USA-Trilogie - John Dos Passos - E-Book

USA-Trilogie E-Book

John Dos Passos

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Beschreibung

John Dos Passos' "USA-Trilogie" ist in der amerikanischen Literatur einzigartig wegen ihrer epischen Gestaltung und panoramischen gesellschaftlichen Perspektive. In den Romanen, aus denen sie besteht - "Der 42. Breitengrad" (1930), "1919" (1932) und "Das große Geld" (1936) -, zeichnet Dos Passos mit sarkastischem Humor und scharfem Auge für soziale Fragen ein unvergessliches Kollektivporträt der USA. Dabei verbindet er das Leben seiner Charaktere und die Zeit, in der sie leben, auf eine raffinierte erzählerische Weise, die diese Trilogie zu einem der lesbarsten modernen Klassiker überhaupt gemacht hat. Seine Protagonisten erleben Kriege und Revolutionen, verzweifelte Liebesaffären, schwere Familienkrisen, öffentliche Triumphe und private Katastrophen vor Kulissen, die unter anderem die Schützengräben des Ersten Weltkriegs, das aufständische Mexiko, Hollywoodstudios in der Stummfilmära, Wall-Street-Büros und die von Tumulten erschütterten Straßen von Boston vor der Exekution von Sacco und Vanzetti umfassen. In seinem Vorwort schreibt Dos Passos: "USA, das ist ein Querschnitt durch einen Kontinent ... Vor allem aber ist es das gesprochene Wort der Menschen." Es ist die gewaltige Stimme Amerikas von der Industrialisierung bis zur Prohibition. Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl verschaffen ihr mit ihrer zeitgemäßen Übersetzung neues Gehör.

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Seitenzahl: 2296

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John Dos Passos

USA-Trilogie

Der 42. Breitengrad / 1919 / Das große Geld

 

 

Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren

 

Über dieses Buch

John Dos Passos’ «USA-Trilogie» ist in der amerikanischen Literatur einzigartig wegen ihrer epischen Gestaltung und panoramischen gesellschaftlichen Perspektive. In den Romanen, aus denen sie besteht – «Der 42. Breitengrad» (1930), «1919» (1932) und «Das große Geld» (1936) –, zeichnet Dos Passos mit sarkastischem Humor und scharfem Auge für soziale Fragen ein unvergessliches Kollektivporträt der USA. Dabei verbindet er das Leben seiner Charaktere und die Zeit, in der sie leben, auf eine raffinierte erzählerische Weise, die diese Trilogie zu einem der lesbarsten modernen Klassiker überhaupt gemacht hat.

Seine Protagonisten erleben Kriege und Revolutionen, verzweifelte Liebesaffären, schwere Familienkrisen, öffentliche Triumphe und private Katastrophen vor Kulissen, die unter anderem die Schützengräben des Ersten Weltkriegs, das aufständische Mexiko, Hollywoodstudios in der Stummfilmära, Wall-Street-Büros und die von Tumulten erschütterten Straßen von Boston vor der Exekution von Sacco und Vanzetti umfassen.

In seinem Vorwort schreibt Dos Passos: «USA, das ist ein Querschnitt durch einen Kontinent ... Vor allem aber ist es das gesprochene Wort der Menschen.» Es ist die gewaltige Stimme Amerikas von der Industrialisierung bis zur Prohibition. Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl verschaffen ihr mit ihrer zeitgemäßen Übersetzung neues Gehör.

Vita

John Dos Passos wurde 1896 in Chicago geboren. Er studierte in Harvard und ging nach dem Abschluss 1916 nach Europa. Als Kunststudent in Spanien begann er zu malen und zu schreiben; unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges verfasste er zwei pazifistische Romane, bevor er mit dem multiperspektivischen Großstadtpanorama «Manhattan Transfer» 1925 den amerikanischen Roman revolutionierte. Später engagierte er sich im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner. Er gilt neben Hemingway, Faulkner und Fitzgerald als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Moderne. Seine Romane beeinflussten weltweit zahlreiche Schriftsteller, namentlich inspirierte «Manhattan Transfer» Alfred Döblin zu seinem großen Roman «Berlin Alexanderplatz». John Dos Passos starb 1970 in Baltimore.

 

Dirk van Gunsteren, geboren 1953 in Duisburg, übersetzte u.a. Jonathan Safran Foer, Colum McCann, Thomas Pynchon, Philip Roth, T.C. Boyle und Oliver Sacks. 2007 erhielt er den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis.

 

Nikolaus Stingl, geboren 1952 in Baden-Baden, übersetzte unter anderem William Gaddis, William Gass, Graham Greene, Cormac McCarthy und Thomas Pynchon. Er wurde mit dem Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis, dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Paul-Celan-Preis und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW ausgezeichnet.

Inhaltsübersicht

USA

DER 42. BREITENGRAD

Wochenschau I

Das Auge der Kamera 1

Mac

Das Auge der Kamera 2

Mac

Wochenschau II

Das Auge der Kamera 3

Freund der Menschheit

Das Auge der Kamera 4

Mac

Wochenschau III

Das Auge der Kamera 5

Wochenschau IV

Das Auge der Kamera 6

Wochenschau V

Mac

Wochenschau VI

Das Auge der Kamera 7

Der Pflanzenmagier

Wochenschau VII

Das Auge der Kamera 8

Mac

Das Auge der Kamera 9

Big Bill

Das Auge der Kamera 10

Mac

Wochenschau VIII

Das Auge der Kamera 11

Wochenschau IX

Mac

Das Auge der Kamera 12

Wochenschau X

Das Auge der Kamera 13

Janey

Das Auge der Kamera 14

Wochenschau XI

Janey

Das Auge der Kamera 15

Wochenschau XII

Der jugendliche Redner vom Platte River

Das Auge der Kamera 16

J. Ward Moorehouse

Das Auge der Kamera 17

Wochenschau XIII

Eleanor Stoddard

Das Auge der Kamera 18

Eleanor Stoddard

Das Auge der Kamera 19

Wochenschau XIV

Der Kaiser der Karibik

Das Auge der Kamera 20

J. Ward Moorehouse

Das Auge der Kamera 21

Wochenschau XV

Der Friedensprinz

Das Auge der Kamera 22

J. Ward Moorehouse

Wochenschau XVI

Das Auge der Kamera 23

Eleanor Stoddard

Das Auge der Kamera 24

Janey

Der Elektromagier

Das Auge der Kamera 25

Wochenschau XVII

Mac

Proteus

Janey

Das Auge der Kamera 26

Wochenschau XVIII

Eleanor Stoddard

Wochenschau XIX

Das Auge der Kamera 27

Bob der Kämpfer

Charley Anderson

NEUNZEHNHUNDERTNEUNZEHN

Wochenschau XX

Joe Williams

Das Auge der Kamera 28

Playboy

Joe Williams

Wochenschau XXI

Das Auge der Kamera 29

Richard Ellsworth Savage

Wochenschau XXII

Das Auge der Kamera 30

Randolph Bourne

Wochenschau XXIII

Eveline Hutchins

Das Auge der Kamera 31

Eveline Hutchins

Wochenschau XXIV

Das Auge der Kamera 32

Der fröhliche Krieger

Das Auge der Kamera 33

Joe Williams

Das Auge der Kamera 34

Wochenschau XXV

Ein Don Quixote aus Indiana

Wochenschau XXVI

Richard Ellsworth Savage

Wochenschau XXVII

Das Auge der Kamera 35

Eveline Hutchins

Wochenschau XXVIII

Joe Williams

Wochenschau XXIX

Das Auge der Kamera 36

Miister Wiilsonn

Wochenschau XXX

Das Auge der Kamera 37

Wochenschau XXXI

Töchterlein

Wochenschau XXXII

Das Auge der Kamera 38

Wochenschau XXXIII

Eveline Hutchins

Wochenschau XXXIV

Das Haus Morgan

Wochenschau XXXV

Das Auge der Kamera 39

Wochenschau XXXVI

Richard Ellsworth Savage

Wochenschau XXXVII

Das Auge der Kamera 40

Wochenschau XXXVIII

Töchterlein

Wochenschau XXXIX

Das Auge der Kamera 41

Wochenschau XL

Joe Hill

Ben Compton

Wochenschau XLI

Das Auge der Kamera 42

Wochenschau XLII

Paul Bunyan

Richard Ellsworth Savage

Wochenschau XLIII

Die Leiche eines Amerikaners

DAS GROSSE GELD

Charley Anderson

Wochenschau XLIV

Charley Anderson

Wochenschau XLV

Der amerikanische Plan

Wochenschau XLVI

Das Auge der Kamera 43

Wochenschau XLVII

Das Auge der Kamera 44

Charley Anderson

Wochenschau XLVIII

Tin Lizzie

Wochenschau XLIX

Charley Anderson

Wochenschau L

Der bittere Trank

Wochenschau LI

Mary French

Das Auge der Kamera 45

Mary French

Das Auge der Kamera 46

Wochenschau LII

Die Kunst und Isadora

Wochenschau LIII

Margo Dowling

Wochenschau LIV

Der Adage-Tänzer

Wochenschau LV

Das Auge der Kamera 47

Charley Anderson

Wochenschau LVI

Das Auge der Kamera 48

Margo Dowling

Wochenschau LVII

Margo Dowling

Wochenschau LVIII

Die Camper von Kitty Hawk

Wochenschau LIX

Charley Anderson

Wochenschau LX

Margo Dowling

Wochenschau LXI

Charley Anderson

Wochenschau LXII

Margo Dowling

Wochenschau LXIII

Architekt

Wochenschau LXIV

Das Auge der Kamera 49

Wochenschau LXV

Mary French

Wochenschau LXVI

Das Auge der Kamera 50

Wochenschau LXVII

Armer kleiner reicher Junge

Richard Ellsworth Savage

Wochenschau LXVIII

Das Auge der Kamera 51

Macht und Übermacht

Mary French

Vagabund

USA

Der junge Mann bewegt sich rasch und allein durch die Menge, die sich in den nächtlichen Straßen verläuft; die Füße sind müde vom stundenlangen Gehen; die Augen sehnen sich nach den warmen Konturen von Gesichtern, der Erwiderung eines Blickes, dem Neigen eines Kopfes, dem Heben einer Schulter, der Art, wie Finger gespreizt und Fäuste geballt werden; das Blut kribbelt von Wünschen; der Geist ist ein Bienenstock voll summender, stechender Hoffnungen; die Muskeln lechzen nach Arbeit, sie wollen wie der Straßenbauarbeiter Spitzhacke und Schaufel schwingen, wie der Fischer das schlüpfrige Netz mit dem Haken geschickt über die Reling des schlingernden Kutters ziehen, wie der Brückenbauer den Hammer halten, mit dem der weiß glühende Niet eingeschlagen wird, wie der Lokomotivführer langsam und überlegt das Drosselventil öffnen, wie der Ackerbauer die Maultiere zügeln und den Pflug mit ganzem Körpereinsatz aus der Furche wuchten. Der junge Mann geht allein in der Menge, suchend, mit gierigen Augen, die Ohren gierig gespitzt, für sich, allein.

