Traummänner & Traumziele: Santorin - Anne McAllister - E-Book
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Traummänner & Traumziele: Santorin E-Book

Anne McAllister

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Beschreibung

TRAUMINSEL IM BLAUEN MEER Die heiße Sommerromanze mit dem Segler Theo lässt Martha endlich wieder an die Liebe glauben. Aber ihre gemeinsamen Tage auf der griechischen Insel Santorin sind gezählt: Theo verschwindet spurlos - und Martha steht unvermittelt vor einer schweren Entscheidung … LIEBESZAUBER AUF SANTORIN Auf Santorin soll Cleo einen Monat lang seine Geliebte spielen. Dafür zahlt der attraktive Grieche Andreas Xenides ihr eine Million Dollar. Ein reines Geschäft? Als Andreas es mit einem sinnlichen Kuss besiegelt, verspürt Cleo plötzlich heiße Leidenschaft … DER GEFÄHRLICHE PLAN DES GRIECHISCHEN MILLIARDÄRS Der charismatische griechische Milliardär Alexios weckt unbändige Leidenschaft in Athena. Nach einer Nacht der Sinnlichkeit in seinem Luxusanwesen auf Santorin muss sie jedoch eine schockierende Entdeckung machen: Ihr Traummann hat sie nicht aus Liebe verführt, sondern aus Rache! EROBERT AUF DER GRIECHISCHEN TRAUMINSEL Ich werde mich niemals verlieben, glaubt die junge Schneiderin Claire - bis sie auf der griechischen Insel Santorin für Marco Fortini einen Anzug umarbeiten soll. Denn dieser Traummann scheint entschlossen, sie von der Liebe zu überzeugen und die Mauer um ihr Herz einzureißen …

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Seitenzahl: 708

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Anne Mcallister, Trish Morey, Cathy Bell

Traummänner & Traumziele: Santorin

IMPRESSUM

Trauminsel im blauen Meer erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2006 by Barbara Schenck Originaltitel: „The Santorini Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 10 - 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Anike Pahl

Umschlagsmotive: Purestock / Thinkstock

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733777043

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Nur noch einen Hügel …

Endlich ist das Haus in Sicht, dachte Martha keuchend, dem Himmel sei Dank!

Seit sie ihren Fuß auf die Insel Santorin gesetzt hatte, gab es für Martha nur einen Gedanken: „Ich bin zu Hause.“ Allerdings hatte sie den schweren Anstieg zum Haus fast vergessen und außerdem der Hausverwalterin Ariela gar nicht mitgeteilt, dass sie auf die Insel kam. Niemand erwartete sie.

Doch das machte nichts. Sie war fest entschlossen gewesen, allein herzukommen und allein hierzubleiben. Energisch zerrte sie ihre bleischwere Tasche hinter sich her, die sie eigentlich dafür gepackt hatte, nach New York zurückzukehren – und nicht für einen Spontanausflug nach Griechenland.

Erschöpft sah sie hoch. In der flimmernden Hochsommerhitze leuchteten die weißen Außenwände des zweistöckigen Gebäudes wie in einem Traum. Martha hatte so lange unter Adrenalin gestanden, dass es kein Wunder wäre, wenn sie jetzt halluzinierte. Sie hatte kaum noch Geld in der Tasche, weil sie gestern Nachmittag ihre letzten Dollar für ein Flugticket ausgegeben hatte.

War das erst gestern?, überlegte sie erstaunt.

Es schien eine Ewigkeit her zu sein, seit sie voller Vorfreude die Stufen zur Wohnung ihres Freundes Julian hinaufgeeilt war. Im Geiste sah sie schon sein freches Grinsen vor sich, wenn er sie in seine Arme schloss und ausgelassen herumwirbelte. Sie wollte ihm sagen, dass sie nun für immer zurück in New York war, dass ihre Wandmalerei in Charleston nach einem endlos langen Monat endlich fertiggestellt war, und dass sie eine wichtige Entscheidung getroffen hatte: Sie war endlich bereit, das Bett mit ihm zu teilen.

Martha hatte die Wohnungstür geöffnet und seinen Namen gerufen. Als sie die Dusche hörte, hatte sie eine Idee. Was gab es für eine bessere Gelegenheit, sich ihm intim zu nähern, als einfach zu ihm in die Dusche zu steigen und ihn damit zu überraschen?

Deshalb schlüpfte sie aus ihren Sandalen, streifte ihr Oberteil und ihren Rock ab und öffnete dabei die Badezimmertür. Nur um herauszufinden, dass Julian nicht allein war!

Durch die beschlagene Scheibe der Duschkabine sah sie zwei Körper unter dem Wasserstrahl stehen: Julian mit seinen weizenblonden Haaren und eine kurvige Brünette, die nahtlos braungebrannt war. Sie waren nackt und buchstäblich ineinander verschlungen.

Wie angewurzelt blieb Martha in der Tür stehen. Ihr war mit einem Schlag speiübel, und vor ihrem inneren Auge zerplatzten all ihre Fantasien und Zukunftsträume wie Seifenblasen.

Der kühle Luftzug, der durch die geöffnete Tür ins Badezimmer strömte, erregte offenbar Julians Aufmerksamkeit. Er wischte mit einer Hand über das beschlagene Glas der Duschwand und sah direkt in Marthas entsetztes Gesicht.

Er öffnete den Mund und stieß einen stummen Fluch aus. Martha selbst war sprachlos, und ihre Füße schienen am Boden wie festgeschraubt, während sich die fremde Frau nichts ahnend an Julian schmiegte. Er schloss für einen Moment die Augen, und als er sie wieder öffnete, las Martha darin eigentlich keinen Schreck, sondern eher so etwas wie Trotz.

Endlich konnte Martha sich wieder bewegen. Sie wirbelte herum, zerrte sich ihre Kleidung wieder über den Körper, um ihre eigene Nacktheit und ihre Scham zu verstecken, und knallte dann hinter sich die Tür zu. Ihr Gesicht war brandrot, und ihr Herz hämmerte wie wild.

Eilig rannte sie die Treppen hinunter und stieß dabei mit ihrer Tasche immer wieder gegen das Geländer. Sie wollte so schnell wie möglich auf der Straße sein, um zwischen fremden Menschen untertauchen zu können, die nichts von Marthas Erniedrigung ahnten. Deren Leben war noch in Ordnung, es war nicht außer Kontrolle geraten, für sie hatte sich nichts geändert.

Einen ganzen Monat hatte Martha in Chelsea damit verbracht, über Julian und ihre Beziehung zu ihm nachzudenken – sich darüber klar zu werden, ob er wirklich der Richtige war. Sie hatte es langsam angehen lassen und nicht gleich mit ihm ins Bett gehen wollen, nur weil er umwerfend charmant und sexy war.

Ihre Schwester Christina hatte so etwas viel zu oft getan. Aber Martha wollte sicher sein, bevor sie mit einem Mann intim wurde. Nicht dass es ihr Glück gebracht hätte! Jetzt war sie endlich sicher, und Julian hatte sich eine andere gesucht.

Ich kann nicht bei ihm bleiben, schoss es ihr durch den Kopf. Ich kann nicht einmal in New York bleiben. Hier gibt es Millionen von Menschen, aber für ihn und mich ist diese Stadt trotzdem zu klein!

Es gab mehrere Orte, zu denen sie fliehen konnte: zu ihren Eltern, in deren Haus auf Long Island, zu ihrem Bruder Elias nach Brooklyn, zu ihrem Bruder Peter nach Hawaii, sogar zu Christina – obwohl Martha das natürlich niemals tun würde. Die einzige Person, zu der sie nicht fahren konnte, war ihr Zwillingsbruder Lukas, denn der reiste ständig umher.

Im Augenblick ist er, glaube ich, in Neuseeland, überlegte sie. Aber wer weiß das schon so genau?

Alle anderen würden sie mit Freude aufnehmen, und zumindest Peter und Elias würden ihr nicht eine Million überflüssige Fragen stellen!

Aber Martha wollte niemanden von ihnen sehen, sie wollte ihre betroffenen Kommentare nicht hören und ihre mitleidigen Blicke nicht ertragen.

Deshalb war sie nach Santorin ins Haus ihrer Vorfahren gekommen. Das war wie eine Flucht nach Hause. Ihre Eltern und auch ihre Großeltern waren hier geboren worden. Und auch wenn fast alle Mitglieder ihrer Familie in der großen weiten Welt ihr Glück suchten, behielten sie doch alle Santorin in ihren Herzen.

In der tiefsten Bedeutung des Wortes war Santorin Marthas Heimat. Ihre ersten und definitiv auch ihre besten Erinnerungen stammten aus der Zeit, die sie im Haus ihrer Familie verbracht hatte. Es stand auf einem der größten Hügel Santorins, mit Blick auf das Ägäische Meer. Nichts hatte sich für Martha jemals angefühlt wie ein Zuhause – bis auf diesen Ort!

Sie liebte es hier zu sein. Seit sie da war, spürte sie, dass nun alles besser werden würde. Hier konnte sie durchatmen und ganz sie selbst sein. Hier konnte sie neu beginnen.

Jetzt, mitten im Hochsommer, war es brütend heiß. Schwitzend straffte Martha die Schultern und schleppte ihre Tasche weiter den schmalen Pfad zum Haus hinauf.

Das Haus würde leer sein, ebenso wie der Kühlschrank und die Vorratsschränke. Martha musste einkaufen und selbst kochen, aber das machte ihr nichts aus. Bestimmt lenkte es sie ab, sich mit dem Haushalt zu beschäftigen und sich ins Inselleben zu integrieren. So konnte sie in Ruhe ihre Gedanken ordnen und neue Zukunftspläne schmieden.

