Unschuld 1 - Michael Martin - E-Book

Unschuld 1 E-Book

Michael Martin

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  • Herausgeber: SAGA Egmont
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Hemmungslose Lust und Fantasie wechseln sich in diesem Roman ab.Die unschuldige Adriane rechnet mit ihrem Tod. Sie ist ans Bett und ans Haus gefesselt. Geschichten aus dem Sexleben der Welt vor ihrem Fenster erfährt Adriane von ihrer Pflegerin Rose. Ein aufregendes Spiel beginnt.-

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Michael Martin

Unschuld 1

SAGA Egmont

Unschuld 1

Copyright © 1993, 2018 Michael Martin und Verlag

All rights reserved

ISBN: 9788711977309

1. Ebook-Auflage, 2018

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

Absprache mit dem Verlag gestattet.

1

Meine Mutter kam in mein Zimmer. Und da war wieder dieser gequälte Blick; ich glaube fast, er ist ihr angeboren.

„Gute Nacht, Liebes“, meine Krankheit hatte ihre Stimme immer sanfter, immer leiser werden lassen, „fühlst du dich gut?“

Ich gab ihr keine Antwort, ich lag flach ausgestreckt unter der Decke, mein dünner Leib war ein einziger Protest gegen dieses Getue.

„Fühlst du dich gut, Liebes?“ wiederholte sie, und Sorge zitterte in ihrer Stimme.

„Ja“, sagte ich endlich ganz ruhig, das Ja mehr ein Seufzer als ein Wort; in Wirklichkeit war es ein Nein, ein lautes, ärgerliches Nein.

„Schlaf gut“, flehte sie und verließ geräuschlos das Zimmer.

In dieser Nacht wollte ich nicht nachdenken. Manchmal denke ich nach, aber dann entgehen mir die Geräusche in diesem Haus. Ich lag still, ganz still, bis ich ihr demütiges Klopfen an Vaters Türe hörte.

„Lieber“, rief sie, „darf ich für einen Moment hineinkommen?“

Zuerst gab er keine Antwort, dann antwortete er ebenso kurz wie ich vorhin, und ich wußte, ihre Finger waren jetzt an der Klinke seiner Tür, und das Schlurfen ihrer Hausschuhe bedeutete: „Vergib mir mein Eindringen.“ In ihrer Stimme war Schwermut, dabei war sie einmal ein fröhliches Mädchen gewesen.

Ich hörte die tiefe Stimme meines Vaters, und obgleich ich durch die Wand von ihnen getrennt war, hüpfte mein Herz, als ich den Ärger in seiner Stimme bemerkte. Sie blieb nur für eine Minute, ohne Zweifel erzählte sie ihm, mir ginge es gut und ich schliefe bald. Dann konnte ich hören, wie sie die Tür des kleinen angrenzenden Zimmers öffnete, welches vorher einmal ihr Ankleideraum gewesen war.

Vorher … Vorher und nachher; das war der Aspekt, unter dem wir alles betrachteten.

Vorher – das lebensuntüchtige Erbgut meiner Mutter, der faule Kern der Familie zeigte sich in meinem 13. Lebensjahr.

Es war ihre Krankheit, und mein Körper sank aufs Bett, ins Grab, und sanft zog ich sie mit mir. Als sich das Haus zur Ruhe begeben hatte, überließ ich mich meinen Träumereien, Träumereien voller Unwissenheit, „Unschuld“ sagt man dazu. Ich erinnere mich, es war vor drei Jahren, der Arzt stand an meinem Bett und sagte: „Sie ist ein Engel.“ Dabei berührte er mein glattes, weißblondes Haar. „Wir werden alles tun, um sie zu retten, Mrs. Ferdinand.“

Meine Mutter sagte voller Trauer: „Sie ist so jung und immer so hinfällig.“

Das war alles, was sie sagte. Mein Vater jedoch antwortete dem Arzt genauer.

„Mutter und Schwester meiner Frau“, sagte er voller Sarkasmus, ja Verachtung, „waren mit dem gleichen Leiden geschlagen.“

„Natürlich“, fügte er hinzu, „diese waren damals erheblich älter, während Adriane sich schon immer als besonders anfällig zeigte.“

Ich fühlte seine Hand auf meiner Stirn.