Die Straßen sind leer. Die Menschen haben sich in U-Bahnen gezwängt und sind in Busse und Straßenbahnen gestiegen; in den Bahnhöfen haben sie Vorortzüge umwimmelt; sie sind in Mietskasernen und Absteigen gesickert und mit Aufzügen in die oberen Etagen von Wohnhäusern gefahren. In einem Schaufenster stellen zwei blasse, hemdsärmelige Dekorateure eine Schaufensterpuppe in einem roten Abendkleid auf, an einer Ecke beugen sich Schweißer hinter ihren Masken über blaue Flammen und reparieren eine Schiene, ein paar Betrunkene taumeln vorbei, unter einer Straßenlaterne stolziert eine traurige Hure auf und ab. Vom Fluss her ertönt das tiefe, grollende Signal eines ablegenden Dampfers. In der Ferne tutet ein Schlepper.

Der junge Mann geht allein, schnell, aber nicht schnell genug, weit, aber nicht weit genug (Gesichter gleiten aus dem Blick, Gespräche zerfasern, Schritte verklingen in Gassen); er muss die letzte U-Bahn, die Straßenbahn, den Bus erreichen, die Gangways aller Dampfer hinaufhetzen, sich in allen Hotels in alle Gästebücher eintragen, in allen Städten arbeiten, sich auf alle Stellenanzeigen bewerben, alle Handwerke erlernen, alle Stellen annehmen, in allen Pensionen absteigen, in allen Betten schlafen. Ein Bett ist nicht genug, eine Stelle ist nicht genug, ein Leben ist nicht genug. Er geht durch die Nacht, den Kopf umnebelt von Wünschen, für sich, allein.

Keine Arbeit, keine Frau, kein Haus, keine Stadt.

Aber die Ohren, die so eifrig Worte aufnehmen, sind nicht allein; sie sind umfangen, fest mit der Welt verbunden durch Ranken aus Redewendungen, der Pointe eines Witzes, dem Singsang einer verklingenden Geschichte, einem barsch geäußerten Satz; verflochtene Wortranken recken sich aus Häuserblocks, schießen über Bürgersteige und durch breite, parkgesäumte Avenues, rasen mit den Lastwagen dahin, die zu ihren langen Nachtfahrten auf donnernden Schnellstraßen aufbrechen, flüstern auf staubigen Feldwegen, vorbei an ausgemergelten Farmen, verbinden Städte und Tankstellen, Lokschuppen, Dampfer, Flugzeuge, die sich auf ihren Flugrouten vorantasten; Worte werden auf Bergwiesen gerufen und sickern hinab in Flüsse, die sich an stillen Stränden weiten und ins Meer ergießen.

Bei diesen nächtlichen Wanderungen durch das Gedränge der Menschen war er nicht weniger allein als in dem Ausbildungslager bei Allentown oder an jenem Tag im Hafen von Seattle oder im leeren Kummer warmer Sommernächte im Washington seiner Kindheit oder in dem Schnellimbiss in der Market Street oder beim Schwimmen vor den roten Felsen bei San Diego oder in dem Bett voller Flöhe in New Orleans oder im eiskalten Rasiermesserwind am Lake Michigan oder zwischen den grauen Gesichtern, die vom Rumpeln der Zahnräder unter der Michigan Avenue erbebten, oder im Raucherwagen von Schnellzügen oder beim Durchwandern des Landes oder beim Aufstieg aus trockenen Schluchten oder in der Nacht ohne Schlafsack neben überfrorenen Bärenspuren im Yellowstone Park oder bei sonntäglichen Kanufahrten auf dem Quinnipiac;

aber in den Geschichten seiner Mutter, die von Vorlangerzeit erzählte, in den Geschichten seines Vaters von damals, als ich noch ein Junge war, in den Veralberungen seiner Onkel, in den Lügen, die seine Freunde in der Schule auftischten, in dem Garn, das der Handlanger spann, in den Aufschneidereien der Soldaten nach dem Zapfenstreich;

war es das gesprochene Wort, das sich an die Ohren heftete und mit dem Kribbeln im Blut verband; USA

USA, das ist ein Stück von einem Kontinent. USA, das ist eine Handvoll Beteiligungsgesellschaften, ein Häufchen Gewerkschaften, ein in Kalbleder gebundenes Gesetzbuch, ein Rundfunknetz, eine Kinokette, ein paar auf einer Tafel notierte Börsenkurse, die ein junger Mann von Western Union wegwischt und aktualisiert, eine öffentliche Bibliothek voll alter Zeitungen und eselsohriger Geschichtsbücher, deren Seitenränder mit empörten Bemerkungen vollgekritzelt sind. USA, das ist das größte Flusstal der Welt, eingerahmt von Hügeln und Bergen, USA ist eine Reihe großmäuliger Amtsträger mit zu vielen Bankkonten. USA sind viele in Uniform beerdigte Männer auf dem Friedhof Arlington. USA sind die Buchstaben am Ende der Adresse, wenn man verreist ist. Vor allem aber ist USA das gesprochene Wort der Menschen.

DER 42. BREITENGRAD

Wochenschau I

Es waren die Söhne der Freiheit,

Die stürmten den Hügel hinan,

Als der Rebellen Feuer

Die tödliche Ernte begann.

WASHINGTONS JAHRHUNDERT GEHT ZU ENDE[1]

General Miles[2] in prächtiger Galauniform und auf feurigem Ross stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, zumal seine Stute äußerst unruhig war. Als die Marschkapelle am Oberkommandierenden vorbeizog, stieg das Pferd unvermittelt und stand für einen Augenblick hoch aufgerichtet da. Sogleich zügelte General Miles das erschrockene Tier und setzte die Sporen ein, um es unter Kontrolle zu bringen, worauf es zum Entsetzen der Anwesenden stürzte und den Oberkommandierenden unter sich begrub. Zur allgemeinen Erleichterung wurde General Miles dabei nicht verletzt, das Pferd dagegen trug erhebliche Abschürfungen an der Flanke davon. Der Mantel des Generals war über und über mit Straßenstaub bedeckt, und zwischen den Schultern hatte sich ein mehrere Zentimeter großes Loch aufgetan. Ohne darauf zu warten, dass ihm jemand den Staub abbürstete, saß General Miles wieder auf und nahm die Parade ab, als hätte es sich um ein ganz alltägliches Ereignis gehandelt.

Der Vorfall erregte natürlich Aufsehen und lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass der Oberkommandierende jedes Mal, wenn ihm eine Fahne präsentiert wird, den Kopf entblößt, bis sie weitergetragen wird

Der Captain der Kompanie B, er ging

Voran mit entschlossnem Gesicht,

Und als tapfren Soldaten kümmerten ihn

Die pfeifenden Kugeln nicht.

BEAMTE FINDEN KEINEN HINWEIS AUF MÄNGEL

Brauchwasserkommission verwandelt den Chicago River in Abwasserkanal LAKE MICHIGAN REICHT DEM VATER ALLEN WASSERS DIE HAND[3] Kanarienvogel-Gesangswettbewerb des deutschen Züchtervereins eröffnet Kampf für den Bimetallismus[4] im Verhältnis 16 zu 1 ist laut Bryan[5] noch nicht verloren

BRITEN BEI MAFEKING GESCHLAGEN[6]

So mancher brave Mann

   Ward gemeuchelt in Luzon

ERHEBT FÜR ALLE ZEIT ANSPRUCH AUF DIE INSELN

Der Hamilton Club lauscht einer Rede des ehemaligen Abgeordneten Posey aus Indiana

LÄRM BEGRÜSST DAS NEUE JAHRHUNDERT

DIE ARBEITERBEWEGUNG BEGRÜSST DAS NEUE JAHRHUNDERT

DIE KIRCHEN BEGRÜSSEN DAS NEUE JAHRHUNDERT

Mr. McKinley arbeitet in der Silvesternacht unverdrossen an seinem Schreibtisch.

DIE NATION BEGRÜSST DEN ANBRUCH EINES NEUEN JAHRHUNDERTS

Anlässlich eines Toasts auf die Nation beim Bankett im Columbia Club in Indianapolis, Ind., sagte Ex-Präsident Benjamin Harrison unter anderem: Ich werde mich weder hier noch anderswo gegen eine territoriale Expansion aussprechen; im Gegensatz zu manchen anderen sehe ich darin jedoch nicht den sichersten und günstigsten Weg zur Weiterentwicklung unseres Landes. Durch billige Kohle und Eisen im Überfluss, durch eine enorme Überproduktion von Lebensmitteln, durch Erfindungen und wirtschaftliche Produktionsweisen sind wir heute in der Lage, die erste und größte Kolonialmacht am Nasenring durch die Manege zu führen.

