Und dann wurde ich endlich jung - Yasmine Keles - E-Book

Und dann wurde ich endlich jung E-Book

Yasmine Keles

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Beschreibung

Aus tiefster Überzeugung, den einzig wahren Glauben zu verkünden, zieht ein junges Ehepaar Ende der 1960er-Jahre zum Missionieren ins Wallis. Im Rhonetal wachsen ihre drei Kinder in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas auf. Die zweitälteste Tochter Yasmine erfährt in der geliebten Familie und den festen Regeln der Glaubensbrüder und -schwestern Zuwendung und Geborgenheit. Doch was ihr als Kind Sicherheit vermittelt, entpuppt sich zunehmend als Enge. Je älter sie wird, desto mehr wecken die christlich-fundamentalistischen Gewissheiten ihres Umfelds Zweifel und Widerstand in ihr. Mit vorgefertigten Antworten auf die grossen Fragen des Lebens gibt sie sich nicht mehr zufrieden. Sie beginnt, die «Wahrheit» zu hinterfragen, und entfernt sich innerlich immer weiter von der Gemeinschaft. Die Situation wird immer beklemmender. Doch ein Ausstieg bedeutet den Bruch mit allem, was sie kennt, den Verlust von Grossfamilie und Freundeskreis. Was soll sie tun?Authentisch, anschaulich und mit genauem Blick auf das Menschliche erzählt die Autorin ihre Befreiungsgeschichte. Mit Klugheit und Witz zeichnet sie das Bild eines jungen Menschen, der die bisher schwerste Entscheidung seines Lebens treffen muss.

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Inhalt

Cover

Impressum

Titel

Die Erbschaft

April 1977

Die Versammlung

Dezember 1982

Die Heimat

Februar 1983

Die Schule

August 1983

Die Freundin

Oktober 1984

Der Stolperstein

März 1985

Das Saanenland

Mai 1985

Die Großfamilie

Juli 1985

Die kleine Schwester

Oktober 1987

Der Albtraum

Juli 1989

Die göttliche Ordnung

Februar 1990

Die Sehnsucht

Frühsommer 1991

Der Bildungshügel

August 1991

Die Freundin in der Wahrheit

Dezember 1991

Das Familienstudium

Mai 1992

Das Open-Air-Festival

Juli 1992

Die Sommernacht

Juli 1993

Die Taufe

August 1993

Die Lust und die Liebe

April 1995

Amerika

Juli 1995

Das Pub

November 1996

Die Reifeprüfung

Sommer bis Winter 1996

Die Hauptstadt

Frühling 1997

Die besten Tage

Sommer 1997 bis Frühling 1998

Der Fluss

Sommer 1999

Die Heiligen

Oktober 1999

Der Cowboy

Jahrtausendwechsel 1999/2000

Die Weiterreise

Januar bis März 2000

Die Entscheidung

April 2000

Die Enttäuschung

Juni 2000

Die WG

September 2000

Der Tauchgang

Herbst bis Winter 2000

Das Fest

Frühjahr 2001

Der Brief

März 2001

Der Anfang

Juli 2001

Epilog

Über das Buch

Yasmine Keles

Und dann wurde ich endlich jung

Autorin und Verlag danken für die Unterstützung:

Der Zytglogge Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021‍–‍2024 un‍t‍e‍r‍stützt.

© 2021 Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, BaselAlle Rechte vorbehaltenLektorat: Thomas GierlCovergestaltung: Massimo Milano

Yasmine Keles

Und dann wurde ich endlich jung

Eine Befreiungsgeschichte

Für Elif und Eleni

Anmerkung der Autorin  

Alles hat seine Zeit

Die Erbschaft

April 1977

Ich bin in der Wahrheit geboren. Das war an einem stürmischen Tag im Frühling 1977 und, wie es mir Mama später wieder und wieder schildern musste, in einem fensterlosen Geburtssaal. Eine Liege, grüne Fliesen, grelles Licht, ein Arzt, eine Hebamme und eine Krankenschwester, alle in weißer Schürze. Mein Vater war noch einmal zur Arbeit gefahren. Er konnte nichts gegen die Schmerzen seiner Frau tun, eine Ohnmacht, die ihn demütigte. Zugleich empfand er das lange Warten im Grunde als Zeitverschwendung, dachte er an all die Papiere, die sich in letzter Zeit auf seinem Bürotisch aufgetürmt hatten. Auch die Hebamme, zu Anfang freundlich und wohlwollend, wurde ungeduldig und ermahnte meine Mutter, sich zusammenzureißen, aufzuhören zu stöhnen, endlich dieses Kind herauszudrücken, andere hätten das auch geschafft.

Der Arzt schaute öfters auf die Uhr, griff meiner Mutter immer wieder zwischen die Beine und versuchte, meinen Kopf zu erspüren. Dass er ihre Schmerzen dadurch nur verstärkte, sie dabei fast in die Ohnmacht trieb, kümmerte ihn wenig. Er kannte das selige Lächeln der Mütter nach der Geburt und hatte weiß Gott oft genug gehört, dass die Frauen den Schmerz, trugen sie ihr Bébé dann im Arm, gleich wieder vergessen würden.

Endlich begann ich, meinen Kopf durch das Becken meiner Mutter zu zwängen. Exakt in diesem Moment stürmte mein Vater in den Gebärsaal. Er vernahm die Schreie seiner Frau, sah meinen blutverschmierten und verschrumpelten Kopf zwischen ihren Beinen hervorschauen und sank zu Boden. Im glorreichen, lang ersehnten Moment meiner Geburt in die Wahrheit versammelten sich der Arzt, die Hebamme und die Krankenschwester auf der Stelle um meinen Vater, tätschelten ihn, sprachen ihm gut zu und schütteten ihm kaltes Wasser ins Gesicht.

Meine Mutter bäumte sich auf und schrie mit letzter Kraft: «Ich bin gottverdammt nochmal am Gebären, warum dreht sich alles um ihn?»

Da flutschte ich durch ihr warmes Becken auf den kalten Schragen, mitten ins grelle Leben hinein, und erschrak fast zu Tode.

Und du, Adele? Was hat dich beschäftigt an diesem Apriltag? Hat dich meine Geburt womöglich an deinen bevorstehenden Tod erinnert? Oder befandest du dich da bereits in diesem geistigen Dämmerzustand, der dich in den letzten Monaten deines langen Lebens umnebelte? Du starbst eineinhalb Jahre später, im Oktober 1978, als ich erst nach und nach aus meiner frühkindlichen Dämmerung erwachte. Unsere Existenzen hatten sich nur leicht gestreift. Ich weiß nicht, wie oft wir uns getroffen haben, ob du mich überhaupt wahrgenommen, mich je in den Armen gehalten oder zumindest berührt hast. Dein Geist entzog sich langsam dieser Welt, während sich der meine ihr erst nach und nach öffnete. Die Flüchtigkeit unserer Begegnung jedoch steht in keinem Verhältnis zum langen, langen Schatten, den du über mein Leben geworfen hast. Von diesem Schatten werde ich dir nun erzählen.

