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Coachs müssen sich ständig in ihrem Beruf beweisen. Nicht nur auf dem freien Markt, sondern auch, wenn sie in den Coaching-Pools der großen Konzerne gelistet sind, denn nicht selten erhält der Coachee von der Wer als Coach einen Auftrag erhalten will, sollte bereits im ersten Kennenlern-Gespräch eine gewisse Bedeutsamkeit aufbauen. Der Coachee sollte merken, dass man zu einer treffsicheren Einschätzung seiner Situation imstande ist und ihm schon einige neue Blickwinkel anbieten kann. Die Transaktionsanalyse bietet hier ausgezeichnete Tools, um frühzeitig zu verstehen, was eigentlich los ist und darauf aufbauend gezielte Fragen zu stellen. Der Coachee fasst rasch Vertrauen, wenn er spürt, dass da jemand nicht einfach im Nebel herumstochert, sondern ihn versteht und offenbar weiß, was er tut. Dieses Werk stellt Ihnen zahlreiche Möglichkeiten der praktischen Anwendung des Modells vor.
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Seitenzahl: 418
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Ulrich Dehner, Renate Dehner
Transaktionsanalyse im Coaching
Coachings professionalisieren mit Konzepten, Modellen und
Techniken aus der Transaktionsanalyse
© 2013 managerSeminare Verlags GmbH
5. Auflage 2023
Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn
Tel: 0228-977910
www.managerseminare.de/shop
Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Sollten wir jemanden übersehen haben, so bitten wir den Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten.
ISBN: 978-3-98856-127-5
Herausgeber der Edition Training aktuell:
Ralf Muskatewitz, Jürgen Graf, Nicole Bußmann
Lektorat: Jürgen Graf, Vera Sleeking
Cover: © OJO Images
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
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Cover
Impressum
Einleitung
1. Die Ich-Zustände
Das Konzept der Ich-Zustände
Das Strukturmodell der Ich-Zustände
Das funktionale Modell der Ich-Zustände
Die inneren Haltungen in den Ich-Zuständen
Das Energie-Modell der Transaktionsanalyse
Transaktionen – die drei Regeln der Kommunikation
Parallele Transaktionen
Gekreuzte Transaktionen
Verdeckte Transaktionen
Tangentiale Transaktionen
Die Prozessgestaltung unter Berücksichtigung der Ich-Zustände und der Transaktionen
Das „Wie“ ist immer stärker als das „Was“
Ich-Zustände stärken
Mit Extrem-Training Handlungsspielräume erweitern
Das Egogramm
Klassische Egogramme
– Die „Normalverteilung”
– Der „Radfahrer”
– Der „Rabiate”
– Der „ZDF-Typ”
Egogramm und Job-Wahl
Das Psychogramm
II. Der Bezugsrahmen
Das Modell des Bezugsrahmens
Glaubenssätze
Werte
Interventionen auf Ebene des Bezugsrahmens
Das Problem umdefinieren
Reframing
Für Verwirrung sorgen
Die 180-Grad-Wende
Unangenehme Konsequenzen ableiten
Gezielte Provokation
III. Skript
Grundlegendes zum Skript
Skript kann mehr als eine Ursache haben
Die Einschärfungen
Sei nicht
Sei nicht du
Fühl nicht
Zeig keinen Ärger
Sei nicht wichtig
Sei nicht erfolgreich
Die Check-your-Mind-Methode im Umgang mit Einschärfungen
Der „innere Erfolgsfilm“ als mentales Training
Sei kein Kind
Werd nicht erwachsen
Denk nicht
Sei nicht nah
Gehör nicht dazu
Sei nicht gesund
Die Antreiber
Sei perfekt
Mach’s anderen Recht – Sei gefällig
Streng dich an
Sei stark
Beeil dich
IntrovisionCoaching
Die Theorie hinter den Alarmen
Wie gehen Menschen üblicherweise mit Alarmen um?
Wie können Alarme gelöscht werden?
Wie IntrovisionCoaching wirkt – Ein Praxisbeispiel
IV. Psychologische Spiele
Zum Wesen Psychologischer Spiele
Die Spielformel
Die Eskalationsstufen bei Psychologischen Spielen
Das Drama-Dreieck
Ich bin nicht o.k. und du bist es auch nicht – die Grundhaltungen im Spiel
Spiele und das Egogramm
Psychologische Spiele im Coaching
Spiele des Klienten
Spiele, die der Coach spielt
Spiele am Arbeitsplatz des Klienten
Coaching als Teil des Spiels
Der Ausstieg aus den Rollen
Zum Schluss
Anhang
– Antreiberfragebogen
– Übung Ich-Zustände
– Gameplan nach Frank Ernst
Stichwortverzeichnis
Das Know-how der Transaktionsanalyse bietet dem Coach einen echten Wettbewerbsvorteil.
Die Transaktionsanalyse stellt ein hervorragendes Grundgerüst psychologischen Wissens dar, auf dem jeder Coach ein Coaching sicher aufbauen kann. Wer über das verfügen kann, was die Transaktionsanalyse zu bieten hat, hat eine ganz wesentliche Fähigkeit gewonnen: Er kann seinem potenziellen Klienten schon beim ersten Kennenlernen deutlich machen, dass er sein Handwerk beherrscht. Denn die Modelle der Transaktionsanalyse zu Persönlichkeit und Kommunikation ermöglichen ihm, schnell die richtigen Fragen zu stellen und nicht irgendwie und irgendwo herumzustochern, sondern den Kern zu treffen. Das versetzt ihn in die Lage, sich aus der Masse der anderen Coachs hervorzuheben – ein wichtiger Wettbewerbsvorteil!
Das Angebot an Coachs ist groß. Es gibt sehr viele freiberufliche und eine ganze Reihe innerbetrieblicher Coachs. Große Unternehmen verfügen über jeweils eigene Coaching-Pools. So können jedem Mitarbeiter, der gecoacht werden soll, zwei oder drei geeignete Coachs vorgestellt werden, zwischen denen der Klient wählen kann. Diese Coaching-Pools sind von den Personalabteilungen sorgfältig zusammengestellt. Ein Coach, der seine Kompetenz nicht unter Beweis stellen kann, findet für gewöhnlich gar nicht erst den Weg dorthin bzw. da hinein. Auch die Aufgabe, eine Vor-Auswahl an passenden Coachs zu treffen, wird von den Personalentwicklern sehr gut gelöst. Sie sind inzwischen gut ausgebildet für diese Aufgabe und haben in der Regel ein gutes Gespür dafür, welcher Coach für welchen Klienten der Richtige sein könnte, sowohl was die Persönlichkeit als auch was die zu behandelnden Inhalte betrifft.
Ein Coach muss seine Kompetenz schon im ersten Gespräch unter Beweis stellen können.
So werden in der Regel drei gute Coachs Vorgespräche mit einem zukünftigen Klienten führen, von denen jedoch nur einer den Auftrag erhalten wird. Die Aufgabe für den Coach lautet daher: Um seine wertvolle Arbeitszeit – die ja seine Lebensgrundlage darstellt – nicht immer wieder mit letztlich fruchtlosen Vorgesprächen zu verbringen, ist es für ihn äußerst wichtig, in dieser kurzen Phase des Kennenlernens zu erreichen, dass der Klient sich für ihn entscheidet. Leichter gesagt als getan, schließlich sind seine Konkurrenten ebenfalls gute Leute, die kompetent und erfahren sind. Dass die Entscheidung zu seinen Gunsten ausgeht, gelingt ihm nur, wenn er innerhalb der kurzen Zeit eines Vorgesprächs für den Klienten bedeutsam wird. Und bedeutsam heißt in diesem Zusammenhang, dass der Klient ihm zutraut, ihn richtig zu verstehen und zur Lösung seines Problems fähig zu sein.
Wie lässt sich das erreichen? Üblicherweise wird sich der Coach einen ersten Überblick über das Problem des Klienten verschaffen. Er wird etwas über sich und seinen beruflichen Hintergrund erzählen und außerdem vermutlich auch etwas über sein Coaching-Verständnis sagen. Das Wichtigste jedoch wird sein, erste wirklich gute Fragen zu stellen oder erste neue Sichtweisen aufzuzeigen, die das Problem für den Klienten in einen anderen Blickwinkel stellen. Wenn der Klient etwas hört, das ihm bis jetzt noch kein anderer gesagt hat, etwas, das ein anderes Licht auf seine Schwierigkeit wirft, ihn zum Nachdenken bringt oder ein Aha-Erlebnis auslöst, wird sein Interesse an diesem Coach schlagartig wachsen.