Society-Damen geschockt: Hatten mit Zivilpolizisten getanzt

So mancher brave Mann

   Ward gemeuchelt in Luzon,

      In Mindanao

REVUEGIRLS IN NEW JERSEY BELÄSTIGT

Eine der Lithographien zeigte die Hauptdarstellerin in einem Badeanzug, so knapp, wie man ihn in Atlantic City nicht erwarten würde; sie hatte auf einem rot glühenden Ofen Platz genommen und hielt in der einen Hand ein randvolles Glas Wein, in der anderen zwei Bänder, mit denen ein tanzendes Hummerpaar angeleint war.

So mancher brave Mann

   Ward gemeuchelt in Luzon

      In Mindanao

         Und Samar

Anlässlich eines Toasts auf das 20. Jahrhundert sagte Senator Albert J. Beveridge unter anderem: Das 20. Jahrhundert wird ein amerikanisches sein. Amerikanische Gedanken werden es gestalten. Amerikanischer Fortschritt wird ihm Farbe und Richtung geben. Amerikanische Taten werden ihm Glanz verleihen.

Die zivilisierte Welt wird Schanghai niemals aufgeben. Die zivilisierte Welt wird Hongkong niemals verlassen. Die Tore von Peking werden nie wieder vor den Verfahrensweisen der modernen Welt verschlossen sein.[7]Die physische wie moralische Wiederherstellung der Welt hat begonnen, und Revolutionen sind nie rückwärtsgerichtet.

Ja, auf den Philippinen fand

So mancher brave Mann den Tod

Und schläft im kühlen Grab.

Das Auge der Kamera 1

auf der Straße musst du aufpassen dass du immer auf die Pflastersteine trittst und nicht auf die leuchtend grünen ängstlichen Grashalme · leichter wenn du Mutters Hand hältst denn dann kannst du von Stein zu Stein hüpfen aber wenn du schnell gehst musst du auf zu viele Grashalme treten und die armen geknickten grünen Zungen werden von deinen Füßen gequetscht · vielleicht sind darum die Leute so wütend und verfolgen uns und drohen uns mit Fäusten[8] · sie schmeißen Steine nach uns Erwachsene die Steine schmeißen · Sie geht schneller wir rennen ihre spitzen Schuhe heben sich von den armen zertretenen Grashalmen unter den Falten ihres braunen Kleids ab · Engländer · ein Kieselstein hüpft über das Pflaster

Schnell Schatz schnell in den Postkartenladen da drinnen ist es still die wütenden Leute sind draußen und können nicht rein · non nein nicht Engländer amerikanisch americain · Es lebe Amerika Vive l’Amerique Sie lacht Oh je die haben mir einen schönen Schreck eingejagt

Krieg im veldt Kruger Bloemfontein Ladysmith und Königin Victoria eine alte Dame mit Spitzenhäubchen hat den Soldaten zu Weihnachten Schokolade geschickt

unter dem Ladentisch ist es dunkel und die Dame die nette holländische Dame die Amerikaner liebt und Verwandtschaft in Trenton hat zeigt dir Postkarten die im Dunkeln schimmern schöne Hotels und Paläste · O que c’est beau schon jetzt ein so hübsches Kerlchen · und das Mondlicht riffelt riffelt unter einer Brücke und im Dunkeln unter dem Ladentisch leuchten die kleinen Straßenlaternen und die kleinen Fenster der Hotels am Hafen O que c’est beau la lune

und der große Mond

Mac

Wenn der Wind von den Silberfabriken jenseits des Flusses herüberwehte, roch es in dem grauen Vierparteienhaus aus Holz, in dem Fainy McCreary geboren war, intensiv nach Transeife. An anderen Tagen roch es nach Kohl und Babys und Mrs. McCrearys Waschbottichen. Fainy konnte nie zu Hause spielen, denn Pop, ein lahmer Mann mit eingefallener Brust und dünnem, graublondem Schnurrbart, war Nachtwächter bei Chadwick und musste den ganzen Tag schlafen. Erst gegen fünf sickerte ein schwacher Geruch nach Tabakrauch unter der Tür zwischen Vorderzimmer und Küche hindurch. Das war das Zeichen, dass Pop munter war und demnächst sein Abendessen haben wollte.

Dann wurde Fainy um eine der zwei Ecken an der kurzen, schlammigen Straße geschickt, an der lauter gleiche Holzhäuser standen.

Einen halben Block nach rechts war Finley’s, wo er an der Theke in einem Wald aus matschbespritzten Hosenbeinen warten musste, bis all die stinkenden, krakeelenden Mäuler der Erwachsenen mit Bier und Whiskey abgefüllt waren. Auf dem Heimweg achtete er auf seine Schritte, und der Henkel des schäumenden Krugs schnitt ihm in die Hand.

Einen halben Block nach links war Maginnis’ Feinkostladen, heimische und ausländische Produkte. Fainy gefielen der Cream-of-Wheat-Neger aus Pappkarton im Fenster, die Vitrine mit den verschiedenen Salami, die Fässer voll Kartoffeln oder Kohlköpfen, der braune Geruch nach Zucker, Sägemehl, Ingwer, eingelegtem Hering, Schinken, Essig, Brot, Pfeffer, Schmalz.

«Einen Laib Brot, bitte, Mister, ein halbes Pfund Butter und eine Schachtel Ingwerwaffeln.»

An manchen Abenden, wenn es Mom nicht gut ging, musste Fainy einen viel weiteren Weg auf sich nehmen; um die Ecke, an Maginnis vorbei, die Riverside Avenue hinunter, wo die Straßenbahn fuhr, und zur roten Brücke über den kleinen Fluss, der sich im Winter schwarz zwischen unterspülten, vereisten Schneewehen hindurchwand, zur Schneeschmelze im Frühjahr gelb schäumte und im Sommer braun und ölig dahinfloss. Jenseits des Flusses, bis zur Ecke Riverside und Main, wohnten die Polacken. Ihre Kinder kämpften immer gegen die Kinder der Murphys und O’Haras und O’Flanagans, die in der Orchard Street wohnten.

Fainy zitterten die Knie, die behandschuhte Hand umklammerte das in weißes Papier gewickelte Medizinfläschchen. An der Ecke Quince stand eine Gruppe Jungen, an denen er vorbeimusste. Das ging zunächst gut; erst als er etwa zwanzig Meter entfernt war, zischte der erste Schneeball an seinem Kopf vorbei. Es gab kein Zurück. Wenn er losrannte, würden sie ihn verfolgen. Wenn er das Medizinfläschchen fallen ließ, würde er zu Hause eine Tracht Prügel kriegen. Ein weicher Schneeball traf seinen Hinterkopf, der schmelzende Schnee rann ihm in den Nacken. Wenn die Brücke nur noch einen halben Block entfernt war, würde er es darauf ankommen lassen und losrennen.

 

«Angsthase, Pfeffernase … irischer Kartoffelfresser … krummbeiniger Murphy … renn nach Hause und erzähl’s deiner Mama …», riefen die Polackenkinder, wenn sie nicht gerade einen Schneeball warfen. Sie härteten die Bälle, indem sie Wasser darübergossen und sie über Nacht gefrieren ließen; wenn man so einen abkriegte, blutete es.

Der Hinterhof war der einzige Ort, wo man beim Spielen wirklich sicher war. Da gab es kaputte Zäune, verbeulte Mülltonnen, alte Töpfe und Pfannen, so löchrig, dass es praktisch Siebe waren, einen leeren Hühnerstall, in dem noch Federn waren und Hühnerkacke auf dem Boden, da gab es Bärenklau im Sommer und Matsch im Winter, aber das Herrlichste im Hinterhof der McCrearys war der Stall, in dem Tony Harriman seine Hasenkaninchen züchtete. Tony Harriman hatte Schwindsucht und wohnte mit seiner Mutter im Erdgeschoss links. Er wollte alle möglichen anderen Kleintiere züchten, Waschbären, Otter, sogar Silberfüchse, und damit reich werden. Als er starb, konnte man den Schlüssel für das große Vorhängeschloss an der Tür des Hasenstalls nicht finden. Fainy fütterte die Hasen ein paar Tage lang, indem er Kohl- und Salatblätter durch den doppelten Maschendraht schob. Dann kam eine Woche Regen und Schneeregen, und er ging nicht ein einziges Mal in den Hof. Als er am ersten regenlosen Tag nachsah, war einer der Hasen tot. Fainy wurde kreidebleich und versuchte sich einzureden, er sei bloß eingeschlafen, aber das Tier lag steif und verdreht da und war kein bisschen eingeschlafen. Die anderen Hasen saßen geduckt und zusammengedrängt in einer Ecke und sahen sich mit zuckenden Nasen um; ihre großen Ohren lagen hilflos und schlaff auf ihren Rücken. Arme Hasen, wollte Fainy schreien. Er rannte hinauf in die Küche, tauchte unter dem Bügelbrett hindurch und holte den Hammer aus der Schublade des Küchentischs. Beim ersten Mal schlug er sich auf den Finger, aber der zweite Schlag traf das Schloss, sodass es zerbrach. Drinnen war ein komischer, säuerlicher Geruch. Fainy hob den toten Hasen an den Ohren hoch. Der weiche weiße Bauch war bereits aufgebläht, und eines der toten Augen stand gruselig offen. Plötzlich kam etwas über ihn und zwang ihn, den Hasen in die nächste Mülltonne zu werfen und hinaufzurennen. Noch immer zitternd und frierend, schlich er auf Zehenspitzen zum Balkon und sah hinunter. Atemlos beobachtete er die anderen Hasen. Sie hoppelten vorsichtig zu der Tür, die aus dem Stall in den Hof führte. Dann sprang einer hinaus. Er machte Männchen und stellte die eben noch schlaffen Ohren auf. Mom rief, Fainy solle ihr das Bügeleisen vom Herd bringen. Als er auf den Balkon zurückkehrte, waren alle Hasen verschwunden.

