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Ist das „Traumwelt-Projekt 43“ mehr als eine Geschichte? Was geschieht, wenn der Autor als Ich-Erzähler ein Teil davon ist? Während er seinem täglichen Leben nachgeht, kontaktiert ihn ein Mann, der den Inhalt offenbar kennt. Ist es Zufall, dass sich dieser wie die Hauptperson „Daeng“ nennt und ebenso ein athletischer Asiate ist? Wer wird am Treffpunkt tatsächlich auftauchen?
„
Prickelnde Homoerotik in einer beinahe vertrauten und dennoch mysteriösen Umgebung“
Eine „indirekte“ und „unkonventionelle“ Fortsetzung.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Daeng war nicht mehr weit von der Stadtmauer entfernt und fragte sich, gegen wen sie überhaupt schützen sollte. Orks gab es keine, falls doch, hatte er sie noch nicht entdeckt. Wenn diese Typen noch einmal anrücken sollten, würden sie sich dadurch kaum aufhalten lassen. An einer Stelle, die einen knappen Blick zum Meer hinunter ermöglichte, saßen zwei grüne Eidechsen auf einem Felsen in der abendlichen Sonne. Sie stellten jene Wesen dar, die in dieser Welt einem Drachen noch am nächsten kamen.
Er hätte Schuhe anziehen sollen, aber der erdige Weg unter seinen Füßen fühlte sich gut an. Sogar diese sehr knappen Hosen schienen wieder in Mode zu kommen, in denen sich seine asiatischen und auch europäischen Kollegen fotografieren ließen. Er bevorzugte mehr eine, die seine Knie nicht ganz erreichte.
Die Mauer tauchte vor ihm auf, genauso plötzlich, wie die Sonne am Versinken war. Das Stadttor … stand einen Spalt weit offen. Dieses Mal fragte niemand nach einem Passwort, seine Sorge nach dem Treffen der richtigen Antwort blieb umsonst. Er musste doch schon bekannt sein, quasi einen VIP-Eingang zur Verfügung haben, oder nicht? Daeng stemmte sich dagegen und ließ seine Muskeln spielen. Er hatte Angst, das knarrende, verwitterte Holz zu zerdrücken, aber nach wenigen Sekunden stand das Portal weit genug offen. Lieber quetschte er dieses sofort nach dem Durchschreiten wieder zu. Das Unbekannte, das er vermutete und nicht sah, draußen lassend. Seine Anspannung löste sich, seine gesamte.
Jemand bearbeitete glühendes Metall. Der Geruch von Feuer und Asche ging in den von Süße über. Obst in den buntesten Farben breitete sich auf der anderen Seite der Gasse aus. Ihm unbekannte Musik ertönte von irgendwoher, und vor einem Gebäude weiter vorne bot jemand Kaffee in Bechern an. Einige Leute spazierten über den staubigen Untergrund, da und dort mit großen, flachen Steinen versehen, und trugen lange, dünne Umhänge. Es zog ihn weiter, bis zu der Abzweigung, wo die Beleuchtung und Farben in dunkles Grau übergingen. Markierte dort vorne ein Lichtschein den weiteren Pfad durch die Dunkelheit?
Ein Pferd mit zotteligem Fell, nicht sehr groß, kam ihm langsam entgegen. Es begrüßte ihn mit einem langgezogenen „Wihihihihi!“, er entgegnete „Ja, wie?“, und streichelte es kurz. Das aus zwei Stockwerken bestehende Haus lag hell beleuchtet direkt vor ihm. Wurde es wirklich „Gasthaus zum pissenden Pony“ genannt? Für ihn hieß es so, und er trat ein. Stimmengewirr schallte ihm entgegen, ohne jedoch in den Ohren zu dröhnen. Niemand beachtete ihn, obwohl die Tische links und rechts des Eingangs großteils besetzt waren.