Zum Zeitpunkt meiner Geburt lebten meine Eltern bereits seit acht Jahren im langen, engen Rhonetal, welches nichts Geringeres als den Norden vom Süden trennt und beide in sich vereint. Sie liebten das Wallis, dieses Tal zwischen den majestätischen Bergen, den ewigen Schnee auf den Gipfeln, den Talboden, durch den die Rhone fließt, die Hänge, bespickt mit dicht besiedelten Dörfern, in denen kleine dunkle Holzhäuser große weiße Steinkirchen umringen. Zusammen mit den Einheimischen besangen sie innerlich immer und immer wieder den sonnenverwöhnten, fruchtbaren, mit Rhone-Wasser getränkten Boden, aus dem Weintrauben, Aprikosen und Tomaten sprießen. An diese Bilder hielten sie sich wohl, ist es doch auch ein vernarbtes Tal, verschandelt durch wild platzierte Wohnbauten, geschlagen von willkürlich gebauten Straßen, breit gestreuten Industriegebäuden und Fabriken.

Doch nicht die gewaltige Landschaft, sondern eine göttliche Mission hatte meine 23-jährige Mutter Frieda Henriette und meinen 21-jährigen Vater Franz nach ihrer Heirat dazu bewogen, ihre Heimat zu verlassen. Meine Mutter hatte das liebliche Saanenland hinter sich gelassen, mein Vater den geliebten Bodensee im Norden. Sie waren voller Mut, Tatkraft und Pioniergeist in das Tal der falschen Religion gezogen, sie wollten ihrem Leben und ihrer Ehe einen höheren Sinn geben. Sie verstanden es als Privileg, in der Wahrheit geboren worden zu sein, und setzten sich dafür ein, dass auch die Menschen im Wallis die Gelegenheit erhielten, sich aus den Stricken des Teufels zu befreien. Meine Eltern wollten die Walliser ins Licht der Wahrheit führen.

Bestimmt hat dich diese Entscheidung der zwei jungen Menschen beeindruckt. Adele, warst du stolz auf meine gottesfürchtige Mutter? Auch du hast dein Leben in den Dienst Gottes gestellt, bist «Bibelforscherin» geworden, wie wir Zeugen Jehovas damals noch hießen, und hast jede freie Minute damit verbracht, den Menschen im Saanenland zu predigen, jede Gelegenheit genutzt, sie vor dem bevorstehenden Ende der Welt zu warnen, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich Gott zuzuwenden und sich damit einen ewigen Platz im Paradies zu sichern.

Nach ein paar Jahren entschieden sich meine Eltern für meine Schwester, obwohl es in der Bibel heißt: «Wehe den schwangeren Frauen und denen, die ein Kleinkind stillen in jenen Tagen! Betet unablässig, daß eure Flucht nicht auf die Winterzeit erfolge noch am Sabbattag!» Die wahren Anbeter Gottes, also die Zeugen Jehovas, sollten die kurze verbleibende Zeit besser für das Verkünden der guten Botschaft aufwenden und erst im Paradies Kinder kriegen. Obwohl die Leitende Körperschaft in New York vorhersagte, die letzte große Schlacht Gottes in Harmagedon werde 1975 stattfinden, brachte meine Mutter im Jahr 1973 Linda zur Welt.

Adele, wie lautete wohl dein Urteil darüber, dass sie sich für uns entschieden hatten? Hat dich meine Mama enttäuscht oder hat dich die Tatsache, Urgroßkinder zu haben, doch irgendwie gefreut? Ich jedenfalls bin gottfroh und doch verwundert darüber, dass meine Eltern – wie alle meine Tanten und Onkel übrigens auch – trotzdem Kinder auf die Welt brachten.

Die Versammlung

Dezember 1982

So kam es, dass ich als zweites Mädchen der Familie in der Fremde und in der Wahrheit aufwuchs. Mir dämmerte früh, dass unsere Familie nicht zu diesem Tal gehörte, dass meine Eltern und die Glaubensbrüder und -schwestern aus der Versammlung alle einen anderen Dialekt sprachen, dass wir andere Angewohnheiten hatten und andere Traditionen pflegten. Was ich mitbekam, war, dass es zwei Arten von Menschen gibt: diejenigen, die in der Welt, und diejenigen, die in der Wahrheit waren.

Wir waren in der Wahrheit, und das war gut, denn es war besser. Ich verstand, dass die Weltlichen rauchten, in die Kirche gingen, Geburtstage und Weihnachten feierten, manche auch stahlen und logen und sich scheiden ließen. Immer, wenn ich jemanden etwa rauchen oder die Kerzen eines Geburtstagskuchens ausblasen sah, dachte ich: «Wie dumm von dir, deswegen kommst du nicht ins Paradies. Dass es dir das wert ist?»

Einmal pro Woche – an einem der Abende, an denen wir nicht die Versammlung besuchten – las uns meine Mutter vor dem Schlafen eine Geschichte aus der Bibel vor. Meist kuschelte ich mich dafür zu meiner großen Schwester Linda ins Bett, obwohl wir uns das Kinderzimmer teilten und mein Bett gleich gegenüber stand. Mama löschte das große Licht, kniete sich nieder und schaltete die Nachttischlampe ein. Sie begann ihre Erzählung immer mit einer Frage, die sich auf die letzte erzählte Geschichte bezog, etwa: «Wie heißt der Mann, von dem ich euch letzte Woche erzählt habe, der, welcher das Wasser teilen konnte?» Weil Linda die Antworten immer wusste, fragte Mama jeweils zuerst mich. «Noah», sagte ich, und immer schauten sich Mama und Linda hilflos an. Ich traf es quasi nie, ich schaffte es einfach nicht, mir die Namen zu merken. Nicht, dass mich die Geschichten nicht interessiert hätten, und doch: Pferde, Prinzessinnen oder Räubertöchter wären mir lieber gewesen. Ich merkte, dass meine Mutter von mir etwas enttäuscht war, war doch ihre ältere Tochter ein sehr kluges und talentiertes Kind. Und doch gab sie auch mir das Gefühl, in meiner Verträumtheit und Naivität etwas sehr Süßes, Liebenswertes und Belustigendes zu haben. Das reichte mir fürs Erste.

Wir versammelten uns dreimal pro Woche mit unseren Glaubensbrüdern und -schwestern: am Dienstagabend zum Buchstudium in kleineren Gruppen bei jemandem zu Hause und am Donnerstag- sowie am Sonntagabend alle gemeinsam im Königreichssaal.

Wie immer machten wir uns auch an diesem Sonntag schick für die Versammlung. Mama, Linda und ich zogen einen Rock und eine Bluse an, Papa einen Anzug mit Krawatte. Zum Glück war Sonntag. Da war alles entspannter als dienstags oder donnerstags, wenn mein Vater den ganzen Tag im Büro und Linda in der Schule gewesen waren und sie danach Hausaufgaben machen musste. Dann war das Abendprogramm besonders dicht: Wir mussten schnell zu Abend essen, uns rasch umziehen, nach der Versammlung schleunigst nach Hause fahren und schnell ins Bett gehen, weil am nächsten Morgen früh bereits wieder der Wecker klingelte.

