Verborgen in der Nacht (Seday Academy 2) - Karin Kratt - E-Book
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Verborgen in der Nacht (Seday Academy 2) E-Book

Karin Kratt

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Beschreibung

**Zwischen dem Wunsch zu vertrauen und der Pflicht zu schweigen** Cey kann nicht fassen, dass sie zu einer Ausbildung an der Seday Academy gezwungen ist. Mit jedem Tag fällt es ihr schwerer, ihre einzigartigen Fähigkeiten vor den anderen zu verbergen – besonders vor Xyen, der nicht nur einer der mächtigsten Anführer der Seday ist, sondern auch ihr Mentor an der Academy. Sie setzt alles daran, ihn ihre Wut und ihr Misstrauen spüren zu lassen, und trotzdem begegnet er ihr mit einer Zuneigung, deren Intensität Cey vollkommen überwältigt. Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch sich ihm anzuvertrauen und der Pflicht ihr dunkles Geheimnis zu wahren, ahnt sie nicht, welchen Preis eine falsche Entscheidung von ihr fordern könnte… Eine actionreiche Fantasy-Reihe mit Suchtfaktor: Karin Kratt erschafft eine toughe Kämpferin, die sich in einer düsteren Welt zu behaupten weiß. Stark, unnahbar und unwiderstehlich! //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der Fantasy-Bestseller-Reihe:  -- Gejagte der Schatten (Seday Academy 1)   -- Verborgen in der Nacht (Seday Academy 2)   -- Erschaffen aus Dunkelheit (Seday Academy 3)  -- Gefangene der Finsternis (Seday Academy 4)  -- Entfesselt durch Rache (Seday Academy 5)  -- Verdammte des Schicksals (Seday Academy 6)  -- Geboren aus Vergeltung (Seday Academy 7)  -- Verfolgte der Vergangenheit (Seday Academy 8) -- Gezeichnete der Erinnerung (Seday Academy 9) -- Beseelt von Hoffnung (Seday Academy 10) -- Die E-Box der erfolgreichen Fantasy-Reihe »Seday Academy«: Band 1-4 -- Die E-Box der erfolgreichen Fantasy-Reihe »Seday Academy«: Band 5-8 -- Sammelband der romantischen Fantasy-Serie »Seday Academy« Band 1-8 -- Sammelband der romantischen Fantasy-Serie »Seday Academy« Band 1-10// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Karin Kratt

Verborgen in der Nacht (Seday Academy 2)

**Zwischen dem Wunsch zu vertrauen und der Pflicht zu schweigen** Cey kann nicht fassen, dass sie zu einer Ausbildung an der Seday Academy gezwungen ist. Mit jedem Tag fällt es ihr schwerer, ihre einzigartigen Fähigkeiten vor den anderen zu verbergen – besonders vor Xyen, der nicht nur einer der mächtigsten Anführer der Seday ist, sondern auch ihr Mentor an der Academy. Sie setzt alles daran, ihn ihre Wut und ihr Misstrauen spüren zu lassen, und trotzdem begegnet er ihr mit einer Zuneigung, deren Intensität Cey vollkommen überwältigt. Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch sich ihm anzuvertrauen und der Pflicht ihr dunkles Geheimnis zu wahren, ahnt sie nicht, welchen Preis eine falsche Entscheidung von ihr fordern könnte …

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© privat

Karin Kratt ist eine lesesüchtige Mathematikerin, die sich nach ihrem Studium in der Bankenbranche Frankfurts wiederfand. Doch so sehr sie ihre Zahlen auch zu schätzen weiß, die Macht der Buchstaben begeistert sie noch weitaus mehr. Sie nutzt jede freie Minute, um ihre Träume auf Papier zu bannen. Träume, die bei ihren Streifzügen durch die endlosen Felder des hessischen Rieds entstehen oder auch mal ganz simpel auf der Liege im heimischen Garten.

Prolog

Cey rannte und rannte. Seit Minuten, Stunden oder Tagen, sie wusste es nicht mehr. Das Dickicht des Waldes zerkratzte ihr die nackte Haut und ihr letzter Sturz hatte ihr zahlreiche blutige Abschürfungen beschert. Trotzdem verspürte Cey keinen Schmerz. Jeden Funken Energie, jeden einzelnen Gedanken richtete sie auf ein einziges Ziel: Flucht. Flucht vor ihm. Vergeblich.

»Ah, da bist du ja.« Mit einem kalten Lächeln trat ihr dunkler Schöpfer Astan hinter einem Baum hervor und bevor sie sich in eine andere Richtung wenden konnte, hatte er sie bereits gepackt und an sich gezogen. »Ich habe dich vermisst, meine Süße!«

Cey konnte ein ersticktes Schluchzen nicht unterdrücken, als Astans Finger ihr scheinbar zärtlich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht strichen.

»An deiner Geschwindigkeit müssen wir unbedingt noch arbeiten. Ein Krieger lässt sich nicht erwischen. Niemals.« Eine Hand packte sie unerbittlich im Nacken und zwang sie dazu in die tiefschwarzen Augen ihres Gegenübers zu blicken. Eine Narbe zog sich von Astans Stirn bis zu seiner Wange, ansonsten sah der riesige Mann auffallend gut aus. Sein inneres Wesen hingegen war um ein Vielfaches gnadenloser als das des obersten Höllenherrns, nachdem Astan sich benannt hatte. Denn Satan hätte gewiss nicht …

»Ich glaube, ich kann dir einen Anreiz bieten, damit du dich beim nächsten Mal ein wenig mehr anstrengst.« Astan beugte sich vor und seine Lippen streiften ihr Ohr. »Du darfst dir jemanden aussuchen, der die Strafe für dein Versagen auf sich nimmt.« Die Hand aus Ceys Nacken löste sich und glitt langsam ihren Rücken hinab. »Gleich, nachdem wir hiermit fertig sind …«

Cey schrie auf und schnellte auf ihrem Sitz herum. Erst im allerletzten Moment realisierte sie, dass es ein harmloser Mensch war, der da neben ihr saß, und ihre Finger krallten sich tief in den Stoff seiner Kopfstütze, statt um den Hals des übergewichtigen, jungen Kerls.

»Ähm …« Irritiert und vielleicht sogar schockiert rückte ihr Sitznachbar von ihr ab.

Cey zog ihre Hand hastig zurück.

»Sorry«, murmelte sie. »Schlecht geträumt …«

Am liebsten hätte Cey sich selbst eine gescheuert. Das sanfte und stundenlange Geruckel des Flugzeugs hatte sie schläfrig gemacht, dennoch war es unverantwortlich von ihr gewesen einzunicken. Ein übernatürliches Wesen, wie sie es nun einmal war, durfte in der Anwesenheit von Menschen niemals die Kontrolle verlieren. Gegen die Stärke, Ausdauer und Schnelligkeit eines J’ajals hatten diese schließlich kaum eine Chance und da rechnete sie all die anderen Fähigkeiten – zum Beispiel das langsame Altern, ihre beschleunigte Wundheilung und ihre mentalen Kommunikationsmöglichkeiten – gar nicht erst mit ein.

»Ach so.« Der Mann neben ihr streifte seine neongrünen Kopfhörer ab und hielt ihr freundlich ein Tüte Chips entgegen. »Essen hilft bei Flugangst«, behauptete er.

