoteleigenen dunklen Uniform mit beigen Zylindern auf dem Kopf. Er nickte dem rechten zu und betrat die Lobby. Die Schwüle und der Lärm der Stadt wichen einem angenehm kühlen Klima. Gedämpft flirrten die Gespräche der Hotelgäste durch die Eingangshalle, während im Hintergrund leise Klaviermusik spielte.

Jensons Blick wanderte durch die Lobby. Wohin er auch schaute, Luxus, Eleganz und Glamour bestimmten das Bild. Azurblaue Teppichböden lagen zwischen den mit Marmor gefliesten Gängen. Teakverkleidete Wände, Stuck an den Decken und jede Menge Säulen, die sich im Foyer verteilten und eine Art Kuppel aufspannten. Blickfang der prunkvollen Halle war der goldschimmernde, beleuchtete Empfangstresen, hinter dem vier Portiers für die Gäste bereitstanden. Jenson sah auf die Uhr. Fünf Minuten vor halb acht. Perfekt.

Er lief mit erhobenem Haupt auf den Tresen zu, wobei er seinen Blick immer wieder zur Seite schweifen ließ. Schon als Jugendlicher hatte er sich gewünscht, eines Tages Geschäftsbesprechungen in Hotels wie diesem abhalten zu können. Dies war eins der wenigen Dinge, für die er seinen Vater bewundert hatte. Sobald dieser einen Anzug getragen hatte, hatte sich sein Wesen gewandelt, ab diesem Moment hatte er eine ungeheure Souveränität ausgestrahlt. Ab da war er der Mann von Welt gewesen, für den er sich immer ausgegeben hatte.

Am Tresen wartete ein freundlich lächelnder Mann mit mandelbraunen Augen und Augenbrauen, die wie mit dem Lineal gezogen wirkten. Alles an seinem Gesicht war schön und makellos wie ein Gemälde.

„Guten Abend, Sir“, begrüßte ihn der Hotelangestellte mit einer sanften, melodischen Stimme und lächelte. „Was kann ich für Sie tun?“

„Mein Name ist Jenson Cornett. Ich habe einen Termin mit Mr Ingram Ackerman.“

Der Portier tippte etwas auf seiner Tastatur. „Die Suite von Mr Ackermann ist in der vierundzwanzigsten Etage. Einen kleinen Moment.“ Er nahm den Hörer vom Telefon und wählte. Es klingelte. Als abgehoben wurde, drang laute Musik bis an Jensons Ohr. „Hier ist ein Mr Jenson Cornett für Mr Ackerman.“

Eine Frauenstimme quiekte etwas, dann wurde aufgelegt.

„Mr Ackermann erwartet Sie“, sagte er und deutete in Richtung der Lifte, die sich seitlich neben dem Tresen befanden. Für einen Augenblick hatte Jenson das Gefühl, dass das einstudierte Lächeln bröckelte und zu angestrengt wirkte. „Etage 24, Suite 3. Einen angenehmen Aufenthalt im Grand Savoy.“

Jenson bedankte sich bei dem Mann und steuerte den Fahrstuhl an. Er betätigte die Ruftaste und blickte nach oben. Die Anzeige verriet ihm, dass der ganz rechte auf dem Weg nach unten war. Eine alte Dame mit einem Chihuahua auf dem Arm, der ein rosa Schleifchen auf dem Kopf trug, stellte sich neben ihn. Gemeinsam mit Jenson bestieg sie den Lift, als dieser mit einem Klingeln die Türen öffnete. Während Jenson die 24 drückte, wählte sie die 19.

Jenson nickte ihr freundlich lächelnd zu, was sie mit einem pikierten Blick und einer hochgezogenen Augenbraue quittierte. Angestrengt starrte die Dame auf die Etagenanzeige, nur der Chihuahua beachtete Jenson, wenngleich der Anblick des Hundes Mitleid in ihm auslöste. Mit seinen traurigen Glubschaugen sah er ihn von unten herauf an, so als wollte er sagen: Rette mich.

Ein leises Bing ertönte und die Türen öffneten sich, als der neunzehnte Stock erreicht war. Die alte Dame verließ strammen Schrittes die Kabine, ohne Jenson eines weiteren Blickes zu würdigen oder sich zu verabschieden.

„Einen schönen Tag“, rief er ihr nach, doch auch dieses Mal wurde er mit Nichtachtung gestraft. Ein Lächeln schob sich auf seine Mundwinkel und er schüttelte leicht den Kopf. Hoffentlich werde ich nicht so unhöflich, wenn ich alt und reich bin.