Ihre alten Pläne hatte sie endgültig über Bord geworfen. Erst recht, nachdem Julian sie auf dem Weg zum Flughafen noch auf dem Handy angerufen hat.

„Andrea bedeutet mir doch gar nichts“, hatte er gejammert, so als müsste Martha für seinen Seitensprung in irgendeiner Weise Verständnis aufbringen.

„Schon gut. Keine große Sache.“ Ihr Tonfall war eisig. „Das hört sie bestimmt gern.“

„Was hast du denn erwartet?“, hatte er gewettert. „Du hast mir nie irgendetwas in dieser Form gegeben.“

Leider war jetzt nicht mehr der richtige Zeitpunkt, ihm mitzuteilen, dass sie eigentlich genau dies vorgehabt hatte.

„Ich würde sagen, das war letztendlich ziemlich clever von mir“, bemerkte sie knapp.

„Du bist ein kalter Fisch, Martha. Wenn du jemals etwas Leidenschaft gezeigt hättest …“

„Du willst Leidenschaft? Ich gebe dir Leidenschaft!“ Mit diesen Worten hatte sie ihr Handy aus dem offenen Taxifenster geworfen, und im nächsten Augenblick war das Telefon unter den breiten Reifen eines riesigen Trucks verschwunden gewesen.

Schwitzend kämpfte Martha sich die letzten Stufen zum Grundstückstor hinauf. Ihr Pferdeschwanz, zu dem sie ihre langen schwarzen Locken gebunden hatte, löste sich langsam auf.

Ich brauche etwas Kaltes zu trinken, eine ausgedehnte Dusche und einen langen Erholungsschlaf, dachte sie. Genau in dieser Reihenfolge!

Erschöpft öffnete sie das Tor und ging dann weiter durch den Vorgarten, der zum großen Teil in ein leuchtend rotes und violettes Blütenmeer getaucht war. Martha genoss die Stille und den Blütenduft, der sie umgab. Zum ersten Mal, seit sie Julians Apartment verlassen hatte, ließ ihr Fluchtinstinkt etwas nach, und sie hatte das Gefühl, am richtigen Ort angekommen zu sein.

Ihr Atem wurde ruhiger, und ihre Kraft kehrte zurück. Lächelnd betrachtete sie die weiß getünchte Mauer, die das Grundstück umsäumte und ihr Trost, Schutz und Zuversicht versprach.

Sie erinnerte sich daran, wie sie diese Mauer immer als kleines Mädchen entlanggelaufen war und wie die kalten Steine sich unter ihren Fingern anfühlten – schon ihr Vater und ihr Großvater hatten als Kinder in diesem Garten gespielt.

Auch andere Menschen sind schon verletzt worden, und die haben das auch überlebt, versuchte Martha sich selbst Mut zu machen.

Voller Zuversicht erklomm sie die letzten Stufen und suchte dann ihren Hausschlüssel. Ihr Vater hatte jedem seiner Kinder zum einundzwanzigsten Geburtstag einen Schlüssel überreicht.

Im Stillen dankte sie ihrem Vater dafür und schloss dann die schwere Holztür auf. Die geflieste Eingangshalle war kühl und luftig. Luftig? Erstaunt stellte Martha fest, dass die vorderen Fenster geöffnet waren.

Hat Julian etwa meine Eltern angerufen?, wunderte sie sich. Oh, bitte nicht!

Dann fielen ihr plötzlich ein paar Herrenschuhe neben der Eingangstür auf, und ihr Herz machte vor Freude einen Sprung. „Lukas?“

Es musste Lukas sein, denn Elias verließ Brooklyn so gut wie nie. „Einer muss schließlich arbeiten“, pflegte er zu sagen, sobald das Thema Urlaub auf den Tisch kam. Und soweit Martha wusste, war Peter ständig auf Hawaii, seit er sein College abgeschlossen hat. Also blieb nur Lukas, ihr Zwillingsbruder.

Er war ohnehin der Einzige, den sie zurzeit sehen wollte. Sie waren wie Seelenverwandte. Er würde sie verstehen und ihr beweisen, dass nicht alle Männer so fürchterlich waren wie Julian Reeves.

„Luke?“ Eilig streifte sie ihre Schuhe ab, als sie plötzlich Geräusche aus dem Obergeschoss hörte. Erwartungsvoll drehte sie sich um.

Ein großer dunkler Pirat von einem Mann, mit zerwühlten schwarzen Haaren und einer scharf gezeichneten Nase, kam langsam die Treppe hinunter. Er hatte fast harte Gesichtszüge, war aber auf eine ganz eigene Art unbeschreiblich attraktiv. Im Gegensatz zu Julian, dessen Schönheit klassisch und glatt zu nennen war, hatte dieser Mann eine Schönheit, die wie grob aus Granit geschlagen wirkte.

Es musste ein Freund von Elias sein. Wie Marthas ältester Bruder schien der Fremde etwa Mitte dreißig zu sein. Hatte Elias ihm etwa einfach seinen Schlüssel überlassen? Das sah ihrem höchst vernünftigen Bruder gar nicht ähnlich. Sie wusste nicht einmal, ob er überhaupt Freunde hatte …

Etwas Derartiges war eher der Stil ihres Vaters. Aber dieser Mann sah nicht aus, als hätte er die Geduld dafür, sich mit Marthas Vater abzugeben. Aeolus Antonides liebte Golfplätze, Jachten und Martinis – die feinere Seite der Zivilisation, wie er stets zu sagen pflegte.

Und als zivilisiert würde Martha den Mann, der inzwischen den Treppenabsatz erreicht hatte, nicht bezeichnen. Der Fremde betrachtete sie mit unverhohlenem Missmut.

Martha war ihrerseits auch nicht gerade begeistert darüber, ihm hier zu begegnen.

„Wer, zur Hölle, bist du?“, fragte er barsch. „Na ja, ist mir auch egal. Verschwinde einfach!“

Verschwinden?, dachte sie verblüfft. Wieso sollte ich verschwinden?

„Einen Augenblick mal, Freundchen!“, gab sie zurück und baute sich zu voller Körpergröße auf. Wenigstens sprach er englisch. Um genau zu sein, klang er so amerikanisch wie sie selbst. Also musste er ein Freund von Elias sein. „Ich bin nicht diejenige, die irgendwohin verschwindet.“

Schließlich war er der Eindringling. Dies war ihr Haus, nicht seines. Er hatte kein Recht dazu, so selbstgefällig vor ihr zu stehen – die Hände in die Hüfte gestemmt – und sie anzufeinden. Durch ihn ließ sie sich jedenfalls nicht von ihrem Plan abbringen, einen Drink, eine Dusche und ein Nickerchen zu genießen.

„Entschuldige mich!“, sagte sie hochmütig und wollte an ihm vorbei zur Küche gehen.

Doch er verstellte ihr den Weg. „Was glaubst du, wo du da hingehst?“

„Ich hole mir etwas zu trinken“, sagte sie. „Ich bin am Verdursten. Und jetzt: zur Seite!“

Er rührte sich nicht.

„Hör mal“, begann sie. „Wer bist du eigentlich? Hat Elias dir seinen Schlüssel gegeben?“

Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. „Elias? Wer soll das sein?“

Offenbar war er keiner von Elias‘ Freunden. „Mein Bruder.“

Der Mann schüttelte den Kopf. Dabei fielen ihm seine halblangen schwarzen Haare ins Gesicht. „Nie von ihm gehört. Wie bist du hier reingekommen?“

„Wie ich hier reingekommen bin?“, fragte sie ungläubig und stieß mit der Fußspitze gegen ihre Tasche. „Mit meinem Schlüssel natürlich. Ich lebe hier nämlich.“

„Das wüsste ich aber.“

„Gut, ich lebe nicht ständig hier“, gab sie zu. „Aber ich könnte es, wenn ich es wollte. Ich bin Martha Antonides. Meiner Familie gehört dieses Haus.“

Seine Miene glättete sich wie durch ein Wunder. „Nicht mehr“, behauptete er gelassen. „Es gehört mir.“

„Was?“ Sie glaubte, sich verhört zu haben. „Wovon redest du da? Wer bist du denn überhaupt?“

„Theo Savas.“

Als bedeutete dieser Name irgendetwas. Verständnislos sah Martha den Fremden an. „Und?“

„Und ich bin der Besitzer dieses Hauses.“

„Nein“, widersprach sie schlicht. „Tut mir leid, aber das kann nicht stimmen. Ich weiß nicht, von welchem Haus du vielleicht sprichst, aber dieses hier ist es ganz sicher nicht. Es gehört seit vielen Generationen meiner Familie.“

„Das ist Vergangenheit“, erklärte er geduldig. „Tut mir auch leid“, fügte er ironisch hinzu. Dabei klang er fast wie Julian, als dieser Martha klarzumachen versuchte, dass sein Seitensprung unter der Dusche eigentlich ihre Schuld war.

„Beweise es!“

„Was immer du willst.“ Achselzuckend verschwand Theo in dem Zimmer, das ihr Vater für gewöhnlich als Arbeitszimmer nutzte. Nicht dass er dort jemals echte Arbeit verrichtet hätte!

Kurz darauf drückte Theo ihr ein paar Papiere in die Hand. Er musterte Martha neugierig, während sie die Unterlagen durchsah. Es handelte sich um eine Vereinbarung zwischen ihrem Vater und jemandem namens Socrates Savas.