Cey lächelte schwach und griff in die Tüte. Wie wenig ihre Albträume mit der Höhe zu tun hatten, in der sie sich derzeit befanden, verriet sie ihrem Sitznachbarn lieber nicht. Dafür warf sie einen Blick auf den Monitor, der an der Decke im Gang angebracht war – noch zwanzig Minuten, bis sie endlich auf dem Flughafen von West Whiard landen würden.

Eine dichte Wolkendecke verhinderte die Sicht auf die unter ihnen liegende Landschaft, trotzdem starrte Cey für die nächste Viertelstunde aus dem kleinen Fenster an ihrer Seite.

Nathan, wo steckst du nur? Warum musste es ausgerechnet dieser immer gut gelaunte und unglaublich charismatische J’ajal sein, der seit einigen Tagen spurlos verschwunden war? Cey seufzte leise auf, als das Bild des übermütigen kalifornischen Surfer-Boys in ihrem Verstand aufblitzte. So sehr ihr die Auszeit von ihrem risikobehafteten Dasein auch widerstrebte, zu der ihr väterlicher Freund Jisuho sie nach einem besonders waghalsigen Kampf verdonnert hatte, die Möglichkeit Nathan niemals wiederzusehen versetzte Cey in eine unerwartet düstere Stimmung. Und in eine aggressive.

Im Spiegelbild der Fensterscheibe färbten sich ihre schokoladenbraunen Augen für einen Sekundenbruchteil bedrohlich rot. Während die meisten J’ajal einen solchen Wechsel für schlichtweg zu anstrengend befanden, musste Cey sich stets daran erinnern, wie allergisch die Menschen in ihrer Umgebung reagierten, wenn sich ihre Augen an ihre aktuelle Stimmung anpassten.

Mit einem heftigen Ruck ließ Cey das Schloss ihres Gurtes einschnappen, als das entsprechende Lämpchen über ihrem Sitz aufleuchtete. Wer auch immer die glorreiche Idee gehabt hatte sich Nathan zu schnappen, er hatte einen gewaltigen Fehler begangen. Und wie mit solchen Fehlern umzugehen war – das hatte sie in den grausamen Jahren ihrer Kindheit nur zu genau gelernt. West Whiard, mach dich auf etwas gefasst!

Kapitel 1

Xyen brüllte in sein Handy und pfefferte es schließlich wutschnaubend gegen die Wohnzimmerwand seines Anwesens in der 17th Street von West Whiard. Wahrscheinlich sollte er als langjähriger Anführer eines vierzehnköpfigen United-Secret-Forces–Teams und der damit einhergehenden Verantwortung für diverse Verbrechensaufklärungen über eine weitaus höhere Frustrationsschwelle verfügen. Es war allerdings ein himmelweiter Unterschied in Kooperation mit dem menschlichen FBI oder anderen Behörden nach Mördern zu fahnden oder eine Suchaktion für sein eigenes, zweitjüngstes Teammitglied leiten zu müssen.

Leider hatten die Techniker seiner J’ajal-Organisation ihre technischen Gerätschaften für extreme Belastungen wie einen Seday’schen Tobsuchtsanfall konzipiert und von daher dachte das Smartphone überhaupt nicht daran in tausend Teile zu zerspringen. Im Gegenteil, für eine einzelne Sekunde schien ihn das Telefon sogar höhnisch anzugrinsen, erfreut darüber, dass er keinen einzigen Schritt vorankam.

Xyen schüttelte den absurden Gedanken ab und wandte sich zu seiner dunkelhaarigen Schülerin um. In der zusätzlichen Mentoren-Rolle, die er innehatte, war es Xyens Aufgabe gerade erwachten J’ajal dabei zu helfen ihr altes, menschliches Leben abzustreifen und sich mit ihren neu entwickelten Fähigkeiten auseinanderzusetzen. Und, als wichtigsten Punkt, er musste die jungen Erwachsenen mit ihren Pflichten vertraut machen, zum Beispiel mit der Notwendigkeit ihre Existenz vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. So unterschiedlich das moralische Grundverständnis in den diversen J’ajal-Vereinigungen auch war – viele Organisationen empfanden es etwa als schlichtweg lächerlich, dass die Seday die Menschen mit ihrer USF-Militäreinheit unterstützten und keinerlei Machtbestrebungen aufwiesen – jeder der begehrten Neulinge musste sich einer Zwangsausbildung unterziehen, die dieses und andere grundlegende J’ajal-Themen behandelte, bevor er in die Freiheit zurückkehren durfte. Nun ja, fast jeder …

»Cey.« Obwohl Xyen sich bemühte, klang seine Stimme immer noch gereizt und nicht so besonnen wie sonst. »Ich habe momentan leider keine Zeit für dich.«

Vor ein paar Tagen wäre er wahrscheinlich überglücklich gewesen, die ungewöhnliche, junge J’ajal zu sehen, aber derzeit verdrängten andere Sorgen diese Gefühle.

Nach Ceys spektakulärem Auftritt und ihrer Flucht vor den Jägern der Hayran – demjenigen J’ajal-Syndikat, das weltweit die größten Schmugglerrouten unterhielt hatte es nur wenige Sekunden gedauert, bis sein Sicherheitschef Jay und seine restlichen Männer bei ihm eingetroffen waren. Natürlich hatten sie genau wie in der Vergangenheit keinen einzigen Hinweis auf Ceys Verbleib gefunden und selbst von der einstigen Anwesenheit der Hayran hatte nur ein verlassener Transporter gezeugt. Alle zusammen waren sie wie vom Erdboden verschluckt gewesen, dabei hätte man meinen sollen, eine Gruppe kämpfender J’ajal hätte durchaus auffallen müssen.

Erst am übernächsten Morgen wurden Xyens schlimmste Befürchtungen durch eine knappe SMS gemildert.

Bin okay. C.

Okay konnte bei Cey allerdings so ziemlich alles bedeuten und entsprach gewiss nicht seiner Definition.

Damit war nur einer übrig geblieben, der ihm möglicherweise helfen konnte. Jisuho, der einzige Mann, auf den Cey zumindest ab und an zu hören pflegte. Das Gespräch mit dem grauhaarigen alten Seday, der abgeschieden in einem kleinen Ort namens Venmore Hills lebte, war jedoch vollkommen anders verlaufen, als Xyen es erwartet hatte …

***

»Eine zeitlich perfekt abgepasste, herabstürzende Mikrowelle als Mordinstrument? Ja, das klingt definitiv nach Cey.« Jisuho grinste unverfroren und Xyen bedachte seinen ehemaligen Mentor mit einem bösen Blick.

Voller Sorge hatte er die Geschichte über Anamolu, den Hayran-Spion in ihren eigenen Reihen, und das Aufeinandertreffen mit dessen Auftraggebern erzählt und er hatte auch nicht seinen Anfall von Furcht verschwiegen, der von Ceys skrupellosem und absolut tödlichem Kampfstil hervorgerufen worden war und Xyen im Nachhinein selbst unglaublich lächerlich erschien. Wie sehr musste er Cey mit seiner Reaktion verletzt haben. Kein Wunder, wenn die nach außen hin so toughe und in Wirklichkeit so unsichere junge J’ajal lieber von ihm fernblieb.

»Jetzt setz dich endlich hin, Xyen.« Jisuho wies mit dem Kopf auf einen der Stühle an dem großen eichenen Küchentisch. »Du ruinierst mir noch den Fußboden.«

Xyen gehorchte und unterbrach seine rastlose Wanderung. Er konnte allerdings nicht verstehen, warum sich sein Freund so gelassen zeigte, schließlich hatte er seinen Job gründlich vermasselt. Nur aufgrund von Jisuhos Geheiß war Cey zu seiner Schülerin geworden, dabei hatte die junge Frau sich viel früher zu einem J’ajal gewandelt, als es überhaupt möglich sein sollte, und ihre letzten Jahre hatte sie von allen J’ajal-Organisationen frei und unentdeckt damit verbracht – ja, mit was eigentlich?

