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Die Liebe ist nur mit dem Tod vergleichbar. Alles dazwischen wartet entweder auf das eine oder das andere: Michael Köhlmeier erzählt von drei klassischen Stationen auf dem Weg zwischen Liebe und Tod: von der Bewährungsprobe der Begierde, von der Raserei der Eifersucht und von der Lust an der Rache. Er spürt allen Nuancen von Komik und Tragik, von Slapstick und Drama nach, die sich darin verbergen - oder, wie Köhlmeier sagt: "Verliebte sind zum Totlachen!"
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Seitenzahl: 115
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Michael Köhlmeier
Trilogie der sexuellen Abhängigkeit
Es war an einem Abend im Frühling. In einem Café, das viel zu hell war, saßen vier Männer und eine Frau. Die gehörten nicht zusammen, jedenfalls nicht alle fünf. Um genau zu sein: Je zwei Männer gehörten zusammen. Die unterhielten sich. Die Frau aber saß mitten im Raum und war allein, und sie aß Kuchen. Die Männer hatten sich in Nischen gedrückt. Die einen beiden in die Nische beim Fenster, die anderen beiden ins Eck bei der Garderobe. Sie tranken Schnäpse und Kaffee.
Sonst war niemand in dem Café, eigentlich niemand, nein. Abgesehen von mir. Die Bedienung hinter dem Büffet lächelte gerecht, wenn sie lächelte.
Da schauten auf einmal die einen Männer zu den anderen hinüber, und es war ihnen, als schauten sie in den Spiegel. Und dann schauten die anderen Männer zu den einen herüber, und es war ihnen genauso.
Und der kleinere in der Nische beim Fenster sagte zu seinem Freund: „Die sehen aus wie wir.“ Und der sagte: „Ja. Das ist wie ein Witz. Aber er hat eine andere Jacke an.“
„Wer?“
„Der Größere.“
„Stimmt. Er hat dieselbe Jacke an wie ich, Kurt.“
„Und der Kleinere hat dieselbe Jacke an wie ich.“
So redeten die einen, die in der Nische beim Fenster saßen. Und die anderen beiden Männer im Eck bei der Garderobe redeten ähnlich. Der große sagte: „Das ist ein Witz.“ Und der kleine gab ihm recht.
Die vier Männer lachten, und sicher wären die einen beim Fenster oder die anderen bei der Garderobe bald aufgestanden und hinüber gegangen zu dem anderen Tisch; aber da sahen sie, daß es der Frau zwischen ihnen nicht gut ging. Sie wurde nämlich so weiß wie ihr Kuchen. Sie verschränkte die Arme auf dem Tisch und ließ den Kopf darauf fallen. Darum wandten die Männer ihre Blicke voneinander ab. Denn die Frau saß genau im Weg dieser Blicke.
Ich glaube, die beim Fenster gingen als erste. Dann ging die Frau, und am Schluß die beiden Männer im Eck bei der Garderobe. Oder ging die Frau zuerst? Nein, ich glaube sogar, sie ging als letzte. Vielleicht ging sie gleichzeitig mit mir. Ich weiß es nicht. Es ist nicht so wichtig. Mich haben sie nicht bemerkt, weder die Frau, noch einer der Männer. Ich habe mich auch bald auf den Weg gemacht. Wohin? Ich weiß es nicht. In Wellen war es draußen warm. Was nachher war, ist nicht so wichtig. Aber was war vorher ...
Ja, es war an einem Abend im Frühling. In der Straßenbahn saßen zwei Männer, um die dreißig beide. Der eine hieß Kurt, der andere Willi. Kurt war groß und trug eine grob und durchaus bunt karierte Jacke, klassisch im Schnitt. Er war ernst und gefaßt, und sein Haar war kraus und ohne sichtbaren Schnitt einfach da, im Grunde nicht zu frisieren und männlich.
Willi war schmalschultrig und schien kleiner, als er war, und war doch schon so klein genug. Er trug eine Brille. Seine Augen blitzten streitlustig. Er war im Leben viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß er vor irgend etwas Angst gehabt hätte. Er redete, und auch wenn er nicht redete, war sein Mund in dauernder Bewegung.
„Irene ... Irene ... Irene ... Irene ... Irene ...“, sagte er.
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