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Kurzweilig erzählt Andreas Malessa von Männern, denen die Geschichte erst verspätet recht gab. Von Männern, die posthum wirkungsvoller wurden, als sie zu Lebzeiten je waren. Er zeigt, dass auch Genies durch Durststrecken mussten und in Sackgassen gerieten, Rück- und Fehlschläge und Sinnkrisen zu überstehen hatten, ja scheinbar scheiterten, bevor ihre Bedeutung schließlich doch erkannt wurde. Es sind viele, deren Straße zum Erfolg einen Umweg über den Frust macht. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende.
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Seitenzahl: 124
Andreas Malessa
UND HINTERHER HELDEN!
Von Männern, die ihrer Zeit voraus waren
Patmos Verlag
Vorwort
Der fünfmal vom Himmel fiel
Antoine de Saint-Exupéry, der »Kleine Prinz«
Augenzeuge des Völkermords
Bartolomé de Las Casas, Apostel der Indios
Zum Trocknen an die frische Luft
Thomas Cook, Reiseveranstalter
Der sein Überleben verwarf
Janusz Korczak, Pädagoge
Verarmt die anderen reich beschenkt
Matthias Claudius, Journalist
Der die Massen mit Stille begeisterte
Roger Schutz, Beter aus Burgund
Nervig visionär mit den »Wilden«
William Penn, Politiker
Der »Irre und Elende« versorgte
Vinzenz von Paul, barmherziger Abenteurer
Den Vater in sich überwinden
Søren Kierkegaard, Theologe und Philosoph
Infizierte umarmen!
Wolfgang Uhle, Mörder und Pestpfarrer
Alter Schwede!
Dag Hammarskjöld, UNO-Generalsekretär
Weltmeister der Niederlagen
David Livingstone, Entdecker
Der die Patientenakten fälschte
Fritz von Bodelschwingh, Pflegeheimleiter
Der fromm und doof zum Segen wurde
Jean-Marie Vianney, Pfarrer von Ars
Der militant gewaltlos blieb
Martin Luther King, Bürgerrechtsaktivist
Der tausende Kinder versteckte
André Trocmé, Widerstandspfarrer
Lachnummer mit Langzeitwirkung
Albrecht Ludwig Berblinger, Schneider
Dem der Kragen platzte auf der Kanzel
Julius von Jan. Predigt für einen Freund
Der als Querkopf richtig lag
Roger Williams, Pilgervater
Der sich für Gott zum Affen machte
William Booth, Straßenprediger
Tödlich verheiratet
Jochen Klepper, Dichter
Der an die Kraft der Bilder glaubte
Klaus Mayer, Vater der Chagall-Fenster von Mainz
»Liebesflammen lodern« lassen
Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Songwriter
Der mitleidsvoll wütend wurde
Thomas Müntzer, Revolutionär
Der 50 Jahre geschwiegen hatte
Nicholas Winton, Kinderretter
O der Fröhliche
Johannes D. Falk, Satiriker und Sozialreformer
Osterpredigt, durchs Gitter geschrien
Paul Schneider, Dickschädel
Der den »halben Kräften« Jobs verschaffte
Gustav Werner, Sozialvisionär
ÜBER DEN AUTOR
ÜBER DAS BUCH
IMPRESSUM
HINWEISE DES VERLAGS
Viele, die ihrer Zeit vorausgeeilt waren,
mussten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.
Stanisław Jerzy Lec (1909–1966)
In diesem Buch finden Sie keine Gendersternchen, Doppelpunkte in der Wortmitte, Unterstriche, Binnen-Versalien oder Endungs-X. Das ist keine Ablehnung der dringend notwendigen Bemühungen, Chancengleichheit für alle herzustellen, im Gegenteil: Diesem Ziel fühle ich mich verpflichtet, auch als Autor.
Allerdings glaube ich nicht, dass Verkomplizierung der Sprache und erschwerte Lesbarkeit die Ungerechtigkeiten beseitigen. Nur aktives Handeln schafft Veränderungen. Deshalb nutze ich an vielen Stellen die weibliche und die männliche Form, an manchen die geschlechtsneutrale Verlaufsform, an anderen nur die weibliche oder nur die männliche Schreibweise.