Xyen hatte nicht die geringste Ahnung. Da er jedoch über die J’ajal-Fähigkeit Emotionen spüren zu können verfügte, wusste er, wie wütend Jisuho am Tag seiner Ausbildungs-Anordnung auf Cey gewesen war und den Grund dafür kannte er ebenfalls – Angst. Angst, diejenige zu verlieren, die Jisuho wie seine eigene Tochter liebte und für die er sogar gegen eines der grundlegendsten Gesetze der Seday verstoßen hatte, indem er Ceys Existenz vor allen anderen Mitgliedern verschwieg.

Die Gefühle, die Xyen innerhalb kürzester Zeit für seine Schülerin entwickelt hatte, brachten ihn nun selbst immer näher in eine Zone hinein, die man kaum noch grau nennen konnte. Tiefstes Schwarz war die treffendere Bezeichnung, ließ er Cey doch ohne ein Wort der Nachfrage gehen, wenn sie das von ihm verlangte, ganz so, wie er es Jisuho versprochen hatte.

Und ob die J’ajal tatsächlich wie vereinbart zu ihm zurückkehren würde, daran hegte Xyen dieses Mal starke Zweifel. Bedenken, die Jisuho nicht mit ihm zu teilen schien.

»Du musst geduldig mit Cey bleiben.« Jisuho musterte ihn nachsichtig aus silber-blauen Augen. »Und vor allem – sei nicht so streng mit dir selbst, Xyen. Du musst nicht perfekt sein und immer alles richtigmachen.«

Tja, wäre es nicht besser, wenn Jisuho selbst die Rolle als Ceys Mentor übernehmen würde? Schließlich war er der Einzige, der die J’ajal wirklich zu kennen schien, und überaus praktische Tipps hatte er auch parat.

Jisuho quittierte diese Feststellung mit einem tadelnden Kopfschütteln. »Zum Schmollen bist du entschieden zu alt! Und ich weiß, Cey braucht dich, auch wenn sie es nicht zugeben kann. Noch nicht.«

Es war Xyen schleierhaft, woher sein Freund diese Überzeugung nahm. Ihre Vergangenheit, von der er ebenfalls kaum etwas wusste, hatte Cey unglaublich misstrauisch gegenüber jedem anderen Lebewesen gemacht und Xyen war sich nicht sicher, ob sie ihre Vorbehalte jemals überwinden konnte.

Natürlich würde er alles in seiner Macht Stehende versuchen, um endlich Ceys Vertrauen zu erlangen, ein wenig mehr Unterstützung von seinem ehemaligen Mentor hatte er sich allerdings schon erhofft.

Sonderlich lange hatte Xyen sich nicht über Jisuhos störrische Weigerung Fragen über Cey zu beantworten aufregen können, denn Jays besorgtem Telefonanruf war er umgehend gefolgt …

***

Xyen löste sich aus seiner Versenkung und konzentrierte sich wieder auf Ceys Anwesenheit.

»Ich habe gehört, Nathan ist verschwunden …« Der Blick der jungen J’ajal glitt zu dem überdimensionalen Fernseher in der Ecke des Zimmers, wo sie Stunden um Stunden mit dem Siebenundzwanzigjährigen gezockt und herumgealbert hatte. Ceys sonst so strahlende Aura verdunkelte sich zusehends, doch dann straffte sich seine Schülerin. Das verheißungsvolle Braun ihrer Augen wechselte zu einem kompromisslosen, stählernen Grau und Xyen stellte überrascht fest, wie sehr er sich bereits an die andauernden Farbveränderungen gewöhnt hatte. »Was genau ist passiert? Wie kann ich helfen?«

Xyen schüttelte ablehnend den Kopf. »Cey, ich danke dir, aber das ist definitiv der falsche Zeitpunkt. Ich kann mich jetzt nicht auch noch um dich kümmern.«

»Das brauchst du gar nicht! Ich werde brav sein, versprochen. Erzähl mir nur, was geschehen ist. Ich kenne die Namen einiger Leute, denen vielleicht etwas dazu einfällt.«

Klingt nicht nach einem besonders wünschenswerten Umgang für eine junge Frau …

»Bitte.« Cey trat auf ihn zu und sah ihm flehentlich ins Gesicht. »Ich glaube …« Seine Schülerin stockte und holte tief Luft. »Ich glaube, ich fand es doch nicht so schlecht mit euch.«

Dieses Zugeständnis an ihn und sein Team waren Worte, an die Xyen beinahe nicht mehr geglaubt hatte …

***

Für einige Augenblicke starrte ihr dunkelhäutiger und – wie es allen J’ajal zu eigen war – ausgesprochen attraktiver Mentor sie einfach nur an. Nicht weiter verwunderlich, wenn man ihre bisherige Ablehnung zu einem Dasein als Seday-Schülerin bedachte. Cey war jedoch klargeworden, dass keiner von Xyens Leuten für ihre verkorkste Existenz verantwortlich war. Und ihr Mentor selbst ebenfalls nicht. Etwas mehr Zeit, ein wenig mehr Vertrauen – vielleicht hätte es dann funktioniert. Vielleicht kann es noch funktionieren …

Die Erinnerung an Xyens letzte Empfindung, die er ihr entgegengebracht hatte, an seinen letzten Blick, so voller Furcht, zerstörte allerdings die Hoffnung, die Cey sich auf ihrem Flug nach West Whiard gemacht hatte.

»Du hast Angst vor mir«, stellte sie verzagt fest und wandte sich schnell ab, damit Xyen nicht sehen konnte, wie ihre Augen feucht wurden. Wie anmaßend von ihr zu glauben, sie könnte so mir nichts dir nichts wieder hier aufkreuzen und ihren Mentor bitten auch weiterhin für sie da zu sein, jetzt, nachdem er den ersten Hauch einer Ahnung verspürt hatte, was für ein Monster sich hinter all ihren Mauern verbarg.

»Nein.« Die Stimme ihres Gegenübers klang überaus energisch und er stoppte ihren Fluchtversuch, indem er sie an der Schulter festhielt. »Cey, sieh mich an.«

Sanft zwang Xyen ihr Kinn in die Höhe und Cey spürte die bunte Vielfalt seiner Emotionen am Rande ihres Bewusstseins. Hat wohl immer noch nichts über die mentalen Gefahren seines Handelns gelernt, dieser seltsame Seday. Ihr einen so offenen Zugang zu gewähren, nur damit sie Xyens Gefühlsleserei-Fähigkeit gegenüber nicht benachteiligt war, das war bodenlos leichtsinnig und … überwältigend schön.

»Ich habe keine Angst vor dir! Es tut mir leid, ich war verwirrt über das, was passiert ist. Aber ich weiß genau, wer du in deinem Innersten bist. Und du bedeutest mir sehr viel.«

Xyens Gefühle verrieten nicht die geringste Spur eines Zweifels und behutsam strich er ihr eine Träne aus dem Gesicht. Trotzdem war Cey unschlüssig, ob ihr Mentor sich nicht selbst etwas vormachte. Wenn sie sich doch selbst so sehr hasste, wie konnte er es dann nicht tun?