„Sie hat kein Fieber.“

„Nein“, der Arzt stimmte ihm zu, „dabei gibt es kaum Fieber. Aber sie muß eine lange Zeit vollkommen ruhig liegen. Wenn wir Glück haben, heilt die Ader. Sollte jedoch ein weiterer Anfall folgen – und ich muß Sie darauf hinweisen, daß dies immer im Bereich des Möglichen liegt – bleibt uns wenig zu tun.“

Meine Mutter verschluckte ihre Tränen, und mein Vater sagte mit milder Stimme:

„Margret, wenn du glaubst, daß dir Tränen Erleichterung verschaffen, tue dir keinen Zwang an“, und damit verließ er mit dem Arzt das Zimmer. Mutter saß noch eine lange Zeit an meinem Bett. Mir schienen es Tage zu sein. Ich schlief gelegentlich ein, und wenn ich erwachte, saß sie noch immer da, bis sich endlich der Schmerz wie ein Krebs auf ihrem Gesicht ausgebreitet und sich in ihren Augen eingenistet hatte.

2

Mein Vater ist schwach. Er ist viel schwächer als meine Mutter, denn er kann keine Schmerzen ertragen. Ich glaube, dies ist neben seiner Bequemlichkeit der andere Grund, warum er sie nicht verläßt. Ihm erscheint ihr Leiden rätselhaft. Ich bin sicher, er fürchtet, daß ein Fluch über unser Haus kommt, wenn sie es verläßt, dabei hat sie doch bereits einen Fluch über ihn gebracht: mich.

Meine Mutter und mein Vater kommen etwa aus gleich guten Verhältnissen. Mag er sie auch verachten, so gehört sie doch zu den wenigen Leuten, mit denen er glaubt, sprechen zu können, ohne sich gesellschaftlich etwas zu vergeben.

Die gleiche Einstellung vertritt er mir gegenüber. Nie gab mir mein Vater die Liebe, mit der Väter ihre Töchter verwöhnen. Dafür gab er mir Anerkennung: die unausgesprochene Versicherung, mich einzuladen, sollten wir ein Essen geben. Auch das Recht auf Bildung gestand er mir zu: Seine Bibliothek gehörte mir.

Interessant ist, wie man mir die Bücher bringt. Es wurde ein kleiner Wagen mit Rädern gebaut und jede Woche mit einer ganzen Regalreihe Bücher aus Vaters Bibliothek beladen. Marie rollte ihn dann an mein Bett. Die Bücher, die ich ständig bei mir haben will, stehen in einem Regal neben meinem Bett. Die Wahl meiner Bücher blieb mir überlassen. Ich glaube, niemand kontrollierte je, was ich las.

Ich lebe in meinen Büchern. Ebenso ist mir das Leben in diesem Haus genau gegenwärtig, und doch reicht das nicht aus. Tag für Tag versinke ich tiefer in den Zustand, den man Lethargie nennt.

Jeder in meiner Umgebung geht auf Zehenspitzen, nur mein Vater nicht. Er vergißt, daß seine Tochter stirbt. Die Köchin backt mir eine Extratorte, der Gärtner züchtet eine neue Rose, Adriane Gloria, und bringt sie mir ins Zimmer.

Zu meiner Beerdigung wird man das Haus mit ihnen schmücken, dessen bin ich gewiß.

Alle haben die törichte Idee, sie bringen mir das Leben, sie bringen mir das Haus. Wie soll ich es nur erklären? In diesem Haus kann ich tun, was immer ich will, während ich hier in meinem Bett liege. Und ich bin auch die einzige, die wirklich etwas will.

Im Haus herrscht die Atmosphäre meines nächtlichen Schlafes. Wenn ich mich besser fühle, öffnen sich Türen und Fenster; ist meine Nacht ruhelos, verschließt sich das Haus und wird mir zum Grab.

Ich liege jetzt im großen Gästezimmer. Alles ist Gold, die Decke, die Wände, der Boden. Ich erinnere mich an einen goldnen Wandteppich, den ich mir oft um die Schultern legte.