In diesem Winter wurde Chadwick bestreikt, und Pop verlor seine Arbeit. Er saß den ganzen Tag rauchend und fluchend im Vorderzimmer:

«Diensttüchtig, bei Gott, allerdings. Noch mit der Krücke auf den Rücken gebunden nehm ich’s mit jedem von diesen verdammten Polacken auf … Und ich hab Mr. Barry gesagt: Bei dem Streik mach ich nicht mit. Mr. Barry, ich bin ein ruhiger, vernünftiger Mann, bisschen invalide vielleicht, und ich hab ne Frau und Kinder. Acht Jahre war ich Nachtwächter, und jetzt schmeißen Sie mich raus und stellen ein paar Schläger von ner Detektivagentur ein? Dieser elende Schweinehund.»

«Ja, wenn diese verdammten verlausten Ausländer nicht einfach aufgehört hätten zu arbeiten», sagte dann jemand beschwichtigend.

In der Orchard Street hielten die Leute nicht viel von dem Streik. Er führte dazu, dass Mom noch mehr arbeitete und unentwegt in Waschbottichen rührte und dass Fainy und seine ältere Schwester Milly ihr nach der Schule helfen mussten. Und dann wurde Mom eines Tages krank und legte sich ins Bett, anstatt Wäsche zu bügeln, und da lag sie dann mit ihrem runden, faltigen Gesicht, weißer als das Kissen, die vom Wasser runzligen Hände unter dem Kinn verschränkt. Der Arzt kam, dann die Bezirksschwester, und in allen drei Zimmern roch es nach Arzt und Schwester und Medizin, und der einzige Platz, wo Fainy und Milly sitzen konnten, war die Treppe. Dort saßen sie und weinten leise. Dann schrumpfte Moms Gesicht zu einem kleinen, faltigen weißen Ding wie ein zerknülltes Taschentuch, und sie sagten, sie sei tot, und brachten sie weg.

Die Beerdigung wurde vom Bestattungsinstitut im nächsten Block der Riverside Avenue organisiert. Fainy war stolz und fühlte sich wichtig, weil alle ihn küssten und ihm über den Kopf strichen und sagten, er betrage sich wie ein kleiner Mann. Er hatte auch einen neuen schwarzen Anzug, wie ein Erwachsenenanzug, mit Taschen und so, nur dass die Hose kurz war. Im Bestattungsinstitut waren alle möglichen Leute, die er noch nie von nahem gesehen hatte – Mr. Russell, den Metzger, Father O’Donnell und Uncle Tim O’Hara aus Chicago –, und es roch nach Whiskey und Bier wie bei Finley’s. Uncle Tim war ein schmächtiger Mann mit scharf konturiertem, gerötetem Gesicht und trüben blauen Augen. Er trug eine lose gebundene schwarze Seidenkrawatte, die Fainy einschüchterte, beugte sich immer wieder zu ihm hinunter, wobei er in der Hüfte abknickte, als wollte er sich wie ein Taschenmesser zusammenklappen, und flüsterte mit schwerer Zunge in Fainys Ohr.

«Beachte sie gar nicht, alter Junge, die sind bloß ein Haufen Heuchler und Versager, und die meisten sind jetzt schon sternhagelvoll. Sieh dir diesen Father O’Donnell an, das fette Schwein – rechnet bestimmt gerade die Beerdigungskosten aus. Aber beachte sie gar nicht – und vergiss nicht, deine Mutter war eine O’Hara. Ich beachte sie auch nicht, alter Junge, und deine Mutter war durch Blut und Geburt meine Schwester.»

Als sie nach Hause kamen, war er furchtbar müde, und seine Füße waren kalt und nass. Niemand beachtete ihn. Wimmernd saß er im Dunkeln auf der Bettkante. Aus dem Vorderzimmer kamen Stimmen und das Klirren von Messern und Gabeln, aber er traute sich nicht hinein. Er drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und schlief ein. Das Licht weckte ihn. Uncle Tim und Pop standen an seinem Bett und redeten laut. Sie sahen komisch aus und schienen nicht ganz sicher auf den Beinen zu sein. Uncle Tim hielt die Lampe.

«Also, Fainy, alter Junge», sagte Uncle Tim und schwenkte die Lampe gefährlich nah über Fainys Kopf, «Fenian O’Hara McCreary, setz dich auf und hör zu und sag uns, was du von unserem Vorschlag hältst, in die große und immer größer werdende Stadt Chicago zu ziehen. Middletown ist ein grässliches Provinzkaff, wenn du mich fragst … nichts für ungut, John … aber Chicago … Herrgott, Mann, wenn du nach Chicago kommst, hast du das Gefühl, du hast dein ganzes bisheriges Leben in einem Sarg verbracht.»

Fainy hatte Angst. Er zog die Knie an die Brust und sah zitternd die beiden schwankenden, von der schlingernden Lampe beleuchteten Gestalten an. Er versuchte, etwas zu sagen, aber die Worte erstarben auf seinen Lippen.

«Der Junge schläft ja noch, Tim, trotz deinem ganzen Geschwafel … Zieh dich aus, Fainy, leg dich ins Bett und schlaf. Morgen fahren wir.»

Spät am nächsten, verregneten Morgen brachen sie auf, ohne Frühstück und mit einem großen alten Überseekoffer, notdürftig auf dem Dach der Droschke festgebunden, die Fainy von Hodgesons Mietstall hatte holen müssen. Milly weinte. Pop sagte kein Wort und zog an seiner kalten Pfeife. Uncle Tim kümmerte sich um alles, machte Witzchen, über die keiner lachte, zog bei jeder Gelegenheit ein Geldbündel aus der Tasche und trank große, gurgelnde Schlucke aus seinem Flachmann. Milly weinte und weinte. Fainy sah mit großen, trockenen Augen hinaus auf die vertrauten, jetzt plötzlich seltsamen, wie aus dem Gleichgewicht geratenen Straßen, die an der Droschke vorbeizogen; die rote Brücke, die schorfig geschindelten Häuser, wo die Polacken wohnten, Smith & Smith, der Drugstore an der Ecke … da war Billy Hogan, ein Päckchen Kaugummi in der Hand. Schwänzte mal wieder. Fainy wollte ihm etwas zurufen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt … Main Street mit ihren Ulmen und Straßenbahnen, Blocks voller Geschäfte und Läden, um die Ecke in die Church, und dann die Feuerwehr. Fainy blickte zum letzten Mal in die dunkle Höhle, in der die Kupfer- und Messingteile der Pumpe verführerisch leuchteten, vorbei an den billigen Holzfassaden der First Congregational Church und der Carmel Baptist Church, und dann kam die St. Andrew’s Episcopal Church, die aus Backstein war und diagonal stand, anstatt ihr strenges Gesicht der Straße zuzuwenden wie die anderen Kirchen, und dann die drei gusseisernen Hirsche auf der Grünfläche vor der Handelskammer und die Anwesen, jedes mit Rasen, durchbrochenem Verandageländer und Hortensienbusch. Schließlich wurden die Häuser kleiner, die Rasenflächen verschwanden, die Droschke rollte an Simpsons Lagerhaus für Sämereien und Futtermittel und an einer Reihe Friseurgeschäfte, Bars und Imbisslokalen vorüber, und dann waren sie am Bahnhof und stiegen aus.

Im Bahnhofsrestaurant lud Uncle Tim alle zum Frühstück ein. Er trocknete Millys Tränen, ließ Fainy in ein großes neues Taschentuch schnäuzen, an dessen Ecke noch das Preisschild hing, und bestellte Spiegeleier, gebratenen Speck und Kaffee. Fainy hatte noch nie Kaffee getrunken und fühlte sich ziemlich gut, weil er wie ein Mann am Tisch saß und Kaffee trank. Milly mochte ihren nicht und sagte, er sei bitter. Sie saßen ziemlich lange allein vor ihren leeren Tellern und leeren Kaffeebechern, unter den wachsamen Augen einer Frau mit langem Hals und spitzem Hühnergesicht, die hinter der Theke stand und sie missbilligend beäugte. Dann fuhr mit einem enormen, markerschütternden Ruff-Puff-Ruff … Puff der Zug ein. Sie wurden an die Hand genommen und über den Bahnsteig und durch einen pfeifenraucherfüllten Wagen gezogen, und im nächsten Augenblick war der Zug schon wieder in Bewegung, und das winterlich rostrote Connecticut rumpelte vorbei.