Xyen unterbrach ihre Grübeleien und bugsierte sie zum Sofa. »Pass auf, ich erzähle dir, was ich über Nathans Verschwinden weiß, und danach sehen wir weiter. Wirklich viel haben wir bisher allerdings nicht erfahren …«

Viel war es tatsächlich nicht, aber immerhin gab es einige Anhaltspunkte. Seit einiger Zeit verkehrte Nathan regelmäßig in den oberen Kreisen der hiesigen Gesellschaft, um sich ein genaueres Bild von den erdrosselten Politikern der letzten Wochen – Gouverneur Brown, Familienminister Doika und sechs weiteren – machen zu können und um mögliche Parallelen zu finden. Xyen war von Tajyno, dem Anführer seiner J’ajal-Organisation, angewiesen worden, das FBI zusammen mit seinem Team bei der Suche nach dem Schlingen-Mörder, wie die menschliche Presse den Serienkiller nannte, zu unterstützen und zu überprüfen, ob womöglich ein J’ajal hinter alldem steckte.

Da Nathan in einem wohlhabenden, oder besser gesagt in einem stinkreichen Elternhaus aufgewachsen war, fiel es ihm ausgesprochen leicht sich sicher durch die Mischung aus Schein, Glanz, Korruption und Intrigen zu bewegen. Seine J’ajal-Fähigkeit, andere Leute für sich zu gewinnen, tat ihr Übriges und so hatte Nathan bald Zugang zu den prominenten Veranstaltungen aller Art gehabt, ohne dass er dafür mit einer Dienstmarke herumwedeln musste. Im Gegenteil, alle hielten Nathan für einen der Ihren und überschlugen sich fast darin ihn ihren Gast nennen zu dürfen.

Nathans Beliebtheit rief allerdings auch den einen oder anderen Neider auf den Plan. Weil diese Menschen aber deutlich in der Minderheit waren, übten sie sich in einer heuchlerischen Zurückhaltung und lauerten stattdessen auf den Tag, an dem sie Nathan unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand aus ihrer Mitte jagen konnten. Jedenfalls war das bisher so gewesen. Doch jetzt – jetzt war Nathan verschwunden.

»Und sein Tanoud hat nicht weitergeholfen, oder?« Cey fixierte nachdenklich das Tribalmuster, das Xyen in seine kurzen Haare einrasiert über dem rechten Ohr trug. Gleichzeitig versuchte sie die Informationen aus seiner Schilderung auszuwerten.

»Sein was?«

»Keine Ahnung, wie ihr das nennt.« Cey zuckte die Schultern. »Ich meine diese winzig kleinen Chips, die unaufspürbar ins Handgelenk implantiert werden und bei Aktivierung vierundzwanzig Stunden lang ein einfaches Signal ausstoßen.« Cey sah ihren Mentor abwartend an und gab sich dann seufzend selbst die Antwort. »Ihr habt so etwas gar nicht …«

»Tja, für eine Ortung benutzen wir ja normalerweise die Ayaros«, bestätigte Xyen ihre Feststellung. »Allerdings machen die sich in Kombination mit einem Smoking nicht ganz so gut, also hat Nathan darauf verzichtet.«

»Wo genau wollte er denn hin?« Cey strich sich gedankenverloren über ihr linkes Handgelenk, dass bis vor Kurzem ebenfalls von einem metallenen Armband geziert worden war. Der integrierte Peilsender bildete nur eine der zahlreichen Funktionen des Ayaros. Zusätzlich überwachte der Armreif kontinuierlich die Vitalfunktionen seines Trägers und er regelte verschiedene Zugriffs- und Zugangsrechte in Area XV4, demjenigen Stützpunkt der Seday, an dem gewöhnliche neu erwachte J’ajal ihrer Aus- und erfahrenere Mitglieder ihrer Weiterbildung nachgingen. Ein eingelassener Stein verdeutlichte den Wissensstand des Schülers. Schwarz für einen Neuling, verschiedene Grautöne für die älteren Trimestler und schließlich, bei einem erfolgreichen Abschluss, gab es einen weißen Stein.

»Nathan war unterwegs zu einer Champagner-Schlacht im Westend.«

Xyen nannte ihr die Details und Cey konnte nur den Kopf darüber schütteln, mit was sich die sogenannte Elite die Zeit vertrieb. Dieses Mal hätte es sie jedoch gefreut, wenn Nathan an seinem Bestimmungsort angekommen wäre und zusammen mit irgendwelchen arroganten Schnöseln seinem Favoriten-Bunny einige exklusive Flaschen Alkohol im Krieg gegen ihre Rivalinnen spendiert hätte.

Stattdessen war Nathan mitsamt seinem Auto verschwunden und offenbar befand er sich außerhalb der Reichweite mentaler Übertragungen. Die Alternative, warum keine Antwort von ihm kam, wollte Cey lieber nicht in Betracht ziehen.

»Ich höre mich mal in der Stadt um«, meinte sie schließlich. »Und wenn es geht – alleine. Ein Schatten wirkt nicht gerade vertrauenserweckend …« So zurückhaltend sich Jays Männer bei der ihr zugedachten Bewachung auch zeigten, an manchen Orten war selbst das zu viel.

Xyen bedachte sie mit einem finsteren Blick aus seinen gold-braunen Augen, vermutlich, weil er genau wusste, wie wenig sie sich an die geltenden Seday-Richtlinien hielt, wenn sie nicht fortlaufend daran erinnert wurde. Ohne ein Wort zu verlieren, verließ ihr Mentor das Zimmer. Er kehrte allerdings nach wenigen Sekunden zurück und warf ihr ein Smartphone zu.

»Das ist eine absolute Ausnahme!«, erklärte er. »Du meldest dich jede halbe Stunde. Und du hörst dich nur um, du unternimmst nichts. Wenn du etwas erfährst, dann gibst du uns sofort Bescheid. Keine Schlägereien oder Schießereien oder Messerstechereien oder –«

»Ich hab’s kapiert.«

Cey verzichtete vorsichtshalber auf jegliches Gemecker, aber Xyen war trotzdem noch nicht zufrieden. »Wiederhole es«, forderte er.

»Ich werde mich in der Stadt umhören und versuchen, jedem Ärger aus dem Weg zu gehen.«

Das war natürlich eine sehr aufgeweichte Variante von Xyens Worten, doch zu einem anderen Zugeständnis war Cey nicht bereit. Ihr Mentor akzeptierte es stillschweigend.

»Es gibt eine weitere Bedingung.« Xyen zog ein Ayaro aus der Tasche seiner Hose. Der kleine weiße Stein in der Mitte des Bandes wurde von zwei schwarzen Ringen umrahmt, eine Konstruktion, die sofort Ceys Argwohn weckte.

»So ein Ayaro habe ich ja noch nie gesehen.«

»Das ist auch eine spezielle Anfertigung, nur für dich.«

Wie nett …

»Wirst du es tragen und zwar freiwillig und nicht nur, weil ich dich dazu verpflichte?«

Nun, um die Frage ihres Mentors zu beantworten, musste Cey erst einmal wissen, ob sich ihr neues Identifikationsarmband nach wie vor von denen aller anderen Seday-Schüler unterschied. »Kann ich es ohne fremde Hilfe öffnen?«

»Da bin ich mir ganz sicher.« Xyen wirkte eindeutig amüsiert und zugegeben, es war vielleicht nicht die beste Formulierung gewesen. Schließlich hatte sie bereits einmal eines der als absolut sicher geltenden Ayaros geknackt, es hatte sie allerdings enorm viel Zeit gekostet. Zeit, die sie vielleicht nicht immer besitzen würde.

