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Erst erschoss sie den Hund, dann die Tochter und schließlich sich selbst. Die Titelgeschichte des neuen Buches der Autorin aus Görlitz mit authentischen Kriminalfällen aus der Region ist mehr als nur ein Eifersuchtsdrama. Sie greift zurück bis ins Dritte Reich. Der Vater der Mörderin leitete die Gauverwaltung des Reichsarbeitsdienstes in Görlitz, und obgleich das Hitlerreich Geschichte war, blieb ein Erbe zurück: die Dienstpistole des Vaters, die 1967 von der Tochter im Haus gefunden und im Wahn benutzt wird.Von unheilvollen Familienbanden und milieugeprägten Tätern erzählen auch die beiden anderen Geschichten des Buches, in denen die Autorin wieder einmal faktische Genauigkeit und spannendes Erzählen vereint.
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Seitenzahl: 224
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Impressum
ISBN eBook 978-3-360-50085-4
ISBN Print 978-3-360-02194-6
© 2015 Das Neue Berlin, Berlin
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin,
unter Verwendung eines Fotos von SLUB Dresden/Deutsche Fotothek, Gerd Danigel
www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de
Die Fotos stammen aus den Akten und sind authentisch, hingegen wurden zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte die Namen von Tätern und Opfern, Angehörigen und Zeugen verfremdet. Das gilt auch für die ermittelnden Kriminalisten. Dialoge und Abläufe von Handlungen sind frei erfunden.
Eveline Schulze
Vaters Pistole
Authentische Kriminalfälle
Das Neue Berlin
Vaters Pistole
Der Himmel ist trüb. Wolken fließen ineinander und bilden eine dunstige Decke. Kein Farbklecks, kein Loch, durch das ein wenig Blau schimmert. Um die Ecken bläst kalter Wind und lässt die gefühlte Temperatur um einige Grade unter Null fallen. Er zerteilt nur mäßig den Qualm, der aus den Essen steigt. Braunkohle, gefördert in den Tagebauen im Nachbarbezirk, macht das Atmen schwer. Der Rauch lastet auf den Dächern und fällt aufs schneelose Pflaster in den Straßen und in die Lungen.
Krause hasst den Winter. Zumindest solche. Früher, als noch Schnee fiel und der Frost klirrte, als die Neiße von ihren Rändern her zuwuchs, bis eine Eisdecke sie verschloss, auf der man auf die andere Seite des Flusses gelangte – das waren noch Winter! Das hier ist nur unangenehmes Schmuddelwetter. Wobei, Krause hält inne, vor drei Jahren gab’s ja diesen schweinekalten Winter, von dem die Metereologen behaupteten, es sei der kälteste seit dem Kriege gewesen. Drei Monate Frost am Stück, nicht nur die Neiße war gänzlich zugefroren, selbst die westliche Ostsee war es. Die Schule fiel aus, weil keine Kohle mehr kam: Die Förderbrücken in den Tagebauen waren eingefroren, und in den Waggons lagen große Klumpen Eis. Die Bergleute und die Soldaten der NVA mühten sich redlich mit Brechstangen und Propanbrennern, aber in den Stromfabriken und Heizkraftwerken kam dennoch zu wenig Kohle an. In ihren Büros, Krause erinnert sich, blieben die Fensterscheiben undurchsichtig und der Atem hing als Wolke in den unterkühlten Räumen des Volkspolizeikreisamtes. Sie hockten damals in ihren Wintermänteln hinter den Tischen und zogen nur zum Schreiben die Handschuhe aus. Gottlob mussten sie kaum was notieren: Auch Karnickeldiebe und Einbrecher schienen einen Schongang eingelegt zu haben. Es war eine wenngleich kalte, so doch ruhige Zeit.
Nun ja, diesbezüglich hat sich wenig geändert. Der Januar ist in jedem Jahr ereignisarm. Als hielten alle Winterschlaf oder wären noch satt und träge von Weihnachten. Erst allmählich kommt das Jahr in die Gänge. Man wühlt in den Altlasten und studiert zum Zeitvertreib die Akten von Fällen, die ungelöst in den Schubfächern ruhen. Dort endet auch ihr Dasein, denn es handelt sich meist um Bagatelldelikte. Mein Gott, ob sie nun den Täter, der in der Hauptpost neben dem Bahnhof die große Scheibe einwarf, ermitteln oder auch nicht: Die Versicherung hat gezahlt, und das Fenster ist wieder dicht. Und fänden sie ihn, dann wäre das ein Fall für die Konfliktkommission des Betriebes oder – sofern aus politischen Gründen der Stein geflogen ist – einer für die Staatssicherheit. Aber bei Lappalien wie dieser wartete man in der Regel auf das Gras, welches über die Sache wächst, und solches Gras spross selbst im Winter.
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