Aber auch, wenn ein Klient nicht auf Empfehlung der Personalabteilung, sondern auf eigene Initiative einen Termin mit einem Coach vereinbart, ist es ein schlechter Start für das Coaching, wenn der Klient nach dem Gespräch zur Auftragsklärung mit dem Gefühl nach Hause geht, dass das zwar jetzt eine angenehme und interessante Unterhaltung war, sie sich aber nicht wesentlich von einem guten Gespräch zwischen Freunden oder Kollegen unterschieden hat. Ein Coach sollte also am besten schon bei der Auftragsklärung Bedeutsamkeit gewinnen – zum Beispiel, indem er Fragen stellt, die dem Klienten zeigen, dass ihm jemand gegenübersitzt, der zu einem tiefen Verständnis seines Problems imstande ist. Diese Fähigkeit – und damit seine Bedeutsamkeit für den Klienten – kann der Coach auch unter Beweis stellen, wenn er das Problem von einer ganz anderen Seite her betrachtet oder es überhaupt ganz neu definiert und diese neue Sicht oder Definition zu seiner Lösbarkeit beiträgt.
Hierfür benötigt der Coach das richtige Hintergrundwissen. Hintergrundwissen, das es ihm ermöglicht, sehr schnell grob einschätzen zu können, was die Ursachen für das Problem des Klienten sind, und das ihm unter Umständen auch erlaubt, das Problem völlig neu zu definieren. Mit diesem Wissen gelingt es ihm auch, Fragen zu stellen, die den Klienten verblüffen, weil sie ihm bisher noch von niemandem gestellt wurden, die ihn aber zu neuen Denkansätzen führen. Ein Coach, der mehr ins Blaue hinein fragt, weil er mangels geeigneter Hypothesen gar nicht weiß, wonach genau er fragen soll, wird im Vergleich dazu immer als „schwächer“ wahrgenommen werden.
Die Transaktionsanalyse ermöglicht es, vernünftige Hypothesen zu bilden, um schnell die richtigen Fragen zu stellen.
Bei der Suche nach Modellen, die das leisten können – dem Coach das Rüstzeug in die Hand zu geben, in kurzer Zeit vernünftige, belastbare Hypothesen zu bilden, anhand derer er seine Fragen gezielt stellen kann –, landet man schnell bei der Transaktionsanalyse. Nach über 20 Jahren Erfahrung im Coaching und nach Auseinandersetzung mit und Ausbildung in vielen verschiedenen Schulen (Systemische Firmenberatung, Ressourcenorientierte Ansätze nach Erickson, NLP und noch einiges mehr) ist die Transaktionsanalyse in unseren Augen ein hervorragendes und eigentlich unverzichtbares Werkzeug im Coaching. Denn mit ihrer Hilfe erhält der Coach sehr schnell eine Idee, um was es bei diesem Klienten geht, und er kann sich daraus leicht ableiten, wie der Klient mit seinem Problem umgeht und wie er sich vermutlich in anderen Situationen verhält. Hat er dem Klienten schon treffend geschildert, wie sich bestimmte Situationen bei ihm abspielen – im Team, in Konflikten oder in seinem Privatleben –, noch bevor der Klient diese überhaupt erwähnt hat, muss der Coach nicht mehr viel Überzeugungsarbeit leisten, um seine Kompetenz unter Beweis zu stellen.
Mit der Transaktions- zur Problemanalyse.
Mit der Transaktionsanalyse hat man ein Instrument an der Hand, das es erlaubt, eine schnelle Problemanalyse durchzuführen – ein wichtiger Faktor besonders dann, wenn dem Klienten nur fünf oder sechs Coaching-Sitzungen genehmigt wurden. Je schneller der Coach in diesem Fall eine brauchbare Diagnose zur Verfügung hat, desto frühzeitiger kann er intervenieren, um zu einer Lösung zu kommen.
Versteht der Klient die Gründe für sein Verhalten, kann er aus stetig wiederkehrenden Verhaltenskreisläufen ausbrechen.
Ein weiterer Vorteil der Transaktionsanalyse ist, dass sie die Möglichkeit bietet, recht schnell und schlüssig lebensgeschichtliche Zusammenhänge herzustellen. Wenn der Klient erkennt, welche Zusammenhänge es zwischen früher gemachten Erfahrungen und seinen jetzigen Schwierigkeiten gibt, bewirkt das für gewöhnlich eine Klärung, die zur Problemlösung beiträgt. Dieser Punkt ist besonders in Fällen wichtig, in denen der Klient sein eigenes Verhalten überhaupt nicht versteht und seine Situation dadurch verschärft, dass er sich selbst negativ zensiert: „Wie kann man nur so idiotisch sein, immer wieder den gleichen Fehler zu machen!“ oder „Ich kenne mich selbst nicht mehr – hinterher könnte ich mich jedes Mal ohrfeigen, aber es passiert mir immer wieder!“ Sobald der Klient aus seiner Lebensgeschichte heraus verstehen kann, wie dieses Verhaltensmuster entstanden ist – und dass es eine Zeit gab, in der dieses Verhalten sinnvoll und möglicherweise überlebenswichtig war –, hat er sehr viel bessere Zugangswege, sein Verhalten zu verändern.
Transaktionsanalyse und systemische Ansätze.
Systemische Ansätze, die zweifellos hervorragende Tools liefern, wenn das Problem systemischer Natur ist, haben gegenüber der Transaktionsanalyse den Nachteil, dass sie kein so leicht nachvollziehbares und „stimmiges“ Persönlichkeitsmodell besitzen wie diese. Dass systemische Ansätze trotzdem so große Wertschätzung erfahren, mag auch damit zu tun haben, dass Unternehmen sich bereits mit Umorganisationen und Change-Prozessen beschäftigt haben, noch bevor Business-Coaching überhaupt ein Thema wurde. In diesen Fällen bieten systemische Ansätze mit Sicherheit die besten Denkmodelle, die auch zu den besten Ergebnissen führen. Systemischen Ansätzen traut man zu, neue interessante Sichtweisen zu generieren und gute Veränderungsprozesse in Gang zu setzen – weshalb sie einen großen Vertrauensvorschuss in den Firmen besitzen. Macht man als Coach eine rein systemische Ausbildung, fehlt jedoch ein wichtiger Aspekt: das System Mensch. Wenn das Problem, um das es im Coaching geht, nicht systembedingt ist, sondern am „Subsystem Mensch“ hängt, kommt man mit systemischen Ansätzen alleine nicht weiter.
Werden Probleme maßgeblich vom Individuum hervorgerufen, helfen systemische Ansätze alleine nicht weiter.
Ist ein Problem in einem Team oder einer Abteilung schlagartig behoben, nachdem die Führungskraft ausgetauscht wurde, aber erlebt der alte Chef in seinem neuen Team wieder ganz ähnliche Schwierigkeiten, ist die Ursache ganz sicher nicht systemisch. Dann ist die Ursache darin zu suchen, dass der Mensch an einer Hürde steht, die er offenbar nicht bewältigen kann. Für diese gar nicht seltenen Fälle braucht der Coach ein Modell, das erklärt, was mit diesem Menschen los ist. Warum und auf welche Weise steht diese Person sich selbst im Weg? Auf genau diese Frage liefert keine andere Schule bessere Antworten als die Transaktionsanalyse, denn sie erfasst das „System Mensch“ so stimmig und profund, dass man mit ihrer Hilfe schon mit wenigen Informationen brauchbare Hinweise darauf bekommt, „wo der Hund begraben liegt“. Ein Klient, der bereits während des Kennenlerngesprächs merkt, dass der Coach nicht im Nebel stochert, sondern genau weiß, wonach er fragen muss, wird großes Interesse daran haben, mit diesem weiter zusammenzuarbeiten.
Eine Anmerkung vorab: Um den Lesefluss nicht unnötig zu erschweren, sprechen wir in diesem Buch durchgehend vom „Coach”. Wir betrachten diesen Begriff als geschlechtsneutral, angesprochen sind selbstverständlich immer weibliche wie männliche Coachs.
Im ersten Kapitel lesen Sie:
Das Konzept der Ich-Zustände: Wie stellen sich die sogenannten Ich-Zustände dar und was lässt sich daraus über das allgemeine Verhalten schließen? Was bedeutet es, wenn ein Ich-Zustand zu stark oder zu wenig vertreten ist? Welche belastbaren Aussagen lassen sich aus den Ich-Zuständen ableiten und wie kann der Coach von Beginn an mit diesem Konzept arbeiten?
Das Energie-Modell der Transaktionsanalyse: Was sorgt dafür, dass ein bestimmter Ich-Zustand anspringt – oder nicht?