»Ich meinte, ob ich es ohne … größere Anstrengungen öffnen kann?«

Der Seday musterte sie eindringlich. »Ja. Aber, Cey, ich möchte immer von dir informiert werden, bevor du dein Armband ablegst.«

Xyens Tonfall verriet, dass sie sich besser an seine Vorgabe hielt, und in Anbetracht der Bestimmungen, die für alle nicht ausgebildeten J’ajal galten, war sein Angebot mehr als nur fair. Also nickte Cey.

»Ich werde dir Bescheid geben, außer wenn mir eine Situation keine Möglichkeit lässt.« Mehr konnte sie nicht versprechen.

Xyen zeigte sich einverstanden und gab ihr das Ayaro. Cey schob es unter den Ärmel ihrer Sweatjacke und wandte sich der Tür zu. Auf halben Weg rief Xyen ihr noch etwas hinterher.

»Cey? Ich wäre dir übrigens auch sehr dankbar für eine Info, bevor du Jay das nächste Mal dazu aufforderst jemandem mit deinem Armreif zu grillen.«

Cey grinste. Der elektrische Impuls, den ein Ayaro seinem Besitzer im Notfall versetzen konnte, war ihrer Meinung nach das beste Feature, besonders, wenn sich das Armband gerade am Handgelenk eines mordlüsternen Hayrans befand … Sie murmelte ein "Ich werde mich bemühen", dann war sie draußen und schlängelte sich durch die zwielichtigen Pfade der Stadt. Dunkle Gassen, finstere Gestalten, drohendes Gewisper – das war ihr Metier.

***

Am späten Abend trafen sie im vorderen Wohnzimmer des Seday’schen-Anwesens wieder aufeinander. Xyen diskutierte mit Lee, dem chinesischen Arzt seiner Truppe, während Jay durch eine Liste von Personendaten flippte.

»Und?« Mit gerunzelter Stirn musterte Xyen Cey von oben bis unten. Vielleicht hätte sie nicht mit High Heels, tiefsitzender Hose und irgendeinem Fetzen, den man nur mit zwei zugekniffenen Augen als Shirt bezeichnen konnte, bei den Seday aufkreuzen sollen, doch Cey hatte keine Zeit mit Umziehen vergeuden wollen.

»Ja, lässt sich hier wirklich ganz gut shoppen«, meinte sie biestig. Sie hasste es, wenn Xyen sie kritisierte, und dass sie ihr knappes Outfit selbst nicht ausstehen konnte, machte es nur noch schlimmer. Aber schließlich ging es hier nicht darum, was ihr gefiel, sondern was gewisse Männer gerne an ihr sahen. Und das waren eindeutig nicht die schlabbrigen, Figur umspielenden Klamotten, die sie für gewöhnlich trug.

Xyen war allerdings nicht im Geringsten an ihrem Aufzug interessiert, wie er ihr durch einen stummen Hinweis mitteilte, und Cey musste ihm Recht geben – diese Hautpartie sah wirklich etwas zu nackt aus. Also bückte sie sich und beförderte das an ihrem Fußknöchel versteckte Ayaro zurück an ihr Handgelenk. Ihr Mentor kommentierte es zum Glück nicht weiter.

»Und?«, fragte er stattdessen. »Was hast du erfahren?«

»Tja, keine Ahnung, ist anscheinend eine Menge los momentan.« Cey seufzte und setzte sich zu den anderen an den Tisch. »Aber nichts, was mit Nathans Verschwinden in Verbindung zu stehen scheint.«

»Erzähle uns trotzdem alles, was du gehört hast«, bat Xyen. »Wir haben gerade zum fünften Mal die Hintergründe von Nathans Widersachern überprüft. Zwar scheint jeder ein Alibi zu haben, aber vielleicht passt ja irgendetwas zu dem, was du gehört hast. Wenn nicht, müssen wir unsere früheren Fälle checken, vielleicht hat Nathans Verschwinden überhaupt nichts mit seinen derzeitigen Recherchen zu tun. Oder es treiben sich wieder feindselige J’ajal in der Stadt herum, obwohl wir das prinzipiell beobachten und bisher niemanden entdecken konnten.«

Ein gehässiges Lächeln huschte über Ceys Gesicht. »Nun, zumindest die Hayran sind immer noch mit etwas anderem beschäftigt«, stellte sie klar.

Drei Augenpaare schenkten ihr einen intensiven Blick.

»Mit was denn?«, erkundigte Lee sich interessiert und Cey fiel auf, dass sie wohl besser die Klappe gehalten hätte.

»Ist nicht so wichtig.« Hastig begann sie mit ihrer Aufzählung. »Also, in ein paar Tagen wird ein mexikanischer Drogenbaron erwartet und einige fleißige Helferlein erproben rund um die Uhr eine neue Mixtur. Eine Menge Schmiergeld ist von einem Konzern an einen lokalen Politiker geflossen, damit ein Gesetzesentwurf mit verschärften Vorgaben für die Müllentsorgung gekippt wird. Dann gibt es einen riesigen Aufstand um wechselseitig geklaute Karossen, weil ja heute Nacht das Straßenrennen um die Blaue Stahlfelge stattfindet. Ich habe eine schier endlose Liste, wer es mit wem so getrieben hat, der Bürgermeister scheint da sehr emsig zu Werke zu gehen …«

Cey stoppte, weil die Seday sich einen fragenden Blick zuwarfen und nahezu gleichzeitig in ein gefluchtes »Shit« ausbrachen. Das klingt vielversprechend.

»Nathans Auto …«, begann Jay gedehnt.

»Was ist damit?«

Jay schnitt eine Grimasse. »Nathan fand unsere Wagen nicht gerade standesgemäß für seine Party«, erklärte er. »Deswegen hat er sich einen aufgemotzten Mitsubishi Lancer ausgeborgt …«

Cey starrte entgeistert in die Runde. »Das ist nicht euer Ernst! Nathan hat sich einen Wagen von der Straße geklaut?«

Xyen sah sie mahnend an. »Cey, ausgeborgt ist nicht gleichbedeutend mit Stehlen.« Doch dann bekannte ihr Mentor kleinlaut: »Es war ein von der Polizei konfisziertes Fahrzeug, das in zwei Wochen an seinen rechtmäßigen Besitzer zurückgeschippert werden sollte. Die Cops haben sich schon gewundert, warum der Wagen ausgerechnet hier am anderen Ende der Welt aufgetaucht ist.«

Und weil Autos immer völlig grundlos von einem Kontinent zum anderen wandern, hatten die Seday nichts Besseres zu tun, als mit so einer Karre eine Spritztour zu unternehmen. Cey stöhnte laut auf. »Warum habt ihr keinen passenden Wagen gekauft?«, empörte sie sich. »So arm seid ihr ja nicht.«

Lee unternahm einen Verteidigungsversuch. »Das lag weniger am mangelnden Geld als an der Zeit für das Ausfüllen von ungefähr dreißig Formularen.«

»Ist doch eure eigene bescheuerte Bürokratie dran schuld!«

»Es reicht jetzt«, bestimmte Xyen. »Wir haben momentan andere Probleme. Cey, weißt du, wo dieses illegale Straßenrennen stattfinden soll?«

»Ja, das weiß ich.« Dann dämmerte Cey etwas. »Hat einer von euch überhaupt eine Ahnung, um was es bei der Blauen Stahlfelge geht?«

»Tja …«, brummte Lee.