Ich wollte dann Papst sein.

Als ich krank wurde, bekam ich ein Zimmer im dritten Stock. Ein schrecklicher Ort. Er entsprach Mutters Vorstellung von einem Kinderzimmer, wie es sich ein Kind erträumt: überall Kattun und französische Puppen. Der Raum, in dem ich jetzt liege, entspricht viel eher meinem Geschmack.

Ich sagte meiner Mutter, ich wünschte mir nach meinem Tode einen Sarg, ganz mit Gold bedeckt und umsäumt. Sie war so bekümmert darüber, daß ich nicht weiter davon reden konnte, aber ich hatte den festen Willen, es durchzusetzen. Natürlich habe ich einen Willen, und ich habe sehr oft meine Meinung geändert.

Meine Großeltern hinterließen mir ein Vermögen. Irgendwie schienen sie gewußt zu haben, daß ich einmal hier im Bett liegen würde. Was mit meinem Geld geschieht, interessiert mich nicht, aber auf den goldnen Sarg werde ich immer bestehen. Meine Rose ist aus Gold. Gelb und rot und orange sind die Blütenblätter, und sie glühen in der Sonne.

Das Haus begann zu schlafen. Das Gesicht meiner Mutter entspannte sich vermutlich in ein mehr religiöses Leiden.

Mein Vater nahm seinen Schlaftrunk. Ich hörte, wie er das Glas schwer auf den Marmortisch neben seinem Bett niedersetzte.

Um 10 Uhr schliefen Koch und Tür und Flaschenöffner. Das neue Mädchen oben war allein. Wir hatten ein anderes Mädchen, zu dem der Stallknecht hinaufschlich, aber dieses Mädchen ist gegangen. Ich hörte sie immer oben auf der Treppe flüstern, und wenn ich mit gespanntester Aufmerksamkeit lauschte, konnte ich das Knarren in ihrem Zimmer hören.

Ich habe eine besondere Technik des Lauschens. Ich lege mein Ohr auf etwas Festes, und von allen Decken und Wänden kriechen die Geräusche heran. Ich habe viel über solche Dinge gelesen, und ich glaube, sie behandeln mich deshalb wie einen Engel, weil sie wissen, ich werde als Jungfrau sterben.

„Sie ist eine Nonne“, hatte ich meinen Vater sagen hören, mit dem besonderen Stolz des Wüstlings; eine üble Art der Verehrung scheint mir. Erzählte ich das meiner Mutter, sie wäre schockierter als über den goldenen Sarg.

Sie denken: „Sie weiß nichts darüber, und die Enttäuschung wird ihr erspart bleiben.“

Eines Tages hörte ich Vater und Mutter im angrenzenden Zimmer sprechen. Sie redeten länger als gewöhnlich miteinander, und ich wurde nervös in meinem Bett.

„Das ist eine gute Idee“, hörte ich meinen Vater murmeln, und mein Herz schlug dumpf, als ich seine Stimme hörte, tief und seltsam angenehm. Unverzüglich begann ich zu läuten, dringlich, wieder und wieder, und einen Augenblick später war meine Mutter im Zimmer.

„Adriane, was ist …“, kurzer Atem und flammendes Gesicht.

Ich sank tief in die Kissen zurück und schloß meine Augen; so entging ihr der Schimmer des Hasses in meinem Blick.

„Ich habe Schmerzen“, wisperte ich.

„Wo? Wo?“ Ganz sicher würde sie vor mir sterben.

Mit einer kraftlosen Gebärde deutete ich auf mein Herz. „Hier schmerzt es“, und erschöpft ließ ich den Arm auf die goldne Decke sinken.

Sie hantierte in meinen Arzneifläschchen herum und fand endlich eine rosa Pille, die sie mir zwischen die Lippen schob.

„Hier Liebes“, bettelte sie. Dann hielt sie inne und betrachtete aufmerksam mein Gesicht. „Du bist sehr blaß.“ Sie sprach mehr zu sich selbst als zu mir.

„Ja“, fuhr sie fort, „wir werden es tun müssen. Ich hasse die Situation, die dadurch entsteht, und doch ist es die beste Lösung.“

Ich öffnete meine Augen.

