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Die Autorin arbeitete bei der Kriminalpolizei im Bezirk Dresden und trug zur Aufklärung von harmlosen Delikten wie auch schweren Verbrechen bei. Auf der Basis der polizeilichen Ermittlungs- und der Gerichtsakten rekonstruiert Eveline Schulze die "Mordakte Angelika M." und weitere Vorfälle.
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Seitenzahl: 291
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Impressum
ISBN eBook 978-3-360-50009-0
ISBN Print 978-3-360-01912-7
© 2012 Verlag Das Neue Berlin, BerlinUmschlaggestaltung: www.buchgestalter.net
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Eveline Schulze
Authentische Kriminalfälle aus der DDR
Die nachfolgenden Fälle trugen sich in den 80er Jahren im Südosten des Landes zu. Görlitz hätte aber auch Gera oder Garmisch heißen können. Denn so oder so ähnlich hätten die geschilderten Gewaltverbrechen anderenorts ebenfalls passieren können, und ihre Aufklärung durch die Kriminalpolizei wäre auf gleiche Weise erfolgt. Mithin: Die handelnden Personen sind auswechselbar. Und dennoch weist jeder einzelne geschilderte Fall durch seine zeitliche und geographische Verortung Besonderheiten auf.
Da meldet zum Beispiel ein besorgter Vater seine 22jährige Tochter als vermißt. Die Volkspolizei winkt ab: Die hat’s doch mit den Kerlen, die kommt schon wieder. Erst als nach Monaten zufällig ihre Leiche gefunden wird und nunmehr ein Mordfall zu lösen ist, überschlagen sich die dafür Zuständigen. Der Vorgang ist so atypisch nicht. Nun aber tritt ein Moment hinzu, das doch typisch DDR ist. Wochen später findet nämlich im fernen Berlin ein Parteitag statt. Und wie alles in diesem Land auf dieses Ereignis ausgerichtet ist, wird auch die Klärung des Mordfalles in die gesellschaftliche Kampagne eingebunden. Greifen wir vor: Natürlich wird der Kampfauftrag erfüllt und der Fall rechtzeitig gelöst, Beförderungen, Orden und Prämien können noch beizeiten zum Ehrentag der VP am 1. Juli beantragt werden. Alles geht im Wortsinne seinen sozialistischen Gang.
Dies der Geschichte voranzustellen, geschieht weder aus Spott noch mit dem gelegentlich verbreiteten Hohn, wenn man auf jene Zeit zu sprechen kommt. Sondern: Auch dieser Fall macht deutlich, daß hierzulande selbst das Verbrechen, der kapitale Gesetzesbruch, als ein gesellschaftliches Problem behandelt wurde. Mit allen Konsequenzen – auch den mitunter makabren.
Die Autorin, Görlitzerin vom Jahrgang 1950, hat in der Geschäftsstelle der Kriminalpolizei ihrer Heimatstadt gearbeitet. Sie war zuvor bei einer Betriebszeitung und besuchte danach die Fachschule für Journalistik. In ihrer Tätigkeit bei der K war sie in verschiedene Fälle involviert, in spektakuläre und in weniger sensationelle. An einige davon erinnert sie sich hier. Auch wenn alle Namen grundsätzlich verfremdet wurden, wird sich gewiß noch mancher der Beteiligten daran erinnern. Was ist schon ein Vierteljahrhundert? Und obgleich einige der Täter vom Bezirksgericht in Dresden zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, sind sie inzwischen längst auf freiem Fuß. Sie haben ihre Strafe vollständig verbüßt und wurden in den 90er Jahren aus dem Strafvollzug der Bundesrepublik entlassen. Keines der Urteile wurde im übrigen nach 1990 angefochten. Doch auch für Mörder gilt der Schutz der Persönlichkeit, selbst wenn sie die anderer Menschen mehr als verletzt haben. Das Grundgesetz gilt für Straftäter sowohl im Vollzug als auch danach. Sie haben ein Recht darauf, nicht bis ans Ende ihrer Tage mit einem Brandmal leben zu müssen, auch wenn die Schuld sie vermutlich bis ans Lebensende drückt. Aber juristisch ist der Vorgang final beendet.
Darum darf und soll auch hier nicht mit Fingern weder auf die Täter noch auf andere in die geschilderten Vorgänge einbezogene Personen einschließlich ihrer Angehörigen gewiesen werden.