»Also …«, murmelte Jay.

Nur Xyen war so ehrlich sofort zu verneinen. »Normalerweise ist Nathan für diese Spielereien zuständig.«

»Ihr werdet euch keinen einzigen Meter auf dem Austragungsgelände bewegen können, wenn ihr absolut nichts über dieses Rennen wisst«, bemerkte Cey abschätzig. »Und wie viele konfiszierte Fahrzeuge hat die Polizei denn noch für euch im Angebot? Der Start erfolgt übrigens«, sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Uhr, »in genau einer Stunde.«

»Wir werden an keinem Autorennen teilnehmen!«, hielt Xyen energisch fest.

So süß, diese Seday. Die würden glatt eine Heerschar von Polizisten an die Startlinie schicken und sich dort höflich nach Nathans Verbleib erkundigen. Taktvoll wies Cey ihren Mentor auf die Erfolgschancen einer solchen Aktion hin, so irgendetwas zwischen »Ihr würdet rein gar nichts erfahren« und »Ihr dürftet anschließend noch mehr Teammitglieder suchen gehen«.

Xyen schwieg kurz, wahrscheinlich war er schockiert über ihre absolut abwegige Unterstellung. Dann bemerkte der Seday grimmig: »Ich bin mir sicher, dass ich es bereuen werde.«

»Was denn?« Cey klimperte unschuldig mit den Wimpern und Xyens Missmut vertiefte sich.

Trotzdem sprach er seine Frage aus. »Cey, wie sieht dein Plan aus?«

Fünf Minuten später hatte Cey alle Anweisungen verteilt und griff nun selbst zum Handy – zu ihrem eigenen wohlgemerkt, nicht dem verdrahteten Seday Smartphone. Sie tippte eine Nummer ein und brüllte bereits los, kaum dass sich der angewählte Teilnehmer meldete. »Hey Alter, wie läuft’s?«

»Cey, bist du’s?«, donnerte es genauso laut zurück. »Hast ja ewig nichts mehr von dir hören lassen.«

»Sorry, du kennst mich, bin ziemlich beschäftigt. Aber lass mich raten, ich glaube, wir halten uns gerade rein zufällig in der gleichen Stadt auf …«

Der folgende Aufschrei war selbst für Cey zu schrill. Hastig riss sie das Telefon von ihrem Ohr weg, doch selbst mit einem Meter Abstand konnte man die Worte noch gut verstehen.

»Nein, wie geil ist das denn? Du bist wieder dabei. Haben dich beim letzten Mal schon schmerzlich vermisst …«

Für das restliche Gespräch flüchtete Cey sich vor Xyens vernichtenden Blicken und dem Wir-sollten-uns-dringend-mal-unterhalten-Gesicht in den Garten.

Als sie den Deal unter Dach und Fach gebracht hatte, waren auch die anderen so weit.

»Diese beiden wissen angeblich, was die Blaue Stahlfelge tatsächlich ist und was für einen zusätzlichen Preis es gibt«, erklärte Jay verstimmt und deutete auf zwei seiner Männer. »Fragt sich nur, woher …«

Three und Ten, wie die beiden Seday heute hießen, sahen sich betont interessiert um und musterten so ziemlich alles, nur nicht ihren Chef. Der hünenhafte J’ajal mit den jadegrünen Augen wies den zehn Männern, die ihm unterstanden, immer wieder neue Namen zu, je nachdem, für welche Aufgabe er sie einteilte. Xyen, Lee und Nathan ließen sich jeden Morgen eine mentale Zahlen-Liste schicken, um die allgemeine Verwirrung zu minieren, dank ihrer J’ajal-Fähigkeit die Namen ihrer Gegenüber aus deren Bewusstsein ablesen zu können hatte Cey das allerdings nicht nötig.

»Mir ist egal, woher Ten und Three vom Rennen wissen.« Cey grinste und freute sich, dass es einige Dinge gab, die selbst Jay, der Schattenmeister schlechthin, nicht wusste. »Also, was ist die Blaue Stahlfelge?«

Ten fing an. »Das ist eine total schäbige, blau angemalte Stahlfelge.«

»Und was gibt es sonst zu gewinnen?«

»Nichts«, erwiderte Three lapidar. »Kein Preisgeld, keine Autos, keine … ähm, Frauen. Es gibt rein gar nichts. Außer der Felge.«

»Perfekt.« Cey nickte zufrieden und wandte sich zu Jay um. »Die beiden nehme ich mit.«

Für einen Moment sah Jay aus, als ob er ihnen allen zusammen den Kopf abreißen wollte, doch dann tauschte er nur einen düsteren Blick mit Xyen und begab sich auf dessen Zeichen hin zu seiner vorgegebenen Position.

»Hier ist die Liste der Cops, die du haben wolltest.« Lee reichte ihr ein Tablet.

Cey scrollte durch die Angaben, die der Chinese ihr zusammengestellt hatte, und schränkte die Auswahl auf drei Kandidaten ein. Die Namen sandte sie an eine Adresse in ihrem Handy und nur wenige Augenblicke später verriet ihr ein Piepsen, dass sie sich nicht geirrt hatte.

»Den«, bestimmte sie und gab Lee das Tablet zurück. »Kriegst du ihn dazu?«

»Wird sich ja zeigen«, brummte Lee und machte sich auf den Weg.

Jetzt war der ideale Zeitpunkt, um aufzubrechen, Xyen verharrte allerdings bewegungslos an der Tür. »Cey, ich glaube nicht, dass ich deinen Plan komplett verstanden habe.«

»Na ja.« Cey zuckte nachgiebig mit den Schultern. »An einigen Stellen werde ich einfach improvisieren müssen.«

Das war gewiss nicht die Antwort, die ihr Mentor sich erhofft hatte, trotzdem spürte sie einen Anflug von Belustigung in Xyens Gefühlen.

»Improvisieren, hm? Soll ich die Mikrowelle aus unserer Küche einpacken?«

»Ach, lass nur.« Cey winkte großzügig ab. »Falls nötig, finde ich auch vor Ort etwas.«

Vorerst unterdrückte Xyen seine weiteren Bedenken und fuhr sie, Three und Ten in die Stadt. Die Besorgung der Outfits stand noch aus. Natürlich hatten die Läden längst geschlossen, aber das hatte Cey schließlich noch nie aufgehalten. Um die Alarmanlage am Eingang zu deaktivieren, brauchte sie keine halbe Minute und weil Three und Ten zielstrebig auf die richtigen Klamottenberge zusteuerten, konnte sie sich getrost ihrer eigenen Aufmachung widmen.

»Hast du schon mal was während der Öffnungszeiten eingekauft?« Xyen folgte ihr kopfschüttelnd und sah ihr aufmerksam zu, wie sie in die passende Unterwäsche schlüpfte.

Ceys Finger verharrten auf dem Verschluss ihres BHs, als sie den Blick ihres Mentors gewahrte und etwas darin zu lesen glaubte, das weit über ein Interesse an der bloßen Beantwortung seiner Frage hinausging.

Schweigend trat Xyen an sie heran. Er hob die Hand und befreite vorsichtig eine ihrer langen Haarsträhnen aus dem Träger des BHs, dann wich er wieder zurück. Ein Schauer rann durch Ceys Körper und mit einem unterdrückten Seufzer schloss sie die Augen. Warum mussten die Seday nur einen Verhaltenscodex befolgen, der eine allumfassende Bewusstseins-Verschmelzung bei einer sexuellen Beziehung zwischen Schüler und Mentor forderte? Was machte diese Regel für einen Sinn, wenn es ihr aufgrund der Pflichten, die sie ihrer dunklen Vergangenheit zu verdanken hatte, unmöglich war Xyen jemals ein solches Vertrauen zu gewähren?