Transaktionen – die drei Regeln der Kommunikation: Wie funktioniert Kommunikation und wann führt sie zu Problemen? Die Kenntnis wichtiger Kommunikationsregeln hilft dem Klienten, seinen Problemen beizukommen.
Die Prozessgestaltung unter Berücksichtigung der Ich-Zustände und der Transaktionen: Warum für die Gestaltung des Prozesses die Beziehung zwischen Coach und Klient entscheidend ist.
Ich-Zustände stärken: Wie lassen sich dringend benötigte, aber vernachlässigte Ich-Zustände nachhaltig stimulieren? Rollenspiele und Extrem-Trainings als Möglichkeiten.
Das Egogramm: Intuitiv, aber sehr treffgenau das individuelle Zusammenspiel der Ich-Zustände visualisieren, um zu „sehen“, wie sich jemand gegenüber seiner Umwelt verhält. Klassische Egogramme, die in Coachings immer wieder auftauchen, und wie mit ihnen gearbeitet werden kann.
Das Psychogramm: Das Psychogramm als Spiegel des Egogramms, um mit dem inneren Verhalten des Klienten zu arbeiten.
Das Konzept der Ich-Zustände – schnell die Art der Persönlichkeit des Gegenübers erkennen.
Wer sich zu einem Coaching entschließt, hat zunächst einmal den vordringlichen Wunsch, verstanden zu werden – am besten von jemandem, der ihm helfen kann, sich selbst zu verstehen. Oft ist ja genau das die erste Frage, die ein Klient sich innerlich stellt: „Was ist eigentlich mit mir los? Wieso bin ich in dieser Situation? Warum komme ich nicht weiter?“ Und auch, wenn ein Klient „geschickt“ wurde und ihm vielleicht zunächst sowohl die Einsicht als auch die Motivation für das Coaching fehlen, wird sich sein Interesse regen, wenn er merkt, da sitzt ihm jemand gegenüber, der ihn versteht. Deshalb ist es für einen gelungenen Einstieg ins Coaching von Vorteil, wenn sich der Coach relativ schnell eine Orientierung darüber verschaffen kann, welcher Art die Persönlichkeit seines Gegenübers wohl ist.
Schon bei der Begrüßung zeigen sich typische Muster, die über bevorzugte Ich-Zustände des Klienten aufklären.
Dafür bietet sich das Konzept der Ich-Zustände aus der Transaktionsanalyse als nützliches Werkzeug an, denn es erlaubt dem Coach praktisch von der ersten Begegnung an, tragfähige Hypothesen darüber zu bilden, wie sein Gegenüber gestrickt ist – und das beginnt schon mit der Art der Begrüßung. Wird der Coach eher freundlich-sachlich empfangen? Eher etwas ängstlich und unsicher? Oder lässt der Klient von Beginn an erkennen, dass er es gewohnt ist, derjenige zu sein, der das Kommando hat? Meist kann ein Coach schon an der Begrüßung erkennen, welches der bevorzugte Ich-Zustand des Klienten ist. Denn in einer ungewohnten Situation, wie es das erste Zusammentreffen mit einem Coach zweifellos darstellt, greift jeder für gewöhnlich auf das Muster zurück, das er am besten kennt.
Die Theorie der Ich-Zustände beruht auf konkreten Beobachtungen, nicht auf theoretischen Annahmen.
Die Theorie der Ich-Zustände bildet die Grundlage für das Persönlichkeitsmodell der Transaktionsanalyse, das in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Eric Berne entwickelt wurde. Es beruht im Wesentlichen auf seiner genauen Beobachtung menschlichen Verhaltens und bringt damit auch den großen Vorteil dieses Modells auf den Punkt: Es basiert eben nicht auf theoretischen oder philosophischen Annahmen darüber, wie der Mensch funktioniert und was menschliche Persönlichkeit ausmacht, sondern es gründet sich darauf, dass Berne als scharfer Beobachter genau registrierte, was er wahrnahm. Als Psychiater war es Eric Bernes Spezialität gewesen, menschliches Verhalten genau unter die Lupe zu nehmen. Diese ganz konkreten Verhaltensbeobachtungen brachte er anschließend in ein stimmiges und funktionierendes System. Die einfachen Konzepte, die er dabei entwickelte, erwiesen sich als sehr geeignet, um menschliches Verhalten zu verstehen und zu verändern.
In bestimmten Situationen kann das „Erwachsene Ich“ in ein „Kindliches Ich” zurückfallen – oder sich wie ein „Eltern-Ich” verhalten.
Berne erkannte, dass auch das erwachsene Ich in einen kindlichen Zustand zurückfallen kann, dass es sich aber auch wie eine Elternfigur verhalten kann, je nachdem, welchen Reizen es ausgesetzt ist oder was die Situation erfordert. Dass Menschen sich ganz in ihre Kindheit zurückversetzt fühlen können, im nächsten Moment aber auch wieder eine Elternrolle einnehmen, in der sie fürsorglich oder autoritär handeln, um noch einen Moment später sachlich und logisch ein Problem in Angriff zu nehmen, hat Berne zu der Idee geführt, dass es offenbar verschiedene Zustände des „Ichs“ gibt.
Unterstützt wurden Bernes detaillierte Beobachtungen und Analysen durch die seinerzeit einen Aufschwung nehmenden Hirnforschungen. Damals wurden Experimente unternommen, bei denen bestimmte Hirnareale am Großhirn der Probanden durch leichte elektrische Reize stimuliert wurden. Dabei wurde festgestellt, dass dadurch zum Beispiel ein Wiedererleben der Kindheit in Gang gesetzt werden konnte.
Berne hat dieses Modell der drei Ich-Zustände „Strukturmodell“ genannt (siehe Abb. 1). Er ging davon aus, dass mit zunehmendem Fortschritt in der Hirnforschung tatsächlich entsprechende Areale im Gehirn lokalisiert werden könnten. Sie sollten ganz konkret dem jeweiligen Ich-Zustand zugeordnet werden können – so, wie das schon ansatzweise durch das plastische Wiedererleben von Kindheitserinnerungen in Experimenten passiert war. Berne glaubte also tatsächlich an im Gehirn vorhandene Strukturen, die die jeweiligen Erfahrungen gespeichert hatten. Diese strukturellen Äquivalente zu den Ich-Zuständen sind allerdings bis jetzt nicht nachgewiesen worden.
Abb. 1: Das Strukturmodell der Ich-Zustände
Die Ich-Zustände können nicht bestimmten Hirnarealen zugeordnet werden.
Bis heute kann kein Ich-Zustand klar und eindeutig einem bestimmten Ort im Hirn zugeordnet werden. Allerdings lässt sich mit einiger Sicherheit vermuten, dass zum Beispiel Eltern-Ich-Funktionen im Stirn-Hirn-Bereich verankert sind, denn bei Patienten mit einer Stirn-Hirn-Schädigung fällt das steuernde Element, das zum Eltern-Ich gehört, aus. Diese Patienten werden schnell übergriffig, sie können die Auswirkungen ihrer Handlungen nicht mehr richtig einschätzen, sie wissen nicht mehr, was sozial adäquates Verhalten ist und was nicht. Die ganz klaren Hirnstrukturen, die Berne erwartet hatte, wurden bis heute zwar nicht gefunden, aber wer weiß: Vielleicht bringen verfeinerte Forschungsmethoden doch noch die von ihm vermuteten Ergebnisse oder zumindest Annäherungen daran.
Dass Menschen in ihrem Denken, Handeln und Fühlen in verschiedene Ich-Zustände schlüpfen, ist für Außenstehende leicht zu beobachten.
Berne hat in der Theorie der drei Ich-Zustände das Eltern-Ich, das Erwachsenen-Ich sowie das Kind-Ich so definiert, dass jeder einzelne dieser drei Ich-Zustände eine eigene Einheit aus Denken, Handeln und Fühlen bildet. Das heißt, im Kind-Ich denkt, handelt und fühlt der jeweilige Mensch tatsächlich anders, als wenn er sich in seinem Eltern- oder in seinem Erwachsenen-Ich-Zustand befindet. Diese anderen Verhaltensweisen und Ausdrucksformen lassen sich auch von Außenstehenden leicht beobachten. Wer jemanden zum Beispiel nur als kühlen Analytiker kennt, dem erscheint dieser „wie verwandelt“, wenn er ihn dann einmal als Fan einer Mannschaft in der Fußball-Arena erlebt. Oder man traut fast seinen Ohren nicht, wenn der Freund, mit dem man eben noch herumgealbert hat, einen Anruf erhält und plötzlich ganz und gar „der Geschäftsführer“ ist.