Meinem Inspirator und geschätzten Redakteur Rüdiger Jope: Danke!
Andreas Malessa
Bewundernswerte Frauen begegnen uns in Zeitschriften, auf dem Buchmarkt und im Feuilleton seit Jahren zuhauf. Gut so. Wurde ja auch Zeit. Erst recht, wenn sie historisch unentdeckt geblieben waren.
Aber gab und gibt es nicht auch unentdeckte männliche »Helden«? Und unentdeckte Seiten an den Prominenten, die man zu kennen glaubt? Ja, gibt es.
Erst recht, wenn diese Männer zu Lebzeiten alles andere als erfolgreich, beliebt oder bereits berühmt waren. Ihr »Ruhm posthum« verdeckt nämlich, mit welchen Widerständen und Widrigkeiten sie zu kämpfen hatten – bevor die Geschichte, also wir heute, ihnen Recht gaben.
Dies kurz und kurzweilig zu erzählen, hat mich gereizt: eine Art literarisches Anabolikum für die Mutmuskeln des modernen Mannes. Dessen soziokulturelle Identität ist momentan eine Dauerbaustelle, scheint mir, Umleitungshinweise Richtung Frust nicht ausgeschlossen.
Aber – und daran glaube ich – Gott schrieb schon immer auf krummen Linien gerade. Wie man an jenen Männern sehen kann, die wir hier getrost bestaunen dürfen.
Viel Lesevergnügen wünscht
Andreas Malessa
»Man sieht nur mit dem Herzen gut.« »Lieben heißt nicht zuerst, einander anzusehen, sondern in die gleiche Richtung zu schauen.« »Du bist lebenslang verantwortlich für das, was du dir vertraut gemacht hast« – diese Sätze von romantischen Grußkarten und Kalenderblättern werden in manchen Kirchen häufiger zitiert als Psalm 23. Geschrieben hat sie der französische Pilot Antoine de Saint-Exupéry, Autor des Weltbestsellers »Der Kleine Prinz«.
Am 31. Juli 1944 ist er nördlich von Korsika zum fünften und letzten Mal abgestürzt.
Abstürze, Abbrüche, Fortschritte
Antoine, geboren 1900, wächst vaterlos in zwei Schlössern seiner adligen Mutter auf, wird von einer Gouvernante überbehütet, an einem Jesuitenkolleg allgemeingebildet und darf mit Zwölf an einem Rundflug in einem hölzernen Doppeldecker teilnehmen. »Die schlummernde Seele wiegte des Motors Gesang, erblassend strich die Sonne an uns entlang«, reimt er daraufhin. Er bewirbt sich bei der Militärakademie, fällt aber durch die Aufnahmeprüfung wegen »mangelnder Sprachbegabung und Literaturkenntnisse«!
Er nimmt private Flugstunden, startet heimlich das Schulflugzeug – und stürzt ab. 1921 kommt die Einberufung zum Fliegergeschwader in Straßburg, aber der Dichter aus dem Doppeldecker wird nur dem Ersatzteillager zugeteilt. Endlich zum Leutnant der Luftwaffe aufgestiegen, überlebt er eine zweite Bruchlandung und heißt bei seinen Kollegen jetzt nicht mehr »Tonio«, sondern nur noch »Saint-Ex«. Mit 24 geht auch seine Verlobung in die Brüche. Entnervt holt ihn Familie Exupéry in die Buchhaltung einer Ziegelei. Später wird er Lastwagenverkäufer.
Fliehen durch Fliegen
»Was für ein dunkles Versprechen hat man mir gegeben, das ein dunkler Gott nicht einlöst?«, schreibt er in sein erstes Buchmanuskript.
Seine glückliche Kindheit sei der Planet, von dem er herunterfiel, empfindet Antoine, das bürgerlich vorgezeichnete Leben eine enge Insel, die möglichen Berufswege ein Labyrinth. Und wie der Ikarus aus der griechischen Mythologie träumt Antoine vom Fliehen durch Fliegen.