Sonntag hin oder her, Papa war wie gewohnt angespannt vor der Versammlung. Obwohl er selbst, noch immer nackt, vor dem Spiegel seinen Bart zurechtstutzte, drängte er uns: «Jetzt beeilt euch, wir müssen gehen!» Mama schminkte sich eben die Augen. Ich war schon bereit, schlich mich ins Badezimmer und beobachtete die beiden von hinten. Meine Schwester richtete sich im Kinderzimmer die Haare. Papa hasste dieses ewige Warten auf uns, er wäre immer lieber etwas früher da gewesen, egal, ob wir in die Versammlung oder auch sonst wohin gingen.

«Geh schon mal ins Auto, wir kommen nach!», rief meine Mutter dann genervt aus dem Badezimmer, was wie immer unnötig war, denn Papa war bereits aus der Wohnung gestürmt, hatte den Lift genommen, war in die Garage gestapft und hatte den Wagen vor die Haustür gefahren, wo er den Motor laufen ließ. Mama beeilte sich, sie hatte noch schnell die Küche aufgeräumt, uns die Kleider bereitgelegt und mir meine rotblonden Haare zu Zöpfen geflochten. Sie stand unter Druck, doch Schönheit war wichtig, dafür nahm sie sich immer die nötige Zeit. Ich ging ins Badezimmer, um ihr zuzuschauen, denn ich liebte ihre Schönheitsrituale. Unser Badezimmer war sehr groß, es hatte eine Dusche, eine Badewanne und sogar zwei Waschbecken. Darüber hing ein dreiteiliger Spiegelschrank. Mama öffnete immer die erste und die dritte Spiegeltür, sodass sie sich auch von der Seite und von hinten betrachten konnte. Sie toupierte ihre Haare und ihr Wuschelkopf vervielfältigte sich in den beiden Spiegeln wieder und wieder und wurde dabei immer kleiner. Wie lustig das aussah! Mama fragte dann immer: «Soll ich heute so in die Versammlung kommen?», worauf ich vehement den Kopf schüttelte und noch lauter lachte. Mir gefiel es, wie Mama daraufhin die toupierten Haare mit einem Kamm vorsichtig an den gewünschten Platz legte. Danach sprühte sie viel Haarspray auf die fertige Frisur und sagte: «Jetzt nicht einatmen!» Wir hielten beide den Atem an. Nachdem sie das restliche Spray in der Luft mit ihrer Hand zu verwedeln versucht hatte, atmete sie tief ein und trug als Letztes noch sorgfältig den Lippenstift auf. Schön sah sie aus, und auch wir wollten schön aussehen in der Versammlung.

Endlich bereit, setzten wir uns ins Auto. Wir hatten die Türen noch nicht richtig geschlossen, geschweige denn die Gurte angeschnallt, da drückte Papa schon aufs Gas und lag energisch in der ersten Kurve. Gereizt fuhr er jeweils noch schneller als ohnehin. Doch das war mir alles egal, denn ich war glücklich. Heute trug ich das erste Mal meinen dunkelblauen Samtrock und die neue weiße Rüschenbluse. Auf der Fahrt strich ich immer wieder über den weichen Stoff und fragte mich, was wohl Tante Livia dazu sagen würde. Ich fragte mich auch, wie lange es wohl dieses Mal dauern würde, bis meine weiße Strumpfhose eine Laufmasche hatte. Hoffentlich nicht, bevor ich mich Tante Livia gezeigt hatte.

Ich mochte diese Jahreszeit. Ich schaute aus dem Autofenster und freute mich über all die beleuchteten Weihnachtsbäume. Seit dem Mittag schneite es, ich fand das romantisch, da konnte die Stimmung im Auto noch so angespannt sein.

Die Fahrt dauerte etwa zehn Minuten. Wir mussten lediglich durch Naters fahren, dann über die Brücke die Rhone überqueren, die unser großes Dorf von Brig, der kleinen Stadt, trennt, und schon waren wir da. Unser Königreichssaal befand sich im weißen und höchsten Gebäude der Stadt. Wir von der Versammlung waren dort im Erdgeschoss eingemietet, was toll war, denn gleich neben dem Saal befand sich der Spielplatz, auf dem wir in den warmen, hellen Monaten nach der Versammlung spielen durften.

Tante Livia und Onkel Viktor kamen wie immer noch später als wir. Ich wartete in der Garderobe auf sie, um meine Kleidung zu präsentieren, aber auch, um meine ein Jahr alte Cousine Julia und meinen sechs Monate alten Cousin Juri zu sehen, beide süße Bébés. Mama sagte, die arme Livia habe sicher einen fürchterlichen Stress gehabt, sie stille ja noch den Kleinen, auch die Größere sei noch in den Windeln, und trotzdem sehe sie immer aus wie aus dem Ei gepellt. Ich wusste nicht, was Stress heißt, und schon gar nicht, was das mit süßen Bébés zu tun haben könnte, und auch nicht, was Livia mit Eiern gemeinsam hatte.

Da traten sie auch schon ein. Ich sprang meine Tante an, zeigte ihr meinen Rock, ihr huschte ein kurzes Lächeln über das Gesicht, welches gleich wieder erlosch. Sie wandte sich an meinen Onkel: «Die Große hat gerade in die Windeln gemacht, kannst du sie wickeln? Ich muss sofort den Kleinen weiterstillen, sonst fängt er gleich an zu schreien.» Onkel Viktor hatte noch den Wintermantel an, packte aber Julia, überlegte sich, ob er sie besser in der Garderobe oder doch in der kleinen Toilette wickeln sollte, die sich gleich neben der Garderobe befand. Er musste sich beeilen, da er heute den ersten Vortrag hielt.

Weil der Vorsitzende im Saal auf der Bühne bereits zum Lied und Gebet aufgerufen hatte, winkte mich meine Mutter herbei. Schade, ich hätte meinem Onkel gerne beim Wickeln auf dem Boden zugesehen, auf dem er zuvor eine Decke ausgebreitet hatte. Nie hatte ich außer ihm einen Mann ein Bébé wickeln, füttern oder in den Schlaf wiegen sehen. Meine Mutter sagte jedenfalls manchmal, Livia habe viel Glück, dass sie das nicht alles alleine stemmen müsse, und schaute dabei immer vorwurfsvoll in Richtung Papa. Dieser wiederum pflegte zu entgegnen: «Deine Schwester geht dafür viel öfter in den Predigtdienst als du, oder etwa nicht? Du könntest dir ein Stück von ihrer Disziplin und ihrer Vorbildlichkeit abschneiden. Selbst mit zwei Bébés geht sie regelmäßig von Haus zu Haus, und das bei jedem Wetter!»