Am Anfang steht das Kind-Ich, das sich sehr bald ausdifferenziert.
Der „ursprüngliche“ Ich-Zustand ist natürlich das Kind-Ich. Das ist der Ich-Zustand, mit dem der Mensch auf die Welt kommt und der zunächst in der Hauptsache aus Bedürfnissen nach Nahrung, Wärme und Zuneigung besteht. Doch schon beim Kind ist zu erleben, dass sich dieser ursprüngliche Kind-Ich-Zustand sehr schnell ausdifferenziert in Richtung erstes kindliches Denken. Ein Kind beginnt früh damit, Zusammenhänge verstehen zu wollen, das heißt, die Ausbildung eines „Erwachsenen-Ich“ beginnt schon nach wenigen Monaten. Sie setzt ein, wenn Kinder mit wenigen Monaten so weit sind, Gesichter zu unterscheiden, gezielt zu greifen und Dinge wiederzuerkennen – denn das Erwachsenen-Ich ist an Informationen interessiert.
Dieses Interesse an Informationen nimmt stetig zu und wenn das Kind erst einmal so etwa ein Jahr alt ist, wird sein Erkenntnisdrang für die Eltern zu einer echten Aufgabe, denn vor dem kleinen Forscher ist nichts sicher. Die Eltern sind jetzt dauernd gefordert, dafür zu sorgen, dass weder dem kleinen Weltentdecker noch empfindlichen Einrichtungsgegenständen etwas passiert. Und die vielen Verbote, die sie jetzt aussprechen müssen, um seine Sicherheit und die der Stereo-Anlage zu gewährleisten, sind der Grundstock für die Ausbildung eines Teils seines „Eltern-Ich“.
Aufgrund all dieser Maßnahmen findet jetzt eine – für das Kind ziemlich permanente – Steuerung von außen statt, und diese „Steuerung“ ist der eigentliche Hintergrund des im Deutschen so genannten „kontrollierenden Eltern-Ichs“. Berne nannte den eingreifenden Teil des Eltern-Ichs nämlich „Controlling Parent-Ego-State“, was die Pioniere der deutschen Transaktionsanalyse-Szene fälschlich mit „kontrollierend“ übersetzten und was sich dann bei uns so eingebürgert hat. Richtig müsste es im Deutschen „steuerndes Eltern-Ich“ heißen, denn das beschreibt genau das, was die Eltern in dieser Phase mit dem Kind tun. Bevor das Kind die Tasse mit dem heißen Kaffee über sich auskippt oder bevor es die kostbare Vase zu Fall bringt, greifen die Eltern, oder eine stellvertretende Elternfigur, ein – das Kind wird eigentlich den lieben langen Tag von außen gesteuert.
Schon nach wenigen Monaten beginnt die Herausbildung eines Erwachsenen-Ichs.
In dieser Phase beginnt etwas, was es dem Kind erlaubt, sich stetig mehr Freiraum zu erobern: Die Steuerung von außen verlagert sich peu à peu nach innen. Das Eltern-Ich bildet sich mehr und mehr aus und irgendwann ist es so weit, dass das Kind nicht mehr Mutter oder Vater braucht, die ihm sagen „Lauf nicht einfach über die Straße“, sondern es hat verinnerlicht, dass es an der Bordsteinkante erst einmal nach links und rechts schauen muss. Wenn die Eltern erkennen, dass man sich langsam auf die „innere Mutter“ bzw. den „inneren Vater“ des Kindes verlassen kann, können sie es mehr und mehr aus ihrer Obhut entlassen. Die innere Steuerung des Kindes führt also dazu, dass es mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehmen kann, sodass man ihm auch immer größeren Freiraum zugestehen kann. Insofern ist die Ausbildung des Eltern-Ichs ein Geniestreich der Evolution.
Die Ausbildung eines Eltern-Ichs ermöglicht eine sinnvolle Selbstkontrolle, es kann das spätere Verhalten aber auch negativ steuern.
Bei diesem Prozess der Eltern-Ich-Bildung werden jedoch zwangsläufig nicht nur sinnvolle Gebote und Verbote integriert, wie die Regeln des Straßenverkehrs oder der sorgsame Umgang mit anderen Menschen, Haustieren und Möbeln, sondern auch Botschaften, die für das weitere Wohlbefinden des Kindes nicht so hilfreich sind. Diese Botschaften, die von den Eltern häufig unbewusst übermittelt werden, bilden die Grundlage für das, was in der Terminologie der Transaktionsanalyse „Skript“ genannt wird – in Anlehnung an das Drehbuch eines Films, an das sich der Schauspieler halten muss, ob er nun will oder nicht. Das „Skript“ ist das Lebensdrehbuch, das den Menschen in seinen freien Verhaltensentscheidungen einschränkt, weil er sich nach den dort verankerten Geboten und Verboten richten muss. Ausführlich wird das Skript in einem eigenen Kapitel erläutert (siehe S. 125 ff.).
Die Ich-Zustände der Transaktionsanalyse sind nicht mit den Ich-Instanzen der Psychoanalyse zu verwechseln.
An dieser Stelle soll gleich einem häufig begangenen Irrtum vorgebeugt werden: Die drei Ich-Zustände der Transaktionsanalyse werden gelegentlich verwechselt mit den drei Ich-Instanzen, die Sigmund Freud formuliert hat. Doch diese drei Instanzen, „Es“, „Ich“ und „Über-Ich“, haben eigentlich nichts gemein mit Kind-Ich-, Erwachsenen-Ich- und Eltern-Ich-Zustand. Es gibt zwar gewisse Ähnlichkeiten, doch die drei Ich-Zustände der Transaktionsanalyse sind ganz klar nach innen und außen agierendes und beobachtbares Verhalten, während „Es“, „Ich“ oder „Über-Ich“ der Psychoanalyse Instanzen sind, die sich nur im Inneren eines Menschen abspielen, sie treten nicht direkt nach außen in Erscheinung. Eine Ähnlichkeit besteht nur insofern, als das nach innen steuernde Element des Eltern-Ich-Zustands in etwa mit dem „Über-Ich“ korrespondiert, der rationale Erwachsenen-Ich-Zustand mit dem „Ich“ verglichen werden kann und der Kind-Ich-Zustand mit seinen impulsiven Wünschen und Vorstellungen an das triebhafte „Es“ gemahnt.
Die Ich-Zustände treten in der Kommunikation nach außen wie nach innen auf.
Der entscheidende Unterschied ist, dass die Ich-Instanzen der Psychoanalyse reine Konstrukte sind, die abbilden sollen, welche intra-psychischen Kräfte im Menschen wirken, während die Ich-Zustände der Transaktionsanalyse sowohl im inneren Dialog als auch in der Kommunikation nach außen wahrnehmbar sind. Das heißt, es ist nicht zu beobachten, wie ein Mensch in seinem „Über-Ich“ agiert – es sind aus seinem Verhalten nur Rückschlüsse darüber zu ziehen, ob gegebenenfalls „Über-Ich“-Tendenzen wirksam geworden sind oder bei einem bestimmten Verhalten sein „Es“ die Hand im Spiel hatte. Es ist jedoch sehr wohl zu beobachten, wie jemand aus seinem kontrollierenden oder fürsorglichen Eltern-Ich heraus gegenüber anderen agiert, wie jemand sein Erwachsenen-Ich walten lässt oder wie er seinem Kind-Ich freien Lauf lässt.
Menschen benutzen die drei Ich-Zustände, wie oben schon angedeutet, in doppelter Hinsicht: nämlich zum einen in der Kommunikation mit der Außenwelt und zum anderen als Kommunikation nach innen, im Dialog mit sich selbst. Auch die „Innensteuerung“ verläuft mithilfe der drei Ich-Zustände. Jemand, der am späten Freitagnachmittag noch eine Aufgabe zugewiesen bekommt, reagiert vielleicht zunächst innerlich aus dem Kind-Ich „Oh nein, ich habe keinen Bock mehr! Ich will jetzt nach Hause!“, um sich dann aber doch mittels seines Eltern-Ichs am Riemen zu reißen „Das ist aber eine dringende Sache und die wird jetzt auch noch erledigt!“, während das Erwachsenen-Ich überlegt, wie man die Aufgabe effizient und zeitsparend anpacken kann. Sowohl im inneren als auch im äußeren Dialog besitzt jeder Mensch alle drei Ich-Zustände, doch gibt es bei fast jedem einen oder zwei Ich-Zustände, die bevorzugt eingenommen werden.