Missmutig inspizierte Cey den nächsten Kleiderständer. Ein hautenges Minikleidchen kam für ihre Zwecke in Frage und tatsächlich konnte sie darin sogar einigermaßen atmen – bestimmt ein Produktionsfehler – dennoch entschied sie sich dagegen. Etwas mehr Bewegungsfreiheit würde in dieser Nacht bestimmt nicht schaden.

Three und Ten hatten es da bedeutend einfacher – coole Jeans, schlichtes Shirt, lässige Lederjacke und die selbst bei Nacht obligatorische schwarze Sonnenbrille, schon war das Thema gegessen. Aber nach zwei weiteren Versuchen wurde Cey ebenfalls fündig: Overknee-Stiefel, super kurze Shorts und ein Top, das eine Unmenge an verschiedenen Bändern aufwies. Den BH darunter konnte Cey sich getrost sparen und sie überlegte, ob es sinnvoll wäre ausgerechnet Xyen zu bitten die Verschnürungen in ihrem Rücken zu knoten. Ihr Mentor musterte ihre Verrenkungen allerdings nur kurz, bevor er eigenmächtig nach den Bändern griff und sie geschickt miteinander verwob.

Wo er das wohl gelernt hat?

Cey verstaute die durchgefallenen Kleidungsstücke wieder ordentlich in den Regalen. Anschließend musterte sie Three und Ten, nickte anerkennend und kritzelte die entsprechenden Rechnungsbeträge auf einen Block, den sie in der Nähe der Kasse gefunden hatte.

Ten und Three verließen den Laden, während Xyen unruhig auf und ab ging. »Mir gefällt das immer weniger«, schimpfte er schließlich.

»Tatsächlich? Hätte ich fast nicht bemerkt.« Cey schnappte sich eine helle Jacke und addierte den Preis zu den anderen Positionen.

»Das ist nicht witzig.« Xyen warf ihr einen gereizten Blick zu.

»Hm …« Ganz schön teuer, so ein dreifacher Klamotten-Einkauf. Cey legte die aufgerundete Summe in Scheinen neben die Kasse und versenkte zusätzlich etwas Kleingeld in einer aufgestellten Spendenbüchse. Anschließend drückte sie ihrem Mentor die selbstverfasste Quittung in die Hand. »Hier, könnt ihr bestimmt von der Steuer absetzen. Berufsbekleidung oder so.«

Xyen nahm den Zettel zwar entgegen, nutzte die Gelegenheit aber auch, um ihre Hand festzuhalten, und damit blieb Cey nichts anderes übrig, als ihrem Mentor seufzend in die Augen zu sehen.

»Es sind nur Menschen, keine J’ajal«, versuchte sie Xyen zu beschwichtigen. »Und es ist nur ein bescheuertes Autorennen.«

»Ein Rennen, bei dem es nicht erlaubt ist sein eigenes Handy mitzubringen, deutet auf äußerst paranoide Veranstalter hin!«

Und angesichts der Seday’schen Spionagetechnologie ist diese Paranoia natürlich völlig unbegründet.

»Ihr werdet noch nicht einmal eure Ayaros tragen«, ergänzte Xyen verärgert.

»Weil wir komplett gefilzt werden, bevor wir die Koordinaten der Strecke erhalten, habe ich doch bereits erklärt. Und ganz so unwissend, wie ihr sie gerne hättet, sind einige Menschen eben auch nicht.«

So langsam wurde Cey echt ungeduldig. Es war ja nicht so, als wenn sie zum ersten Mal an so einem Rennen teilnehmen würde. Gerade wollte sie eine dementsprechende Bemerkung vom Stapel lassen, aber Xyens offene Gefühle bremsten sie aus. Er machte sich einfach nur Sorgen. Sorgen um sie.

»Hey«, sagte sie versöhnlich und für einen Augenblick schmiegte sie sich eng an Xyens Brust. »Das wird schon alles klappen. Wir kriegen doch ein Ersatz-Handy. Und außerdem werden du, Lee, Jay und seine restlichen Männer ganz in der Nähe sein. Kein Grund zur Panik.«

Restlos überzeugt war Xyen wohl immer noch nicht. Trotzdem wies er mit dem Kopf in Richtung Tür. »Dann los …«

Beim Sichern des Einganges kam ihr der USF-Teamanführer zuvor und als er ihre betont ausdruckslose Miene bemerkte, stellte Xyen mit hochgezogener Augenbraue klar: »Cey, es ist etwas vollkommen anderes, ob ein speziell trainierter Seday über solche Kenntnisse verfügt oder eine junge Schülerin.«

»Wie du meinst …« Cey entschied ihrem Mentor die Illusion über seine heile Welt zu lassen, kichern musste sie allerdings trotzdem.

Um bei den üblichen Wetteinsätzen mithalten zu können, stattete Xyen sie, Three und Ten noch mit einem ordentlichen Batzen Geldscheine aus. Einen richtigen Preis hatte das Straßenrennen deshalb nicht nötig, weil die Fahrer die Prämien unter sich ausmachten. Natürlich mit einer angemessenen Provision für den Veranstalter.

Einige Minuten nach Mitternacht erreichten Cey und ihre beiden Begleiter den vorgeschlagenen Treffpunkt ihres Kumpels und wie versprochen warteten dort die bestellten Fahrzeuge auf sie. Cey nahm dankend die Autoschlüssel entgegen und prägte sich die Liste der getunten Bauteile ein. Immerhin, die Karosserie entsprach noch exakt dem Original.

Beinahe zu spät trafen Three, Ten und sie auf dem Austragungsgelände ein und eilig brachten sie die nötigen Formalitäten hinter sich – horrende Gebühren für die Teilnahme begleichen, profimäßige Wageninspektion genießen, Durchsuchung ihrer Klamotten erdulden und zum Schluss: Abchecken der anderen Renn-Teilnehmer.

Noch bevor das Startsignal ertönte, waren die Seday und Cey auf der richtigen After-Race-Party eingeladen und als die Fahrer angewiesen wurden ihre zuvor ausgelosten Markierungen einzunehmen, gewährte Cey ihrem neuen Bekannten Kyle ein aufreizendes letztes Lächeln.

Dann fiel die Flagge und das Rennen begann.

***

»Cey, pass auf!«

Threes mental übermittelte Warnung lenkte Ceys Blick in den Rückspiegel und richtig – der grüne Toyota Supra, der ihr seit der letzten Viertelmeile am Auspuff klebte, scherte nach rechts aus. Blöd nur, dass die Straße, die sich vor ihnen den Hang hinabschlängelte, keinen Platz für zwei nebeneinander herjagende Fahrzeuge bot. Bei ihrer drastisch überhöhten Geschwindigkeit musste jede einzelne der zahlreichen Kurven geschnitten werden oder man war raus – und das nicht aus dem Rennen.

Was für ein Idiot! Cey verfluchte den waghalsigen Supra-Fahrer, der sich wohl nach einem Krankenhausaufenthalt sehnte. Vielleicht sogar nach einem Grabstein, denn die nächste Kurve rückte unerbittlich näher und der Kerl machte keinerlei Anstalten seinen aufgemotzten grünen Wagen wieder hinter den ihrigen, nicht weniger getunten roten Honda S2000 zu lenken.