Wir saßen heute in der fünften Reihe. Außer zwei, drei Brüdern und Schwestern, die heute wohl erkältet waren, waren wie immer alle da. Unsere Versammlung zählte etwa 40 oder 50 Erwachsene und ein paar Kinder. Ich freute mich sehr, denn heute sangen wir zum Auftakt endlich wieder einmal mein Lieblingslied: «Hab Dank, Herr Jehova, bei Tag und bei Nacht, ins kostbare Licht hast du uns gebracht.» Das Lied rührte mich, es passte irgendwie zu den Weihnachtsbäumen und zum Schnee da draußen, obwohl ich ja wusste, dass Jehova die Weihnachtsbäume ganz und gar nicht mochte. Weihnachten feierten nämlich nur die Weltlichen, das war ein heidnischer Brauch. Ich hatte keine Ahnung, was heidnisch war, aber ganz sicher etwas Falsches. Beim zweiten Refrain hob ich meine Stimme noch etwas an, was meine Eltern und der Bruder zwei Stühle neben mir mit einem kurzen Lächeln quittierten.

Oh, dieses Glück! Dank dir, Adele, kennen wir Jehova, unseren liebevollen Vater im Himmel. Es beruhigt mich so sehr, dass ich ihn jederzeit im stillen Gebet anrufen kann. Er wacht über mich und beschützt mich.

Die Freude verflog rasch, es folgten die zwei zähen Stunden. Zu meiner Enttäuschung nahm Tante Livia, die eben in den Saal kam, mit Julia und Juri zwei Reihen hinter uns Platz. Zu gern hätte ich die Kleinen beobachtet, so wäre die Zeit am schnellsten vergangen. Aber meine Eltern mochten es nicht, wenn ich nach hinten schaute. Onkel Viktor ging direkt auf die Bühne und begann zu sprechen. Die Brüder da vorne sprachen jeweils vom System der Dinge, von Gesalbten, von der Leitenden Körperschaft, vom Kreisaufseher, von Heimbibelstudien, Sonderpionieren, der Hure Babylon und Harmagedon. Predigen taten meist die Ältesten, so nannten wir die Chefs in der Versammlung, oder auch die jungen Dienstamtsgehilfen. Wir hatten vier oder fünf Älteste, darunter mein Vater und auch Onkel Viktor.

Onkel Viktor stand noch nicht lange da vorne, aber mein Hintern begann bereits zu schmerzen. Oder war es eher ein Jucken? Jedenfalls musste ich auf meinem Stuhl etwas hin und her rutschen. Danach lehnte ich mich nach vorn, stützte meine Ellbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Handflächen. Das mochte Papa eigentlich nicht, aber zum Glück sagte er heute nichts dazu. Ich studierte den neuen hellbeigen Teppich, den eine Gruppe von Brüdern im Herbst verlegt hatte. Dieses Hellbeige passte recht gut zu den dunkelbraun gepolsterten Stühlen. Ich kratzte manchmal mit den Fingernägeln über das grobe Polster, was irgendwie ein ekliges und doch befriedigendes Gefühl in den Fingerspitzen hervorrief. Zwei Reihen vor mir saß Elvira, eine ältere, alleinstehende Schwester, die Mama leidtat und die sie deshalb sonntags oft zu uns zum Essen einlud. Weil das Wetter heute nass war, hinterließen Elviras blaue Stiefel dunkle Flecken auf dem Teppich. Auch der geistig behinderte Peter, der erst gerade gestern Abend bei uns zu Besuch gewesen war, hatte seine Schuhe nicht gut auf dem Fußabstreifer am Eingang abgerieben. Dass der mit diesen Lederschühchen nicht ausgerutscht war, draußen im Schnee? Ich schaute zwischen den Flecken hin und her, welcher war eher trocken? Und hinterließen sie, wenn sie getrocknet waren, Schmutz? Wenn ja, welcher Fleck von beiden mehr? Langsam, sehr langsam begann der Fleck unter Peters Schuh zu verschwinden, es war kein Schmutz zu sehen. Elviras Fleck war noch da. Peter hatte gewonnen!

Ich lehnte mich zurück und gähnte. Daraufhin gähnten auch meine Mutter rechts und meine Schwester links von mir. Ob wir auch Papa angesteckt hatten? Ich lehnte mich nach vorne, damit ich ihn an Mama vorbei sehen konnte. Er gähnte nicht, aber ich kannte diesen Blick. Seine Augenlider waren leicht geschlossen. Würde er auch heute wieder einnicken? Gerade erst am letzten Donnerstag war ihm das passiert. Daraufhin hatten Linda und ich ihn zu Hause nachgeahmt und ausgelacht. Das fanden wir sowieso immer sehr lustig, wenn den Erwachsenen plötzlich der Kopf nach vorne fiel. Sie erschraken dann immer und schämten sich ganz furchtbar. Ich sank wieder zurück an die Stuhllehne und lehnte meinen Kopf an Mamas Arm. Sie stieß mich sanft wieder weg, da sie den Arm brauchte, um die Bibelstellen nachzuschlagen. Immer, wenn ein Bruder etwas direkt aus der Bibel vorlas, kündigte er zuvor die entsprechende Stelle an, und alle begannen, diese in ihren Bibeln zu suchen. Das gab ein lustiges Geraschel. Peinlich war es für den, der am längsten raschelte, denn der kannte die Bibel und die Reihenfolge der enthaltenen Bücher offensichtlich am schlechtesten.

Nun öffnete ich meine Tasche und nahm «Mein Buch mit biblischen Geschichten» heraus. In die Versammlung nahm ich nur dieses Bilderbuch mit, denn es wäre nicht gut gewesen, hier ein weltliches anzuschauen. Obwohl ich all die Bilder schon sehr gut kannte, blätterte ich noch einmal alles durch. Besonders das Bild von Adam und Eva im Garten Eden mochte ich sehr, da Eva so schöne braune, lange, wallende Haare hatte. Aber die Geschichte der beiden fand ich irgendwie eigenartig, da ich keinen Zusammenhang zwischen dem Apfel und der Strafe, die die beiden daraufhin erhalten hatten, herstellen konnte. Sie wurden nach dem Biss in den Apfel aus dem Paradies vertrieben, aber wohin? Was war dort zuvor gewesen, wo sie hingehen mussten? Und hatte Gott dann eine Mauer rund um das Paradies gebaut? Wenn ja, stand diese Mauer noch immer dort? Und wenn ja, bewachten die Engel sie noch immer? Das wollte ich eben meine Mutter fragen, aber sie winkte ab. Der Bruder vorne erzählte gerade etwas, das sie nicht verpassen wollte. Nach einigen Minuten sah sie mich an und fragte leise: «Was wolltest du fragen?» «Nichts», sagte ich, denn in der Zwischenzeit war ich bereits beim Bild vom Paradies angelangt, in welches wir kommen würden. Die Sonne schien, und alle Menschen und Tiere auf dem Bild sahen sehr glücklich aus. Ein Junge streichelte ein Reh und ein Mädchen sogar einen jungen Löwen. Dort würden wir also für immer leben. Auch dazu fielen mir viele Fragen ein, aber ich hatte jetzt gerade keine Lust, sie Mama zuzuflüstern. Ich würde sie dann beim Familienstudium am Mittwochabend stellen.

Ich gähnte wieder, aber dieses Mal war ich damit allein. Ich begann mit meinen Beinen zu zappeln. Zuerst langsam und nur leicht, dann immer schneller und höher, bis ich plötzlich an den vorderen Stuhl trat. Der Bruder vor mir, der darauf saß, erschrak und blickte kurz zurück. Mama flüsterte ihm «Entschuldigung» zu und sah mich böse an. Auch Papa hatte sich nach vorne gelehnt, um mich streng anzusehen. Mama hielt ihre Hand auf meine Knie, damit ich mit dem Zappeln aufhörte.