Im Coaching kann das noch einfache strukturelle Persönlichkeitsmodell mit seiner Dreiteilung in Kind-, Erwachsenen- und Eltern-Ich schon im frühesten Stadium Hinweise geben, um was es beim Klienten gehen könnte. Unter Umständen braucht man ihn dazu noch gar nicht kennengelernt zu haben. Schon wenn der Auftraggeber darüber berichtet, aus welchem Grund er ein Coaching für diesen Mitarbeiter für sinnvoll hält, kann der Coach Hypothesen bilden, aus welchem Ich-Zustand heraus der Klient häufig agiert und warum das zu Problemen führen kann.
Mit dem Modell der Ich-Zustände lassen sich typische Führungsprobleme beantworten.
Erfährt der Coach zum Beispiel von einem Mitarbeiter der Personalabteilung oder vom Vorgesetzten, dass ein Coaching in Betracht gezogen wird, weil der zukünftige Klient offensichtlich zu wenig führt, zu wenig Grenzen setzt, bei etlichen Mitarbeitern auch nicht wirklich als Chef akzeptiert ist, kann er schon erste Vermutungen anstellen, dass beim Betreffenden wohl das Eltern-Ich zu schwach ausgeprägt ist, weshalb es im Umgang mit den Mitarbeitern zu Schwierigkeiten kommt. Denn eine Führungskraft muss auch in der Lage sein, klare Grenzen zu setzen – und das ist eine Funktion des Eltern-Ichs. Auch Autorität wird über das Eltern-Ich vermittelt. Wenn eine Führungskraft als Chef nicht akzeptiert wird, spricht das sehr dafür, dass sie versucht, viel zu viel aus dem Erwachsenen-Ich zu führen. Sie erklärt viel und hofft auf Verständnis, aber das ist nicht ausreichend, wenn es darum geht, als Führungspersönlichkeit anerkannt zu werden. Die Hypothesen, die der Coach aufgrund der erhaltenen Informationen bilden kann, müssen natürlich später im persönlichen Gespräch überprüft werden. Doch dass er überhaupt Hypothesen formulieren kann, macht es ihm leichter, beim ersten Zusammentreffen mit dem Klienten gezielt Fragen zu stellen.
Transaktionsanalytiker lesen vieles bereits aus der ersten Begegnung ab.
Noch mehr Aufschluss gibt dann die erste Begegnung mit dem Klienten – ganz besonders für Transaktionsanalytiker, denn sie haben sich intensiv darin geübt, die ersten drei oder vier „Transaktionen“, also die ersten drei oder vier kommunikativen Interaktionen, auf die Goldwaage zu legen. Eingeschworene Transaktionsanalytiker vertreten das Credo, dass man schon an den ersten Transaktionen die ganze Problematik erkennen kann, denn darin verberge sich bereits alles Wesentliche.
Passt die geschilderte Problematik zum gezeigten Ich-Zustand des Klienten?
Ob das nun immer so hundertprozentig zutrifft, mag dahingestellt bleiben, sicher ist jedoch, dass es natürlich ein großer Unterschied ist, ob man vom Klienten mit einem sachlichen „Guten Tag! Treten Sie bitte näher, möchten Sie vielleicht hier Platz nehmen?“ empfangen wird oder ob der Coach quasi gleich festgelegt wird mit: „Setzen Sie sich doch bitte hierher. Ich lasse Ihnen einen Kaffee bringen.“ Im ersten Fall handelt es sich wohl um jemanden, der stark im Erwachsenen-Ich, aber ansonsten wenig dirigistisch ist, während der zweite eher im Eltern-Ich zu Hause ist. Das muss natürlich noch nicht allzu viel aussagen, aber es kann dem Coach doch zu denken geben, ob jemand, der offenbar so daran gewöhnt ist, die bestimmende Rolle einzunehmen, dass es schon in der Begrüßungsphase passiert, in seinem Arbeitsalltag nicht genau dadurch in Schwierigkeiten gerät. Passt dann die geschilderte Problematik dazu, etwa dass es immer wieder zu Konflikten kommt, weil er seinen Mitarbeitern zu wenig Freiraum lässt, hat der Coach schon einen wichtigen Hinweis darauf, dass ein Teil des Problems darin bestehen könnte, dass der Klient zu häufig aus dem Eltern-Ich heraus handelt.
Im Gegensatz dazu gehört eine sehr angepasste Begrüßung, die vielleicht sogar einen fast unterwürfigen Ton besitzt, sicherlich zu jemandem, der aus dem Kind-Ich agiert. Da wird sich der Coach fragen: „Warum besetzt der Klient diesen Ich-Zustand gleich bei der Begrüßung? Was heißt das für sein Verhalten als Führungskraft? Welche Probleme können sich daraus ergeben?“
Kinder lernen ein steuerndes und ein fürsorgliches Eltern-Ich kennen.
Für das Verständnis von Kommunikation und damit für das Coaching noch interessanter wird es, werden die drei Ich-Zustände hinsichtlich ihrer Funktionen untersucht. Wie es in der Beschreibung schon angeklungen ist, gibt es im Eltern-Ich eine Unterteilung. Kinder erleben ihre Eltern zum einen in der Funktion der steuernden Erzieher, die bestimmen, was sie tun oder unterlassen sollen, und zum anderen als liebevolle und fürsorgliche Ansprechpartner und Beschützer, die das Kind pflegen, die ihm helfen, es ermutigen und unterstützen. Aufgrund dieser Erlebnisse und Erfahrungen entwickelt das Kind sowohl ein steuerndes (kontrollierendes) als auch ein fürsorgliches Eltern-Ich. Aus den im Deutschen üblichen Begriffen „kontrollierendes“ oder „kritisches“ Eltern-Ich, die noch in der Literatur zur Transaktionsanalyse zu finden sind, darf jedoch nicht geschlossen werden, das steuernde Eltern-Ich sei ein Persönlichkeitsteil, der ausschließlich offen autoritär und dominant auftrete. Ein Mensch kann sich sehr freundlich dabei verhalten, doch sobald er Anweisungen gibt, und sei der Ton noch so nett, befindet er sich im steuernden Eltern-Ich. Ein entgegenkommendes „Bitte nehmen Sie hier Platz“ kommt genauso aus dem steuernden Eltern-Ich wie ein barsches „Halten Sie Ihren Mund“.
Abb. 2: Das funktionale Modell der Ich-Zustände
Das Erwachsenen-Ich denkt und handelt sachlich und logisch.
Das Erwachsenen-Ich erfährt keine weitere Unterteilung. Der Erwachsenen-Ich-Zustand ist vor allen Dingen dadurch gekennzeichnet, dass darin logisch gedacht wird, Informationen aufgenommen und weitergegeben werden und sich völlig sachlich verhalten wird. Gefühle sind in diesem Ich-Zustand kaum vorhanden, wenn, dann sind es Gefühle von Ausgeglichenheit, Ruhe und Konzentration. Aus diesem Grund eignet sich der Erwachsenen-Ich-Zustand hervorragend, um leidenschaftslos Dinge zu analysieren, Zusammenhänge zu verstehen oder sachliche Diskussionen zu führen. Dieser rationale Ich-Zustand wird oft mit einem Computer verglichen und er ist unerlässlich, wenn bei der Arbeit Sachverhalte leidenschaftslos analysiert oder vernünftige Entscheidungen getroffen werden müssen.
Das Kind-Ich lässt sich unterteilen – in das freie, das angepasste und das rebellische Kind-Ich.
Das freie Kind-Ich lebt zwanglos und nach dem Lustprinzip.
Was jedoch weiter unterteilt wird, ist das Kind-Ich. Zunächst gibt es beim Kind-Ich eine Zweiteilung und zwar in freies und angepasstes Kind. Das Kind erlebt Zeiten, in denen es frei ist von Steuerung. Es spielt hingebungsvoll oder gibt sich ganz seinen Emotionen hin, es freut sich, lacht und tollt oder es ist traurig und weint hemmungslos. Das freie Kind-Ich lebt nach dem Lustprinzip, es folgt keinen Zwängen, gehorcht keinen Regeln, sondern tut, was ihm Spaß macht, und ist dabei äußerst kreativ. Es ist in erster Linie an sich selbst orientiert, andere Menschen sind nur insofern von Bedeutung, als sie zum eigenen Spaß beitragen. Tun sie das nicht, findet das freie Kind sie uninteressant und kümmert sich nicht um sie. Das freie Kind orientiert sich ausschließlich an den eigenen Wünschen und Bedürfnissen.
Das angepasste Kind-Ich verinnerlicht anerzogene Verhaltensweisen.