„Mein Vater“, erläuterte er, bevor sie fragen konnte.

Irritiert presste Martha die Lippen aufeinander und las weiter. Es war das Albernste, das sie je gesehen hatte.

„Hier geht es um ein Golfspiel!“, sagte sie laut. Der Gewinner dieses Spiels sollte zum Präsidenten der Firma Antonides Marine International ernannt werden, die ihr Urgroßvater gegründet, ihr Großvater aufgebaut und ihr Vater beinahe ruiniert hatte. Allein ihr Bruder Elias konnte das Unternehmen vor dem Bankrott retten.

Es war kaum zu glauben, dass Marthas Vater das angeschlagene Unternehmen bei einem schnöden Golfspiel als Spieleinsatz angeboten hat. Dennoch erinnerte Martha sich daran, dass mit der Ernennung eines neuen Präsidenten und der offiziellen Firmenübergabe an Elias das Familienunternehmen zumindest vor einem Bankrott bewahrt werden konnte.

„Lies weiter!“, riet Theo ihr.

„Wie groß ist der Einfluss deines Vaters auf unsere Firma?“, wollte sie wissen.

„Dein Vater hat meinem vierzig Prozent davon verkauft.“

Fassungslos riss Martha die Augen auf und schnappte nach Luft. Das konnte doch unmöglich wahr sein. Andererseits war ihrem Vater so etwas leider zuzutrauen. Vermutlich hatte er sogar gedacht, Elias mit diesem Schachzug bei der Rettung der Firma helfen zu können.

Martha begann zu zittern. „Er hat das Golfspiel verloren“, presste sie kopfschüttelnd hervor, während sich in ihrem Kopf das Puzzle langsam zusammensetzte. Sie hatte es schwarz auf weiß vor sich, was geschehen war.

Theo Savas legte nur den Kopf schief und sah sie an.

Das zweite Dokument in ihren Händen war sogar noch absurder. Als wäre die Golfpartie nicht schon genug gewesen, ging es hierbei um ein Segelwettrennen. Die geliebte Argo ihres Vaters gegen Socrates Savas‘ Penelope, und der Gewinner des Rennens sollte als Preis das jeweilige Inselhaus des Verlierers erhalten.

„Ich habe gewonnen“, verkündete ihr dunkelhaariger Todfeind überflüssigerweise. „Ich bin für meinen Vater gesegelt, weil er fand, dass ich auch für sein Schiff die beste Besatzung bin. Er hatte ohnehin kein persönliches Interesse an dieser Villa, also hat er sie mir als Preis überlassen.“

Martha bekam keine Luft mehr. Wie konnte ihr Vater nur das uralte Anwesen der Familie gegen irgendeine andere Wochenendhütte auf der Hauptinsel setzen?

Wütend drückte sie ihm die Papiere in die Hand, während er sie nur schweigend angrinste. „Das ist Schwachsinn!“

„Finde ich auch“, lenkte er ein. „Dennoch ist es rechtmäßig. Ich habe das Rennen gewonnen und damit auch das Haus. Daher denke ich, Miss Antonides“, sagte er betont, „dass du diejenige bist, die nun zu gehen hat.“

Eine ganze Weile dachte Martha über ihre Situation nach, bis sie Theo schließlich gerade in die Augen sah. „Nein.“

„Was meinst du mit Nein?“, erkundigte er sich verwundert, so als hätte er dieses Wort noch nie in seinem Leben gehört.

Gleichgültig zuckte sie die Schultern. „Was gibt es daran nicht zu verstehen? Dies ist ein großes Haus, und ich werde dir nicht in die Quere kommen. Vergiss einfach, dass ich da bin! Ich für meinen Teil habe ebenfalls vor, deine Anwesenheit auszublenden!“ Damit nahm sie ihre Reisetasche in die Hand und machte sich auf den Weg zur Treppe.

„Warte, verdammt!“, rief er und packte sie am Arm. „Du kannst nicht hierbleiben.“

„Sicher kann ich das.“ Ungerührt machte sie sich von ihm los und ging weiter.

„Ich lege keinen Wert auf Gesellschaft“, widersprach er und folgte ihr.

Inzwischen war sie an dem Zimmer angekommen, das sie sich immer mit ihrer Schwester Christina geteilt hatte. „Was willst du tun? Mich mit Gewalt hinauswerfen?“

Das Haus mag meiner Familie nicht mehr gehören, aber in diesem Zimmer stehen noch meine Möbel, und in diesem Regal befinden sich meine Kinderbücher, dachte sie. Martha hob herausfordernd ihr Kinn. Sollte er es nur wagen, sie anzurühren!

Theo hatte die Hände zu Fäusten geballt, und an seiner Schläfe pochte sichtbar eine Ader. Aber er machte keine Anstalten, auf Martha zuzugehen.

„Sei vernünftig“, sagte er schließlich. „Es gibt hier jede Menge Hotelzimmer.“

„Kann ich mir nicht leisten.“

„Ich zahle dafür.“

„Damit mich jeder auf Santorin für eine Mätresse hält?“, spottete sie. „Auf keinen Fall!“

Martha kannte die Gerüchteküche der Inselbewohner nur zu gut.

„Und was denken die Leute, wenn du hier mit mir zusammenwohnst?“, wandte er triumphierend ein.

„Nichts. Schließlich ist das mein Haus. War es zumindest“, fügte sie leise hinzu.

Er hob die Schultern. „Gut, dann ruf deinen Vater an. Er kann für ein Hotel bezahlen.“

„Nein!“

Niemand von meiner Familie weiß, dass ich hier bin, überlegte sie. Und das soll auch so bleiben. Ich habe keine Lust, das Ausmaß meiner Demütigung vor meinen Eltern und meinen Geschwistern breitzutreten.

„Wie du meinst.“ Er hob beide Hände hoch. „Dann denk dir eben etwas anderes aus! Ich will dich hier auf jeden Fall nicht haben.“

„Aber …“

„Nein“, schnitt er ihr das Wort ab. „Mir reicht es. Keine Frauen. Ich habe die Nase gestrichen voll von denen!“

Martha blinzelte. „Dann bevorzugst du also Männer?“

Eigentlich schade, dachte sie. Die Gene von Theo Savas sind es definitiv wert, vermehrt zu werden!

„Ich stehe nicht auf Männer!“, zischte er und zog die Augenbrauen zusammen. „Es stört mich nur, Tag und Nacht von aufdringlichen Frauen belagert zu werden.“

In aller Seelenruhe ließ Martha ihren Blick an ihm heruntergleiten. „So großartig siehst du gar nicht aus“, log sie.

Er schnitt eine Grimasse. „Das habe ich auch nicht behauptet. Es liegt an dieser verfluchten Zeitschrift und dem ewigen Gerede über dies und das, was angeblich unbeschreiblich sexy ist.“

Unwillkürlich musste sie lachen. „Und welchen Titel hast du bekommen?“, wollte sie wissen.

„Platz eins auf der Weltrangliste für sexy Segler“, brummte er. „So ein Blödsinn. Aber erzähl das mal den dummen Frauenzimmern, die diesen Müll lesen und dann glauben, sie wären die Frau meiner Träume.“ Sein gequälter Blick wirkte tatsächlich echt. „Und deshalb kann ich hier auch keinen begeisterungsfähigen Teenager im Haus gebrauchen.“

„Wie bitte? Ich bin vierundzwanzig Jahre alt!“

Unbeeindruckt sah er sie an. „Wie ich sagte: nicht meine Altersklasse.“

Martha hasste es, als Küken abgestempelt zu werden. Allzu oft hörte sie von ihrer eigenen Familie, dass man sie beschützen müsse.

„Vertrau mir, Methusalem“, begann sie ironisch, „ich wäre nicht einmal hinter dir her, wenn du der letzte Kerl auf Erden wärst. Oder der vorletzte“, setzte sie mürrisch hinzu.

Aber Theo hatte sie gehört. „Darum geht es also.“

„Was?“

„Du läufst vor einem Mann davon.“

„Ich laufe vor niemandem davon“, widersprach sie vehement. „Ich brauche nur eine kleine Auszeit, das ist alles. Ein bisschen Urlaub.“ Das entsprach sogar der Wahrheit, wenn es auch nicht die ganze war … „So gern ich auch weiter mit dir plaudern würde, ich bin hundemüde. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich jetzt duschen und ein kleines Nickerchen machen.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand sie im angrenzenden Badezimmer.

„Ich habe etwas dagegen“, rief er ihr hinterher. „Ich werde jetzt segeln gehen. Und wenn ich nachher zurückkomme, Kleines, bist du hoffentlich verschwunden!“

Theo schimpfte immer noch leise vor sich hin, nachdem er das Haus längst verlassen hatte. Während der letzten Tage hatte er sich endlich etwas entspannen können, weil auf Santorin niemand diesen fürchterlichen Artikel zu kennen schien. Natürlich flirteten einige Frauen mit ihm, aber das war nicht ungewöhnlich. Kein Vergleich mit den verrückten Damen, die zu Hause überall durch seine Fenster schauten oder sich in Bars penetrant an ihn drängten.

Er hatte sein Leben zurück, und jetzt das! Dabei war ihm selbst klar, dass er überreagierte. Trotzdem war es ein kleiner Schock gewesen, als sich die Haustür geöffnet hatte und seine Festung buchstäblich gestürmt worden war.