Es ist der Rektor des Jesuitenkollegs, der ihn Didier Daurat empfiehlt, dem Flugpionier und Chef der späteren Air France. Antoine wird Frachtflieger auf der Strecke von Toulouse über Casablanca nach Dakar. 1927 wird er Postenchef in Kap Juby, mitten im Kriegsgebiet aufständischer Sahara-Völker. 18 einsame Monate in einer Bretterbude in der Wüste. Aber: Exupéry kann 14 notgelandete Piloten bergen. Erfolgreich verhandelt er mit den Mauretaniern und kann gefangene Franzosen freikaufen. Hier entsteht sein Loblied auf Gottes Schöpfung und die Menschlichkeit: »Terre des Hommes« nennt er das Buch, »Erde der Menschen« – inzwischen der Name eines humanitären Hilfswerks. Der deutsche Titel des Buches: »Wind, Sand und Sterne«.
Mondgucker, Träumer
1929 wird Saint-Exupéry Direktor der Fluggesellschaft Aeroposta Argentina und richtet die Nachtflug-Strecke von Rio de Janeiro über Buenos Aires nach Punta Arenas an der Südspitze Chiles ein. Im Juni 1930 kurvt er acht Tage lang in wütenden Winterstürmen über den Anden, bis er – wider Erwarten – seinen verunglückten Kollegen Henri Guillaumet lebend findet und bergen kann. Der verwegene Draufgänger, der »verrückte Mondgucker«, wie ihn seine Freunde nennen.
1935 stürzen Saint-Exupéry und Bordtechniker Prevot in der ägyptischen Sahara ab, bleiben fünf Tage und Nächte verschollen. Halb wahnsinnig vor Durst beobachten sie einen Wüstenfuchs, der sie zu feuchtigkeitshaltigen Beerensträuchern führt. Das Gespräch zwischen Fuchs und Kleinem Prinzen beginnt … Exupéry deliriert und träumt von Tante Sophie im Schloss daheim: »Tantchens Glaube war so unerschütterlich wie der einer frommen Seele. Solch eine Beheimatung speichert einen Vorrat an Beglückung auf! Weil sie tief im Herzen die dunkle Masse sammelt, aus der die Träume entspringen.«
»Saint-Ex« macht seinem Namen ein viertes Mal Ehre, als er im Februar 1938 in Guatemala abstürzt, aber schwerverletzt rechtzeitig gefunden wird.
Seine 1931 geschlossene Ehe mit der salvadorianischen Journalistin Consuelo Sandoval ist kompliziert, was sein Lebensthema nur zu bestärken scheint: Angewiesenheit, verlässliche Freunde. Miteinander schweigen können, zusammenrücken und füreinander einstehen.
Schweigend beten
»Die Größe des Gebets beruht darauf, dass ihm nicht geantwortet wird und dieser Austausch nichts mit einem schäbigen Handel zu tun hat. Ich ahnte, dass man Gebet im Schweigen erlernt und erst dort die Liebe beginnt, wo kein Geschenk mehr erwartet werden muss. Die Liebe aber ist Übung des Gebets.«
Antoine de Saint-Exupéry stand zeitlebens »zögernd an der Schwelle zur Kirche, mit vielen anderen, die den Wunsch haben, der Wahrheit zu dienen und dennoch vom Märchen verzaubert zu bleiben«. War er also ein »Mystiker ohne richtigen Glauben«, wie manche vermuteten? Oder ein »spiritueller Humanist«?
1940 besetzen die Deutschen Frankreich. Exupéry hat Consuelo verlassen, lebt bei New York, schreibt 1943 den »Kleinen Prinzen« und widmet das Buch seinem jüdischen Freund Léon Werth. Der trauert nämlich um eine zurückgelassene »Rose«. Antoine wird Major der US-Luftwaffe in Bastia auf Korsika. Obwohl er mit 43 viel zu alt für die neuen Lockheed-P38-Bomber ist. Seine Heimat Frankreich: ein Schlachtfeld; seine Kameraden: unbedarfte junge Amis; seine romantisch verträumten Texte irgendwie unzeitgemäß – »Tonio« ist mental in schlechter Verfassung, als er am 31. Juli 1944 um Viertel vor neun morgens Richtung Côte d’Azur aufsteigt. Der Treibstoff reicht bis maximal 14.30 Uhr. Eine Stunde später tippt Sergeant Vernon Robinson ins Protokoll: »Aircraft 223, out 8.45 a. m., did not return. Presumed lost.«
1998 findet ein Fischer vor der Insel Riou südlich von Marseille ein Silberarmband in seinem Netz. »Antoine de Saint-Exupéry« und »Consuela Suncin Sandoval« sind darin eingraviert.