Ein Kind erlebt jedoch nicht nur Zeiten des Spiels und der Ungezwungenheit, sondern es erfährt auch, dass es gehorchen muss: Es muss Zähneputzen, sich waschen, aufräumen, Schularbeiten machen, still und artig sein, der Tante höflich die Hand geben und bei Tisch anständig essen. Dem Kind wird beigebracht, wie es sich im sozialen Umfeld mit Höflichkeit, Anstand und Rücksichtnahme bewegt, und es wird auch gelehrt, Regeln zu beachten, die für sein eigenes Überleben wichtig sind: an einer roten Ampel anzuhalten, nach rechts und links zu schauen, bevor die Straße überquert wird, vorsichtig mit gefährlichen Gegenständen zu hantieren und so weiter. Durch all diese erzieherischen Maßnahmen wird zwangsläufig das angepasste Kind entwickelt, denn diese Verhaltensweisen sind ja niemandem angeboren, sie werden vielmehr durch Erziehung verinnerlicht. Wie stark das Kind sich anpassen muss, ist natürlich von Familie zu Familie verschieden – von absolut autoritär bis zu laisser-faire ist jede Variante zu finden, entsprechend unterschiedlich sind die Verhaltensweisen, die daraus hervorgehen.
Der Ich-Zustand des angepassten Kindes ist wichtig, der Mensch braucht ihn zum Überleben. Ohne ihn wäre die Selbstgefährdung des heranwachsenden Kindes zu groß. Und ohne das angepasste Kind-Ich würde auch unsere Welt, unser Zusammenleben mit anderen Menschen, nicht funktionieren. Wie die Welt aussähe, wenn es nur freie Kinder gäbe, lässt sich beim Beobachten mancher Auseinandersetzungen der Zwei- oder Dreijährigen im Sandkasten ausmalen. Die sind dann plötzlich alles andere als niedlich. Ganz davon abgesehen, dass es auch kein Wirtschaftsleben ohne angepasstes Kind gäbe und somit auch keine Lebensgrundlage – denn welches freie Kind würde schon treu und brav täglich in die Firma trotten?
Das rebellische Kind-Ich begehrt gegen seine Außenwelt auf.
Der Versuch, die Kinder anzupassen – sprich: zu erziehen –, funktioniert natürlich nicht immer so, wie Eltern oder andere Erziehungsberechtigte sich das wünschen. Wie alle leidgeprüften Eltern aus Erfahrung wissen, kommen Kinder irgendwann in eine rebellische Phase. Sie wollen nicht, sie sind trotzig, sie schreien nur noch „Nein“ und „Ich will nicht“ und entfalten mit diesem Dickkopf eine ungeahnte Energie.
Diese Rebellion ist für die Transaktionsanalytiker aber nur die Kehrseite der Anpassung. Das rebellische Kind orientiert sich genauso an der Außenwelt wie das angepasste, nur mit umgekehrtem Vorzeichen: Statt zu gehorchen, begehrt es auf. Das rebellische Kind ist gleich weit vom freien Kind entfernt wie das angepasste, deshalb wird in der grafischen Darstellung das angepasste Kind durch eine gestrichelte Linie zweigeteilt. Anpassung und Rebellion sind wie zwei Seiten einer Medaille: Beide sind am Außen orientiert, während sich das freie Kind nur nach seinem Inneren, seinen Wünschen und Bedürfnissen richtet.
Ich-Zustände sind Beschreibungen – keine Bewertungen!
Die Namen der Ich-Zustände verführen bisweilen zu Fehlinterpretationen.
Die von Berne gewählten anschaulichen Begrifflichkeiten erleichtern es, zu verstehen, was in der Kommunikation passiert, anders als wenn er zum Beispiel komplizierte lateinische Bezeichnungen gewählt hätte. Sie lassen bildhaft werden, wie man selbst oder der andere sich fühlt – das ist ihr Vorteil. Sie haben jedoch den Nachteil, dass sie eher als abstrakte Begriffe dazu verführen, die Ich-Zustände zu bewerten. So wird das „kontrollierende Eltern-Ich“ von Anfängern der Transaktionsanalyse gern gleichgesetzt mit dem ewig schimpfenden, Verbote aussprechenden Vater – und mit diesem Tyrannen will man nichts zu tun haben. Das „angepasste Kind“ wiederum wird gesehen als der Duckmäuser, der untertänige Lakai – und von dem will man auch nichts wissen. Dabei wird jedoch vergessen, dass es viele Lebenssituationen gibt, in denen entweder das kontrollierende Eltern-Ich oder das angepasste Kind genau die richtigen Ich-Zustände sind, um mit dieser Situation angemessen umzugehen.
Jeder Ich-Zustand erfüllt wichtige Funktionen.
Jeder Autofahrer, der an einer roten Ampel hält, tut das aus dem angepassten Kind heraus. Für die Entscheidung, ob er halten soll oder nicht, jedes Mal das Erwachsenen-Ich zu bemühen, wäre eine ziemliche Verschwendung geistiger Energie. Und jedes Mal, wenn zwei Menschen höflich miteinander umgehen und damit eine erfreuliche Beziehung ermöglichen, sind es die angepassten Kinder, die sich freundlich die Hand reichen.
Genauso ist jedes Mal das kontrollierende Eltern-Ich im Spiel, wenn es darum geht, klare Anweisungen zu geben – und auch der antiautoritärste Mensch ist dankbar für eine klare Anweisung, wenn sie ihn aus einer Notlage befreit. In vielen Büros herrscht, wenn Umfragen Glauben geschenkt wird, oft ein geradezu eklatanter Mangel an klaren Anweisungen – allerdings keiner an kontrollierendem Eltern-Ich und das bringt uns zum springenden Punkt: Alle Ich-Zustände werden gebraucht, um die unterschiedlichen Lebenssituationen adäquat zu meistern, doch nicht immer werden sie richtig eingesetzt. Oft gibt es von einem Ich-Zustand viel zu viel, und das ist dann in der Tat negativ. Selbst ein Ich-Zustand mit einem positiven Image wie das fürsorgliche Eltern-Ich ist nicht mehr „gut“, wenn man es damit übertreibt. Man denke nur an die Menschen, die andere mit ihrem permanenten und überflüssigen Betütern in den Wahnsinn treiben. Auch das „freie Kind“ kann zum Problem werden, wenn es mit seinem Herumgealbere jedes Team-Meeting stört. Und es gibt den entgegengesetzten Fall: Der Ich-Zustand, der gebraucht würde, ist fast gar nicht vorhanden und wird deshalb auch nicht gezeigt – ebenfalls nicht gut!
Deshalb kann die Wertung, wenn man schon werten will, nur darin bestehen, zu sagen: Jedes Übermaß, jedes Zuviel oder Zuwenig, zeitigt negative Konsequenzen. Jemand, der zur Überanpassung, zum vorauseilenden Gehorsam neigt, fällt in Firmen genauso negativ auf wie jemand, der sich gar nicht anpassen kann und gegen alles und jeden rebelliert. Und wer nur durchsetzungsstark und dominant ist, macht vielleicht Karriere, muss sich aber auch dauernd mit Widerstand und Konflikt herumschlagen. Wer wiederum überfürsorglich ist, geht anderen ziemlich schnell auf den Wecker, und wer nur im Erwachsenen-Ich agiert, wird als Kühlschrank wahrgenommen, an den nicht ranzukommen ist.
Die erste Begegnung: Was das Konzept der Ich-Zustände dem Coach über den Klienten verrät.
Wenn man nun zurückkehrt zur Ausgangssituation, der ersten Begegnung mit dem Klienten, ausgestattet mit dem neuen Wissen über die Ich-Zustände, lässt sich beobachten:
Welchen Ich-Zustand besetzt der Klient genau?
Bevorzugt er ein kontrollierendes oder fürsorgliches Eltern-Ich?
Zeigt er eher ein angepasstes oder freies Kind-Ich?
Rebelliert er gegen jeden Anschein von Autorität?
Ist er so analytisch, dass kaum eine Gefühlsregung wahrnehmbar ist?