Leider war dieses anmaßende Mädchen ausgesprochen attraktiv, mit ihren wilden Haaren und den großen braunen Augen. Auch wenn sein Kopf sich gegen weibliche Gesellschaft wehrte, war seinen Hormonen nicht entgangen, wie anziehend Martha Antonides war. Und wie aufregend – in jeder Hinsicht …

Theo mochte Frauen – sogar sehr. Aber er war lieber der Jäger als der Gejagte. Und seit der Veröffentlichung dieses Artikels fühlte er sich zum Abschuss freigegeben. Die Jagdsaison war eröffnet, und seit sechs Monaten war Theo nirgendwo mehr vor aufdringlichen Frauen sicher. Er hätte es sicher niemals geglaubt, wenn er es nicht am eigenen Leib erfahren hätte.

Zuerst hatte er gedacht, der Wirbel um seine Person würde sich mit der Zeit legen, aber letztendlich blieb ihm nur noch die Flucht. Ein Zeitungsartikel oder Fernsehbeitrag folgte dem nächsten, und plötzlich wandten sich auch ehemalige Freundinnen von Theo mit pikanten Geschichten an die Öffentlichkeit.

Bestimmt war diese Hexenjagd irgendwann vorbei, und dann hätte Theo nur noch seine Mutter im Nacken sitzen, die ihn unbedingt verheiratet sehen wollte. Eine weitere Person, der er wohlweislich aus dem Weg ging.

Als Theo nach New York zurückgekehrt war, um das Segelbootrennen für seinen Vater zu gewinnen, vermied er es, das Familienanwesen auf Long Island zu besuchen. Er liebte seine Mutter, aber gleichzeitig konnte er ihre Einmischung in sein Leben nicht akzeptieren. Sie war mehr als hartnäckig bei ihren Kuppeleiversuchen.

„Alternativen und Vorschläge“, nannte sie es immer. „Heirate, Theo, dann hast du auch keine Probleme mehr!“

Aber das war nicht die Lösung aller Probleme, Theo wusste das. Schließlich war er schon einmal verheiratet gewesen, aber ohne das Wissen seiner Mutter. Und das hatte ihm mehr Probleme bereitet als irgendetwas anderes jemals zuvor.

Jetzt war er älter und weiser. Inzwischen wusste er, dass die Ehe nichts für ihn war. Er hatte nicht einmal viel für feste Beziehungen übrig. Und vor allem musste er seine neue Mitbewohnerin loswerden, damit sie nicht auch noch auf dumme Gedanken kam.

Sollte sie sich doch ein Gästehaus suchen. Und wenn die Häuser, die man kurzfristig mieten konnte, ihr nicht komfortabel genug waren, war das auch nicht sein Problem!

Es dämmerte bereits, als er vom Segeln zurückkam. Die Inselbars waren hell erleuchtet und aus den Nachtklubs und den Cafés ertönte Musik. Der Kai wimmelte von Touristen, die in der warmen Abendbrise lachten, redeten und tanzten. Einige von ihnen forderten Theo sogar zum Mittanzen auf.

Lächelnd schüttelte er den Kopf. Er war müde und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Er freute sich auf ein kühles Bier und sein weiches Bett.

Doch schon von Weitem sah er das hell erleuchtete Küchenfenster und konnte Martha beobachten, die gerade vom Wohnzimmer aus den Raum betrat. Wütend stapfte er zum Haus hinauf und riss die Tür auf.

„Ich habe dir doch gesagt …“

„Theo!“ Eine verführerische Stimme mit skandinavischem Akzent schnitt ihm das Wort ab.

Er drehte sich auf dem Absatz um. Aus dem Wohnzimmer kam eine große schlanke Blondine und breitete ihre Arme aus. Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, war sie für ihn ein lebender Männertraum gewesen.

„Agnetta?“ Eigentlich war es keine Frage. Und Agnetta war nicht länger ein Männertraum, sondern ein Albtraum. Wenn es eine Frau gab, die er außer Martha Antonides noch weniger in seinem Haus sehen wollte, war es definitiv Agnetta Carlsson.

Aber bevor er weitersprechen konnte, erschien eine weitere junge Frau in der Tür. „Theo!“ Sie rannte auf ihn zu und warf sich in seine Arme.

Bevor sie ihn auf die Wange küssen konnte, schob er sie leicht von sich. Wer immer sie war, sie kam Theo nur vage bekannt vor. Wie war noch ihr Name?

„Erinnerst du dich an mich? Cassandra“, half sie ihm aus. „Du weißt schon: Cassie! Cassie Thelonikis. Das Patenkind deiner Mutter.“

Jetzt erkannte er sie und schob sie unwillkürlich noch weiter von sich weg.

„Deine Mutter hat uns hergeschickt“, plapperte sie weiter. „Ist das nicht cool?“

Dieses Wort hätte Theo sicher nicht gewählt, um die Situation zu beschreiben. „Hergeschickt? Wieso?“ Er wusste nur zu gut, dass er extrem unfreundlich klang.

Doch Cassie war offensichtlich immun gegen seinen Tonfall. „Sie sagte, du brauchst Ablenkung. Und Schutz“, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. „Du wärst viel zu sehr auf das Segeln fixiert, und seit du prominent bist, belagern dich die Frauen wie die Haie. Stimmt das?“

Und um ihn zu schützen, schickte seine Mutter ihm noch mehr Frauen auf den Hals? Und dann ausgerechnet Agnetta Carlsson?

Cassie wartete keine Antwort ab. „Ich habe im letzen Jahr viel gemodelt und im Frühjahr lange mit Agnetta zusammengearbeitet. Den Auftraggebern gefällt offenbar der Kontrast zwischen uns – hellblond und dunkelbraun.“ Sie zuckte die Achseln. „Jedenfalls sind wir Freundinnen geworden. Und als ich mich letzte Woche mit deiner Mutter zum Mittagessen getroffen habe, ist Agnetta dazugekommen. Sie wollte deine Mutter unbedingt kennenlernen, weil ihr beide doch mal befreundet wart.“

So nannte man das also? Theo war dem schwedischen Model im letzten Sommer bei einem Segelbootrennen vor Marseille begegnet. Auf einer Party waren sie sich dann nähergekommen, und Theo hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass er an keinerlei Verpflichtung interessiert war.

Agnetta war wunderschön, sie war gierig, und sie war toll im Bett – genau, wie er erwartet hatte.

Einen Monat hatte ihre Liaison gedauert, und die Klatschblätter liebten sie. Allein optisch waren sie schon ein Traumpaar für jeden Fotografen. Aber dann sprachen die Presse und auch Agnetta selbst vom Heiraten.

„Ist Aggie die Richtige? Wird sie ihn zähmen? Hat sie ein süßes Geheimnis?”

Die Schlagzeilen überschlugen sich, nachdem Agnetta ihre Schwangerschaft verkündet hatte. Theo konnte es kaum glauben, denn schließlich war er grundsätzlich äußerst vorsichtig gewesen. Er wollte den Schwangerschaftstest sehen und mit Agnettas Arzt sprechen.

„Du glaubst mir nicht“, kreischte sie entsetzt.

Das hatte er nicht gesagt. Und er wollte sie heiraten, wenn sie tatsächlich schwanger war. Aber das musste sich noch herausstellen.

„Du vertraust mir nicht“, warf sie ihm ständig vor.

„Zeig mir den Test, oder lass mich mit dem Arzt reden!“ Theo blieb hartnäckig.

Agnetta warf Schuhe nach ihm und weinte bitterlich, doch er ließ sich nicht erweichen. „Wir haben genug Zeit und werden es bald ganz sicher von allein wissen.“

Nach zwei Wochen wurde sein Warten belohnt. Es gab natürlich noch mehr Tränen, unzählige, gefolgt von faulen Ausreden.

„Ich … ich muss spät dran sein. Ich glaubte wirklich, ich wäre schwanger. Das liegt daran, dass mich unsere lockere Beziehung so sehr stresst“, behauptete sie.

Er nickte verständnisvoll. „Und wir wollen doch nicht, dass du gestresst bist.“

Sofort hellte sich ihre Miene auf, und sie schlang ihre Arme um seinen Hals. „Dann heiraten wir trotzdem?“

„Nein. Ich halte es für besser, wenn ich einfach aus deinem Leben verschwinde.“

Und das hatte er getan. Seit diesem Gespräch waren sie sich nicht mehr begegnet.

In dieser Sekunde sah sie ihn mit einem berechnenden Lächeln über Cassies Schulter hinweg an. „So eine wundervolle Idee von deiner Mutter“, schnurrte sie. „Verbringt doch eine Woche in unserem neuen Haus!, hat sie gesagt. So nett und großzügig von ihr. Und so reizend von dem Mädchen, uns hereinzulassen.“

Seine Augen wurden schmal. „Welches Mädchen?“

„Marla? Nein, Martha“, korrigierte Agnetta sich selbst. „Das Mädchen in der Küche. Sie hat uns hereingebeten und uns mit dem Gepäck geholfen. Ausgesprochen hilfsbereit.“

„War sie das?“, zischte er und biss die Zähne zusammen.

„Oh, ja“, bestätigte Cassie und strahlte.

Er würde sie umbringen. Diese Martha Antonides! Sie wusste genau, dass er hier niemanden sehen wollte. Vor allen Dingen keine Frauen, die auch noch ein Auge auf ihn geworfen hatten.

„Sie sagte, du hättest nichts dagegen, dass wir hier einfach einfallen. Und dass ein Familienanwesen doch genau dafür da ist – um mit anderen Menschen geteilt zu werden“, erklärte Cassie.