„Was willst du tun?“ Mir antun, hatte ich fragen wollen, aber es blieb unausgesprochen, ebenso wie die Frage: Hast du mir denn nicht schon genug angetan?

„Du wirst eine Pflegerin haben, Adriane. Eine, die Tag und Nacht um dich ist. Es erschreckt mich, dich auch nur eine Minute allein zu lassen. Wir müssen jemanden haben, der immer genau weiß, was im Moment zu tun ist.“

Nein – darauf bestand ich weiterhin, denn über dieses Thema hatten wir schon gesprochen. Ich wollte keine Fremde, die mich ständig auf weißen Schuhen umschwebte. Ich schätzte die halben Stunden, die ich noch allein sein durfte. Ich wußte, mit einer tüchtigen, sterilen Person immer um mich herum würde der selbstgeschaffene goldne Glanz des Todes verblassen. Nichts bliebe als das alltägliche Geschäft eines Krankenhaustodes.

Ich bereute meine kindische Szene von vorhin. „Ich fühle mich wieder besser, Mutter. Bitte, keine Pflegerin. Eine Pflegerin würde mich nur kränker machen. Sie würde auf Zehenspitzen herumgehen und die Vorhänge geschlossen halten. Eine Pflegerin würde mich ersticken …“, und ich begann, bittere Tränen zu weinen.

Zum ersten Mal seit Monaten dachte ich an die Hilflosigkeit meiner Lage, und mein Gesicht war naß von Tränen. Mutter wischte mir die Stirn. Wäre doch Vater an ihrer Stelle und trocknete meine Tränen und verspräche mir, daß keine Pflegerin käme.

Als mich Mutter nach diesem Ausbruch verließ – sie glaubte, ich schliefe –, war ihr Mund eine dünne Linie.

Endlich schlief ich doch ein, und als ich viel später wieder erwachte, sah ich, wie sich eine unbekannte Person an den Vorhängen zu schaffen machte. Das hatte ich vermutet. Aber sie zog die Vorhänge auf, und Sonnenlicht flutete durch die Fenster und zeigte mir das dunkelrote Haar und die volle Figur meiner Besucherin.

„Du bist Adriane?“ fragte sie und kam näher ans Bett heran. Dabei lächelte sie mich geradewegs an. „Du hast sehr lange geschlafen.“

„Ich fühle mich sonderbar“, sagte ich, und als ich mich jetzt an das Gespräch mit meiner Mutter erinnerte, traten mir Tränen des Selbstmitleids in die Augen.

„Bist du meine Pflegerin?“

Sie setzte sich sacht auf die Bettkante. Ich betrachtete sie. Anstelle der gestärkten Schwesterntracht trug sie eine weiche, rote Bluse, in der sich ihre Brüste genau abzeichneten. Um die Hüfte trug sie einen breiten Ledergürtel, und unter dem Gürtel bauschte sich ein grober Tweedrock. Ich fühlte mich zerbrechlich und ätherisch, dieses schwere Tuch, diese starken Farben, die vollen Brüste, die drallen Hüften unter dem Rock, alles dies bedrängte mich. Sie war schmal in der Taille, und darunter begann gleich der aggressive Schwung ihrer Hüften.

„Ich bin Pflegerin“, antwortete sie geduldig. „Aber kannst du mich nicht als deine Freundin betrachten? Soviel älter als du bin ich nicht, Adriane.“

Ich wollte sie fragen, woher sie meinen Namen wußte und wie sie es wagen konnte, mich einfach bei meinem Namen zu nennen, statt dessen sagte ich: „Ich hätte gern eine Tasse Tee.“

Ich wollte sofort geklärt wissen, daß sie meine Dienerin war, nicht meine Freundin. Sie erhob sich hastig von der Bettkante und errötete bis in den Ausschnitt ihrer Bluse.

„Natürlich“, sagte sie mit einer knappen, peinlich berührten Stimme.

Ich sah, daß sie jung war, nicht mehr als drei Jahre älter als ich, aber sie hatte diese drei Jahre nicht im Bett verbracht mit all den Gedanken, die einem dabei kommen.