Das kontrollierende Eltern-Ich versucht sogleich, die Zügel in die Hand zu nehmen, das fürsorgliche kümmert sich als erstes um das Wohlergehen. Das angepasste Kind wirkt ein bisschen ängstlich, das freie hingegen bringt einen schnell zum Lachen und stellt sehr rasch eine Beziehung her, während das Erwachsenen-Ich neutral und zurückhaltend ist. Dabei wird der Coach sich auch fragen: „Ist das nun mehr oder weniger zufällig gewesen, dass die ersten Transaktionen so abgelaufen sind oder hat das System?“ Er wird nicht in den Fehler verfallen, sich einzubilden, er wüsste nun schon genau, was los ist, sondern sich darüber im klaren sein, dass er nur Hinweise für erste Hypothesen über die mögliche Problematik erhalten hat, mehr aber auch nicht. Um zu wissen, was für das Coaching später wichtig sein könnte, müssen noch etliche Hypothesen formuliert und vielleicht wieder verworfen werden.
Doch das ist eben das Interessante am Konzept der Ich-Zustände, dass der Coach aufgrund dieser Kenntnisse gezielt beobachten und Fragen stellen kann, um zu überprüfen, ob seine Hypothesen zutreffen oder nicht. Wenn man als Coach zum Beispiel einem sehr dominanten Klienten begegnet, der gleich beim ersten Zusammentreffen Anweisungen gibt, kann das folgende Gedankengänge auslösen:
Ist das der Stil, in dem diese Führungskraft auch mit ihren Mitarbeitern umgeht?
Ist das Verhalten im Kontext mit Mitarbeitern vielleicht sogar noch ausgeprägter, weil er sich mir als Coach gegenüber eher zurücknimmt?
Könnte es Teil seiner Problematik sein, dass er viel zu viel im kontrollierenden Eltern-Ich ist?
Setzt er deswegen vielleicht seine Mitarbeiter viel zu stark unter Druck?
Was bedeutet das für meinen Coaching-Prozess?
Wenn er gewohnt ist, zu sagen, wo es langgeht, wird er sich wahrscheinlich ziemlich unwohl damit fühlen, dass er im Coaching-Prozess nicht einfach den Ablauf bestimmen kann. Muss ich also darauf gefasst sein, dass er versuchen wird, mir das Heft aus der Hand zu nehmen, was mich handlungsunfähig machen würde?
Der Ich-Zustand des Klienten kann dem Coach einen respondierenden Ich-Zustand aufdrängen.
Ein Klient, der sehr viel Power ausstrahlt, kann einen Coach, der möglicherweise keinen Konflikt riskieren will, schnell ins angepasste Kind bringen. Damit würde aber ein Coaching unmöglich werden, denn Coaching setzt voraus, dass man sich mindestens auf gleicher Ebene befindet, während die Kommunikationsform „kontrollierendes Eltern-Ich – angepasstes Kind“ eindeutig ein Gefälle darstellt. Für den Coach ist also wichtig, zu erkennen, ob und wie ein Klient mit einem ausgeprägten Eltern-Ich versucht, den Coaching-Prozess zu steuern, indem er zum Beispiel sagt: „Sie werden mich jetzt bestimmt dieses oder jenes fragen …“ oder „Ich habe mal im Internet recherchiert, daher weiß ich, dass wir jetzt als erstes einmal den Auftrag klären sollten …“ oder „Sagen Sie mir doch etwas über Ihr Coaching-Verständnis“.
Ich-Zustände vermitteln sich nicht nur durch Inhalte, sondern auch über Tonfall, Mimik und Gestik!
Nicht das Was, sondern das Wie der Kommunikation des Klienten zeigt seinen jeweiligen Ich-Zustand.
Ein Ansinnen wie das letzte, ist natürlich von seinem Inhalt her völlig berechtigt. Es kann aber durch den Stil, in dem es mitgeteilt wurde, zu einem Versuch werden, die Kontrolle über das Coaching zu bekommen – sofern es nämlich von oben herab geäußert wird, unterlegt mit einem leichten Befehlston. Und darauf soll an dieser Stelle ganz dezidiert hingewiesen werden: Es ist nicht allein der Inhalt, sondern auch der Ton einer Kommunikation, die den dahinterliegenden Ich-Zustand vermittelt! Nicht das Was, sondern das Wie einer Frage oder Aussage ist entscheidend dafür, ob jemand aus dem Erwachsenen-Ich, dem Kind-Ich oder aus dem Eltern-Ich heraus kommuniziert. Bei entsprechender Stimmlage und Betonung kann der gleiche Inhalt eine völlig andere Aussagekraft bekommen und damit auch einen völlig anderen Ich-Zustand beim Gegenüber ansprechen. Ein quengeliges „Ich will das nicht“ kommt vom rebellischen Kind, ein im festen Ton gesprochenes aus dem steuernden Eltern-Ich – und jedes hat eine andere Wirkung auf den Empfänger der Botschaft. Eine Bitte wie „Sagen Sie mir doch etwas über Ihr Coaching-Verständnis“ kommt, freundlich-neutral gesprochen, aus dem Erwachsenen-Ich. Mit entsprechend arrogantem Tonfall ist es jedoch eher eine Botschaft aus dem steuernden Eltern-Ich, die besagt: „Von dir lass ich mir gar nichts erzählen!“
Wenn der Klient versucht, das Heft in der Hand zu behalten …
Wenn jemand versucht, gleich mit den ersten Transaktionen seine „Oberhoheit“ über das Geschehen zu etablieren, wird sich der Coach seine Gedanken dazu machen:
Welches ist die dahinterliegende Dynamik?
Warum muss jemand gleich zu Beginn so massiv seine Dominanz verteidigen?
Ist das einfach nur Gewohnheit? Oder ist die dahinterliegende Dynamik unter Umständen Angst?
Hat das Kind-Ich im Klienten Angst, dass ihm da jemand gegenübersitzt, der wahrscheinlich mehr von Psychologie versteht als er, der ihn vielleicht durchschauen kann, der vielleicht seine Schwächen sieht, möglicherweise sogar solche, die er selber nicht kennt?
Will er mit seinem Verhalten das Risiko verringern, ‚entlarvt‘ zu werden, und versucht er deshalb, die Regie in die Hand zu nehmen?
Was will der Klient mit seinem Verhalten vermeiden?
Vielleicht steckt ja keine Angstdynamik hinter seiner Dominanz, aber wie kommt es dann zu einer solchen Gewohnheit?
Hat er Schwierigkeiten damit, sich in andere einzufühlen?
Solche inneren Fragen, die sich auf die Beobachtung der Ich-Zustände beziehen, sind die ersten Anhaltspunkte dafür, was später im Coaching wichtig sein könnte.
Wenn sich der Klient in übermäßiger Zurückhaltung übt …
Oder nehmen wir den umgekehrten Fall, man hat es mit einem Klienten zu tun, der auf sehr leisen Sohlen auftritt. Auch das muss der Coach registrieren, denn Überanpassung ist keine gute Voraussetzung für eine Führungskraft. Wenn jemand aufgrund seiner Fachkompetenz Führungskraft wurde, aber immer wieder eher aus dem angepassten Kind-Ich heraus agiert, ist das eine schwache Position, bei der von Führung eigentlich nicht die Rede sein kann. So kann der Coach schon bei der Begrüßung zu Hypothesen gelangen, wie dieser Klient wohl mit Mitarbeitern umgeht:
Er hat vermutlich Durchsetzungsprobleme.
Auf Widerstand in seinem Team oder seiner Abteilung reagiert er eher aus dem Erwachsenen-Ich heraus, zum Beispiel indem er an die Vernunft der Mitarbeiter appelliert.
Oder er versucht, moralischen Druck auszuüben, um etwas zu erreichen: „Macht es für mich, denn ich muss doch am Ende den Kopf hinhalten – also bitte, lasst mich nicht hängen!“
Wenn der Klient die Sachlichkeit in Person ist …
Eine andere Art von Vorgesetzten, auf die der Coach häufig trifft, sind die „ZDF“-Manager, also Führungskräfte, die nichts weiter interessiert als Zahlen, Daten, Fakten. Ihr bevorzugter Ich-Zustand ist das Erwachsenen-Ich, mit Gefühlen haben sie nicht viel am Hut. Das ist zwar perfekt, um Probleme logisch zu durchdenken und sachlich zu lösen, wirkt sich aber meist negativ auf die Beziehungsgestaltung aus. Bei Mitarbeiterbefragungen erhalten solche Chefs häufig die Rückmeldung, dass die Mitarbeiter sich nicht wirklich wohlfühlen, sich nicht geschätzt, manchmal nicht einmal wahrgenommen fühlen – was die Chefs solcher Chefs schließlich auf die Idee gebracht hat, ein Coaching mit dem Thema Sozialkompetenz sei angeraten.
Das schnelle Erfassen der Ich-Zustände ermöglicht dem Coach, sich frühzeitig auf die Gesprächssituation einzustellen.