Die Türen öffneten sich erneut. Etage 24. Jenson verließ den Lift und stand in einem Gang, der sich vom Look in den der Eingangslobby einfügte. Gedämpfte Partymusik aus einem der hinteren Räume waberte durch den Flur. Vor sich hatte er die Zimmertür zur Suite 1. Jenson bog nach links ab, den Flur entlang, an Suite 2 vorbei. Die Musik wurde allmählich lauter. Als er an der Tür zu Suite 3 angekommen war, stellte er fest, dass sie aus dem Inneren von Mr Ackermans Appartement kam.

Er lauschte intensiver. Tatsächlich drangen wummernde Bässe heraus. Jenson hob verwundert die Hand und klopfte zaghaft. Er hatte erwartet, dass ein Mann wie Ackerman klassische Musik bevorzugen würde. Als niemand antwortete, klopfte er beherzter. Kurz darauf öffnete ihm eine brünette Frau in pinker Reizwäsche und mit grell geschminkten Lippen.

Jenson schaute sie verdattert an, dann beugte er sich nach hinten und sah rechts und links in den Gang. „Ist das die Suite von Mr Ackerman?“, fragte er sie stockend.

„Wem?“, keifte sie ihn an und kniff ihre Augen zusammen. Ihre Stimme klang wie quietschende Reifen auf trockenem Asphalt.

„Ingram Ackerman“, ergänzte Jenson.

„Ach, du meinst Ingi. Ja, der wohnt hier. Komm rein.“ Die Brünette stieß die Tür auf und wankte zurück in das Wohnzimmer.

Jenson folgte ihr und konnte nicht glauben, was sich vor ihm abspielte. In dem weitläufigen Raum feierten etwa dreißig spärlich bekleidete Männer und Frauen. Einige tanzten vor einem überdimensionalen Ledersofa. Auf diesem steckten sich zwei Männer und zwei Frauen gierig die Zungen in die Hälse.

„Ingi ist da hinten.“ Die Frau hickste und deutete schwankend auf einen Durchgang, der in ein benachbartes Zimmer führte.

Jenson drängte sich zwischen den Tanzenden hindurch, die Aktentasche fest an die Brust gepresst. Schweißgeruch vermischt mit billigem Parfüm stieg ihm in die Nase und ließ ihn schlucken.

An der Wand gegenüber lehnte ein gut aussehender Mann mit einem kurz geschnittenen braunen Vollbart, etwa in seinem Alter. Er trug einen Designeranzug und wirkte in dieser Meute genauso fehl am Platz, wie er sich selbst fühlte – so als hätte er mit dem ganzen Geschehen nichts zu tun und wäre nur zufällig in diese Suite geraten. Er lächelte, während er teilnahmslos das Treiben verfolgte und an einem Whiskey nippte, doch in seinem Blick lag eine gewisse Traurigkeit.

Als der Mann bemerkte, dass Jenson ihn beobachtete, nickte er ihm zu und hob das Glas in seiner Hand. Jenson lächelte zurück und schob sich weiter durch den Flur, nicht ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen, weil ihn seine Aura gefangen nahm.

Im Zimmer dahinter befand sich eine Bar. Auf einem der Hocker thronte Ingram Ackerman wie ein halb nackter Buddha. Zumindest erkannte Jenson ihn nach zweimaligem Hinsehen, denn dieser Ackerman hatte nichts mehr mit dem gemeinsam, der am Morgen noch in seinem Konferenzraum gesessen hatte. Er trug lediglich ein weißes Shirt, Boxershorts und schwarze Socken. Rechts und links von ihm schmiegten sich zwei Frauen an ihn. In der einen Hand hielt er einen Cocktail und in der anderen eine dicke Zigarre.

„Cornett“, rief er, als er Jenson entdeckte. Seiner Stimme nach zu urteilen, war das nicht der erste Cocktail des Abends. „Da sind Sie ja.“ Er winkte ihn zu sich.

„Mr Ackerman.“ Jenson nickte ihm bemüht freundlich zu, wenngleich ihm die Situation überaus skurril und unpassend für einen solchen Geschäftsabschluss vorkam. „Können wir irgendwo in Ruhe die Verträge durchsehen?“

„Brauchen wir nicht mehr“, lallte Ackerman und winkte ab. „Alles schon erledigt. Kommen Sie, trinken Sie einen.“ Er drehte seinen Kopf zum Barkeeper. „Hey Bob, mach meinem Freund hier einen von den Dingern.“ Wobei er das halbvolle Glas in seiner Hand schwenkte.