Nun wusste ich nicht mehr, was tun, es fiel mir einfach nichts mehr ein.

Endlich! Papa öffnete seine Mappe und zog die geliebte Bonbon-Schachtel heraus, das Zeichen für Halbzeit. Ich liebte diesen Duft nach Cassis, die Konsistenz der Bonbons, auf denen man herrlich herumkauen konnte. Kauen war besser, der Geschmack und die Süße waren dann intensiver. Ich konnte nicht widerstehen, obwohl ich wusste, dass Lutschen vernünftiger wäre, weil der Genuss so länger dauern und die Zeit ein klein wenig schneller vergehen würde. Wie immer bat ich meinen Vater leise flüsternd um ein zweites Bonbon. Ab und zu sagte er ja, aber heute leider nicht. Manchmal beobachtete ich ihn dabei, wie er sich heimlich ein zweites Bonbon in den Mund steckte, aber heute war er fair: eins pro Versammlung für jedes Familienmitglied. Linda hatte natürlich gelutscht und genoss sichtlich, dass sie als Einzige noch ein winziges bisschen Bonbon im Mund hatte. Sie wusste, dass ich sie von der Seite her beobachtete, tat aber so, als hätte der Bruder da vorne etwas außerordentlich Interessantes zu erzählen.

Die Teppichflecken und das Biblische-Geschichten-Buch interessierten mich nicht mehr, ich musste mir etwas anderes einfallen lassen. Das einzige Bild an der linken Wand, das eine paradiesisch grüne und schöne Landschaft zeigte, hatte ich schon so oft angeschaut, es gab darauf einfach nichts mehr zu entdecken. Ich wusste auch, dass vorne auf der Tafel hinter dem Bruder das Jahresmotto «Fürchte Gott und halte seine Gebote» hing, also durfte ich Mama nicht fragen, was dort stand. Meine Beine begannen wieder zu zappeln, doch meine Mutter legte erneut ihre Hand auf meine Knie.

Linda gähnte. Währenddessen überlegte ich mir gerade, ob ich wieder einmal die Stühle vor mir zählen oder lieber nachsehen wollte, wer von denjenigen in den vorderen Reihen heute wohl die Haare gewaschen hatte und wer eher nicht. Doch plötzlich: ein Gerangel, ein Kindergeschrei! Stefan, zwei Reihen vor uns, war wieder einmal unruhig, der konnte einfach nicht still sitzen. Selbst schuld, dachte ich, jetzt gibt’s halt Haue. Mir tat er schon etwas leid, aber immerhin, es gab Abwechslung. Sein Vater packte ihn an den Ohren und versuchte, ihn vom Stuhl zu reißen, doch der Junge sagte halb schreiend, halb flüsternd: «Ich bin noch immer angebunden!» Ihm kullerten dabei die Tränen über das verzweifelte Gesicht. Der Vater löste rasch die Schnur, die um Stefans Hüfte gebunden und am Stuhl angebracht war, zerrte daraufhin den schreienden Jungen in die Garderobe und schloss die Saaltür hinter sich. Das Geschrei hinter der Tür nahm noch einmal hörbar zu, hielt für ein paar Minuten an, wurde irgendwann leiser und verstummte allmählich. Aber nun hörte man hinter der Tür auch Juri, meinen kleinen Cousin, schreien, denn meine Tante hatte ihn in der Zwischenzeit in der Garderobe gestillt. Oh je, der war bestimmt an der Brust eingeschlafen und nun wieder wachgeworden. «Wenn jetzt nur nicht Julia hinten auch noch zu weinen beginnt», dachte ich, versicherte mich mit einem kurzen Blick nach hinten und sah, dass sie brav auf dem Schoß von Onkel Viktor saß, an ihrem Schnuller lutschte und auf einem Stofftierchen herumdrückte.

Im Saal versuchten die Erwachsenen, den Lärm zu ignorieren. Wir Kinder waren froh, dass nicht wir da draußen waren, und heimlich auch dankbar für die Aufregung. Irgendwann flüsterte Stefans Mutter ihrem Größeren etwas ins Ohr, verließ schuldbewusst den Saal und ging in die Garderobe. Sie blieb draußen bei Stefan, während der sichtlich angespannte Vater zurück in den Saal kam und sich auf seinen Stuhl setzte. Ich sah ihm von hinten an, dass er traurig war. Ich glaube, Stefans Vater tat das nicht gerne, doch er musste, hieß es doch in der Bibel: «Wer seinen Sohn liebt, züchtigt ihn».

Aber nicht alle waren so lieb wie er. Manchen Brüdern und Schwestern verschaffte es Befriedigung, ihre Kinder zu schlagen, das hatte ich auch schon gesehen. Wir waren letzten Sommer einen Nachmittag lang bei einer Familie zu Besuch gewesen. Linda und ich spielten zusammen mit den zwei Kindern in deren Zimmer, als sich diese plötzlich gegenseitig mit Lego-Klötzen auf die Köpfe zu schlagen begannen. Sofort stand der Vater der beiden im Türrahmen des Kinderzimmers und zog langsam den Gürtel aus seiner Hose. Er schien diesen Moment zu genießen. Als der Gürtel endlich aus den Hosenlaschen war, schaute er seine Kinder lauernd an und fragte gemächlich: «Wer kommt zuerst mit?» Die Große antwortete sofort leise: «Ich.» Sie folgte ihm ins Elternschlafzimmer, aus dem kurz darauf fürchterliche Töne und Schreie herausdrangen. Nach ein paar Minuten kam er zu uns zurück, sah den Kleinen an und sagte: «Du bist am Abend dran, ich muss jetzt zurück zu den Gästen.» Er liebte diese harte Rolle und war stolz darauf. Ich verachtete ihn. Inzwischen war das Gespräch im Wohnzimmer verstummt, aber als der Mann zurückging, hörte ich ihn zu meinem Vater sagen: «Wo waren wir stehen geblieben?» «Ob ihr nun mit dem Auto nach Spanien fahren solltet oder ob euch ein Flug doch günstiger kommen würde», erwiderte mein Papa. Ich hörte in seiner Stimme die Anstrengung heraus, möglichst normal zu klingen. Als wir uns gegen Abend verabschiedeten, war der kleine Junge ganz bleich im Gesicht. Er hatte den ganzen weiteren Nachmittag lang kaum mehr ein Wort gesagt.

Auch Stefan musste lernen still zu sitzen, und wenn das für einen Vierjährigen auch noch so schwierig sein mochte. Doch das hier war wichtig, es war unser Gottesdienst, hier lernten wir, was es bedeutet, echte Diener Jehovas zu sein. Hier lernten wir, von Haus zu Haus zu gehen und zu predigen, schlussendlich würde uns das hier Gelernte das Leben retten am letzten Tag. Die Alternative wäre die ewige Vernichtung, war es das etwa nicht wert, hier einmal still zu sitzen? Ja, Stefan, das musst du noch lernen, so wie ich das auch lernen musste. Zum Glück musste man mich dafür nicht an den Stuhl binden.