Es zeigt sich: Noch ohne die sachlichen Inhalte zu kennen, nur durch Berücksichtigung der gezeigten Ich-Zustände, kann der Coach schon erste Hypothesen bilden, mit wem er es im jeweiligen Fall zu tun hat. Und er kann sich Gedanken darüber machen, wie er den Coachingprozess gestalten sollte, um nicht das bereits vorhandene Verhaltensmuster zu verstärken. Was muss er vermeiden, was muss er akzentuieren? Der Coach muss sich von Beginn an über die Konsequenzen seiner eigenen Kommunikationsmuster im Klaren sein. Hat der Coach es zum Beispiel mit dem oben geschilderten Fakten-Menschen zu tun und stellt er diesem Klienten viele Fragen auf der Erwachsenen-Ebene, agiert er also hauptsächlich von Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich, so stabilisiert er genau das auf der Prozess-Ebene, was eigentlich das Problem darstellt. Dieses Vorgehen ist eindeutig kontraproduktiv.
Der Coach wird sich daher ständig überlegen, welche Ich-Zustände er selbst einsetzen muss, damit er den Klienten nicht in einem Muster bestärkt, das ihm Probleme bereitet. Er wird stattdessen von Beginn an darauf hinwirken, dass auf der Prozess-Ebene etwas Neues passieren kann. Genau dafür braucht er das schnelle Erfassen der Ich-Zustände.
Wer sich, wie Coachs das tun, mit der Entwicklung der Persönlichkeit beschäftigt, wird sich auch fragen, wie denn die Ich-Zustände bei einer erwachsenen, gereiften Persönlichkeit aussehen oder idealerweise aussehen sollten. Gibt es einen Ich-Zustand, der anzustreben ist? Und wie würde er sich darstellen?
Ursprüngliche Annahme: Im „Eltern-Ich” und „Kind-Ich” spiegelt sich das in der Kindheit erlebte Verhalten.
Eric Berne war, als er die Transaktionsanalyse entwickelte, ursprünglich davon ausgegangen, dass die Ich-Zustände „Eltern-Ich“ und „Kind-Ich“ genau das repräsentieren, was man als Kind kennengelernt hat. Seiner Auffassung nach befand man sich also nur im Eltern-Ich, wenn man genauso handelte und dachte, wie man es bei den eigenen Eltern oder Elternfiguren erlebt hatte, und nur dann im Kind-Ich, wenn man sich genauso fühlte und benahm, wie man es als Kind bereits getan hatte. Deshalb postulierte er, dass es zur Entwicklung der reifen Persönlichkeit wichtig sei, sich sowohl von den Einflüssen des Eltern-Ichs als auch von den Einflüssen des Kind-Ichs freizumachen, um so zu einem integrierten Selbst zu gelangen. Werden die Ich-Zustände demgemäß als Struktur betrachtet, so heißt das, jemand befindet sich tatsächlich jeweils im entsprechenden „Zustand“ – im Kind-Ich bin ich so, wie ich als Kind war, im Eltern-Ich bin ich so, wie ich es bei meinen Eltern erlebt habe.
Heutige Sicht: „Eltern-Ich” oder „Kind-Ich” bezeichnet eine typisierte innere Haltung, die sozial üblich ist.
Inzwischen wird das Modell der Ich-Zustände überwiegend etwas differenzierter verwendet. Transaktionsanalytiker sagen, jemand befindet sich im Eltern-Ich, wenn er sich so verhält, wie es Elternfiguren üblicherweise tun – also unabhängig davon, wie die eigenen Eltern agiert haben –, und er befindet sich im Kind-Ich-Zustand, wenn er sich verhält, wie man es bei Kindern beobachten kann, auch wenn dieser Mensch als Kind so vielleicht nie war.
Unter funktionalem Gesichtspunkt sind Eltern-Ich und Kind-Ich unabdingbarer Teil einer reifen Persönlichkeit.
Betrachtet man die Ich-Zustände nun unter diesem funktionalen Gesichtspunkt, so wird diese ganze funktionale Analyse dadurch problematisch, dass Berne etwas „Ich-Zustände“ genannt hat, was keine eigene Struktur besitzt, sondern tatsächlich nur eine „Funktion“ im Sinne von inneren Haltungen darstellt. Der Ich-„Zustand“ ist dann der Ausdruck der inneren Haltung, die jemand gerade einnimmt. Aus dem funktionalen Blickwinkel macht die Idee, dass bei einem integrierten, reifen Selbst das Eltern-Ich oder das Kind-Ich wegfallen, deshalb überhaupt keinen Sinn. Denn damit entfiele sowohl die innere Steuerung als auch die innere Freude, das innere Vergnügen. Der Mensch würde reduziert auf ein rein rationales Wesen, das Informationen aufnimmt, verarbeitet und weitergibt – und dabei abgeschnitten von seiner Gefühlswelt agiert.
In einem integrierten Selbst sind sämtliche Ich-Zustände als Haltungen jeweils in allen drei „echten” Ich-Zuständen repräsentiert.
Aus diesem Dilemma befreit ein Modell, das von Ulrich Dehner entwickelt wurde, und das darstellt, wie Ich-Zustände und integriertes Selbst verbunden werden können. Dazu muss man sich etwas von den von Berne gewählten Begrifflichkeiten lösen und davon ausgehen, dass die in der funktionalen Analyse dargestellten Ich-Zustände keine tatsächlichen Ich-„Zustände“ sind, sondern dass es Haltungen in einem Ich-Zustand sind. Das Modell besagt weiter, dass ein Mensch in jedem der drei „echten“ Ich-Zustände alle funktionalen Haltungen einnehmen kann (siehe Abb. 3).
Abb. 3: Die inneren Haltungen in den Ich-Zuständen
Aus einem strukturellen Ich-Zustand heraus kann funktional nach einem anderen Ich-Zustand gehandelt werden.
Im Eltern-Ich-Zustand kann also die Haltung „kontrollierendes Eltern-Ich“ eingenommen werden, aber auch andere Haltungen, denn die eigenen Eltern wurden ja nicht nur als steuernde Elternfiguren erlebt, sondern auch wie sie in ihrem Erwachsenen- oder Kind-Ich agierten. Man hat erlebt, wie sie logisch Probleme lösten, wie sie sich angepasst verhielten, wie sie ausgelassen oder auch mal rebellisch waren.
Eine fürsorgliche Eltern-Ich-Haltung kann gelebt werden, obwohl sie vielleicht nie erlebt wurde.
Das Gleiche gilt für das Erwachsenen-Ich, auch da findet sich eine „kontrollierende Eltern-Ich-Haltung“ – das ist aber die Haltung, zu der man steht, die einem bewusst ist, die man so leben möchte. Und diese Haltung kann sich sehr deutlich unterscheiden von dem, was man als Eltern-Ich-Äußerungen bei den eigenen Eltern erlebt hat, wenn sie sich steuernd verhielten. Genauso kann natürlich auch eine fürsorgliche Eltern-Ich-Haltung im Erwachsenen-Ich eingenommen werden und auch das kann sich fundamental von dem unterscheiden, was einem als Kind bei den Eltern widerfahren ist. Das kann eine Fürsorglichkeit sein, die man sich erarbeitet hat, weil man sie für richtig hält, und die nichts gemein hat mit der vorhandenen oder nicht vorhandenen Fürsorglichkeit von Mutter und Vater.
Anpassung geschieht nicht aus der Abhängigkeit eines Kindes heraus, sondern aus der Einsicht des Erwachsenen-Ichs.
Im Erwachsenen-Ich-Zustand ist der „Computer“ vorhanden, der analytische, rein rationale Teil, der nur verstandesmäßig agiert. Aber es gibt im Erwachsenen-Ich auch die angepasste Haltung, das ist der Teil, der sich Regeln unterwirft, der nachgibt, der sich auch einmal dominieren lässt – aber eben nicht wie damals als Kind, sondern auf eine erwachsene Art, aus Einsicht, dass ein solches Verhalten jetzt sinnvoll ist, weil das Akzeptieren von Regeln unerlässlich ist für das Funktionieren der Gesellschaft. Das ist eine Anpassung, zu der jemand steht, keine, die automatisch erfolgt, weil er keine andere Wahl hat. Genauso wird auch das freie Kind als Haltung im Erwachsenen-Ich-Zustand ganz anders aussehen als das freie Kind von damals. Man hat zum Beispiel großen Spaß an intellektuellen Blödeleien, die das Kind von damals gar nicht hätte machen können, an Wortspielen, die das Kind gar nicht verstanden hätte.
Bereits Kinder nehmen eine kontrollierende oder fürsorgliche Eltern-Ich-Haltung ein.