Jenson blickte verwirrt zu ihm. „Ich verstehe nicht? Sie hatten mich doch für heute Abend herbestellt, um die Verträge zu unterzeichnen.“ Er hob seine Aktentasche wie zum Beweis.

Ackerman brach in schallendes Gelächter aus, das mit einem Hickser endete. „Ist schon alles über die Bühne, Cornett. Bingham and Son’s haben den Zuschlag.“ Er ließ die beiden Frauen los und erhob sich schwerfällig. Dann schwankte er auf Jenson zu und legte ihm seinen Arm um die Schultern.

Jenson hatte das Gefühl, sein ganzes Gewicht zu tragen, eine Mischung aus Schweiß und Alkohol kroch in seine Nase und verursachte augenblicklich, dass ihm flau wurde.

„Komm schon Cornett, sei kein schlechter Verlierer und feier mit uns.“ Sein Blick glitt zurück zum Barkeeper. „Hey Bob, wo bleibt der Drink?“

In Jenson wuchs Stück für Stück die Erkenntnis, dass er verloren hatte. Mühsam drückte er Ackerman von sich. „Ich trinke nicht und ich bin auch nicht zum Feiern hier, Mr Ackerman. Ich hatte Ihre mündliche Zusage.“

Ackerman hob seinen Arm und legte ihn wieder auf Jensons Schulter, um das Gleichgewicht zu halten. Mit seinem Glas in der Hand zeigte er auf ihn. „Mündlich ist das eine, eine Unterschrift das andere. Und die steht auf dem Wisch von Bingham and Son’s.“ Seine Hand zitterte. „Und der kleine Bingham hat sich hier ja wohl ziemlich viel Mühe gegeben.“ Er deutete nickend zum Wohnzimmer. „Jetzt mach dich endlich locker und trink diesen verdammten Cocktail.“ Er ließ Jensons Schulter los und wollte ihm einen Klaps geben, stolperte aber nach hinten weg. Eine der Frauen bremste seinen Fall.

Jenson blickte ihn an, unfähig etwas zu fühlen, dann drehte er sich wortlos um und wollte zurück ins Wohnzimmer. Er musste raus hier, weg von Ackerman und aus dieser Suite hinaus. Er drängte sich durch ein paar Partygäste und blieb frustriert im Wohnzimmer stehen, weil er durch die vielen Leiber den Ausgang nicht sah.

Neben der Tür lehnte noch immer der Kerl mit dem Designeranzug und sah ihn an.

„Nimm’s nicht so schwer“, sagte er, als Jenson an ihm vorbeilief. „An manchen Tagen gewinnt man, an anderen verliert man eben“, schob er hinterher und prostete ihm mit seinem Whiskey zu.

Jenson stoppte und drehte sich zu ihm. „Ich nehme an, du bist für all das hier verantwortlich?“

„Nicht für alles.“ Er deutete auf zwei Frauen, die sich auf der Couch gerade über einen Typen hermachten. „Ich habe lediglich diese kleine Zusammenkunft organisiert. Was die Leute daraus machen, ist nicht meine Sache.“ Er reichte Jenson die Hand. „Wenn ich mich vorstellen darf. Grant Bingham, Bingham and Son’s.“

Jenson erwiderte seinen Handschlag nicht, dafür bohrte sich sein Blick in den seines Gegenübers, Wut kochte in ihm hoch.

„Ich nehme an, du bist der Sohn vom alten Cornett“, entgegnete Grant sichtlich ungerührt, zog seine Hand zurück und fuhr sich mit dem Zeigefinger über seine vollen Lippen.

„Dann bist du es, der mir meinen Auftrag gestohlen hat.“ Jenson legte all die Verachtung in seine Stimme. „Ackerman war von meinem Konzept begeistert.“

Grant lachte auf und nippte an seinem Glas. „Du hattest vielleicht das bessere Konzept, aber ich hatte die besseren Argumente.“

„Sex und Alkohol meinst du. Bekommt ihr anders keine Kunden?“

„Nein, weder Sex noch Alkohol, sondern erfüllte Wünsche sind das Geheimnis. Würde er es lieben, kleinen Ziegen beim Kotzen zuzusehen, wäre ich mit ihm in den Zoo gegangen.“ Grant deutete in den Durchgang, hinter dem sich die Bar befand. „Sieh zu und lerne von den Besten.“

„Da sehe ich lieber Eis beim Schmelzen zu.“ Jensons wandte sich angewidert ab und ging, ohne sich noch einmal zu Grant umzudrehen.