Endlich, nach dem Schlusslied, das Schlussgebet. Dieses gemeinsame, erlösende «Amen»! Ich schrie es fast aus mir heraus, sprang sofort auf zu meiner Tante und küsste rasch meine kleine Cousine. Aber sie mussten gleich nach Hause gehen. Die Kleine brauchte ihr Fläschchen, und sie wollten vermeiden, dass sie zuvor im Auto einschlief und sie sie dann wieder wecken müssten. Und der Cousin musste rasch gewickelt werden, was zu Hause praktischer war. So rauschten sie unverzüglich davon, mit schlechtem Gewissen, da sie sich nicht anständig von den Glaubensbrüdern und -schwestern verabschieden konnten. Ich wandte mich derweil an Verena, meine Lieblingsschwester der Versammlung, und hoffte, dass sie meinen Rock bemerkte.

Also, wenn ich wie du die Wahl gehabt hätte – still sitzen oder nicht still sitzen –, ich weiß nicht, ob ich so ein guter Mensch wäre, wie du es gewesen bist. Adele, ist es mehr wert, wenn jemand freiwillig in die Versammlung geht, so wie du? Oder zählt es mehr, wenn man dabei leidet, so wie ich?

Draußen war es bitterkalt geworden. In der Zwischenzeit hatte es aufgehört zu schneien. Mein Vater war noch immer schlecht gelaunt, ich verstand nicht genau weshalb. Wir setzten uns alle ins Auto und schnallten uns an.

«Nächsten Donnerstag gehen wir ausnahmsweise nicht in die Versammlung», sagte Mama geheimnisvoll, sobald Papa den Motor gestartet hatte.

«Wieso denn?», fragte Linda.

«Es ist so, dass nächsten Donnerstag Abendverkauf in Brig ist. Die Geschäfte haben neuerdings am Donnerstag vor Weihnachten auch abends geöffnet, sodass die Leute noch Zeit haben, ihre Weihnachtsgeschenke zu kaufen.»

«Feiern wir denn dieses Jahr auch Weihnachten?», fragte ich hocherfreut.

«Nein, natürlich nicht, das dürfen wir nicht», antwortete Mama streng. Dann sah sie uns lächelnd an: «Papa und ich haben uns überlegt, dass wir nächsten Donnerstag mit euch auf die Regionalbank gehen. Dort dürft ihr den Zins eures Sparkontos abheben und euch davon etwas kaufen gehen im Abendverkauf. Und danach gehen wir alle vier Pizza essen!»

«Juhui!», rief ich laut.

«Super Idee, merci Mama!», stimmte Linda ein.

«Ich werde mir eine Puppe, die pinkeln kann, kaufen», fuhr ich fort.

«Und ich die Kassette von Nena!», jubelte Linda.

Papas Laune wurde langsam besser. Er beteiligte sich an unserem Lieblingsspiel im Dezember: Wir zählten die Weihnachtsbäume auf dem Heimweg. Ich saß links, hinter meinem Vater, Linda rechts, hinter Mama. Papa und ich waren eine Gruppe. Wir verloren: Auf unserer Seite gab es auf dem gesamten Nachhauseweg lediglich 27 Bäume, rechts hingegen 35. Ich war etwas betrübt, freute mich aber auf nächsten Donnerstag. Und auf daheim. Die Eltern würden eine Flasche Rotwein öffnen und sich endlich entspannen. Wir würden unsere Schlafanzüge anziehen und die Zähne putzen.

Dann kamen sie zu uns ans Bett. Weil es heute wegen der Versammlung spät geworden war, fiel die Gutenachtgeschichte aus, aber das Abendgebet, das gab es immer. Ich sog nach dem Gutenachtkuss den Duft meiner Mutter und den von Papa auf und war froh, dass erst in drei Tagen wieder Versammlung war. Morgen Abend würde uns Papa wieder aus dem «Rösslein Hü» vorlesen.

Die Heimat

Februar 1983

Papa arbeitete viel. Er konnte Häuser bauen und hatte uns auf der Bettmeralp ein eigenes klitzekleines Chalet erstellt. Mama hatte alles drinnen im Haus auswählen dürfen: die Möbel, die Böden, die Vorhänge, die Teller und Gläser, das Sofa, die Bettwäsche, alles. Es gab sogar ein Cheminée, in dem Mama nach dem Skifahren jeweils ein Feuer machte, damit wir unsere kalten Hände und Füße aufwärmen konnten. Wir waren außer uns vor Freude, als wir hier unsere ersten Skiferien verbringen durften.

Es war ein perfekter Wintertag gewesen: eiskalt, aber die Sonne schien am stahlblauen Himmel. Papa war in Hochform. Mama und Linda waren schon etwas früher nach Hause gegangen; Mama, um einzufeuern und das Abendessen vorzubereiten, und Linda, um als Erste warm duschen zu können. Papa und ich kehrten noch in eine Berghütte ein, wo er für sich einen Schnapskaffee und für mich eine heiße Schokolade bestellte. «Das wärmt den Bauch. Das brauchen wir für die letzte Abfahrt, wirst sehen», sagte er geheimnisvoll zu mir. Nachdem wir ausgetrunken hatten, beglich Papa die Rechnung, und ich zog wieder meine warme Mütze, die dicke Ski-Jacke und die Handschuhe an. Draußen stiegen wir in unsere Skier und kurvten den kurzen Weg zur Talstation der Bergbahn hinunter, an der die vielen kleinen roten Gondeln hingen. Die fuhren auf das Bettmerhorn, und genau dort hinauf wollten wir vor Feierabend noch einmal. Wir ließen allen anderen Skifahrern den Vortritt und bestiegen voller Freude die allerletzte Gondel des Tages. Von dort aus sahen wir, dass die Sonne schon sehr tief am Himmel stand und dass unten auf den Pisten nur noch sehr wenig Leute waren. Sobald wir oben ausgestiegen waren und Papa unsere Skier aus der Halterung gehoben hatte, wurde die Anlage abgestellt. Diese plötzliche Stille hatte etwas Sonderbares an sich, und wir trauten uns kaum, Lärm zu machen. «Schau mal da vorne, die Sonne geht gleich unter», flüsterte mir Papa zu. «Wir warten jetzt hier und schauen zu, wie sie untergeht, und danach gehört die Piste uns ganz alleine.» Ich folgte Papa ehrfürchtig auf eine Holzbank und setzte mich neben ihn.

«Ist dir kalt?», fragte er mich. Ich schlotterte und flüsterte: «Nein.» Er hob mich auf seinen Schoß und umarmte mich mit seinen starken, warmen Armen. Während der ganzen Zeit sprachen wir kein Wort, wir schauten bloß und staunten. Die goldene Sonne verschwand plötzlich ganz rasch hinter einem weißen Berggipfel, und sogleich färbten sich zuerst der Himmel, dann auch die Berge und der Aleschgletscher rosa. Meine Lieblingsfarbe! Ich war ganz verzückt. «Jehova hat das alles so schön gemacht!», sagte ich. «Ja, das hat er», entgegnete mein Vater und drückte mich mit seinen Armen, die noch immer um mich geschlungen waren, noch etwas fester an sich. Dann streckte er seinen Finger aus und sagte: «Schau, dort hinten ist das Matterhorn. Das ist ein ganz besonderer Berg. Nur um einmal in ihrem Leben diesen Berg zu sehen, reisen Menschen aus der ganzen Welt hierhin, sogar von Japan und Amerika kommen sie.»