»Bremsen! Du musst bremsen!« Ten, der ein gutes Stück zurücklag und deshalb von seiner erhöhten Position einen ausgezeichneten Blick auf die Geschehnisse am unteren Ende des Hangs besaß, wiederholte seinen lautlosen Befehl mindestens ein Dutzend Mal. Cey dachte allerdings überhaupt nicht daran ihrem Schatten Folge zu leisten. Wenn sich der Supra-Mistkerl mit seinem Überholmanöver nicht bis zur geraden Strecke kurz vor der Ziellinie gedulden konnte, sein Problem.

»Cey, er wird dich von der Straße drängen …«

Nur wenn sie ihm die Chance dazu gab. Cey sandte ein stummes »Achtung!« an Three, der mit seinem gelben Nissan Skyline GTR nur knapp hinter ihr über den Asphalt bretterte, dann riss sie ihr Lenkrad mit brutaler Gewalt nach rechts. Wie ihr Auto nach dem Rennen aussah, war ihr schließlich total egal. Funken sprühten, als rotes auf grünes Metall traf. Der Supra-Fahrer versuchte hastig gegenzulenken, aber Cey kannte sich mit diesem Spielchen zu gut aus, um nicht passend zu reagieren. Netterweise passte sie den flachsten Teil des Hanges vor der 180°-Kurve ab, bevor sie ihren Fuß auf das Bremspedal rammte. Der fehlende Widerstand rächte sich sofort und obwohl der Mensch nun ebenfalls in die Eisen stieg, schoss sein Supra seitlich über die Straße hinaus. Mindestens ein Reifen fiel dem steinigen Untergrund zum Opfer, soweit Cey das erkennen konnte, und aus dem Motorraum des grünen Wagens stieg eine dunkle Rauchwolke auf. Das war allerdings alles, kein doppelter oder dreifacher Überschlag, der unweigerlich durch ein Abkommen an einer anderen Stelle der Strecke erfolgt wäre.

»Cey!«

»Was denn?« Cey schenkte Three, der seinen Skyline GTR rechtzeitig hinter ihr zum Stillstand gebracht hatte, einen unschuldigen Blick durch den Rückspiegel. »Ich sollte doch bremsen, oder?«

Three sparte sich eine mentale Erwiderung, wahrscheinlich deshalb, weil Ten ihnen lautlos verkündete, sie würden in den nächsten Sekunden Besuch von drei weiteren Rennteilnehmern erhalten.

Cey grinste, legte den Gang ein und raste ihrem Ziel entgegen, das keineswegs darin bestand Erste zu werden. Nein, diese Position hatte sie für einen gewissen weiß-schwarzen Mitsubishi Lancer vorgesehen, der einzig und alleine wegen dieses Rennens seinem rechtmäßigen Besitzer in Australien geklaut und nach West Whiard importiert worden war. Ein solcher Aufwand, vor allem nach dem zusätzlichen Ärger mit den hiesigen Cops und einem blonden neureichen Jüngling, der meinte, er dürfte den Lancer für seine privaten Spritztouren ausborgen, musste doch einfach belohnt werden …

***

»Ich kenne einen Seday, den es wahnsinnig interessieren würde, wie gut du fahren kannst«, raunte Ten in Ceys Ohr und besitzergreifend legte er seinen Arm um ihre Schultern. Zugegeben, Kyle das Rennen gewinnen zu lassen war schwieriger geworden als gedacht, aber Cey hatte nicht als Einzige dazu beigetragen. Threes absichtlich herbeigeführtes Querstellen seines Skyline GTR in der letzten Kurve des Hangs hatte ihr schließlich einen gehörigen Abstand zu den anderen Fahrern eingebracht und den Trick, wie Ten den Halter eines Nissans 370Z mit seinem grellen Scheinwerferlicht aus dem Konzept gebracht hatte, hatte Cey augenblicklich für ihr eigenes Repertoire abgespeichert.

Die Andeutung auf Ärger konnte sie also getrost zurückgeben.

»Nun, eure Fahrkünste wären bestimmt auch das eine oder andere Sondertraining wert, nicht wahr?«

Ihr Gegenüber gab umgehend nach und antwortete mental. »Einigen wir uns darauf diesen Part Xyen und Jay vielleicht nicht ganz so detailliert zu berichten?«

Und weil Frauen nun mal viel interessanter wirkten, wenn sie vergeben waren, kam Ten seiner Rolle gewissenhaft nach und küsste sie lange und intensiv.

»Abgemacht«, stimmte Cey lautlos zu. Sie rieb ihre Wange an den kurzen Stoppeln in Tens Gesicht und kuschelte sich so eng an ihn, dass sie schlussendlich beinahe auf seinem Schoss saß. Mit echtem Interesse fuhr sie die zahlreichen Tattoos auf Tens Oberarmen nach und ihr Schatten revanchierte sich mit einem weiteren langen Kuss.

Vorerst wurde ihr Geturtel allerdings vom Barkeeper unterbrochen, der kommentarlos ihre Drinks auf die Theke knallte.

War echt lecker, was Ten da bestellt hatte, trotzdem musste Cey sich auf die Lippe beißen, um nicht laut loszuprusten. Die Seday hatten echt die Ruhe weg, wenn sie selbst in dieser Situation an ihren erzieherischen Konzepten zu einem verantwortungsbewussten Dasein festhalten konnten – ihr Getränk wies einen Alkoholgehalt von Null Komma Null auf.

Three sandte ihnen einen mentalen Ping und Ten stand umgehend auf. Er ließ seine Finger über ihre Schulter in Richtung Brust gleiten und mahnte sie streng: »Nicht weglaufen, ja?«

Cey schnaubte auf. »Wie ausgesprochen witzig …«, beschwerte sie sich lautlos.

»Wusste, der Spruch gefällt dir!« Ten zwinkerte ihr zu und schlängelte sich an den Billardtischen vorbei, um auf der Toilette zu verschwinden.

Sofort beschlagnahmte Kyle den frei gewordenen Platz und eröffnete das Gespräch mit einem Kompliment. »Wow, du hast es echt drauf. Keiner hätte dir so ein klasse Rennen zugetraut.«

»Danke«, gab Cey abweisend zurück. »Ich habe es allerdings nur als Zweite über die Ziellinie geschafft. Und Zweiter ist nicht Erster.«

Ungeduldig wandte sie sich um, vielleicht war Ten bereits auf dem Rückweg zu ihr. Natürlich nicht. Kyle folgte ihrem suchenden Blick. »Dein Freund, richtig? Kennst du ihn schon länger?«

»Noch nicht so lange«, gestand Cey freimütig. »Aber er ist viel cooler, als ich gedacht habe.«

»Tja …« Kyle drehte betont gelangweilt das Glas in seinen Händen. »Wenn du ein paar Minuten Zeit hast, kann ich dir etwas zeigen.«

Ceys Augen streiften die schlaksige Gestalt ihres Gegenübers, dann zuckte sie unschlüssig mit den Schultern. »Ich weiß nicht … Was könntest du mir schon zeigen?«

Sofort verfinsterte sich Kyles Gesicht, die männliche Eitelkeit kannte eben keine Grenzen. »Dein Lover mag ja einige beeindruckende Muskeln aufweisen, aber wievielter war er beim Rennen? Fünfter …?«

»Sechster«, korrigierte Cey den Menschen gleichgültig. Sie ließ ihre Augen zurück an die imaginäre Stelle wandern, an der Ten aus ihrem Blickfeld verschwunden war.