Exupérys literarisch wunderbare Bücher »Südkurier«, »Nachtflug«, »Wind, Sand und Sterne«, »Flug nach Arras« oder »Stadt in der Wüste« blieben weitgehend unbekannt im Vergleich zu den 140 Millionen Exemplaren des »Kleinen Prinzen«, der in fast 150 Sprachen übersetzt wurde. Nicht zuletzt, weil die Zeichnungen in der Originalausgabe von 1946 von ihm selbst stammen.
Spekulationen zahlreicher Biografen, der 44-jährige »Saint-Ex« habe Suizid begangen, weil er zu Depressionen neigte, beendete erst im März 2008 (!) der damals 85-jährige ehemalige Wehrmachtspilot und spätere ZDF-Sportreporter Horst Rippert. Er war es, der den »Kleinen Prinzen« im Luftkampf nordwestlich von Korsika abgeschossen hatte. Hoheitskennzeichen und Kenn-Nummer am Seitenleitwerk, die übereinstimmende Verlustmeldung der Alliierten – 64 Jahre lang hatte Horst Rippert geschwiegen. Unter anderem, um die Karriere seines Bruders nicht zu beschädigen: Ivan Rebroff, der sich »russisch« inszenierende Schlagersänger (»Kalinka«) und »Milchmann Tevje« aus dem Musical »Anatevka«, starb im Februar 2008. Erst danach redete Horst Rippert.
»Die Christen fingen damit an, dass sie den Indianern ihre Weiber und Kinder entrissen, sich ihrer bedienten und sie misshandelten. Sodann fraßen sie alle ihre Lebensmittel auf, die sie mit viel Arbeit und Mühe sich angeschafft hatten. … Sie wetteten miteinander, wer unter ihnen einen Menschen auf einen Schwertstreich mitten voneinander hauen, ihm mit einer Pike den Kopf spalten oder das Eingeweide aus dem Leibe reißen könne. Neugeborene Geschöpfchen rissen sie bei den Füßen von den Brüsten ihrer Mütter und schleuderten sie mit den Köpfen wider die Felsen. … Sie machten auch breite Galgen, so, dass die Füße beinahe die Erde berührten, hängten zu Ehren und zur Verherrlichung des Erlösers und der zwölf Apostel je dreizehn … Indianer an jeden derselben, legten dann Holz und Feuer darunter, und verbrannten sie alle lebendig. … Alle diese bisher beschriebenen Gräuel, und noch unzählige andere, habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.« (Bartolomé de Las Casas, »Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder«)
Mit 18 fand er es normal
In Mutters Bäckerei in Sevilla herrscht helle Aufregung, als Papa Pedro und Onkel Francisco im Juni 1496 von Christoph Kolumbus’ zweiter Seereise zurückkehren. Sie waren dabei! Sie haben die Fahrt ins Ungewisse überlebt.
Auf »Hispaniola«, im heutigen Haiti, hat Kolumbus 550 versklavte Einheimische an Bord geladen; die Hälfte stirbt bei der Überfahrt. Jetzt schenkt der berühmte Kapitän der Familie Las Casas einen 14-jährigen »Indianer«. Der Junge ist gleich alt wie Bartolomé. Die beiden freunden sich an.
1502 reist Bartolomé selbst nach Haiti, weil jungen Siedlern dort Landbesitz und Goldfunde versprochen werden. Entsetzt sieht er mit an, wie lokalen Scouts, die ohne Gold aus den Bergen zurückkehren, die Hände abgehackt werden. Statt Bergbau und Landwirtschaft betreibt Bartolomé lieber Theologie und wird 1507 zum Priester geweiht. Als Feldkaplan spanischer Truppen nimmt er an der Eroberung Kubas teil und hört 1511, wie ein Missionar dem zum Tode verurteilten Indio-Häuptling Hatuey anbietet, noch auf dem Scheiterhaufen getauft zu werden, um sicher in den Himmel zu kommen. »Sind dort Christen wie du?«, fragt der Todgeweihte. »Ja.« »Dann will ich lieber in die Hölle.«
Umdenken mit 30
Als Bartolomé de Las Casas eines der schlimmsten Massaker am Volk der Taíno miterlebt, hört er am ersten Adventsonntag 1511 den Dominikanermönch Antonio de Montesinos predigen. »Mit welchem Recht haltet ihr die Indios in einer so grausamen Knechtschaft? Mit welcher Befugnis habt ihr dieses Volk in ungezählter Menge gemartert und gemordet?« Der Militärgeistliche der spanischen Eroberer ist tief getroffen.