„Hat sie das gesagt?“, erkundigte Theo sich mit eisigem Lächeln. „Wo ist sie?“

„Sie wollte uns einen Snack machen“, sagte Agnetta und zeigte lächelnd in Richtung Küche.

Als Theo sich umdrehte, stand Martha Antonides vor ihm. Sie trug ein Tablett mit Brot, Öl, Obst und Oliven.

„Ich wusste, dass du dich über neue Gesellschaft freuen würdest“, begann sie fröhlich, und Theo hätte sie auf der Stelle erwürgen können. Sie bedachte ihn mit einem herausfordernden Blick, während sie den anderen beiden Frauen etwas zu essen anbot. „Das war wirklich süß von deiner Mutter, an deine Einsamkeit hier zu denken. Und du hast hier so viel Platz. Kein Wunder, Gastfreundlichkeit ist schließlich eine maßgebliche Säule der griechischen Kultur.“

„Ach ja?“ Sein Ton war tödlich. „Ich dachte, das wäre der Krieg.“

„Beides, denke ich“, entgegnete sie leichthin und strahlte Agnetta und Cassie an. „Sich mit Freunden anzulegen ist fast so unterhaltsam wie eine Schlacht mit dem Feind, nicht wahr?“

„Das werden wir wohl herausfinden.“ Mit diesen Worten nahm Theo Martha das Tablett ab und reichte es Agnetta mit einer ungeduldigen Handbewegung. „Kann ich mal kurz mit dir unter vier Augen sprechen?“

Energisch hakte er Martha unter und schob sie aus dem Zimmer. Kaum um die Ecke, presste er seine Lippen auf ihren Mund und drängte sie weiter rückwärts in das ehemalige Schlafzimmer ihrer Eltern. Er warf die Tür hinter sich ins Schloss und sah Martha dann triumphierend an. „Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt, Süße!“

2. KAPITEL

„Was soll das?“ Wütend stemmte Martha ihre Hände gegen seine Brust. Dann sah sie sich überrascht um. Die Möbel ihrer Eltern waren verschwunden, und das Zimmer wirkte beinahe asketisch.

Die Wände waren weiß, die eleganten Möbel sehr dunkel, und die einzige Dekoration waren zwei riesige Segelbilder in Schwarz-Weiß. Martha hatte keinen Zweifel daran, dass Theo sich in diesem Schlafzimmer sehr wohlfühlte.

„Diese Frage sollte ich eigentlich stellen“, konterte er. „Wie kommst du dazu, mein Haus für Fremde zu öffnen?“

„Für dich sind es doch keine Fremden“, verteidigte sie sich. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und sie war ziemlich außer Atem. Mühsam unterdrückte sie den Impuls, sich über ihre Lippen zu fahren, auf denen sie immer noch seinen Kuss spüren konnte. Sie war innerlich viel aufgewühlter, als sie es jemals bei Julian gewesen war.

„Diese Cassandra hat behauptet, deine Mutter hätte sie geschickt“, fuhr Martha zögernd fort. Insgeheim fragte sie sich aber, ob die beiden Frauen womöglich Verflossene von Theo waren.

„Für dich waren es aber Fremde“, sagte er gereizt. „Und das sollte auch so bleiben. Du weißt ganz genau, dass ich hier niemanden sehen will.“

„Das hast du mir schon alles gesagt“, unterbrach sie ihn. „Aber die beiden sind keine gewöhnlichen Groupies. Sie sind Bekannte deiner Mutter. Wenn du sie hier nicht haben willst, schön und gut. Dann wirf sie doch raus! Geh einfach hin und sag ihnen, sie sollen verschwinden!“

Seine Miene wurde hart. „Das kann ich nicht, und das weißt du.“

Martha hob die Augenbrauen. „Woher sollte ich das wissen?“

„Weil du selbst eine griechische Mutter hast. Und die soll bestimmt auch nicht wissen, dass du hier bist. Hab ich recht?“ Er schenkte ihr einen wissenden Blick, und Martha sah zu Boden.

„Das ist nicht dasselbe“, murmelte sie.

„Sicher ist es dasselbe. Sie mischen sich überall ein und lassen einem keine Ruhe. Und sie glauben immer zu wissen, was das Beste für dich ist.“ Er streckte sich und ging im Zimmer auf und ab.

Neugierig beobachtete sie ihn. „Was ist denn, laut deiner Mutter, das Beste für dich?“, fragte sie.

„Eine Ehefrau“, gestand er widerwillig.

Martha lachte leise auf.

„Das ist nicht lustig!“

„Natürlich nicht“, erwiderte sie übertrieben ernst. Doch sie konnte sich ein leises Lächeln nicht verkneifen, als sie darüber nachdachte, wie viel Respekt Theo vor den Machenschaften seiner Mutter hatte.

„Sie glaubt, mir die Groupies vom Leib halten zu können, indem sie mir andere Frauen vorschlägt“, erklärte er. „Das ist aber der falsche Weg, vor allem, was diese Frau betrifft.“

„Welche Frau? Agnetta?“ Ihr war sehr wohl aufgefallen, dass eine gewisse Feindseligkeit in der Luft lag, soweit es die blonde Schwedin betraf. Und Agnetta war auch diejenige, die auffällig erschüttert über Marthas Anwesenheit gewesen war. Sie hatte Martha von der ersten Minute an darüber ausgefragt, was sie hier zu suchen hatte.

„Ihr zwei habt wohl eine gemeinsame Vergangenheit“, erriet Martha.

Nicht, dass sie etwas davon wissen wollte. Aber Agnetta hatte diverse Anspielungen gemacht und keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Martha als Konkurrenz betrachtete. Schon deshalb beschränkte sich Martha im Gespräch mit ihr auf das Nötigste. Cassandra dagegen war aufgeschlossen und freundlich.

Theo steckte die Hände in seine Hosentaschen. „Keine gemeinsame Vergangenheit. Es dauerte nicht lange an, und es ist vorüber.“

„Für sie offenbar nicht“, wandte Martha ein.

Er stöhnte auf. „Warum hast du nicht gesagt, dass ich nicht wiederkomme?“

„Weil du mir gesagt hast, du kommst wieder“, gab sie zurück. „Woher sollte ich denn wissen, was du von mir erwartest?“

„Aber dir war doch klar, dass ich allein sein will.“

„Schon. Aber du warst vorhin so eklig zu mir, da habe ich gedacht, es geschieht dir ganz recht“, gab sie zu und lächelte breit.

„Vielen Dank auch!“ In Theos Stimme hatte sich ein Hauch von Verzweiflung gemischt. „Was mache ich denn jetzt?“

In Gedanken war Martha längst wieder bei dem Kuss, den Theo ihr vor wenigen Minuten gegeben hatte. Es war ein fester erregender Kuss gewesen. Nicht so ein weicher feuchter wie von Julian … Nein, Theo könnte nie so unerotisch küssen. Männer wie er sollten weggesperrt werden, irgendwohin, wo sie junge Frauen nicht auf falsche Gedanken bringen konnten. Jemand wie Agnetta kam sogar bis nach Griechenland, um eine zweite Chance von ihm zu bekommen. Und das, obwohl sie mit Sicherheit fast jeden Mann für sich gewinnen könnte.

Wie eine Raubkatze im Käfig tigerte Theo unruhig durch sein Schlafzimmer. Dann wirbelte er plötzlich herum und sagte zu Martha: „Wie lange bleiben die beiden eigentlich hier?“

„Was meinst du? Auf Santorin?“

„Natürlich, was denn sonst?“

„Nun, ihrer eigenen Aussage nach eine Woche. Wieso?“

Er dachte kurz nach. „Die beiden bleiben also eine Woche, und ich würde sagen, dann kannst du ebenfalls bleiben.“

„Ich?“ Martha war überrascht. „Aber du hast doch gesagt …“

„Kein aber! Du bleibst die Woche über und spielst meine feste Freundin!“

„Wie bitte?“

„Du hast schon verstanden. Sie werden mich in Ruhe lassen, wenn hier schon eine andere Frau die Oberhand hat.“

Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und blickte Theo verwirrt an. „Du willst mir den Schwarzen Peter zuschieben“, stellte sie schließlich fest.

Er machte ein unschuldiges Gesicht. „Es ist deine Wahl.“

„Aber ich bin für drei Wochen auf der Insel. Meine Flugreservierung steht fest.“

„Dann hast du doch eine Woche Zeit, dich nach etwas anderem umzusehen. Kein Problem.“

Für dich vielleicht nicht, giftete sie in Gedanken. Ihr gefiel nicht, wie selbstzufrieden Theo aussah.

„Wieso sollte ich?“, fragte sie herausfordernd.

„Weil du verzweifelt und pleite bist“, sagte er hart und grinste spöttisch.

Leider hatte er nur allzu recht damit, deshalb wechselte sie das Thema. „Erzähl mir mehr von dem, was dich mit Agnetta verbindet!“

Erst sah es so aus, als würde Theo ihr nicht antworten. Doch nach kurzem Schweigen rückte er doch mit der Sprache heraus. „Ich will einfach nicht, dass sie glaubt, sich wieder in mein Leben drängen zu können.“

„Also war sie mal ein Teil deines Lebens.“

„Ich bin ein paarmal mit ihr ausgegangen“, antwortete er ausweichend.

„Ausgegangen?“, hakte Martha erbarmungslos nach. „Im Sinne einer harmlosen Verabredung? Um elf zu Hause? Diese Sorte Verabredung?“ Ihre Stimme klang vollkommen unschuldig.