Das Auge der Kamera 2

wir waren in Eile und wurden in der muffigen, nach Stall riechenden Droschke hin und her geworfen wie auf einem Schiff. · Er sagte immer wieder Was würdest du tun Lucy wenn ich einen von ihnen zum Abendessen einladen würde? Es sind sehr freundliche Leute Lucy diese Farbigen und er hatte Nelken in einem Silberdöschen und sein Atem roch nach Rye Whiskey und wir waren in Eile um den Zug nach New York zu kriegen

und sie sagte Ach ich hoffe wir sind nicht zu spät dran und Scott wartete schon mit den Fahrscheinen und am Bahnhof 7th Street mussten wir zum Bahnsteig hinaufrennen und alle Kanonen fielen aus der Tasche und alle bückten sich danach und hoben sie auf und der Schaffner Alles einsteigen Lady schnell jetzt bitte

es waren kleine Messingkanonen sie schimmerten hell auf dem Bahnsteig des Bahnhofs 7th Street und Scott schob uns in den Wagen und der Zug setzte sich in Bewegung und die Glocke an der Lokomotive läutete und Scott drückte dir eine kleine Handvoll winziger Messingkanonen in die Hand gerade groß genug für die allerkleinsten Knaller der Schlacht um Manila und sagte Hier ist die Artillerie Jack

und im Salonwagen schwang er Reden und sagte Aber klar Lucy wenn es zum Wohl der Menschheit unerlässlich wäre würde ich jederzeit rausgehen und mich erschießen lassen und das würdest du doch auch tun Jack oder? Sie nicht auch? zu dem Ober der gerade eine Flasche Wasser brachte und er hatte einen Flachmann in der braunen Hand und die seidenen Taschentücher mit den gestickten Initialen rochen immer nach Bay Rum

und als wir nach Havre de Grace kamen sagte er Weißt du noch Lucy bevor es die Brücke gab mussten wir mit der Fähre über den Susquehanna fahren

und über den Gunpowder Creek auch

Mac

Rostrote Hügel, Wäldchen, Farmhäuser, Kühe, auf einer Koppel ein rotbraunes, bockendes Fohlen, Lattenzäune, Marschland.

«Ich fühl mich wie ein geprügelter Hund, Tim … Zeit meines Lebens hab ich versucht, das Richtige zu tun», sagte Pop immer wieder mit belegter Stimme. «Und jetzt? Was werden die jetzt von mir denken?»

«Herrgott, Mann, was hättest du denn sonst tun sollen? Was zum Teufel kannst du tun, wenn du kein Geld und keine Arbeit hast und ein Haufen Ärzte und der Bestattungskerl und der Vermieter kommen und bezahlt werden wollen? Und außerdem hast du zwei Kinder zu ernähren.»

«Aber ich war immer ein ruhiger, anständiger, zuverlässiger Mann, ich hab bloß Pech gehabt, seit ich geheiratet und eine Familie gegründet hab. Was werden die jetzt von mir denken, wenn ich mich davonschleiche wie ein geprügelter Hund?»

«John, du weißt, dass ich der Letzte bin, der den Namen einer Frau beschmutzen will, die durch Blut und Geburt meine Schwester war … Aber es ist nicht deine Schuld, genauso wenig wie meine … die Armut ist schuld, und an der Armut ist das System schuld … Fenian, jetzt hör deinem Uncle Tim O’Hara mal gut zu, und du, Milly, du hörst auch gut zu, denn Frauen sollten über diese Dinge genauso Bescheid wissen wie Männer, und dieses eine Mal sagt euch Tim O’Hara die reine Wahrheit … Das System ist schuld, dass dem arbeitenden Menschen die Frucht seiner Mühen vorenthalten wird … Die Einzigen, die am Kapitalismus verdienen, sind die Betrüger – die werden in kürzester Zeit Millionäre … Aber ehrliche Leute wie John oder ich können hundert Jahre schuften und hinterlassen nicht mal genug für eine anständige Beerdigung.»

Rauch wehte vor dem Fenster vorbei und schüttelte aus den weißen Wolken Bäume und Telegraphenmasten und kleine, viereckige, schindelgedeckte Häuser und Dörfer und Karren und lange Reihen von Wagen mit dampfenden Pferden.

«Und wer erntet die Früchte unserer Arbeit? Die verdammten Geschäftsleute, die Agenten, die Mittelsmänner, die in ihrem ganzen Leben nie eine Hand gerührt haben.»

Fainys Blick folgt dem Auf und Ab der Telegraphendrähte.

«Also, Chicago ist kein Paradies, John, das kann ich dir sagen, aber im Augenblick ist es ein besserer Marktplatz für die Kraft und den Verstand eines Arbeiters als die Ostküste … Und warum? Soll ich dir sagen, warum? Angebot und Nachfrage. In Chicago werden Arbeiter gebraucht.»

«Tim, ich sag dir, ich fühl mich wie ein geprügelter Hund.»

«Es liegt am System, John, an diesem verdammten lausigen System.»

Allgemeine Geschäftigkeit im Wagen weckte Fainy auf. Es war dunkel. Milly weinte wieder. Er wusste nicht, wo er war.

«Tja, meine Herren», sagte Uncle Tim, «wir werden in Kürze im gemütlichen alten New York eintreffen.»

Im Bahnhof war es hell; das überraschte Fainy, der gedacht hatte, es sei bereits Abend. Er und Milly mussten im Wartesaal lange auf dem Koffer sitzen. Der Wartesaal war riesig und voller fremdartig aussehender Menschen, die unheimlich waren, wie Figuren in Bilderbüchern. Milly weinte immer noch.

«Mann, Milly, wenn du nicht aufhörst, verpass ich dir eine.»

«Warum denn?», heulte Milly und weinte nur umso mehr.

Fainy hielt sich so weit wie möglich von ihr entfernt, damit die Leute nicht dachten, sie gehörten zusammen. Als er kurz davor war, ebenfalls loszuheulen, kamen Pop und Uncle Tim und brachten sie und den Koffer in ein Restaurant. Ihr Atem roch stark nach Whiskey, und ihre Augen schimmerten eigenartig hell. Sie setzten sich an einen weiß gedeckten Tisch, und ein freundlicher Farbiger in einer weißen Jacke gab ihnen eine große, dichtbedruckte Speisekarte.

«Lasst uns was Gutes essen», sagte Uncle Tim, «und wenn’s das Letzte ist, was wir auf dieser Erde tun.»

«Scheiß auf die Kosten», sagte Pop. «Schuld ist das System.»

«Zur Hölle mit dem Papst», sagte Uncle Tim. «Wir werden noch einen guten Sozialdemokraten aus dir machen.»

Sie bestellten gebackene Austern und Hähnchen und Eis und Kuchen für Fainy, und als sie dann rennen mussten, um ihren Zug zu kriegen, bekam er schreckliche Seitenstiche. Sie stiegen in einen Wagen, in dem es nach Leuchtgas und Achselhöhlen roch.

«Wann gehen wir zu Bett?», jaulte Milly.

«Wir gehen nicht zu Bett», sagte Uncle Tim. «Wir werden hier schlafen wie kleine Mäuse … wie kleine Mäuse in einem Stück Käse.»

«Ich mag aber keine Mäuse», rief Milly unter erneuten Tränen, und dann setzte der Zug sich in Bewegung.

Fainys Augen brannten, in den Ohren hatte er das unaufhörliche Donnern, das Ratterdiklacker auf den Weichen, das unvermittelte Knurren auf den Brücken. Sie fuhren durch einen Tunnel, der ganze Weg nach Chicago war ein einziger Tunnel. Die Gesichter von Pop und Uncle Tim, die gegenübersaßen, waren rot und knurrig, und es gefiel ihm nicht, dass sie so aussahen, und das Licht war verraucht und flackernd, und draußen war alles nur Tunnel, und seine Augen brannten, und in seinen Ohren donnerten Räder und Schienen, und er schlief ein.

Als er erwachte, waren sie in einer Stadt, und der Zug fuhr direkt an der Main Street entlang. Es war ein sonniger Morgen. Er sah irgendwelche Leute, die irgendwohin unterwegs waren, er sah Geschäfte, er sah Pferdewagen und Fuhrwerke, die am Bordstein standen, und Jungen, die Zeitungen verkauften, er sah geschnitzte Indianer vor den Zigarrenläden. Zunächst dachte er, es sei ein Traum, doch dann fiel es ihm wieder ein, und er kam zu dem Schluss, dass es Chicago sein musste. Pop und Uncle Tim schliefen. Ihre Münder standen offen, ihre Gesichter waren fleckig, und ihm gefiel nicht, wie sie aussahen. Milly hatte sich zusammengerollt und mit einem Wolltuch zugedeckt. Der Zug wurde langsamer und fuhr in einen Bahnhof ein. Wenn es Chicago war, mussten sie aussteigen. In diesem Moment kam der Schaffner vorbei, ein alter Mann, der ein bisschen wie Father O’Donnell aussah.

«Bitte, Mister, ist das Chicago?»

«Chicago ist noch weit, Junge», sagte der Schaffner, ohne zu lächeln. «Das ist Syracuse.»

Und dann wachten alle auf, und Stunden um Stunden zogen die Telefonmasten vorbei, die Städte, die Holzhäuser, die gemauerten Fabriken mit Reihen über Reihen blinkender Fenster, die Müllkippen und Güterbahnhöfe, das gepflügte Land, die Wiesen und Kühe, und Milly wurde übel, und vom langen Sitzen fühlten Fainys Beine sich an, als würden sie gleich abfallen; manchmal schneite es, manchmal schien die Sonne, und Milly wurde immer wieder übel, sie stank erbärmlich nach Kotze, und dann wurde es dunkel, und sie schliefen; und dann wurde es wieder hell, und die Städte und die Farmhäuser und die Fabriken begannen sich zu verdichten und brachten Lagerhallen und Silos hervor, und der Güterbahnhof erstreckte sich, so weit das Auge reichte, und das war Chicago.

Aber es war so kalt, und der Wind blies ihm den Staub so heftig ins Gesicht, und seine Augen waren von Staub und Schlaf so verklebt, dass er gar nichts sehen konnte. Sie mussten lange warten. Milly und Fainy schmiegten sich in der Kälte aneinander, und dann stiegen sie in eine Straßenbahn und fuhren und fuhren. Sie waren so müde, dass sie gar nicht genau wussten, wo der Zug aufhörte und die Straßenbahn begann. Uncle Tim redete und redete, stolz und aufgeregt: Chicago, Chicago, Chicago. Pop saß da, das Kinn auf die Krücke gestützt. «Tim, ich fühl mich wie ein geprügelter Hund.»