Der Boden aus dunklem Holz knarrte bei jedem Schritt. Daeng bewegte sich geradeaus auf den Schanktisch zu – und bemerkte den Schankburschen. Aus Thailand stammte dieser nicht, aus Malaysia kaum – aus Sri Lanka? Er war groß und schlank. Das tiefe Schwarz seiner Haare setzte sich in einem Bart fort, der sich als dünner Streifen über sein Gesicht und zum Kinn zog. Sein Blick erschien für einen kurzen Moment überrascht, nachdenklich. Tief wie ein dunkler Brunnenschacht. Eine zarte Haarlinie zog sich seinen unverhüllten Oberkörper hinunter. Im nächsten Moment lächelte ihn der Typ ungefähr so an, wie es andere über ihn selbst behaupteten. Sagten sie doch, oder? Eine andere Art der Anspannung als vorhin begann sich durch seinen Körper zu ziehen. Es war ein Gefühl von Wärme und Sicherheit. Wie hinter dem geschlossenen Stadttor, nur viel stärker. Langsam, ganz langsam kam er dem Mann noch näher – und ein lautes Geräusch ertönte aus dem Nichts.
* * *
Ich erwachte, versuchte den Traum festzuhalten, mich in der Bettwäsche zu vergraben. Die Augen zu schließen, irgendwas. Doch es blieb vergeblich. Es war das Signal meines Smartphones für neue E-Mails, und „Jetzt schnell 10 Prozent Rabatt auf jede Buchung sichern!“ der Grund für die Störung. War er es gewesen, Daeng, eine Figur aus einer Geschichte? Um alles in der Welt wollte ich nicht aufwachen, aber ich war aufgewacht. Es konnte einfach nicht richtig sein, dass die Szene mittendrin zerstört worden war, wegen unnützem Mist.
Eine morgendliche Erektion hatte ich nicht. Innerhalb einer Minute gelang es mir, für eine zu sorgen, während ich die linke Hand fest zusammenballte. Ich schlug die Decke von mir weg, meine Beine wurden unruhiger. Schloss die Augen und sah die beiden vor mir, wie sie sich noch näher kamen. Sie sollten einander berühren, streicheln, kuscheln. Wenn sie sich danach fühlten eine ruhige Ecke suchen – doch das Bild entfernte sich. Ich konzentrierte mich auf mich selbst, sog tief Luft ein, spürte etwas herannahen und setzte zum Endspurt an. Eine Mischung aus tiefer Wärme und Geborgenheit und einer heftigen Massage von innen heraus durchflutete meinen Körper. Erst nach einer halben Minute mussten die letzten Lustwellen verebbt sein. Dafür lag ich mit einer klebrigen Hand da und genoss noch eine Weile das Gefühl. Kräftige Sonnenstrahlen drangen an diesem Morgen beim Fenster herein und unterbrachen die Serie aus trüben, nebeligen Tagen.
Es konnte nur Daeng gewesen sein, neben mir selbst die Hauptfigur in „Projekt 43“. Ich hatte einmal von jemand gelesen, dass seine Geschichten vielleicht schon existierten. Er von wem auch immer dazu bestimmt wurde, sie aufzuschreiben. Ein anderer Gedankengang war fast noch abgehobener. Nämlich, dass die dargestellte Welt durch das Aufschreiben erst entstand, irgendwo und nicht nur in Buchstaben. Angesichts der Tatsache, dass niemand wirklich unsere Welt erklären konnte und es nötig war, sich mit Vermutungen und Theorien über die Natur des Universums zufriedenzugeben, schien das alles nicht völlig abwegig.
Er lebte, ganz sicher, weil ich im Internet eine Fotoserie von ihm gesehen hatte. Die Bilder mochten bearbeitet sein, aber soweit sich das aus der Beschreibung erschloss, war er ein thailändisches Model, das wirklich existierte. Alle stellten sich Asiaten klein und zart vor – er hatte kräftigte Muskelpartien, war nur mit einer knappen Unterhose bekleidet und lächelte mich an. Jemand hatte die Fotos damit kommentiert, dass er ihn am liebsten sofort durchficken würde. Das würde ich auch gern, oder er mich, doch so schnell musste es gar nicht gehen. Ich würde mit ihm etwas trinken gehen und gemeinsam lachen. Später vielleicht … würde ich ihm sagen, dass er sich ganz entspannt zurücklegen und mich den Rest erledigen lassen sollte. Weil er so unglaublich geil und süß zugleich war und es einfach verdiente.
Jener angefangene Text, in dem ich allein an einem unbekannten Ort aufgewacht war, hatte bereits länger existiert. In einem kleinen Haus mitten in einer Landschaft aus sanften, grünen Hügeln. Allerdings war er nie in Schwung gekommen und hatte sich dahingeschleppt. Dann war dieser Mann aufgetaucht, der gemeinsam mit mir das Mysterium erkundet hatte. Die Geschichte war zum Leben erwacht. Natürlich hatte ich ein bisschen über thailändische Namen recherchieren müssen und war darauf gekommen, dass Spitznamen oder Nicknames dort auch im allgemeinen Leben gebräuchlich waren. Es konnte ein Tier sein, eine Farbe – und „Daeng“ bedeutete eben Rot und wurde offenbar sehr häufig verwendet. Wer wusste das schon in Europa?