„Wir haben miteinander geschlafen“, sagte er tonlos. „Aber das war‘s. Mehr nicht.“

„Was könnte es mehr geben?“

„Keine Verpflichtungen, keine Beziehung“, erklärte er weiter. „Wir waren kein Paar. Ich habe keine festen Beziehungen. Es war eine schöne Zeit, aber ich habe ihr klargemacht, dass diese Zeit endgültig vorbei ist.“

„Wie charmant von dir.“

„Sieh mal, ich habe nie behauptet, sie zu lieben. Sie ist Model und war für ein Fotoshooting im Land. Wir haben uns lediglich miteinander amüsiert.“

„Im Bett.“

„Im Bett und auch sonst“, fuhr er fort. „Aber ich habe ihr ehrlich gesagt, dass ich nichts Ernstes suche. Niemals.“

„Natürlich nicht. Du hast sie nur mit deinem Charme eingewickelt, sodass sie sich verliebt hat“, beschuldigte Martha ihn.

„Niemand hat sie gezwungen, mit mir ins Bett zu gehen.“

Wortlos zog sie eine Augenbraue hoch.

„Zumindest habe ich sie nie belogen.“

Und Martha wusste, dass so etwas für manche Männer nicht selbstverständlich war. Julian hatte ihr geschworen, auf sie zu warten. Und gleichzeitig hatte er es nicht geschafft, seine Hose anzubehalten.

„Also gut. Sie wollte etwas Ernstes und du nicht. Wie ging es dann weiter?“

„Nach ein paar Wochen stand sie bei mir vor der Tür und hat behauptet, schwanger zu sein.“ Er spuckte die Worte beinahe aus und klang damit wie jemand, der keinen gesteigerten Wert auf eigene Kinder legte.

„Und was hast du getan? Deinen Charme spielen lassen und ihr zur Abtreibung geraten?“ Ihr Sarkasmus klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte.

Erschrocken sah er sie an. „So etwas würde ich nie tun!“

„Was dann?“, fragte sie etwas sanfter.

„Es gab überhaupt kein Baby.“

„Kein Baby?“

„Sie hat die Schwangerschaft nur vorgetäuscht, um mich zur Ehe zu zwingen.“ Er wirkte so wütend, dass Martha ihm seine Schilderungen zu einhundert Prozent glaubte. „Die ganze Geschichte zog sich lange hin und endete sehr hässlich. Deshalb will ich auch absolut sichergehen, dass sie sich in keiner Form wiederholt.“

„Das kann ich verstehen.“

„Gut. Dann siehst du ein, dass du die Woche über hierbleiben musst.“ Er ließ seinen Blick durch das Schlafzimmer schweifen. „Du musst den beiden beweisen, dass es eine neue Frau in meinem Leben gibt.“

„Aber ich kann unmöglich …“

„Du brauchst eine Unterkunft. Und solange Agnetta und Cassie hier sind, kannst du in diesem Haus bleiben – als meine hingebungsvolle Freundin. Verstehen wir uns so weit?“

Ihre Gedanken überschlugen sich. Es war offensichtlich, dass sie sich mit Theo ein Zimmer teilen musste, wenn ihre Scharade überzeugend wirken sollte. Aber konnte sie sich das zutrauen?

„Dieser Artikel“, begann sie, „wie sind die Journalisten darauf gekommen, dass ausgerechnet du der erotischste Segler der Welt bist? Ich meine, haben sie nachgeforscht? Frauen befragt? Woher wussten sie, dass ausgerechnet du diesen Titel verdienst?“

„Wie soll ich das wissen?“ Er warf beide Hände in die Luft. „Bist du jetzt verrückt geworden?“

Vielleicht, dachte sie im Stillen. Aber das würde sie niemals zugeben …

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, versicherte er ihr hastig. „Ich erwarte, dass du in meinem Bett schläfst, aber nicht …“

„Was ist, wenn ich gern eine oberflächliche Affäre mit dir hätte?“, unterbrach sie ihn.

Überrascht blickte er auf. „Bitte?“

„Du bist weltweit der Segler mit dem meisten Sexappeal“, erläuterte sie mutig. „Und wenn dich, nach deinen eigenen Angaben, Horden von Frauen verfolgen, warum sollte ich dann nicht eine von ihnen sein?“

„Du bist verrückt geworden“, stellte er schlicht fest.

„Vielleicht.“ Selbstbewusst warf sie den Kopf in den Nacken. „Was ist nun? Du willst nichts weiter von mir, ich will nichts weiter von dir. Keine Verantwortung, keine Konsequenzen. Und ich nehme die Pille. Also, warum nicht?“

Wortlos sah er sie an, und langsam verließ Martha ihr Mut. War sie so wenig anziehend, dass er sich nicht einmal vorstellen konnte, mit ihr zu schlafen? Ihre Wangen färbten sich rot.

„Das ist meine Bedingung“, sagte sie mit möglichst fester Stimme. „Nimm sie an, oder lass es!“

Es dauerte eine ganze Weile, bis er sprach. „Lass mich das noch einmal in Worte fassen. Ich lasse dich eine Woche lang hier wohnen, du spielst meine Freundin, und als Gegenleistung erwartest du eine bedeutungslose Affäre mit mir?“

„Genau. Allerdings möchte ich drei Wochen bleiben“, fügte sie hinzu.

Abrupt begann Theo zu husten.

„Das ist wohl das Mindeste. Ich habe dir doch gesagt, dass mein Rückflug schon gebucht ist. Und so lange möchte ich bleiben. Und“, setzte sie todesmutig hinzu, „in der Zwischenzeit erwarte ich umwerfenden atemberaubenden Sex!“

Zum Glück kann niemand von meiner Familie mich hören, dachte sie atemlos. Julian würde ich es dagegen gönnen!

Schließlich hatte er sie so weit getrieben. Aber es ging nicht nur um ihn, sondern auch um sie selbst. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, und ihr ganzes Leben hatte sie praktisch unter einer gläsernen Kuppel verbracht. Bis gestern war einfach alles grundsätzlich nach Plan verlaufen.

Die Erinnerung an Julians nackten Körper in der Dusche, zusammen mit einer gesichtslosen namenlosen Fremden, zeigte Martha immer wieder aufs Neue, wie lächerlich ihre Vorstellungen und Träume waren – nichts weiter als die Luftschlösser eines unreifen Mädchens.

Sie hatte immer die tiefe ewige Liebe finden wollen, die auch ihre Eltern miteinander verband. Bisher war ihr und auch ihren Geschwistern diese Liebe versagt geblieben. Besonders ihre Schwester Christina verbrauchte Männer wie Martha ihre Malfarben. Aber Martha wollte nie wie ihre Schwester sein, deshalb hatte sie auch Julian so energisch auf Abstand gehalten.

Obwohl er ständig versucht hatte, sie ins Bett zu bekommen.

Fünf Monate hatte sie sich Zeit gelassen, um sich darüber klar zu werden, ob Julian der Richtige für sie war. Was für eine blinde naive Idiotin sie doch gewesen war! Sex und Liebe hatten im echten Leben offenbar nichts miteinander zu tun, da brauchte man nur Julian zu fragen.

Schön, sie hatte aus ihren Fehlern gelernt. Und jetzt wollte sie vom attraktivsten Segler der Welt lernen.

Seit etlichen Minuten schon sahen sie sich schweigend in die Augen, bis Theo endlich nickte.

„Was immer du willst, Süße“, sagte er leise. „Drei Wochen, keine Verpflichtung. Atemberaubender Sex. Und Cassie und Agnetta sind aus dem Spiel.“ Er grinste zufrieden. „Ich würde sagen, wir haben eine felsenfeste Vereinbarung.“

„Sie ist nicht gerade dein Typ.“ Agnetta rückte dichter an Theo heran. Er lehnte an der Außenwand der Dachterrasse und sah sich den Sonnenuntergang an. Wenn er sich jetzt rührte, würde er unweigerlich ihre Brüste streifen.

Sie hatte sich ihre Position mit mathematischer Berechnung ausgesucht. Theo bewunderte beinahe ihre wilde Entschlossenheit, an die Vergangenheit anzuknüpfen. Aber er selbst gedachte seine eigene Entschlossenheit ebenso aggressiv durchzusetzen.

Und er hätte sich gar nicht auf Agnettas Vorschlag einlassen sollen, nach dem Essen auf die Dachterrasse zu gehen. Ihm war gleich klar gewesen, dass sie sich in erster Linie nicht für den einmaligen Ausblick interessieren würde. Aber er wollte Martha eine kleine Verschnaufpause gönnen.

Sie hatte aus seinen wenigen Vorräten für alle ein hervorragendes Essen gezaubert, war witzig und charmant gewesen und hatte anschließend jedes Hilfsangebot fürs Abwaschen abgelehnt.

Nicht dass die Hilfe der anderen beiden Frauen auch nur für einen Sekundenbruchteil ernst gemeint war. Sie hatten lediglich eine rhetorische Frage gestellt, obwohl sie beide sich niemals freiwillig an der Hausarbeit beteiligen würden. Cassie konnte gar nicht schnell genug ins Stadtzentrum kommen, um sich dort in den Klubs und Bars zu amüsieren. Agnetta ihrerseits hatte Theo gebeten, ihr den Ausblick von der Dachterrasse zu zeigen – wenn es ihm nichts ausmachte!

Gehorsam hatte er sie die Treppen hinaufgeführt und ihr von oben die Sehenswürdigkeiten der Insel gezeigt, die wahrlich sehenswert waren, ohne ihr dabei jemals zu nahe zu kommen.