Fainy lebte zehn Jahre in Chicago.

Anfangs ging er zur Schule und spielte samstagnachmittags Baseball in irgendwelchen Höfen, aber dann kam die Abschlussfeier, alle Schüler sangen My Country, ’Tis Of Thee, und dann war seine Schulzeit vorbei, und er musste arbeiten. Zu dieser Zeit hatte Uncle Tim eine Akzidenzdruckerei in einer schmutzigen Seitenstraße der North Clark. Die Druckerei lag im Erdgeschoss und nahm nur einen kleinen Teil des alten, heruntergekommenen Backsteingebäudes ein, das meist als Lagerhaus benutzt wurde und für seine Rattenpopulation berühmt war. Zur Straße hin gab es nur ein einziges großes Fenster, auf dem in goldenen Frakturlettern TIMOTHY O’HARA, AKZIDENZDRUCK stand.

«Also, Fainy, alter Junge», sagte Uncle Tim, «du sollst Gelegenheit bekommen, diesen Beruf von der Pike auf zu lernen.» Und so erledigte er Botengänge, lieferte Wurfsendungen, Handzettel und Plakate aus, wich Straßenbahnen aus, tauchte unter den schäumenden Gebissen großer Zugpferde hindurch und sprang auf vorbeifahrende Lieferwagen auf. Wenn es keine Botengänge zu erledigen gab, fegte er unter den Druckmaschinen, reinigte die Typen, leerte die Papierkörbe oder lief, wenn es hoch herging, um die Ecke und holte Kaffee und Sandwiches für den Setzer oder eine kleine Flasche Bourbon für Uncle Tim.

Pop humpelte jahrelang mit seiner Krücke herum und suchte Arbeit. Abends saß er auf der Hintertreppe von Uncle Tims Haus, rauchte seine Pfeife, verfluchte sein Pech und drohte manchmal, wieder zurück nach Middletown zu gehen. Eines Tages bekam er Lungenentzündung und entschlief friedlich im Sacred Heart Hospital. Etwa zur selben Zeit schaffte Uncle Tim eine Linotype-Setzmaschine an.

Uncle Tim war so aufgeregt, dass er drei Tage lang keinen Tropfen Alkohol trank. Die Dielen waren morsch, daher mussten sie für die Maschine einen Sockel vom Keller bis ins Erdgeschoss mauern. «Bei der nächsten ziehen wir einen Betonboden ein», sagte Uncle Tim allen. Einen ganzen Tag wurde nicht gearbeitet. Alle standen herum und bestaunten die große, schwarze, komplizierte Maschine, die in der Werkstatt aufragte wie eine Kirchenorgel. Wenn sie arbeitete und die Druckerei mit einem Geruch nach heißem Metall erfüllte, verfolgten aller Augen den bebenden, suchenden Arm, der mit Gelenken versehen war und über der Tastatur hin und her fuhr. Als die warmen, schimmernden Linotype-Zeilen von Hand zu Hand gingen, schob der alte deutsche Setzer, den aus irgendeinem Grund alle Mike nannten, die Brille auf die Stirn und weinte. «Fünfundfünfzig Jahre Drucker, und jetzt, wo ich alt bin, muss ich als Handlanger arbeiten.»

Das Erste, was Uncle Tim auf der neuen Maschine setzte, war der Satz: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Ihr habt nichts zu verlieren als eure Ketten!

Als Fainy siebzehn war und gerade anfing, sich für Röcke und Knöchel und Damenunterwäsche zu interessieren, wenn er am Feierabend nach Hause ging und die Lichter der Großstadt vor dem hellen, betörenden Himmel im Westen leuchteten, streikten Chicagos Drucker. Tim O’Hara hatte immer nur Gewerkschaftsmitglieder beschäftigt und erledigte Gewerkschaftsaufträge zum Selbstkostenpreis. Er druckte sogar auf eigene Kosten ein Flugblatt mit der Überschrift «Ein ernsthafter Protest», unterschrieben mit «Ein Bürger». Fainy durfte es am Abend, als alle anderen gegangen waren, an der Linotype setzen. Ein Satz blieb ihm im Gedächtnis, und als er zu Bett gegangen war, wiederholte er ihn in Gedanken: Es ist an der Zeit, dass sich rechtschaffene Männer zusammentun und der Habgier der Privilegierten Einhalt gebieten.

Der nächste Tag war ein Sonntag, und Fainy ging die Michigan Avenue entlang, in der Hand einen Stapel Flugblätter, die er verteilen wollte. Es war ein Vorfrühlingstag. Über das morsche, gelbliche Eis auf dem See strich eine leise Brise, die unverhofft nach Blumen roch. Die jungen Frauen sahen ungeheuer hübsch aus, und ihre Röcke bauschten sich im Wind, und Fainy spürte heißes Frühlingsblut durch seine Adern strömen und wollte küssen und auf dem Boden herumrollen und von einer Eisscholle zur anderen hüpfen und von Telefonmasten herab Reden schwingen und über Straßenbahnwagen springen; doch stattdessen verteilte er Flugblätter, ärgerte sich, dass die Säume seiner Hose ausgefranst waren, und wünschte, er hätte einen schicken Anzug und ein schickes Mädchen.

«He, Bürschchen, wer hat dir erlaubt, Flugblätter zu verteilen?», knurrte ein Polizist. Fainy drehte sich kurz nach ihm um, ließ die Flugblätter fallen und rannte weg. Er schlüpfte zwischen glänzenden schwarzen Droschken und Wagen hindurch, verschwand in einer Seitenstraße und ging, ohne sich umzusehen, immer weiter, bis er an eine Hebebrücke kam, die er überquerte, kurz bevor sie hochgezogen wurde. Der Polizist verfolgte ihn ohnehin nicht.

Lange stand er am Bordstein; die Flöte eines Erdnussverkäufers schrillte ihm spöttisch ins Ohr.

Beim Abendessen fragte ihn sein Onkel nach den Flugblättern.

«Klar, ich hab sie am Seeufer verteilt … Ein Bulle wollte es mir verbieten, aber ich hab ihm gesagt, er soll sich schleichen.» Fainy wurde krebsrot, als alle johlten. Er schob sich einen Löffel Kartoffelbrei in den Mund und sagte nichts mehr. Seine Tante, sein Onkel und ihre drei Töchter lachten und lachten. «Nur gut, dass du schneller warst als der Polizist», sagte Uncle Tim. «Sonst müsste ich jetzt Kaution für dich stellen, und das kostet was.»

Früh am nächsten Morgen fegte Fainy die Druckerei aus, als ein Mann mit einem Gesicht wie ein rohes Steak die Stufen zum Eingang hinaufstieg. Er rauchte eine dünne schwarze Zigarre, wie Fainy sie noch nie gesehen hatte, und klopfte an die Glastür.

«Ich will Mr. O’Hara sprechen, Timothy O’Hara.»

«Er ist noch nicht da, müsste aber jeden Moment kommen, Sir. Wollen Sie warten?»

«Worauf du dich verlassen kannst.» Der Mann setzte sich auf eine Stuhlkante, nahm die Zigarre aus dem Mund, betrachtete lange und nachdenklich das zerkaute Ende und spuckte aus. Als Tim O’Hara kam, gingen die beiden ins Büro. Die Tür fiel knallend ins Schloss. Nervös drückte Fainy sich vor dem Büro herum; er fürchtete, es könnte ein Kriminalpolizist sein, der die Sache mit den Flugblättern verfolgte. Stimmen wurden lauter und leiser, der Fremde sagte kurze, hämmernde Sätze, O’Hara antwortete mit ausschweifenden Erklärungen, hin und wieder hörte Fainy das Wort «Zwangsvollstreckung», und plötzlich flog die Tür auf, und der Mann stürmte mit hochrotem Gesicht heraus. Auf der eisernen Schwelle blieb er stehen, drehte sich um, zog eine neue Zigarre aus der Tasche, entzündete sie an der alten und sagte knurrend und blauen Rauch paffend: «Sie haben vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, Mr. O’Hara … Ein Wort von Ihnen, und die ganze Prozedur wird gestoppt.» Dann ging er und zog eine lange Fahne aus stinkendem Rauch hinter sich her.

Kurz darauf kam Uncle Tim kreidebleich aus dem Büro. «Fainy, alter Junge, du musst dir eine andere Arbeit suchen. Ich mach den Laden zu … Halt die Augen offen. Ich brauch jetzt was zu trinken.» Er war sechs Tage betrunken. Schließlich erschienen einige sanftmütig wirkende Männer mit Vorladungen, und Uncle Tim musste so weit ausnüchtern, dass er imstande war, vor Gericht zu erscheinen und einen Offenbarungseid zu leisten.

Mrs. O’Hara schimpfte und wütete. «Tim O’Hara, hab ich dir nicht immer gesagt, dass nichts Gutes dabei rauskommt, wenn du dich mit diesen gottlosen Gewerkschaftern und Sozialdemokraten und Helden der Arbeiterklasse abgibst, allesamt besoffene Faulpelze wie Tim O’Hara? Ist doch klar, dass die großen Druckereien sich zusammentun und deine Schuldscheine aufkaufen und dich zerquetschen wie eine Laus, und recht geschieht’s dir, Tim O’Hara, mit deinem gottlosen sozialistischen Gesaufe, nur an deine arme Frau und ihre hilflosen kleinen Kinder haben diese Sozialisten nicht gedacht, und jetzt werden wir hungern müssen, wir und die Schmarotzer, die du uns ins Haus geschleppt hast.»