Bei der Vorbereitung einer eigenen Predigt zu Pfingsten 1514 liest Bartolomé einen Vers aus dem Buch Jesus Sirach 34,25–27:
»Kärgliches Brot ist das Leben der Armen, und wer es ihnen raubt, ist ein Blutsauger. Den Nächsten mordet, wer ihm den Lebensunterhalt entzieht, und Blut vergießt, wer ihm den Lohn raubt.«
Ab jetzt ist ihm klar: Er wird als Priester niemandem die Beichte abnehmen und die Sündenvergebung zusprechen, der Sklaven hält. Die Konquistadoren und Plantagenbesitzer sind empört. Las Casas »schenkt« seine eigenen Sklaven dem Gouverneur von Kuba, reist 1515 nach Spanien zurück und erwirkt in einem Gespräch mit König Ferdinand ein neues Gesetz, das ausreichende Ernährung und medizinische Versorgung für die Indios vorschreibt.
Ferdinands Thronfolger Kaiser Karl V. ernennt ihn 1516 zum »Prokurator aller Indios in Westindien« und weist ihm 1520 »das Festland südlich der Inseln« – was mangels geografischer Kenntnisse so gut wie ganz Südamerika wäre – als Siedlungs- und Missionsgebiet zu. Aber als Las Casas 1521 an der Küste von »Klein Venedig« (Venezuela) ankommt, haben aufständische Indios nicht nur viele Siedler und Sklavenfänger, sondern auch alle Mönche ermordet. Sein Plan einer friedlichen Missionierung und Koexistenz der Völker ist gescheitert.
Chronist und Aktivist mit 50
Die einzige Kopie des Bordbuchs von Christoph Kolumbus’ Seereise 1492 besitzt – Bartolomé de Las Casas! Er beginnt, die verharmlosenden Berichte des gefeierten »Entdeckers« zu kommentieren und eine »Geschichte der indigenen Völker Neuspaniens« zu schreiben: 1521 zerstört Hernán Cortés das Aztekenreich, 1532 unterwirft Francisco Pizarro die Inka in Peru. Bartolomé kennt beide Völkermörder persönlich, reist nach Tenochtitlan und Machu Picchu und plädiert in seiner Schrift »Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder« für vieles, was wir heute Menschenrechte nennen.
Endlich: 1542 erlässt Kaiser Karl V. das gesetzliche Verbot, Einheimische zu versklaven, und ernennt 1543 Las Casas zum Bischof von Chiapas in Mexiko. Damit ist er zwar hochgeehrt, aber auch politisch kaltgestellt.
1546 kehrt Bartolomé nach Spanien zurück, erwirkt ein gesetzliches Ende aller Eroberungsfeldzüge in Südamerika und stirbt am 18. Juli 1566 in Atocha bei Madrid. Als Chronist des Völkermords und erster Historiker und Theologe, der Sklaverei als Sünde und Verbrechen brandmarkte, wurde der »Apostel der Indios« noch bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts von spanischen Rechten als »größenwahnsinniger Paranoiker und Beleidigung Spaniens« bezeichnet.
Hunderttausende Touristen in aller Welt flogen Ende September 2019 – nein, nicht nach Hause, sondern aus ihren Hotels. Die »Thomas Cook Group« war pleite, die deutschen Tochterunternehmen waren blamiert, die Kunden geprellt. Sollte in Zukunft noch jemand seine vorausbezahlte Fernreise im heimischen Balkonien verbringen müssen, könnte er ein Glas Wasser auf den Gründer des Ganzen erheben.
Der arme Junge