Trail durch die Hölle - Frank Callahan - E-Book

Trail durch die Hölle E-Book

Frank Callahan

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). »Sie kommt!« Die zahlreichen Menschen, die sich auf der Main Street der kleinen texanischen Stadt Hondo drängten, reckten die Hälse und starrten auf den Ranchwagen, der jetzt die ersten Häuser der Town erreichte. Auf dem Kutschbock saß eine Frau von ungefähr dreißig Jahren, die ein schwarzes, hochgeschlossenes Kleid trug. Kurze blonde Haare umrahmten ein ovales Gesicht, das einer starren Maske glich. Die blauen Augen waren unter den halbgeschlossenen Lidern fast verborgen. Die fest aufeinandergepreßten Lippen ähnelten einer schlecht verheilten Narbe. »Das hätte ich nicht gedacht, daß sich Mabel Kincaid in die Stadt wagt«, stieß eine ältere Frau hervor. »Sie sollte sich schämen!« Einige Männer und Frauen senkten die Köpfe und eilten schnell davon, andere verschwanden in den Nebengassen oder betraten schnell die Häuser. Innerhalb weniger Minuten war die Hauptstraße von Hondo wie leergefegt. Dumpf tackte der Hufschlag der beiden Pferde, die den Ranchwagen zogen. Staubschleier wehten und wurden nur träge vom leichten Wind zerfasert, der von den grünen Hügeln wehte, zwischen denen die kleine Stadt eingebettet lag. Jetzt straffte sich Mabel Kincaids schlanker Körper, während sich die Hände so fest um die Zügel krampften, daß die Knöchel hell zu schimmern begannen. Ein heiseres Stöhnen drang zwischen den Lippen hervor. Kurze Zeit später erreichte das Gefährt den Marktplatz der Ortschaft. Die beiden Vierbeiner blieben mit hängenden Köpfen stehen. Mabel Kincaid aber starrte auf das Galgengerüst, das dort aufgebaut war. Und die junge Frau sah auch den Mann, der dort am Galgen hing und dessen Körper vom Wind leicht bewegt wurde. Einige Krähen flogen krächzend davon.

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Die großen Western – 306 –

Trail durch die Hölle

Frank Callahan

»Sie kommt!«

Die zahlreichen Menschen, die sich auf der Main Street der kleinen texanischen Stadt Hondo drängten, reckten die Hälse und starrten auf den Ranchwagen, der jetzt die ersten Häuser der Town erreichte.

Auf dem Kutschbock saß eine Frau von ungefähr dreißig Jahren, die ein schwarzes, hochgeschlossenes Kleid trug. Kurze blonde Haare umrahmten ein ovales Gesicht, das einer starren Maske glich.

Die blauen Augen waren unter den halbgeschlossenen Lidern fast verborgen. Die fest aufeinandergepreßten Lippen ähnelten einer schlecht verheilten Narbe.

»Das hätte ich nicht gedacht, daß sich Mabel Kincaid in die Stadt wagt«, stieß eine ältere Frau hervor. »Sie sollte sich schämen!«

Einige Männer und Frauen senkten die Köpfe und eilten schnell davon, andere verschwanden in den Nebengassen oder betraten schnell die Häuser. Innerhalb weniger Minuten war die Hauptstraße von Hondo wie leergefegt.

Dumpf tackte der Hufschlag der beiden Pferde, die den Ranchwagen zogen. Staubschleier wehten und wurden nur träge vom leichten Wind zerfasert, der von den grünen Hügeln wehte, zwischen denen die kleine Stadt eingebettet lag.

Jetzt straffte sich Mabel Kincaids schlanker Körper, während sich die Hände so fest um die Zügel krampften, daß die Knöchel hell zu schimmern begannen.

Ein heiseres Stöhnen drang zwischen den Lippen hervor.

Kurze Zeit später erreichte das Gefährt den Marktplatz der Ortschaft. Die beiden Vierbeiner blieben mit hängenden Köpfen stehen.

Mabel Kincaid aber starrte auf das Galgengerüst, das dort aufgebaut war. Und die junge Frau sah auch den Mann, der dort am Galgen hing und dessen Körper vom Wind leicht bewegt wurde.

Einige Krähen flogen krächzend davon.

Mabel Kincaid saß wie erstarrt. Nur in den geweiteten Augen war noch ein Funken Leben.

Dann sackte ihr Oberkörper haltlos in sich zusammen. Ein qualvolles Schluchzen brach aus ihrer Kehle.