«Das ist ja wohl die Höhe!», rief Milly. «Als hätte ich nicht geschuftet und mir die Finger wund gearbeitet für jedes Stück Brot, das ich hier gekriegt hab!» Sie sprang vom Frühstückstisch auf und stürmte hinaus. Fainy saß da, während der Streit tobte, dann stand er auf, steckte ein Maisbrötchen in die Tasche und ging ebenfalls. Im Flur nahm er den Teil mit den Stellenanzeigen aus der Chicago Tribune, setzte die Mütze auf und trat in einen kühlen Sonntagmorgen voller Kirchenglocken, die ihm in den Ohren klangen. Er stieg in eine Straßenbahn und fuhr zum Lincoln Park. Dort saß er lange auf einer Bank, aß das Brötchen und studierte die Stellenanzeigen – Hilfskraft gesucht –, doch keine sah besonders verlockend aus. Eins war sicher: Solange der Streik dauerte, würde er keine Arbeit in einer Druckerei finden. Dann fiel sein Blick auf folgende Anzeige:

Gesucht: intelligenter junger Mann mit Ehrg. und lit. Geschm., Erfahrung im Druck- u. Verl.gewerbe, für Verkauf u. Vertrieb, 15 $/Woche, Zuschriften an Postfach 1256b

Mit einem Mal fühlte sich Fainys Kopf ganz leicht an. Intelligenter junger Mann – das bin ich. Ehrgeiz und literarischer Geschmack … Mann, ich hab Looking Backward noch nicht ausgelesen … Ja, ich lese gern, und ich könnte eine Linotype bedienen oder Handsatz machen, wenn man mich ließe. Fünfzehn Scheine die Woche … nicht schlecht, das wäre eine Lohnerhöhung um zehn Dollar. Und er begann in Gedanken, eine Bewerbung zu schreiben.

GEEHRTER HERR (SEHR GEEHRTER HERR)

oder vielleicht SEHR GEEHRTE HERREN!

Hiermit möchte ich mich um die von Ihnen in der heutigen Sonntagsausgabe der Tribune ausgeschriebene Stelle bewerben. (Gestatten Sie mir zu sagen,) dass ich siebzehn bin, nein, lieber neunzehn, und mehrere Jahre Erfahrungen im Druck- und Verlagsgewerbe gesammelt habe und dass ich ehrgeizig bin und über ausgezeichnete Kenntnisse und Geschmack verfüge, besonders im Druck- und Verlagsgewerbe …

nein, das hatte ich schon … Und dass ich die Stelle sehr gern haben möchte … Er stand auf, dachte im Gehen über den Brief nach und geriet immer mehr durcheinander.

Er merkte, dass er neben dem Karren eines Erdnussverkäufers stand. Es war bitterkalt, der Rasiermesserwind pfiff über die Eisschollen und das schwarze Wasser des Sees heran. Fainy riss das Inserat heraus und ließ den Rest der Zeitung davonwirbeln. Dann kaufte er sich eine Tüte warme Erdnüsse.

Wochenschau II

Come on and hear

Come on and hear

Come on and hear

In seiner Rede vor dem Parlament von Michigan sagte der scheidende Gouverneur Hazen S. Pingree unter anderem: Wenn die Männer an den Schaltstellen sowie diejenigen, in deren Händen die Gesetzgebung liegt, das gegenwärtige System der Ungleichheit nicht ändern, dann prophezeie ich, dass unser großartiges Land in nicht einmal einem Vierteljahrhundert eine blutige Revolution erleben wird.

CARNEGIE SPRICHT ÜBER SEINEN GRABSTEIN

Alexander’s Ragtime Band

It is the best

It is the best

Lunch wurde im Physiklabor serviert, das mit originellen Geräten ausgestattet war. Mitten auf der Banketttafel stand ein über einen Meter hoher Miniatur-Hochofen, und eine zwölf Meter lange Miniatur-Eisenbahn verlief rings um den Tisch. Anstelle von geschmolzenem Metall floss heißer Punsch aus dem Ofen in die Waggons. Die Eiscreme nahm sich aus wie Eisenbahnschwellen, und das Brot hatte die Form von Lokomotiven.

Mr. Carnegie pries zwar die Vorteile einer umfassenden Bildung in allen Wissensbereichen, kam jedoch letztlich zu dem Schluss, körperliche Arbeit habe sich als die beste Grundlage für die größten Errungenschaften des Geistes erwiesen.

VIZEPRÄSIDENT RÄUMT BANK AUS

Come on and hear

Alexander’s Ragtime Band

It is the best

It is the best

Bruder von Jesse James findet Theaterstück, das ihn als Banditen, Eisenbahnräuber und Gesetzlosen zeigt, entwürdigend Bezirksfehde endet mit Polygamie ist laut Ermittlungen durch die Geistlichkeit von Salt Lake City unter Mormonen noch immer verbreitet Clubdamen schockiert

It is the best band in the land

sagen, dass die Zirkustiere ausschließlich Pferdefleisch aus Chicago fressen Zwangsversteigerungen von Grundstücken in Indiana markiert das Ende des durch die Weltausstellung ausgelösten Booms benutzt Fahne als Putzlumpen auf einer Kannibaleninsel getötet Wärter fällt ins Wasser und wird von Seelöwen angegriffen.

 

Das Boot erreichte den halb entleerten Ballon des Luftschiffs, der Santos Dumont jeden Augenblick unter sich zu begraben drohte. Letzterem gelang es, teils aus eigener Kraft, teils mit Hilfe zupackender Hände, an Bord zu klettern.

Der Prinz von Monaco bat ihn dringend, an Bord seiner Yacht zu kommen, um sich abzutrocknen und die Kleider zu wechseln, doch Santos Dumont weigerte sich, das Boot zu verlassen, bevor alles, was gerettet werden konnte, geborgen war. Erst dann ging auch er, durchnässt, aber lächelnd und unbekümmert, unter dem frenetischen Jubel der Menge an Land.

Das Auge der Kamera 3

O qu’il a de beaux yeux sagte die Frau auf dem Sitzplatz gegenüber aber Sie sagte so was solle man Kindern nicht sagen und der kleine Junge war verschwitzt und klebrig aber es wurde dunkel und die Lampe sah aus wie eine Melonenhälfte und war trübrot und der Zug rumpelte und plötzlich ich hab geschlafen und es ist ganz finster und die blaue Troddel hüpft am Rand des dunklen Schattens der wie eine Melone aussieht und überall sind spitze gekrümmte Schatten (als Er das erste Mal kam brachte Er eine Melone mit und die Sonne schien durch die hohen Fenster mit den Spitzengardinen und als wir sie aufschnitten roch der ganze Raum nach Melone) Nein Schatz die Kerne nicht davon kriegst du eine Blinddarmentzündung

aber du siehst durch das Fenster hinaus in die schwarze rumpelnde Finsternis in der sich plötzlich Reihen plumper Kamine abzeichnen und du hast Angst vor dem schwarzen Rauch und den Stichflammen die aus den plumpen Kaminen schießen und vergehen Keramikfabriken Schätzchen die arbeiten da die ganze Nacht · Wer arbeitet da die ganze Nacht? · Arbeiter und so Travailleurs Mechaniker

du hattest Angst

aber dann war die Finsternis wieder ganz schwarz die Lampe im Zug und der Himmel und alles hatte einen blauschwarzen Schatten und Sie erzählte eine Geschichte von

Vorlangerzeit Vorderweltausstellung Bevorduaufderweltwarst und sie fuhren in einem privaten Wagen auf der neuen Strecke, die über die Grenze führte, und die Männer schossen vom Zug aus auf Antilopen und große Hasen die sie Eselhasen nannten und einmal nachts Vorlangerzeit Vorderweltausstellung Bevorduaufderweltwarst hatte Mutter solche Angst wegen all den Schüssen aber es war alles in Ordnung nur eine kleine Schießerei sie hatten bloß einen Mexikaner erschossen

das war damals

Freund der Menschheit

Debs[9] war Eisenbahner, geboren in einer Bretterbude bei Terre Haute.

Er war eins von zehn Kindern gewesen.

Sein Vater war ’49 mit einem Segelschiff nach Amerika gekommen,

ein Elsässer aus Colmar, kein großer Geldverdiener, einer, der gern las und Musik hörte,

er machte es möglich, dass seine Kinder die Schule bis zum Abschluss besuchten, aber das war auch schon so ziemlich alles.

Mit fünfzehn war Gene Debs bereits Mechaniker bei der Indianapolis & Terre Haute Railway.

Er fuhr als Heizer auf Lokomotiven,

arbeitete als Verkäufer,

trat in den Ortsverband der Lokomotivheizer ein, wurde zum Sekretär gewählt, reiste im ganzen Land herum und organisierte.

Er war ein großer Mann mit watschelndem Gang und verfügte über die Art von mitreißender Redegabe, die Eisenbahnarbeiter in ihren aus Brettern zusammengenagelten Sälen begeisterte,

sodass sie die Welt wollten, die er wollte,

eine brüderlich geteilte Welt,

an der jeder einen gleichen Anteil hatte:

Ich bin kein Arbeiterführer. Ich will nicht, dass ihr mir oder irgendeinem anderen folgt. Wenn ihr einen Moses sucht, der euch aus der kapitalistischen Wüste führt, werdet ihr bleiben, wo ihr seid. Selbst wenn ich könnte, würde ich euch nicht ins Gelobte Land führen, denn wenn ich euch hineinführen könnte, würde ein anderer euch hinausführen.

So sprach er zu Verladehelfern und Streckenwärtern, zu Heizern und Weichenstellern und Lokomotivführern, und er sagte, es genüge nicht, dass die Eisenbahner sich organisierten, nein, alle Arbeiter müssten sich in einer kooperativen Gemeinschaft organisieren.

Als Heizer hatte er viele lange Nachtfahrten gemacht,

und unter dem Rauch verzehrte ihn ein Feuer, es brannte in den flammenden Worten, mit denen er die Brettersäle füllte: Seine Brüder sollten freie Menschen sein.