Die Straßenbahn zeigte mir die Rücklichter, und die nächste würde laut der Anzeige erst wieder auftauchen, wenn ich am Ziel sein sollte. Ich hätte die Tour an diesem Tag, immerhin zu 4 im halben Stadtgebiet von Wien verstreuten Orten, anders planen sollen. Manchmal gab es Anrufe, wo ich bleiben würde. Manchmal beschwerten sich die Leute, warum ich nicht früher da gewesen sei, um rechtzeitig mit ihnen zu ihrem Arzttermin fahren zu können. Meistens dauerte es jedoch so lange, wie es eben dauerte. Ich blickte in die Fahrtrichtung, wartete, drehte mich um, und setzte zum Marsch entlang der Schienen an.
Bei einer sozialen Betreuungstätigkeit war es nötig, verwirrte Herrschaften bei Laune zu halten. Herauszufinden, was sie wirklich brauchten – und im Außendienst Erfahrung beim Finden von Einsatzorten, die sich ständig änderten. Beim Eingang zum Innenhof gab es einen Plan der Wohnhausanlage, mit dem ich tatsächlich zur richtigen Tür fand. Ein Aufzug existierte dafür nicht. Der reiferen Dame aus dem dritten Stock musste ich zunächst erklären, wer ich war und wer mich geschickt hatte. Warum ich nachsehen musste, ob in ihrer Wohnung alles in Ordnung war. Dann machte ich mich mit dreißig Euro und einer Einkaufsliste auf den Weg zum nächsten Supermarkt.
Aus dem grauen Himmel begann es leicht zu regnen, und ein Windstoß wehte die so ziemlich letzten herabgefallenen Blätter über den Gehsteig. Ich fand das Geschäft, und die halben Sachen, die ich dort einkaufte, würde ich selbst nicht essen. Schon gar nicht würde ich Dinge kaufen, für die ich mich länger als eine halbe Minute anstellen musste, wenn es eine Alternative gab. In der Feinkost-Abteilung waren 4 Leute vor mir. Während ich in der Schlange stand, bemerkte ich eine Benachrichtigung auf meinem Smartphone, von vor einer Stunde.
„Hallo, wirklich interessantes Profil! Ich“
Der Text brach ab, und als ich nachforschen wollte, vom wem er stammte, sprach mich die Verkäuferin an.
* * *
Ortsangabe oder Entfernung konnte ich nicht finden, jedoch die Angaben „Asiate“ und „athletisch“. Auch ein Bild fehlte, dafür interessierte mich der Text umso mehr. Zur Hälfte in Tamil-Schrift … nein, Thai. Ein kurzes Zucken ging durch mich, als ich las, was offenbar ein in lateinische Buchstaben übersetzter Name war – „Daeng“.
Na klar, natürlich. Er sorgte nicht nur dafür, dass ich seine Fotos sah, sondern hatte mich auch gefunden und endlich Kontakt mit mir aufgenommen. Wenn das wirklich ein Name war, so war dieser weit verbreitet, das wusste ich. Mehr wunderte mich fast, dass mir jemand schrieb, der möglicherweise sehr, sehr gut aussah. Bei mir selbst reichte es gerade noch für die Beschreibung „schlank“, und an einzelnen Stellen hätte ich gern mehr Muskel- als Fettmasse gehabt. Athletische Männer suchten meistens ihresgleichen, zumindest meiner Erfahrung nach. Wenn ich doch einmal jemand von dieser Sorte traf, war er selten mein Typ. Einer hatte mit mir gemeinsam das Bett zum Brennen gebracht. Sich knapp bevor es ihm gekommen war, nur ihm, den Gummi hinuntergezogen und mich vollgespritzt. Mich so liegen lassend, hatte er sich rasch angezogen und verkündet, dass ich doch nicht so sein Typ sei. Daeng hingegen stellte das Gegenteil dar, zumindest jener aus meiner Geschichte. Sein Aussehen setzte seinem süßen und freundlichen Wesen, das sich kaum auf den ersten Blick ergründen ließ, nur noch die Krone auf.