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Paris ist die Stadt der Liebe, bien sûr. Solange man beim romantischen Tête à Tête an der Seine nicht von Japanern fotografiert wird. Paris ist die Stadt des Savoir vivre – es sei denn, man diniert chez "Buffalo Grill". Und Paris ist die Stadt der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – solange man keinen Parkplatz sucht. Paris ist traumhaft, solange man nicht dort lebt. Sascha Lehnartz wohnt seit 2008 an der Seine. Mittlerweile hat man ihm circa 250 knochentrockene Baguettes mit Analogschinken angedreht. Nahezu täglich schlägt er sich mit Klempnern herum, die sich für Künstler halten, Conciergen, die bei der Stasi eine Spitzenkarriere gemacht hätten, und Frauen, die dem Konzept "Zicke" eine völlig neue Dimension hinzufügen. Trotzdem will er nie wieder weg.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
»Well, to see Paris.«
Steve McQueen
I. Paris, ein Traum
Zimmer mit Eiffelturm
La Vie en Rose.Wie man einen französischen Teppich entfernt
In Papierkugelgewittern
Un homme correct.Wie man Türen öffnet
II. Mode d’emploi
Im Reich der Zeichen
Trafic. Wie man in Paris herumkommt
Warten auf Métro
Der Standort als Vorteil
Unser Quartier
III. Etudes Françaises
Coup de Foudre. Wie ich mich in den Eiffelturm verliebte
Was man mit einem nutzlosen Turm anstellen kann
Das Baguette meines Lebens
Der Kater nach La Boum
Die Geschichte von Justine oder die Nachteile meiner Tugend
Abschweifung: Theorie der Pariserin
Une vraie Parisienne
Auf der Oder schwimmt kein Balken
Salopp formuliert
Sous le Pont d’Avignon
Septembre. Französisch kellnern
IV. Civilisation Française
Studentenunruhen
Wie man eine französische Katze beseitigt
»Es gibt da ein Problem mit eurer Mauer«
C’est pas l’Amérique
Der Klempner des modernen Lebens
L’éclat, c’est moi.Warum Franzosen Atomkraft superbe finden
Ach Gott, Frankreich
Mein Leben mit Carla Bruni
V. La Vie Parisienne
Montag mit Mona Lisa
Nackt frühstücken
Seele und Stasi des Hauses
Weltkulturerbe aus der Tiefkühltruhe
Pariser werden
Statt der Liebe
Merci
Unser neues Leben in Paris hatte genau so begonnen, wie wir uns das erträumt hatten. Kurz vor Weihnachten hatten wir eine bezaubernde Wohnung mit Blick auf den Eiffelturm gefunden.
Zugegeben, man muss sich ein wenig aus dem Fenster lehnen, um den Eiffelturm zu sehen. Optimal ist die Sicht dann, wenn man sich außen an der Brüstung unseres »französischen Balkons« mit einem Halbmastwurf-Karabiner anseilt– und sich dann ein wenig nach hinten ins Hohlkreuz fallen lässt. Wahrscheinlich haben die Pariser deshalb französische Balkone erfunden: Es gibt hier einfach viel Schönes zu sehen. Wenn man dagegen in Bottrop wohnt, braucht man nicht unbedingt einen französischen Balkon, sondern nur irgendwas, um die Satellitenschüssel anzudübeln.
Die Wohnung war, wie gesagt, ganz bezaubernd. Es gab nur noch einige Kleinigkeiten zu renovieren. »Petits détails«, hatte der Makler gesagt, während er sich an dem Waschbecken, das komischerweise im Wohnzimmer an der Wand hing, leicht abgestützt hatte– woraufhin das Becken aus der Verankerung gebrochen war. Erst später stellten wir fest, dass das Waschbecken gar nicht verankert, sondern offenbar mit Holzleim befestigt worden war. »Der Franzose improvisiert halt gern.« Scherzten wir da noch.
Wir beschlossen, die Tage zwischen den Jahren mit besinnlichen Nestbau-Aktivitäten zu verbringen. Wir begannen gleich am Zweiten Weihnachtstag. Als Erstes versuchten wir, einen circa acht Zentimeter tiefen, zahnfleischfarbenen Wollteppich vom Fußboden abzuschaben, der offenbar hochentwickelte, linksdrehende Zellkulturen mit langfristigen Mietverträgen beherbergte. Als wir diese Herausforderung annahmen, wussten wir allerdings noch nicht, dass es zumindest ein französisches Industrieprodukt gibt, das qualitativ Weltniveau erreicht: Teppichleim.
Nach drei Tagen eifrigen Schabens– mittlerweile schrieben wir den 28.Dezember– zogen wir eine Zwischenbilanz: Was unser neues Pariser Heim werden sollte, bestand aus drei Zimmern und einer Küche. Bis auf die Küche waren sämtliche Bodenflächen mit dem Zahnfleisch-Teppich bedeckt. Anfangs vermuteten wir, auch der Küchenboden sei mit einer Art Teppich belegt, bis wir feststellten, dass es sich um eine Staub- und Schmutzschicht handelte, die im Laufe der Jahre eine Konsistenz entwickelt hatte, die von einem industriell gewebten Produkt nur schwer zu unterscheiden war.
Vielleicht haben Sie zufällig den B-Movie-Klassiker The Green Slime aus dem Jahr 1968 gesehen oder zumindest Alien Resurrection aus dem Jahr 1997. Oder irgendeinen anderen Film dieser Sorte, in dem aufdringliche Außerirdische mit ungepflegtem Äußeren die Erde mit einem seltsamen Schleimprodukt vollsülzen. Wenn Sie sich diese Masse nun nach 30 Jahren Lufttrocknung vorstellen, wissen Sie ungefähr, womit wir es in der Küche zu tun hatten. Allerdings ließ sich dieser Bodenbelag nach mehrstündigem Schrubbereinsatz mit Unterstützung von chemischen Kampfmitteln einigermaßen rückstandsfrei entfernen.
Der Teppich hingegen war überall mit Hilfe des ausgesprochen widerstandsfähigen französischen Hochleistungsleimes angebracht worden. Drei Tage lang hatten wir zwar in jeder Ecke mehrmals versucht, den Spachtel anzusetzen, aber es war uns gerade einmal gelungen, geschätzte 0,85 Quadratmeter Bodenfläche von dem Teppichmonster zu befreien. Und das war noch eine großzügige Schätzung.
Dabei hatten wir drei deutsche Qualitätsspachtel abgebrochen und circa zwei Dutzend Original Solinger Teppichmesserklingen ruiniert. Wir hatten außerdem Blutblasen an Handballen und Fingern und Schmerzen in den Knien und im Rücken, wie sie sonst nur Pflasterer kurz vor der Rente mit 67 kennen. Unser Zeitplan drohte ins Wanken zu geraten. »Bis zum 31. sind Sie mit den kleinen Schönheitsreparaturen sicher durch und feiern Silvester mit Blick auf den Eiffelturm«, so hatte der Makler frohlockt.
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