Als die Zimmertür hinter ihm ins Schloss gefallen war, lehnte er sich dagegen und senkte seinen Hinterkopf gegen das Türblatt. Das Wummern des Basses drang noch immer bis zu ihm durch und ließ ihn vibrieren.

Er atmete tief durch und schleppte sich zum Lift. Dieser Abend war eindeutig anders verlaufen, als er es sich erhofft hatte. Und Schuld daran war ganz allein Grant Bingham.

Kapitel 3 – Jenson

Müde und deprimiert schleppte sich Jenson am nächsten Morgen ins Büro. Er hatte sein Handy ausgeschaltet, als er am Abend zuvor nach Hause gekommen war. Niedergeschlagen hatte er an dem Schreibtisch in seinem Wohnzimmer gesessen. Wieder und wieder hatte er durchgerechnet, wie lange sein Unternehmen noch durchhalten würde. Hatte die Zahlen von links nach rechts geschoben und war doch zu keinem anderen Ergebnis gelangt: Es blieben ihm allerhöchstens sechs Monate. Sechs Monate, in denen er einen oder besser noch mehrere Aufträge an Land ziehen musste. Sechsundzwanzig Wochen Gnadenfrist. Einhundertzweiundachtzig Tage, um das Ruder noch herumzureißen.

Diese Tatsache und das selbstzufriedene Grinsen von diesem Schnösel Grant Bingham hatten ihn wachgehalten und am Schlafen gehindert. Was hätte er ihm alles an den Kopf werfen sollen! Aber es war wie immer: Die besten Konter fielen ihm erst viel später ein. Und keiner davon würde ihm den Auftrag Ackermans zurückbringen.

 

„O mein Gott. Wie siehst du denn aus? Hast du gestern den Vertragsabschluss gefeiert?“ Florence saß an ihrem Schreibtisch, die Beine hatte sie auf der Tischplatte überschlagen und feilte an einem ihrer Fingernägel.

„Es gibt keinen Vertrag“, raunte Jenson, als er mit gesenktem Kopf an ihr vorbeilief, bevor er in seinem Büro verschwand und die Tür hinter sich zuwarf. Er stellte die Tasche mit dem Laptop auf den Schreibtisch, dann steuerte er die Couch an, auf die er sich kraftlos sinken ließ.

Es klopfte, fast gleichzeitig öffnete Florence die Tür. Sie betrat das Büro und schloss die Tür leise. „Nur, um sicherzugehen: Was genau heißt das – es gibt keinen Vertrag?“, fragte sie und stemmte die Hand in die Hüfte.

„Was ist daran nicht zu verstehen?“ Jenson hievte sich in eine aufrechte Position. „Was machst du überhaupt hier? Heute ist Samstag.“

„Ich wollte alles vorbereiten, damit wir am Montag direkt starten können. Also, was ist jetzt mit diesem Vertrag?“ Ihr bohrender Blick traf Jenson.

Nachdem er ihr seine Erlebnisse vom Vorabend geschildert hatte, strich sie sich über die Stirn und setzte sich neben ihn. „Bingham. Wer sonst?“, platzte es wütend aus ihr heraus und sie stieß schnaubend Luft aus ihren Lungen.

„Kennst du ihn?“

Florence nickte stumm, dann wiegte sie den Kopf hin und her. „Kennen wäre vielleicht zu viel gesagt. Aber er hat einen gewissen Ruf in der Stadt. Ich bin ihm erst ein- oder zweimal persönlich begegnet. Er ist wahnsinnig sexy und überaus charmant.“ Sie legte eine Hand auf ihre Brust. Ihr Blick bekam etwas Verträumtes, das nicht so recht zu ihren nächsten Worten passen wollte. „Aber auch ziemlich gerissen und skrupellos, wenn es ums Geschäft geht. Außerdem ist er als Frauenheld verschrien. Bei seinem Aussehen auch kein Wunder.“

„Stehst du etwa auf den Kerl?“, fragte Jenson verständnislos und bemühte sich, dabei einen angewiderten Tonfall anzuschlagen.