Eveline Schulze wie auch der Verlag sind sich der Gratwanderung bewußt. Aber auf die jüngere Kriminalgeschichte trifft zu, was grundsätzlich für die Vergangenheit gilt: Sie ist noch nicht vergangen. Sie lebt in und mit uns, und man muß sich mit ihr auseinandersetzen. Aber dies sollte mit der gebotenen Sensibilität geschehen. Das versucht die Autorin, die selbst Mutter von fünf Kindern ist. Sie fühlte mit dem Vater, der auf bestialische Weise seine Tochter verlor. Und mit der Mutter jenes Jungen, der als Selbstmörder endete.
Das aber sind Empfindungen, die Kriminalisten gewiß teilen, egal ob sie nun in Dresden oder Düsseldorf, in Rostock oder Regensburg, in Görlitz oder in Garmisch an einen Tatort gerufen werden.
Der Verlag
Bezirksgericht Dresden. Am 15. und 16. Oktober 1981 findet vor dem 2. Senat die Hauptverhandlung zu einem Verbrechen statt, das im östlichsten Bezirk der DDR die Menschen entsetzt und empört hatte.
Zum Zeitpunkt der Verhandlung liegt das Geschehen ein Jahr zurück, doch es ist gegenwärtig, als seien nur Wochen vergangen. Große Teile der Bevölkerung im ostsächsischen Raum wurden in die Aufklärung der Tat mit einbezogen. Die Sächsische Zeitung, das Organ der SED-Bezirksleitung, aber auch die überregionale Presse berichteten über den Fall und die Ermittlungen. Selbst das Fernsehen der DDR vermeldete die Aufklärung »eines abscheulichen Verbrechens«.
Das ist ungewöhnlich.
Gewaltverbrechen sind tabu. Sie passen nicht ins Bild einer gesicherten Gesellschaft, zumal man an der gleichermaßen weltfremden wie mechanistischen Annahme festhält, daß mit dem Voranschreiten der sozialistischen Gesellschaft auch die Kriminalität zurückgehe. Gewiß trifft zu, daß eine bestimmte Art von Verbrechen stetig rückläufig ist, etwa Verbrechen aus sozialer oder wirtschaftlicher Not. Doch Neid, Mißgunst, Haß, Gier sind so wenig ausgestorben wie sexuelle Obsessionen und Triebe.
Aus verschiedenen Gründen also hängt man in der DDR Gewaltverbrechen nicht unbedingt an die »große Glocke«. Doch in diesem Falle macht die Obrigkeit, die auch über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wacht, erkennbar eine Ausnahme. Die Gründe sind nicht ersichtlich. Vielleicht liegt es daran, daß die sogenannte Flüsterprogaganda bereits zu viele Menschen erreicht hat, so daß man jetzt die Flucht nach vorn antritt und umfassend informiert. Vielleicht ist einer der maßgeblichen Politiker von dem Verbrechen derart angerührt, daß auch er die Mörder öffentlich an den Pranger gestellt sehen möchte. Oder, was auch denkbar ist, es soll ganz einfach die gute Zusammenarbeit von Staatsorganen und Bevölkerung bei der Aufklärung gezeigt werden.
Lange vor Beginn der Verhandlung im Dresdner Bezirksgericht herrscht Gedränge in den Fluren. Das Verfahren ist öffentlich. Nur rechtzeitiges Kommen sichert einen Platz. Viele »normale« Bürger, gesellschaftliche Ankläger und auch Funktionäre wollen an der Verhandlung teilnehmen. Journalisten des Zentralorgans, der Nachrichtenagentur ADN und der Sächsischen Zeitung sind als Berichterstatter zugelassen.
Die Türen werden geschlossen, das Auditorium erhebt sich, Richter und Schöffen marschieren ein, die Verhandlung kann beginnen. Die Angeklagten werden hereingeführt. Es sind drei Männer unter 30. Sie sind in der DDR geboren und in diesem Land aufgewachsen. Sie haben die hiesige Schule besucht und eine Lehre durchlaufen. Eine andere Gesellschaft als diese, die sich als sozialistisch und humanistisch versteht, haben sie nicht kennengelernt, geschweige denn erlebt. Sie haben nicht einmal eine Vorstellung von einem anderen Leben, denn im südöstlichsten Zipfel des Landes empfängt man kein Westfernsehen. Dresden heißt darum im Volksmund »Tal der Ahnungslosen«.
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