So saß die blondhaarige Frau lange Minuten auf dem Kutschbock des Ranchwagens und achtete nicht darauf, daß sie von vielen Augen heimlich beobachtet wurde.

»Tom«, hauchte sie dann. »Lieber Tom, was haben sie dir nur angetan? Diese Mörderbande hat dich umgebracht.«

Mabel stieg wie in Trance vom Wagen und wankte auf das Galgengerüst zu. Mehr als einmal schien es, als würde die Frau zusammenbrechen, doch sie erreichte die Stufen, die hoch zur Plattform führten.

Dort verhielt Mabel Kincaid und schloß die Augen. Ihr keuchender Atem erfüllte die Stille. Schwer hob und senkte sich der volle Busen unter dem schwarzen, enganliegenden Kleid.

Mabel Kincaid lehnte sich kraftlos gegen das Treppengeländer und starrte in die Höhe.

Sie sah in das verzerrte und entstellte Gesicht ihres toten Mannes. Wieder kroch ihr ein trockenes Schluchzen in die Kehle.

»Herr im Himmel, steh mir bei«, flüsterte sie. »Gib mir die Kraft, das alles durchzustehen. Ich muß Tom heimholen, sonst verscharrt ihn diese Mörderbande irgendwo.«

Die ganz in Schwarz gekleidete Frau zitterte und bebte am ganzen Körper, als sie den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte.

Sie hatte das Gefühl, Blei in den Beinen zu haben.

Schritte erklangen hinter Mabel Kincaid, die erschrocken zusammenzuckte, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.

»Ich erledige das, Mabel«, erklang eine heisere Stimme. »Ich hätte Tom auf jeden Fall raus zur Ranch gebracht. Bitte, geh zum Wagen!«

Mabel stand lange Sekunden regungslos, ehe sie sich abrupt umdrehte und so die Hand abstreifte. Sie blickte in das schmale Gesicht eines schon älteren Mannes, auf dessen Hemdbrust ein Sheriffstern funkelte.

»Scher dich zum Teufel, Steve Forrester!« drang es tonlos von Mabels Lippen. »Ich brauche deine Hilfe nicht.«

Der Gesetzeshüter zuckte hilflos mit den Schultern und senkte den Kopf, denn er konnte dem Blick seines Gegenübers nicht standhalten.

»Sei doch vernünftig, Mabel«, flüsterte Steve Forrester. »Ich konnte Tom nicht helfen, obwohl ich es gern getan hätte. Er wurde von den Geschworenen und dem Richter schuldig gesprochen und zum Tode durch den Strang verurteilt. Tom überfiel eine Bank und tötete dabei zwei Menschen. Das weißt du doch genauso gut wie ich. Er hatte große Schuld auf sich geladen und mußte dafür die gerechte Strafe erhalten. Du mußt den Tatsachen ins Gesicht sehen, auch wenn es dir noch so schwerfällt.«

Mabel Kincaid starrte den Sheriff von Hondo aus funkelnden Augen an.

»Mein Mann ist unschuldig, Forrester. Er wurde hereingelegt. Ich kenne Tom seit über zehn Jahren. Er war ein aufrechter Mann, der noch niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Er…«

Mabel Kincaids Stimme verstummte mit einem schrillen Ton. Ihr wurde klar, daß sie den Gesetzeshüter nicht mit Worten überzeugen konnte. Das war ihr auch vor Gericht nicht gelungen.

*

Sheriff Steve Forrester schob sich an Mabel Kincaid vorbei und stieg entschlossen die Treppenstufen empor. Er zog das Bowie-Messer aus der Scheide am Gürtel, schnitt den Gehängten los und fing ihn auf. Dann legte er den Toten über die Schulter und verließ das Galgenpodest.

Mabel lehnte erneut mit geschlossenen Augen gegen das Treppengeländer. Der Gesetzeshüter stiefelte schnell an ihr vorbei, erreichte den Ranchwagen und bettete den Leichnam ins Stroh.

Dann legte er eine Decke über den toten Rancher, der bei Sonnenaufgang gehängt worden war.

Sheriff Steve Forrester blickte zu Mabel Kincaid hinüber, die noch immer am Galgengerüst stand.