Das war es, was er in der Menge sah, die ihn am Bahnhof Old Wells Street begrüßte, als er nach dem Pullman-Streik aus dem Gefängnis entlassen wurde,

das waren die Männer, die ihm 1912 neunhunderttausend Stimmen gegeben und die Frack- und Zylinderträger und ihre brillantenbehängten Frauen in Saratoga Springs oder Bar Harbour oder am Genfer See mit dem Schreckbild eines sozialistischen Präsidenten in Angst versetzt hatten.

 

Aber wo waren Gene Debs’ Brüder 1918, als Woodrow Wilson ihn in Atlanta einsperren ließ, weil er seine Stimme gegen den Krieg erhoben hatte,

wo waren diese großen, starken Männer, die dem Whiskey und ihresgleichen zugetan waren, diese sanftmütigen, weitschweifigen Geschichtenerzähler an den Theken von Kleinstadtbars im Mittleren Westen,

diese ruhigen Männer, die ein Haus mit Veranda wollten, an dem sie herumbosseln konnten, und eine dicke Frau, die für sie kochte, ein paar Drinks und Zigarren, einen Garten, in dem sie graben, und ein paar Kumpel, mit denen sie alles bequatschen konnten,

und dafür wollten sie arbeiten,

und sie wollten, dass andere ebenfalls dafür arbeiteten;

wo waren die Heizer und Lokomotivführer, als man ihn ins Gefängnis von Atlanta schaffte?

 

Zum Sterben brachten sie ihn zurück nach Terre Haute,

damit er im Schaukelstuhl, eine Zigarre im Mund, auf der Veranda sitzen konnte,

neben den American-Beauty-Rosen, die seine Frau in eine Vase gestellt hatte;

und die Leute in Terre Haute und in Indiana und im ganzen Mittleren Westen hatten ihn gern und fürchteten ihn zugleich und betrachteten ihn wie einen netten alten Onkel, der sie gernhatte, und wollten ihn besuchen, damit er ihnen Bonbons schenkte,

aber sie hatten auch Angst vor ihm, als hätte er sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen, Syphilis oder Lepra oder so, und fanden, es sei wirklich schade,

aber weil es doch um die Fahne ging,

um Wohlstand

und darum, für die Demokratie zu kämpfen,

fürchteten sie sich, ihn zu besuchen

oder viel an ihn zu denken, aus Angst, sie könnten ihm glauben,

denn er sagte:

Solange es eine Unterklasse gibt, gehöre ich zu ihr, solange es eine Klasse von Gesetzesbrechern gibt, gehöre ich zu ihr, solange auch nur ein einziger Mensch eingekerkert ist, bin ich nicht frei.

Das Auge der Kamera 4

in der holpernden Droschke rückwärts durch den Regen die beiden Gesichter gegenüber in der flackernden Beleuchtung des vierrädrigen Wagens und Ihre großen Koffer poltern auf dem Dach und Er zitiert mit seiner Anwaltsstimme Othello

Ihr Vater liebte mich, lud oft mich ein,

Erforschte meines Lebens Lauf von Jahr

Zu Jahr: die Schlachten, Stürme, Schicksalswechsel,

So ich bestand.

Ich ging es durch, vom Knabenalter her

Bis auf den Augenblick, wo er gefragt.

So sprach ich denn von manchem harten Fall,

Von schreckender Gefahr zu See und Land,

Wie ich ums Haar dem droh’nden Tod entrann

oh da ist der Schuylkill · auf dem nassen glatten Asphalt klingt das Klappern der Pferdehufe schärfer als auf dem Kopfsteinpflaster · durch die grauen Regenschwaden schimmert der Fluss rötlich vom winterlichen Schlamm · Als ich so alt war wie du Jack bin ich von dieser Brücke gesprungen durch die Geländer kann man das kalte verregnet schimmernde Wasser sehen · Hattest du was an? · Nur mein Hemd

Mac

In dem vollen Hochbahnwagen stand Fainy in der Nähe der Tür; er lehnte sich an den dicken Mann vor ihm, der sich an der Schlaufe festhielt, und las immer wieder einen Brief, der auf dickem, mit Wasserzeichen versehenem Papier geschrieben war:

Truthseeker Literary Distributing Co., Inc.

Hauptverwaltung 1104 S. Hamlin Avenue

 Chicago, Ill. 14. April 1904

Fenian O’H. McCreary

456 N. Wood Street

 Chicago, Ill.

 

Sehr geehrter Herr,

wir haben das Vergnügen, den Empfang Ihres Schreibens vom 10. d.M. zu bestätigen.

In Hinblick auf die vorliegende Angelegenheit sind wir der Meinung, dass ein persönliches Gespräch von Vorteil wäre. Wenn Sie also die Güte hätten, am 16. April um neun Uhr die oben genannte Adresse aufzusuchen, werden wir Ihre Eignung für die von Ihnen angestrebte Position gründlich prüfen können.

Stets auf der Suche nach der Wahrheit

Ihr

EMMANUEL R. BINGHAM, Doctor of Divinity

Fainy hatte Angst. Der Zug fuhr zu früh in die Station ein. Ihm blieben fünfzehn Minuten für zwei Blocks. Er schlenderte die Straße entlang und betrachtete Schaufenster. Im Fenster eines Präparators stand ein ausgestopfter Goldfasan; darüber hing ein großer, flacher, grünlicher Fisch mit einer Art Sägeschnabel, an dem ein Schild hing:

SÄGEFISCH (Pristis perotteti)

Verbreitungsgebiet: Golf von Mexiko, bevorzugt Flussmündungen und seichte Buchten.

Vielleicht würde er gar nicht hingehen. Im Hintergrund des Schaufensters waren ein Luchs und eine Wildkatze, jeweils auf einem Ast. Plötzlich schrak er zusammen. Er würde zu spät kommen. Eilig ging er weiter.

Im vierten Stock angekommen, war er außer Atem, und sein Herz hämmerte lauter als die Wagen der Hochbahn. Er musterte die Milchglasscheiben in den Türen auf dem Flur.

THE UNIVERSAL CONTACT COMPANY

F.W. Perkins

Versicherungen

THE WINDY CITY MAGIC AND NOVELTY COMPANY

Dr. Noble

Ärzte- und Pflegebedarf

Die letzte Tür war schmutzig und gleich neben der Toilette. Der Goldlack der Lettern war abgeblättert, doch Fainy konnte sie anhand der Umrisse entziffern:

THE GENERAL OUTFITTING AND

MERCHANTIZING CORPORATION

Dann entdeckte er an der Wand neben der Tür eine Karte mit einer gezeichneten Hand, die eine Fackel hielt, und darunter die Worte «Truthseeker Inc.». Er klopfte zaghaft ans Glas. Keine Antwort. Er klopfte noch einmal.

«Herein … nicht klopfen!», rief eine tiefe Stimme. Fainy öffnete die Tür, trat in einen schmalen, dunklen Raum, der fast vollständig von zwei riesigen Rollladenschreibtischen ausgefüllt war, und stammelte: «Ich … ich möchte bitte … zu Mr. Bingham, Sir.»

An dem weiter entfernten Tisch vor dem einzigen Fenster saß ein massiger Mann mit schweren Hängebacken, die seinem Gesicht etwas von einem Setter verliehen. Sein schwarzes Haar war lang und kräuselte sich über den Ohren, und auf dem Hinterkopf saß ein breitkrempiger schwarzer Filzhut. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte Fainy von Kopf bis Fuß.

«Guten Tag, junger Mann! Mit welcher Art von Büchern kann ich Ihnen dienen? Was kann ich für Sie tun?», sagte er mit dröhnender Stimme.

«Bitte, Sir, sind Sie Mr. Bingham?»

«Doc Bingham, wie er leibt und lebt.»

«Bitte, Sir … ich komme wegen der Stelle.»

Sogleich veränderte sich Doc Binghams Miene. Er verzog den Mund, als hätte er in etwas Saures gebissen, schwang den Drehstuhl herum und spuckte in einen Messingspucknapf in der Ecke. Dann wandte er sich wieder Fainy zu und wies mit dem dicken Zeigefinger auf ihn. «Wie buchstabiert man ‹Erfahrung›, junger Mann?»

«E … r … f … a … r … u …»

«Das reicht … Bildungslücken … Hab ich mir gedacht … Keinerlei Kultur, keins der edleren Gefühle, die den zivilisierten Menschen von den Barbaren der Wildnis unterscheiden … Keine Begeisterung für die Wahrheit, keine Entschlossenheit, ihr Licht in die Finsternis zu tragen … Ist dir eigentlich klar, dass es sich nicht um eine Stelle, sondern um eine einmalige Gelegenheit handelt? Um die Gelegenheit, einer Sache zu dienen und sich zugleich zu vervollkommnen. Ich biete dir eine Gratis-Ausbildung.»

Fainy scharrte mit dem Fuß. Er hatte einen Kloß im Hals.

«Wenn’s was mit Drucken zu tun hat, krieg ich’s bestimmt hin.»

«Nun, junger Mann, denke bei der kurzen Befragung, die ich jetzt vornehmen werde, stets daran, dass du an der Schwelle einer großartigen Zukunft stehst.»

Doc Bingham stöberte lange in den Schubladen des Schreibtischs, fand schließlich eine Zigarre, biss das Ende ab, zündete sie an und wandte sich wieder zu Fainy, der von einem Fuß auf den anderen trat.

«Zunächst einmal bitte deinen Namen.»

«Fenian O’Hara McCreary.»

«Hm, irisch und schottisch, ein ziemlich guter Menschenschlag, zu dem auch meine Vorfahren gehörten. Religion?»

Fainy wand sich. «Pop war katholisch, aber …» Er errötete.

Doc Bingham lachte und rieb sich die Hände.