«So, Feierabend», rief uns plötzlich ein Mann von Weitem zu. «Tut mir leid, aber ich mache die letzte Pistenkontrolle, ihr müsst nun los, da ich der Letzte sein muss.»

Papa winkte ihm zu und half mir, meine Skier anzuschnallen. Dann nahm er mich mit den Skiern zwischen seine Beine, hielt mich fest und rief: «Jetzt geht’s los!» Daraufhin sauste, nein, raste er mit mir die Piste hinunter. Die Berge waren nicht mehr rosa, sondern rot geworden. Ich schwelgte in purem Glück, war überwältigt vom atemberaubenden Tempo, berauscht von der Schönheit der Natur, berührt von der Nähe zu meinem Vater. Pausenlos sang ich laut «Stille Nacht, heilige Nacht». Obwohl das ein Weihnachtslied war, das wir eigentlich nicht singen durften, war mein Vater so glücklich darüber, dass ich so glücklich war, dass er nichts dazu und auch nichts dagegen sagte. Ich fühlte mich eins mit allem, mit dem Schnee, den Bergen, mit Gott und allem voran mit meinem Vater.

Als ich am Abend, nachdem Papa an unserem Bettrand das Gutenachtgebet gesprochen und uns einen Kuss gegeben hatte, neben Linda mit einer warmen Bettflasche im Kinderzimmer lag, versuchte ich noch einmal, dem Gefühl, das mich auf der Skipiste erfüllt hatte, nachzuspüren. Es erinnerte mich an einen Spätsommertag im letzten Jahr. Wir wanderten oft, und obwohl ich Wandern grundsätzlich langweilig fand, so konnte ich mich doch dem Sog der Natur nicht entziehen. Dem Sog, der stärker und tiefer wurde, je länger und je weiter man gelaufen, je müder man geworden war. Die Majestät der Berge, die Wiesen mit ihrem herben Duft berauschten und die klaren Bächlein, über die wir springen mussten, beglückten mich. Das alles war viel größer als ich, viel älter und viel tiefer. So, wie ich mir auch Gott vorstellte: viel größer, älter und tiefer als ich. Nicht, dass das ein Dauerzustand gewesen wäre, viel öfter jammerte ich, dass ich nicht mehr laufen wolle, sagte Mama. Ich hätte Hunger oder Durst, ich wolle mich jetzt endlich etwas hinsetzen. Aber ich wusste: Diese Momente kamen, sie erfassten mich, ich konnte und wollte mich nicht gegen sie wehren, ich konnte sie jedoch auch nicht festhalten, sie verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren, und ich nahm wieder den vor mir liegenden schmalen, steilen Weg wahr und spürte, wie die grelle Sonne auf meinen ohnehin schon heißen Kopf schien. Ja, und abends wäre ich dann wieder übersäht mit diesen hässlichen Sommersprossen!

An diesem Tag zum Ende des Sommers hin waren wir bis auf den Gipfel des Berges hinaufgewandert, auf dem wie üblich ein Kreuz stand. Das Symbol der falschen Religion! Auch am Morgen, im Dorf, hatte ich viele Kreuze gesehen. All diese Kreuze hier, all die Marienstatuen entlang der Gehwege, die Teil meiner Heimat waren, zeigten mir immer wieder, dass das eben nicht meine Heimat war, dass diese Berge und Wiesen und Wege den Weltlichen gehörten. Überall sprang es mir entgegen: Du gehörst hier nicht dazu, denn das ist unser Land!

Doch hatte nicht Gott dieses Land erschaffen? Und dieses Tal? Für wen tat er das? Etwa nicht für alle? Es betrübte mich, dass mir irgendetwas innerhalb oder außerhalb von mir verbot, diese Gegend meine Heimat nennen zu dürfen.

Ich bin neidisch auf dich, Adele. Du hattest eine echte Heimat. Dein Saanenland, das du nie verlassen musstest. Aber ich mit diesem fremden Namen, dieser anderen Religion, ich darf das Wallis nicht meine Heimat nennen. Weißt du, was eine Nachbarin meiner Mutter in der Waschküche einmal gesagt hat? Sie könne dann waschen, wenn alle Walliser gewaschen hätten!

Und doch fühle ich mich im Wallis etwas heimisch, auch ein bisschen im Saanenland, ein klein bisschen sogar in Rorschach am Bodensee, wo Papa aufgewachsen ist. Aber sicher, ganz sicher gehöre ich nur an einen Ort: zusammen mit meiner Familie und mit unseren Glaubensbrüdern und -schwestern in die Versammlung. Sie sind alle hierhergezogen, keiner gehört hier eigentlich hin, aber wir sind vereint in unserem Glauben. Die Wahrheit ist unsere Heimat.

Die Schule

August 1983

Linda und ich waren berauscht und gestärkt vom Alpsommer auf der Bettmeralp. Papa war meist unten im Tal geblieben, da er arbeiten musste. Mama und wir aber hatten uns so an die dünnere Luft und die steilen Wege gewöhnt, dass wir problemlos jede Höhe erklimmen konnten. Mama nannte uns «meine zwei Gämsen».

Ich war im Sommer besonders glücklich gewesen, denn ich freute mich auf die Zukunft. Da ich ein großes, starkes und weit entwickeltes Kind war, schickte man mich bereits mit sechs Jahren zur Schule. Was für ein Glück, denn das hieß, dass ich nicht noch ein Jahr warten musste, um endlich auch eine Schultasche tragen zu dürfen. Mama war in der letzten Ferienwoche mit mir runter ins Tal nach Brig gefahren, damit ich mir eine Tasche aussuchen konnte. Ich tat mich immer schwer mit Entscheidungen. Selbst wenn wir im Restaurant einen Eisbecher bestellen durften. Am liebsten hatte ich Coupe Dänemark, aber zur Sicherheit studierte ich lieber doch immer noch einmal die Karte mit den schönen Bildern: Banana Split, Heiße Liebe, Coupe Dänemark, Pêche Melba, Romanoff, Ice Café, Belle Hélène oder doch ein Frappé? Ich wartete immer bis zu dem Moment, in dem die Bedienung langsam mit ihrem Schreibstift zu wackeln begann und von einem Bein aufs andere trat, Papa seufzte, Mama die Augen verdrehte und Linda böse schaute. Das war dann der Augenblick meines Bauchgefühls, und das sagte schließlich doch: «Coupe Dänemark!»