»Hell und devil!« fluchte der Sternträger. »Vor diesem Augenblick habe ich mich seit Tagen gefürchtet. Und nun fühle ich mich wirklich so mies, wie noch nie zuvor im Leben.«

Der Gesetzeshüter lief zu Mabel Kincaid hinüber, deren Körper sich nun straffte. Ohne Forrester eines Blickes zu würdigen, wankte sie an ihm vorbei und hatte Sekunden später große Schwierigkeiten, den Kutschbock hochzuklettern. Dort blieb sie zusammengekauert sitzen.

Dann aber griff Mabel nach den Zügeln und trieb die beiden Pferde an. Der Ranchwagen setzte sich rumpelnd und polternd in Bewegung. Die Frau umrundete die Richtstätte und fuhr in Richtung des Ortsausgangs davon.

Langsam traten die Einwohner von Hondo wieder auf die Straße und blickten dem Gefährt schweigend hinterher.

Zwei Stunden später verließ Mabel Kincaid die staubige Poststraße und bog in einen Feldweg ein. Es dauerte nicht lange, dann sah sie die Gebäude der kleinen Pferderanch vor sich auftauchen.

Scheunen, Ställe und Schuppen umringten ein geräumiges Blockhaus. In einem nahen Corral weideten über fünfzig erstklassige Pferde, die ihre Artgenossen vor dem Ranchwagen mit lautem Wiehern begrüßten.

Zwei Jungen, im Alter von ungefähr neun und sieben Jahren, verließen das kleine Ranchhaus. Mabel sprang schnell vom Kutschbock und trat ihren beiden Söhnen entgegen.

Sie umarmte Johnny und Tommy und konnte nur mit Mühe die aufsteigenden Tränen zurückhalten. Sie fühlte ein Würgen in der Kehle, das ihr den Atem nahm. Ihr Herz hämmerte in wildem Stakkato in der Brust.

»Geht wieder ins Haus zurück!« würgte Mabel Kincaid mühsam hervor. »Bitte, Kinder.«

»Ist… ist… Vater… tot?« stammelte der neunjährige Johnny und kämpfte gegen die Tränen an, als seine Mutter nickte.

»Vater ist im Himmel. Ihm geht es gut. Ihr solltet für ihn beten. Nimm deinen Bruder mit.«

Johnny Kincaid griff nach der Hand des jüngeren Tommy, dessen Mundwinkel zuckten. Gemeinsam liefen sie zum Ranchhaus hinüber, in dem sie kurze Zeit später verschwanden.

Mabels schlanker Körper straffte sich, nachdem sie sich die Tränen von den Wangen gewischt hatte. Dann trat sie auf den Wagen zu und blickte auf den in die Decke eingewickelten Leichnam ihres Mannes.

Wieder hatte Mabel Kincaid das Gefühl, als würde sich ein eherner Ring um ihre Brust legen und sich gnadenlos zusammenziehen. Sie rang nach Atem und glaubte für einen Herzschlag lang, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen, aus dem es kein Entrinnen mehr gab.

Dann aber fing sie sich wieder und lief zum Schuppen hinüber, um dort einen Spaten zu holen. In diesem Moment vernahm sie tackendes Hufgetrappel, das sich rasch näherte.

Ein Reiter tauchte am Taleingang auf, der zielstrebig auf die Ranchgebäude zuhielt.

Mabel blieb unentschlossen stehen, ehe sie zum Blockhaus eilte, es betrat und Sekunden später mit einer Schrotflinte das Gebäude wieder verließ. Sie richtete die doppelläufige Parker Gun auf den näherkommenden Reiter, der es jetzt langsamer angehen ließ und schließlich im Schritt heranritt.

Mabels Augen weiteten sich plötzlich, als sie erkannte, wer sich ihr näherte.

Sie lehnte die Flinte gegen die Hüttenwand und trat dem großgewachsenen und schlanken Mann langsam entgegen, der aus dem Sattel des prächtigen Rapphengstes gesprungen war.

»Burt«, murmelte sie. »Burt Cammeron. Da bist du endlich – und doch bist du zu spät gekommen. Du bist meine einzige Hoffnung gewesen. Nur du hättest Tom retten können. Nun ist es zu spät!«

Burt Cammeron war stehengeblieben, und ihm waren die leisen Worte der blondhaarigen Frau nicht entgangen. Er blickte zum Ranchwagen hinüber und senkte dann voller Resignation den Kopf, als er den eingewickelten Körper auf dem Gefährt liegen sah.