Florence blickte ihn fragend an. „Du etwa nicht? Jetzt mal abgesehen davon, dass er uns ausgebootet hat. Er ist ein testosterongepowerter Traum auf zwei Beinen.“

„Wer auf so etwas abfährt.“ Jenson verzog das Gesicht, wenngleich er Florence insgeheim sehr gut verstehen konnte. Grant Bingham war das Reizvollste, was ihm seit Langem begegnet war. Zumindest bis ihm klar geworden war, dass er ihm kühl lächelnd ein Messer in den Rücken gerammt hatte. „Was gibt es sonst noch über ihn zu berichten?“

Florence blickte triumphierend zu Jenson. „Also doch.“

„Quatsch. Ich habe nur das Gefühl, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich ihm über den Weg laufe, wenn wir in derselben Branche arbeiten. Das nächste Mal möchte ich vorbereitet sein.“ Jenson zog ein Bein hoch und legte das andere darüber. „Kenne deine Freunde gut, aber deine Feinde noch besser. Also – was weißt du über ihn?“

Florence wankte erneut den Kopf. „Nicht wirklich viel. Er stammt aus einer stinkreichen Familie und ist der jüngste von drei Geschwistern. Sein Großvater hat Bingham and Son’s gegründet. Der älteste Sohn der Binghams, Upton, starb vor etlichen Jahren bei einem Autounfall. Er leitete zusammen mit seinem Vater Montgomery Bingham die Firma. Nach seinem Tod stieg Grant mit ein. Aktionen, wie die von gestern, gab es unter Upton nicht. Er war genau wie sein Vater für seine eher konservative Weltanschauung bekannt.“

„Dafür, dass du ihn nicht so gut kennst, weißt du eine ganze Menge“, stellte Jenson fest.

„Man ist eben informiert.“ Florence zwinkerte ihm süffisant zu.

„Okay. So viel zu den beruflichen Fakten. Was weißt du über Grant sonst noch?“

„Wie schon gesagt, er ist ein Gigolo. Wenn er nicht gerade seinen Konkurrenten Aufträge wegschnappt, sieht man ihn auf Filmpremieren, in Klatschblättern oder in den Luxusresorts dieser Welt. Monaco, Aspen, Dubai. Da, wo sich die High Society trifft, ist er nicht weit.“

„Sonst noch was?“

„Wenn er dich ansieht, vergisst du einfach alles, und ich würde ihn wahnsinnig gerne mal durch die Kissen jagen.“

„Florence“, jammerte Jenson und lehnte sich weit zurück ins Sofa.

Sie räusperte sich. „Sorry, aber der Mann ist einfach Zucker. Wie die Kirsche auf der Torte.“ Sie kicherte wie ein verschämtes Schulmädchen auf und winkte ab. „Ach, was sage ich. Er ist die Zuckerperle auf dem Schokoklecks auf der Kirsche auf dem Sahnehäubchen der Torte.“ Ihre Augen starrten verträumt ins Leere.

„Was du da beschreibst, verursacht Karies und sorgt für Übergewicht.“ Jenson schüttelte widerwillig den Kopf.

„Stimmungskiller!“

„Realist!“ Laut ausatmend starrte er an die Decke. „Wir haben noch ein halbes Jahr. In dieser Zeit brauchen wir dringend einen größeren Auftrag.“ Sein Blick fiel auf Florence. „Sonst gehen hier für immer die Lichter aus.“

„Was hast du jetzt vor?“, fragte sie zaghaft.

„Das weiß ich noch nicht.“ Er lächelte aufmunternd und versuchte so, ihren sorgenvollen Blick einzufangen. „Weißt du was – du gehst jetzt nach Hause und genießt dein Wochenende. Am Montag sieht die Welt wieder anders aus.“

Zögerlich stand sie auf. „Ich kann auch bei dir bleiben.“

„Nein – geh nur. Ich muss nachdenken und das kann ich am besten, wenn ich allein bin.“ Jenson stemmte sich hoch, er umarmte sie, gab ihr einen Kuss auf die Wange und schob sie in Richtung Tür.

„Na gut, aber wenn was ist …“

„Rufe ich an. Versprochen. Bis Montag. Und lass die Finger von den Süßigkeiten.“

 

Nachdem sie gegangen war, setzte sich Jenson wieder auf die Couch und strich mit der Hand über das abgewetzte Leder. Es fühlte sich weich an. Eine Welle der Nostalgie schlug über ihm zusammen. Er dachte an seine Mutter und wie er sie als kleiner Junge immer hierher begleitet hatte. Schon damals hatte er auf dieser Couch gespielt.

Von draußen hörte er das Rauschen der vorbeifahrenden Autos und das Londoner Leben, das er eigentlich hinter sich hatte lassen wollen.

---ENDE DER LESEPROBE---