„Martha?“, fragte er unschuldig und lächelte. Er hatte Marthas Anwesenheit während des Abendessens wahrhaftig genossen. Sie war nicht so albern wie Cassie oder so aufgesetzt und aufdringlich wie Agnetta. Nein, sie war intelligent und unterhaltsam. Irgendwie erinnerte sie ihn an seine kleine Schwester Tallie. Auf jeden Fall war sie ganz und gar nicht sein üblicher Typ Frau.

„Nein, ist sie nicht“, sagte er seufzend und warf Agnetta einen abfälligen Seitenblick zu. „Aber genau das mag ich an ihr.“

Sie machte einen Schmollmund. „Dann spielst du nur mit ihr“, stellte sie zufrieden fest. „Weiß sie das?“

„Allerdings.“

„Und sie ist tatsächlich damit einverstanden?“, keuchte Agnetta überrascht.

„Natürlich. Wir verstehen uns sehr gut.“

„An deiner Stelle wäre ich vorsichtig“, entgegnete sie spitz. „Martha ist nicht wie ich.“

„Was ein Vorteil wäre“, murmelte er, und sie zuckte zusammen.

„Du bist ein herzloser Bastard, Theo.“

„Nein, ich bin Realist. Und Martha ist es ebenfalls. Mach dir mal keine Sorgen um uns“, riet er ihr und wich geschickt von ihrer Seite, ohne sie dabei zu berühren. Dann sah er auf seine Uhr. „Gehen wir wieder hinunter, es ist spät.“

„Spät? Aber es ist noch nicht einmal richtig dunkel. Und es heißt, auf Santorin beginnt das Nachtleben erst nach Mitternacht.“

„Keine Ahnung“, sagte Theo gelangweilt.

„Du machst Witze.“ Agnetta lachte hell auf. „Komm, wir finden heraus, wie viel Leben hier in den Nächten steckt!“

Sie wollte sich bei ihm unterhaken, doch Theo zog rechtzeitig seinen Arm weg. „Nein, danke. Aber geh ruhig und amüsiere dich!“ Er drehte sich um und ging zur Treppe. Martha hatte lange genug Pause gehabt. Jetzt brauchte er ihre Unterstützung. „Ich gebe dir einen Schlüssel.“

„Einen Schlüssel?“ Agnetta eilte ihm nach. „Aber du kommst doch sicher mit. Ich meine natürlich, du und Martha, wenn es sein muss …“

„Wir kommen nicht mit“, sagte er mit fester Stimme. „Wir haben andere Pläne für den Abend.“

Beim Abwaschen fragte sich Martha ununterbrochen, was Theo und Agnetta auf dem Dach wohl zu besprechen hatten. Im Grunde ging es sie ja nichts an, aber die Flirterei der schwedischen Schönheit konnte man nur noch als unverschämt bezeichnen.

Auch wenn Theo nicht auf ihre Avancen einging, hatte er doch viel zu schnell zugestimmt, Agnetta auf die Dachterrasse zu entführen. Er war gleich auf sie eingegangen, nachdem Cassie sich auf den Weg in die Stadt gemacht hatte, und nun stand Martha mit dem Abwasch allein da.

Wie kann er nur so naiv sein?, ärgerte sie sich. Er hätte ebenso gut ablehnen und stattdessen mir helfen können!

Aber das hatte er nicht getan. Und Martha hatte ihren Stolz, auch wenn ihr angebliches Verhältnis zu Theo ein Schwindel war. Und überhaupt, sollte er wieder mit Agnetta im Bett landen, hatte er sich das selbst zuzuschreiben und musste es dementsprechend auch allein ausbaden. Trotzdem konnte sie das nagende Gefühl von irrationaler Eifersucht einfach nicht ganz verleugnen.

Nachdem die Küche in Ordnung gebracht war, warf Martha einen sehnsüchtigen Blick die Treppe hinauf zu ihrem alten Schlafzimmer. Aber genau dort hatte Theo mit voller Absicht das Gepäck seiner unwillkommenen Hausgäste hingebracht und Marthas Tasche danach unauffällig in sein eigenes Zimmer geschmuggelt.

Traurig ging sie in das Badezimmer, das an Theos Schlafzimmer grenzte. Auch hier war alles verschwunden, das an Marthas Eltern hätte erinnern können. Dafür war das Bad renoviert und modernisiert worden. Anerkennend ließ sie ihre Finger über den blank polierten Marmor gleiten und begutachtete die farblich aufeinander abgestimmten Handtücher.

Sie drehte das Wasser in der Dusche auf, und während es heiß lief, schlüpfte sie aus ihren Kleidern. Dann betrachtete sie ihren Körper im Spiegel. Sie war bei Weitem nicht so dünn und braun gebrannt wie Agnetta. Ihre Brüste waren voller und ihre Hüften breiter. Außerdem trug sie einige Kleidergrößen mehr als die beiden Models, die für eine Woche mit ihr unter einem Dach leben sollten.

Darüber will ich gar nicht nachdenken, überlegte sie traurig und wandte sich ab. Dann stieg sie in die Dusche und genoss das Gefühl warmen Wassers auf ihrer nackten Haut.

Zum ersten Mal, seit Julian für ewig ihre Träume zerschlagen hatte, fiel die innere Anspannung von Martha gänzlich ab. Sie rollte die Schultern, lockerte ihre Muskeln und streckte sich genüsslich aus. Dann seifte sie sich mit duftendem Duschgel ein und stellte erfreut fest, dass das Wasser – ganz im Gegensatz zu früher – gleichmäßig warm blieb.

In aller Ruhe wusch sie sich die Haare und wollte danach gerade das Wasser abstellen, als sie plötzlich merkte, dass sie nicht mehr allein im Badezimmer war.

Erschrocken drehte sie sich um, öffnete die Tür der Duschkabine einen Spalt und starrte Theo an, der splitternackt vor ihr stand. Dabei verlor sie etwas das Gleichgewicht und wäre gestürzt, wenn er nicht sofort beherzt nach ihrem Arm gegriffen hätte, um sie festzuhalten.

„Was machst du hier?“, fragte sie mit bebender Stimme, während er wie selbstverständlich zu ihr in die Dusche stieg. Martha zitterte, dabei wurde ihr innerlich immer heißer.

„Ich dachte, wir könnten hier mit dem atemberaubenden Sex anfangen.“ Seine Stimme war rau, und sein vielsagendes Lächeln brachte seine dunklen Augen zum Blitzen.

Martha schluckte, und ihr Puls ging immer schneller. „Ich, nun, oh …!“ Sie stockte, als er seine Hände an ihre Hüften legte.

Sofort hatte sie wieder das Bild von Julian und der fremden Frau in der Dusche vor Augen. Und diese Erinnerung gab ihr genau den Kick, den sie brauchte.

Sie atmete tief durch, setzte ihrerseits ein leicht unbeholfenes Lächeln auf und legte ihre Hände an Theos breite Brust. „Warum nicht“, sagte sie und verdrängte ihr Lampenfieber. Schließlich hatte sie kaum Erfahrung im Umgang mit Männern.

Eigentlich dachte Martha, könnte sie dieses Wagnis überlegt und wissenschaftlich angehen. Sie wollte fühlen, erforschen, analysieren, ausprobieren und lernen – so wie sie auch das Gemälde eines Malers untersuchen würde.

So lernte man eben dazu. Man ließ sich nicht mitreißen und verlor die Kontrolle über sein eigenes Handeln. Und man stieß schon gar nicht spontan Laute aus, die zum Teil höchst unanständig klangen!

Was macht er nur mit mir?, dachte sie wie im Rausch.

Martha verlor sich in dem Gefühl seiner Hände auf ihrer nassen Haut. Er streichelte ihre Beine und ließ sich dann auf die Knie sinken. Fassungslos beobachtete sie, wie er ihren Bauch küsste und sich mit seinen Lippen immer weiter nach unten bewegte. Seine Finger waren buchstäblich magisch, und Martha musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzustöhnen. Sie zitterte am ganzen Körper und bog sich ergeben weiter nach hinten, bis sie eine unerwartete Welle der Gier mit sich riss und über eine Klippe der Lust spülte.

Sie konnte nicht genug von ihm bekommen. Wie von Sinnen gab sie sich ihm hin und rang gleichzeitig um Fassung. Erst nach und nach beruhigte sich ihr Herzschlag, und ihre Knie wurden mit einem Mal weich.

In diesem Moment richtete Theo sich auf und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Sein Kuss war so wild und leidenschaftlich, wie Martha sich einen Augenblick zuvor gefühlt hatte. Dabei hielt er sie überraschend zärtlich in seinen Armen und streichelte ihren Körper.

Dann griff er in ihr Haar, bog leicht ihren Kopf zurück und sah ihr in die Augen. „Atemberaubend?“, flüsterte er fragend.

Instinktiv wollte Martha nicken, aber Theo war ihrer Meinung nach schon genug von sich überzeugt. Deshalb zwang sie sich zu einer kleinen Notlüge. „Nicht schlecht“, hauchte sie.

Er hob überrascht die Augenbrauen und zog sie dann eng zusammen. „Nicht schlecht?“

Jetzt musste sie doch lachen. „Alles in allem“, lenkte sie ein, „war es ganz gut.“

„Na gut“, sagte er mit gespieltem Ernst und öffnete die Dusche. „Dann wollen wir dich mal in Aktion sehen.“ Lachend zog er sie hinaus auf die Badematte, schlang ein Handtuch um sie und trocknete sie sorgfältig ab.

„Das kann ich selbst machen“, widersprach sie halbherzig.