»Zu spät«, stieß Burt hervor. »Ich bin seit Tagen unterwegs und habe weder mich noch mein Pferd geschont. O, ich…«

Burt Cammerons Hände ballten sich zu Fäusten. Der kurzgestutzte Oberlippenbart, der dem schmalen Gesicht einen Hauch von Verwegenheit gab, schien sich zu sträuben.

»Es tut mir so leid, Mabel«, flüsterte Burt dann. »Ich… ich… kann es einfach… nicht fassen.«

Er trat auf Mabel Kincaid zu, schloß sie in seine Arme und strich ihr tröstend durch die blonde Lockenpracht.

Dann schob er Mabel sachte zurück.

»Geh ins Haus! Ich begrabe Tom, denn das bin ich ihm schuldig. Ich hole dich später. Und danach unterhalten wir uns in aller Ruhe über all die schrecklichen Dinge, die geschehen sind.«

Mabel nickte, wandte sich ab und wankte auf die Blockhütte zu. Burt Cammeron aber stiefelte zum Wagen und hob den toten Freund aus dem Gefährt. Er bettete ihn auf den Boden.

Dann holte er einen Spaten und ging zu einer riesigen Eiche hinüber, in deren Schatten bereits ein Grabhügel zu erkennen war.

*

Burt Cammeron drehte den Kopf, als er leise Schritte hinter sich hörte, und ließ den Spaten sinken. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, und das Hemd klebte am muskulösen Oberkörper.’

Mabel Kincaid blieb vor der Grube stehen und starrte in die Tiefe. Sie sah die Holzkiste, die Burt vor wenigen Minuten gezimmert hatte und in der nun ihr toter Mann lag.

Die blondhaarige Frau seufzte tief und griff sich an die Kehle.

Für einen Herzschlag lang schwankte sie, und es sah so aus, als würde sie in die dunkel gähnende Graböffnung stürzen.

Dann aber fing sich Mabel wieder.

Burts Hand war nach vorn gezuckt, doch dann wich der großgewachsene Mann wieder zurück.

»Ich hätte dich in wenigen Minuten geholt, Mabel«, sagte Cammeron kehlig. »Es ist alles vorbereitet. Du solltest deine Kinder holen, damit wir gemeinsam Abschied von Tom nehmen können.«

»Ich habe Johnny und Tommy nicht die schreckliche Wahrheit gesagt«, flüsterte Mabel Kincaid. »Sie nehmen an, daß ihr Vater einen Unfall erlitten hat und an den schweren Verletzungen gestorben ist. Ich… ich…«

Burt Cammeron legte Mabel eine Hand auf die Schulter.

»Schon gut. Später wirst du ihnen alles erklären. Ich will alles tun, um dir dabei zu helfen. Leider erreichte mich dein Brief zu spät, um Tom zu helfen. Ich hätte alles getan, um meinen besten Freund herauszupauken. Im Notfall hätte ich ihn sogar mit Gewalt aus dem Gefängnis befreit. Doch nun bin ich zu spät gekommen. Ich weiß nicht, ob ich mir das jemals verzeihen kann.«

»Es ist nicht deine Schuld, daß du zu spät gekommen bist, Burt«, murmelte Mabel. »Ich hätte dir früher schreiben müssen, doch ich hoffte lange Zeit, daß Tom ganz schnell wieder freikommen und sich das alles als ein schrecklicher Irrtum herausstellen würde.«

»Es tut mir wirklich so leid«, antwortete Burt Cammeron. »Tom würde niemals zum Mörder werden. Dazu kannte ich ihn zu gut, obwohl sich unsere Wege vor ungefähr zehn Jahren trennten.«

Mabel Kincaid nickte und winkte zum Ranchhaus hinüber, vor dem ihre beiden Söhne standen. Johnny und Tommy näherten sich zögernd und schmiegten sich dann fest gegen ihre Mutter.

Mabel Kincaid sprach mit bebender Stimme ein Gebet. Burt Cammeron stand barhäuptig und mit gesenktem Kopf vor dem Grab und dachte an den toten Freund, der da unten in der dunklen Öffnung lag.

»Du solltest mit den Kindern ins Haus zurückgehen, während ich das Grab zuschaufele«, sagte Burt nach einigen Minuten.

Mabel lief mit den Kindern zum Blockhaus hinüber, nachdem sie Burt Cammeron zugenickt hatte.

Burt schloß die Graböffnung und betrat kurze Zeit später ebenfalls das Ranchhaus. Kaffeeduft wehte ihm entgegen.