Weil Mama diese Angewohnheit von mir kannte, hatte sie sich genügend Zeit für unser Vorhaben reserviert. Wir gingen in ein großes Geschäft, das auch Damenmode und Accessoires führte. Gleich am Eingang waren die Schultaschen aufgestellt, dahinter begannen die Frauenkleider. Mama sagte, ich hätte Zeit, ich solle in aller Ruhe aussuchen. So viel Auswahl! Es gab sicher zehn oder zwölf verschiedene Taschen, die Hälfte davon für Mädchen. Als sie nach langer Zeit zurückkam – sie hatte sich in der Zwischenzeit eine neue Herbstjacke und einen Rock für die Versammlung gekauft, dazu Ohrenclips, eine neue Diensttasche und eine Sonnenbrille –, strahlte sie mich an: «Außer der Jacke alles Ausverkauf! Und du? Welche Schultasche gefällt dir am besten?»

«Ich weiß nicht so recht, ich kann mich nicht entscheiden.»

Meine Mutter atmete einmal ruhig ein und wieder aus. «Ist nicht Rot deine Lieblingsfarbe?» – «Doch.» – «Dann nimm doch die rote?» – «Aber es gibt zwei rote, eine mit einer Ente drauf und eine mit einem Bären. Welche würdest du nehmen, Mama?»

«Die mit dem süßen gelben Entlein», antwortete Mama, und ich sagte: «Ja, die nehme ich. Die wollte ich von Anfang an.»

Jetzt stand ich also auf dem Balkon für das letzte Foto vor dem großen Augenblick. Ich war unglaublich nervös, aber auch sehr stolz in meinem neuen Kleid. Dieses war aus hellblauem Stoff mit roten, kleinen Kirschen darauf. Meine Mutter hatte mir einen Zopf geflochten, ich gefiel mir selbst sehr gut. Ich stellte mich etwas schräg hin, damit man auf dem Bild auch die Schultasche sehen konnte. Ich freute mich, dass im Wohnzimmer schon bald auch ein Foto von mir neben dem von Linda hängen würde. Sie hatte ihren ersten Schultag bereits vor vier Jahren gehabt, und ich schaute mir ihr Bild immer wieder gerne an und stellte mir dabei vor, wie ich daneben aussehen würde. Nun war es so weit: Mama drückte den Auslöser. Leider würde ich lange warten müssen, bis der Film voll und entwickelt sein würde, denn sie hatte eben erst eine neue Rolle eingelegt.

Am zweiten Tag kam Mama nicht mehr mit. Sie erklärte mir, dass ich fortan mit Luca, meinem gleichaltrigen Freund und Nachbarn, zur Schule laufen könne. Er hatte fast dieselbe Schultasche wie ich, nur war seine blau, aber auch er hatte die mit dem gelben Entlein gekauft.

Luca klingelte von nun an jeden Morgen an unserer Haustür. Immer, wenn er klingelte, war ich noch dabei, mir die Zähne zu putzen, und meine Haare musste ich auch noch kämmen. Mama bat ihn hinein und schimpfte jeden Morgen mit mir: «Jetzt muss Luca wieder auf dich warten. Kannst du nicht etwas schneller machen?» Dann wandte sie sich an Luca und sagte: «Geh du doch schon mal vor, du brauchst nicht auf die Dame zu warten, so kommst wenigstens du nicht zu spät zum Unterricht.» Luca schüttelte wie immer den Kopf. Er wartete lieber auf mich, auch wenn das bedeutete, dass er danach mit mir den ganzen Weg lang rennen musste.

Ich mochte ihn sehr. Seit ich mich erinnern konnte, war er in meinem Leben, und wir hatten schon vor der Schulzeit viel zusammen gespielt. Luca war nur gerade neun Tage jünger als ich. Er hatte keine Geschwister, umso glücklicher war er, wenn er mit mir zusammen sein konnte. Bei ihm gab es stets Hauswurst zum Zvieri, und jedes Mal versicherte mir seine Mutter, dass in dieser Wurst kein Blut sei, denn Mama hatte ihr erklärt, dass wir Zeugen Jehovas kein Blut essen durften. Luca hatte tolle Jungen-Spielsachen, am liebsten spielten wir mit Autos. So waren wir auch sehr froh, dass wir in dieselbe Klasse eingeteilt wurden.

Mein Schulanfang lief gut, ich mochte die Schule, ich war richtiggehend verliebt in meine schöne, junge, blonde Lehrerin.

Doch in den kommenden Monaten merkte ich immer deutlicher, dass wir anders waren. Erst nach und nach ahnte ich, was es genau bedeutete, dass all die anderen Kinder weltlich waren, ich aber in der Wahrheit. «Sie sind kein Teil der Welt, so wie ich kein Teil der Welt bin», sagte Jesus in der Bibel über uns, und langsam verstand ich, was er damit meinte. Ich hatte in der Versammlung gelernt, dass uns die Weltlichen beobachteten und wir deshalb immerzu «Zeugnis» ablegen sollten. Das bedeute nicht, dass wir pausenlos predigen müssten, doch auch durch unser Handeln und Verhalten würden wir eben Zeugnis ablegen. Wir sollten vorbildlich sein, denn als seine Zeugen trügen wir Jehovas Namen auf uns. Niemals sollten wir dies vergessen und immer auf der Hut sein, dass sein Name nicht beschmutzt werde.

Dass ich anders war, schien auch Luca plötzlich zu merken und zu stören. Er klingelte zwar noch immer jeden Morgen an meiner Tür, wartete dort auf mich, um dann mit mir zur Schule zu eilen. Spätestens auf dem Kirchenplatz entfernte er sich aber nach und nach von mir. «Kommst du mit mir in die Pause?», fragte ich ihn zu Anfang immer, aber er schüttelte jeweils den Kopf und rannte zu den anderen Jungs der Klasse. Er näherte sich mir auf dem Nachhauseweg erst wieder, wenn wir fast zu Hause waren. Luca gehörte dazu, ich war anders, das war plötzlich sonnenklar. Mich kränkte seine Feigheit, aber ich konnte ihn auch ein bisschen verstehen.

Obwohl ich die Schule mochte, merkte ich, dass sie stark von der falschen Religion geprägt war. In jedem Schulzimmer hing ein großes Holzkreuz an der Wand. Der Morgen begann jeweils mit einem Gebet, zu dem wir alle aufstehen mussten. Ich stand auch immer auf, sah aber nicht zum Kreuz hin, wie die anderen, und brummelte auch nicht das Gebet mit. Ich starrte jeden Morgen strikt auf die Wandtafel und hoffte, der Moment möge bald zu Ende sein. Einmal pro Woche gab es Religionsunterricht, einmal Bibelunterricht und einmal gingen alle meine Klassenkameraden zur Messe. Und dann diese Feiertage: Weihnachten, Silvester, Fasnacht, Ostern. Wir Zeugen Jehovas, wir einzig wahren Diener Gottes, wussten, dass das alles heidnische Feierlichkeiten waren. In der Zwischenzeit verstand ich auch, was heidnisch bedeutete: Das waren Bräuche, die die Menschen gepflegt hatten, bevor unser Gott seinen Sohn Jesus Christus auf die Welt geschickt hatte. Die Weltlichen hatten diese Bräuche einfach behalten und sie in ein christliches Mäntelchen verpackt. Ja, eine Mogelpackung vom Teufel war das alles, und es schmerzte Gott.