„Kein Zweifel“, bemerkte er trocken. „Trotzdem möchte ich es tun. Und du“, er machte eine kleine Pause, „kannst dich gleich revanchieren.“

Er zwinkerte ihr grinsend zu und widmete sich dann wieder hingebungsvoll ihrem Körper.

Nach wenigen Minuten hielt Martha die Anspannung nicht mehr aus. „Jetzt bin ich dran“, verkündete sie entschieden und nahm sich ein zweites Handtuch. Damit rieb sie zuerst seine Arme und seine Schultern ab. Neben dem azurblauen Handtuch wirkte seine Haut tief gebräunt.

Theo stand ganz still da, und trotzdem bemerkte Martha ein leichtes inneres Beben. Seine Brust hob und senkte sich deutlich schneller, als sie mit ihrem Handtuch seinen Oberkörper hinunterwanderte. Sie fuhr die Linie von dunklen Härchen entlang, die sich von seiner Brust über seinen Bauch und noch tiefer entlangzog.

Er atmete schwerer und spannte seine Muskeln an.

Eine unbekannte Kraft durchfuhr sie, während Theo unter ihren ungeübten Händen immer hilfloser wurde. So etwas hatte sie mit Julian nie getan – nicht einmal darüber nachgedacht.

Der Blick, den er ihr zuwarf, versprach ihr Dinge, von denen sie bis jetzt noch keine Ahnung hatte. Trotzdem schürte er ihr Verlangen und machte sie ungeduldig. Sie wollte endlich wissen, warum alle Welt so viel Aufheben um Sex machte. Aber vor allem wollte sie sich in Theos Armen verlieren …

Bestimmt hat die Jury dieses berüchtigten Magazins Theo nackt gesehen, überlegte sie seufzend. Jeder hätte ihm diesen Titel verliehen.

Ehe sie sich versah, nahm Theo sie mit einem Schwung auf den Arm und trug sie geradewegs durch die Schlafzimmertür zu seinem Bett.

Mittlerweile war sie froh darüber, dass alles aus dem Schlafzimmer entfernt worden war, was an ihre Eltern erinnerte. Der Raum war geradezu durchdrungen von Theos sinnlicher Männlichkeit. Eine ganz neue aufregende Erfahrung.

Martha hatte kaum Zeit, sich zu besinnen. Theo legte sich neben sie auf das Bett und strich ihr behutsam die Haare aus dem Gesicht. Das Mondlicht schien durchs Fenster und tauchte das Schlafzimmer in silbriges Licht. Dann küsste Theo ihr Ohr, ihren Hals, ihre Schulter.

Es fing wieder an: die langsame Eskalation der Leidenschaft, sanftes Streicheln, Knabbern, Küssen. Marthas Lust war geweckt und wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Verlangend wand sie sich hin und her.

„Berühre mich“, raunte Theo ihr ins Ohr.

Eine Aufforderung, der sie nur allzu gern nachkam. Martha fühlte sich wie ein Kind, das nachts im Süßigkeitenladen eingesperrt war. Voller Genuss fuhr sie mit ihren Fingerspitzen über die Konturen seines Körpers. Zuerst ganz leicht, dann immer mutiger und forscher.

Wenn Martha ein neues Wandbild auf einer Oberfläche begann, auf der sie bisher nie gearbeitet hatte, musste sie ebenfalls experimentieren und sehen, wie das Material die Farbe annahm, wie die Farben aufgetragen werden mussten und auf welche Weise man die gewünschten Effekte erhielt.

Genauso fühlte sie sich jetzt. Sie tastete, befühlte, berührte und merkte anhand von Theos Reaktionen, welchen Effekt ihre Berührungen hatten. Obwohl er natürlich viel wärmer und lebendiger als all die Oberflächen war, mit denen Martha es bisher zu tun gehabt hatte: Holz, Mörtel oder Ziegelsteine.

Sie konnte Theo zum Stöhnen bringen, seine Muskeln zum Beben und seinen Körper zum Brennen. Immer wieder biss er sich auf die Unterlippe, um seine Lust im Zaum zu halten.

Dabei wollte Martha gar nicht, dass er sich zügelte. Sie wollte, dass er die Kontrolle verlor, genau, wie es ihr in der Dusche ergangen war. Sie wollte ihm die gleichen Gefühle bereiten wie er ihr.

Und so wurde sie immer wagemutiger. Sie ließ ihre Hände weiter hinuntergleiten und streichelte und massierte ihn, bis er es schließlich nicht länger aushalten konnte.

Plötzlich war er über ihr und schob sich zwischen ihre Oberschenkel, um in sie einzudringen.

Martha erstarrte vor Schreck – genau wie Theo! Für einen Sekundenbruchteil erkannte sie im Mondschein den ungläubigen Ausdruck auf seinem Gesicht, den sie nie in ihrem Leben vergessen würde. Doch selbst wenn er gewollt hätte, war es nun zu spät, sich zurückzuhalten.

Nur wenige Sekunden später war alles vorbei, und Theo rollte sich vom Bett hinunter. Er stand auf und sah wutentbrannt auf Martha hinunter. „Was, zur Hölle, hast du dir dabei gedacht?“

3. KAPITEL

„Du bist noch Jungfrau!“, wetterte Theo außer sich.

Martha strich sich die Haare aus dem Gesicht und reckte ihr Kinn. „Jetzt nicht mehr.“ Ihre Stimme war so ruhig und gelassen, als würde sie ihr kostbarstes Geschenk tagtäglich weggeben.

Theo hätte sie schütteln können.

„Du weißt genau, was ich meine“, sagte er ungeduldig und schaltete das Licht an.

Blinzelnd rappelte Martha sich auf und zog sich die Bettdecke bis zum Hals.

Spöttisch überlegte Theo, woher diese plötzliche Scheu kam. In der Dusche war Martha längst nicht so zurückhaltend gewesen. Auch nicht in seinem Bett! Sie war willig und fordernd gewesen, hatte ihn von sich aus berührt und sich an ihn geschmiegt – und die ganze Zeit über war sie noch jungfräulich gewesen!

Und jetzt sah sie ihn an, als wäre er der Verrückte von ihnen beiden. Dabei hatte er mit ihr gerade erlebt, was er noch mit keiner Frau zuvor erlebt hatte.

„Du hast mich angelogen“, beschuldigte er sie.

„Hab ich nicht!“

„Du wolltest drei Wochen lang unglaublichen Sex haben, dabei hattest du noch nie welchen.“ Theo wusste, wie irrational sein Vorwurf klang.

„Und Jungfrauen dürfen also niemals unglaublichen Sex haben?“

Einen Moment lang war er sprachlos. Dann sagte er: „Nein, dürfen sie nicht. Sie sollten nicht von sich aus auf einen Mann zugehen, den sie kaum kennen. Und sie sollten sich ihm vor allem nicht gleich anbieten.“

„Du hast dich doch angeboten“, konterte sie. „Immerhin wolltest du vortäuschen, eine Affäre mit mir zu haben.“

Er knirschte mit den Zähnen. „Das ist nicht dasselbe.“

„In der Tat, denn im Gegensatz zu dir lüge ich nicht. Ich habe die Affäre nur wahr gemacht. Außerdem beschwere ich mich doch gar nicht.“

Mit schmalen Augen sah er sie durchdringend an, bis sie endlich verlegen zur Seite blickte. „Du bist verrückt“, bemerkte er grimmig.

Keine Frau in ihrem Alter warf ihre Jungfräulichkeit einfach achtlos über Bord. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. „Wieso hast du das gemacht?“

Noch immer sah sie zur Seite. „Wieso nicht?“, gab sie tonlos zurück.

Unterschwellig hörte er eine gewisse Anspannung in ihrer Stimme. Was versteckte Martha Antonides hinter ihrer kühlen Fassade?

Seufzend zog er sich eine Hose an und setzte sich dann ihr gegenüber auf einen Stuhl. „Vielleicht sollten wir darüber sprechen.“

„Es gibt nichts zu besprechen.“ Sie hatte die Knie angezogen und ihre Arme darum gelegt.

Schweigend betrachtete Theo sie. Martha wirkte sehr jung und schutzlos, und das machte ihn gleichzeitig besorgt und wütend. Er wollte mit komplizierten Beziehungen nichts zu tun haben. Und Martha stellte sich langsam als die komplizierteste Person heraus, der er jemals begegnet war.

Er atmete tief durch, bevor er weitersprach. „Du hast also deine Jungfräulichkeit für ein bisschen bedeutungslosen Sex aufgegeben?“

Und er erhielt die erwünschte Reaktion. „Für mich war es nicht bedeutungslos!“ Sie wurde rot im Gesicht, als ihr der Sinn ihrer Worte ganz klar wurde. „Ich meine, du hast natürlich recht. In gewisser Hinsicht war es bedeutungslos. Eben nur Sex. Es hatte nichts mit Liebe zu tun, mit Gefühlen oder irgendwelchen Verpflichtungen. Das habe ich auch nicht erwartet. Beziehungsweise will ich das gar nicht. Ich wollte nur …“ Verwirrt brach sie ab und sah ihn Hilfe suchend an. „Ich wusste, was ich tue“, schloss sie.

Theo glaubte ihr aufs Wort. Was immer sie vorhatte, sie hatte es offensichtlich gut ausgetüftelt. „Schön für dich. Nur leider wusste ich nichts von deinen Plänen, obwohl ich ein Teil davon war. Deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du sie mir erklärst.“

Oberflächlich erschien er ruhig, aber darunter brodelte es gefährlich, während er auf eine Antwort wartete.