»Nimm Platz!« sagte Mabel. »Ich habe dir ein Frühstück bereitet, denn du wirst bestimmt hungrig und durstig sein.«

Burt schluckte schwer und fuhr mit dem Handrücken über den tagealten Stoppelbart, der Kinn und Wangen bedeckte.

»Du mußt etwas essen«, fuhr Mabel Kincaid fort. »Das Leben geht weiter, obwohl…«

Ihre Stimme verstummte.

»Wie konnte das geschehen?« fragte Burt Cammeron. »Dein Brief war sehr knapp. Ich erfuhr eigentlich nur, daß Tom Hilfe braucht und er sich in Lebensgefahr befindet.«

»Du sollst alles wissen, Burt«, sagte Mabel und schenkte einen Becher mit schwarzer Kaffeebrühe voll. »In den letzten Jahren ist es uns nicht besonders gutgegangen. Daran traf Tom keine Schuld. Er rackerte sich ab und schuftete wie ein Wilder, um uns über die Runden zu bringen. Eine Pferdeseuche setzte uns schwer zu. Es schlugen mehrmals Pferdediebe zu, die immer wieder kostbare Tiere stahlen. Dann wurde Tom aus dem Hinterhalt angeschossen. Es dauerte viele Monate, bis er wieder auf dem Posten war. Wir konnten die fälligen Kredite nicht zurückzahlen. Alles drohte uns über den Kopf zu wachsen. Es war eine schlimme Zeit. Wir wußten in den letzten Monaten nicht mehr ein noch aus. Uns verblieb insgesamt nur noch die kleine Herde, die du draußen im Corral gesehen hast. Die übrigen Vierbeiner wurden von der Bank weit unter Wert versteigert.«

Mabel Kincaid seufzte tief.

»Wir waren so ziemlich am Ende. Tom gab aber nicht auf. Er krempelte die Arme hoch und wollte die Pferdeherde verkaufen, doch da alle Abnehmer wußten, daß er auf die Dollars angewiesen war, boten sie niedrige Preise.«

Burt Cammeron nickte. Komplotte dieser Art kannte er zur Genüge. Nicht selten nutzten hartgesottene Geschäftemacher die Not ihrer Mitmenschen aus, um noch mehr abzukassieren.

»Vor vier Wochen wurde die Bank überfallen. Tom hielt sich einige Stunden davor in der Stadt auf und versuchte vergeblich, einen neuen Kredit von der Bank zu bekommen. Er trank wohl einige Whiskys zuviel und verließ die Stadt. Unterwegs wurde auf ihn geschossen. Er stürzte vom Pferderücken und blieb bewußtlos liegen.«

Mabel schloß die Augen. Die Erinnerung an die vergangenen Tage und Wochen huschten an ihrem geistigen Auge vorbei. Und es war nichts Erfreuliches, was ihr durch den Sinn ging.

»Eine Stunde später wurde Tom von Steve Forrester, dem Sheriff von Hondo, verhaftet. Der Gesetzeshüter hatte mit einem Aufgebot die Fährte des geflüchteten Bankräubers bis zu der Stelle verfolgt, an der mein Mann lag. In den Satteltaschen fand der Sternträger die Beute von fünftausend Dollar und auch die schwarze Gesichtsmakse. Außerdem war der Bankräuber auf der Flucht verwundet worden. Tom wies ebenfalls eine Schußwunde auf. Alles sprach gegen ihn. Er beteuerte bis zuletzt seine Unschuld, doch weder die Geschworenen noch der Richter glaubten ihm. So wurde er zum Tode verurteilt.«

Mabels Lippen bebten. Sie stützte den Kopf schwer in die Hände und starrte auf die Tischplatte.

»Du glaubst, daß Tom hereingelegt wurde, daß dies alles nichts anderes als ein hinterhältiger Plan gewesen ist, um ihn auszuschalten – nicht wahr?« fragte Burt Cammeron.

»Davon bin ich überzeugt«, antwortete Mabel. »Tom war jemandem im Weg, der ihn auf diese heimtückische Art und Weise aus dem Weg räumte. Es gab aber keine Beweise. Das Gericht schloß die Möglichkeit aus und hielt das alles nur für Ausflüchte. Tom stand auf verlorenem Posten, obwohl sein Verteidiger alles nur Menschenmögliche tat, um ihm zu helfen.«

Burt Cammeron setzte den leeren Becher klirrend auf den Tisch zurück und schüttelte nachdenklich den Kopf.