Verdammte des Schicksals (Seday Academy 6) - Karin Kratt - E-Book

Verdammte des Schicksals (Seday Academy 6) E-Book

Karin Kratt

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Beschreibung

**Wenn dein Schicksal die Dunkelheit ist…** Der Kampf, den Cey nun führt, ist härter als alles, was sie je erlebt hat. Nur das unerschütterliche Vertrauen ihres Mentors Xyen und die Unterstützung ihrer Freunde aus der Seday Academy geben ihr die Kraft, sich dem Schatten ihrer Vergangenheit zu stellen – einem Feind, der keine Gnade kennt und für den die alten Gesetze der J'ajal nicht zu gelten scheinen. Ihm ist jedes Mittel recht, um sein Ziel zu erreichen und Cey in das finstere Schicksal zu drängen, das ihr einst zugedacht wurde... Eine actionreiche Fantasy-Reihe mit Suchtfaktor: Karin Kratt erschafft eine toughe Kämpferin, die sich in einer düsteren Welt zu behaupten weiß. Stark, unnahbar und unwiderstehlich! //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der Fantasy-Bestseller-Reihe:  -- Gejagte der Schatten (Seday Academy 1)   -- Verborgen in der Nacht (Seday Academy 2)   -- Erschaffen aus Dunkelheit (Seday Academy 3)  -- Gefangene der Finsternis (Seday Academy 4)  -- Entfesselt durch Rache (Seday Academy 5)  -- Verdammte des Schicksals (Seday Academy 6)  -- Geboren aus Vergeltung (Seday Academy 7)  -- Verfolgte der Vergangenheit (Seday Academy 8) -- Gezeichnete der Erinnerung (Seday Academy 9) -- Beseelt von Hoffnung (Seday Academy 10) -- Die E-Box der erfolgreichen Fantasy-Reihe »Seday Academy«: Band 1-4 -- Die E-Box der erfolgreichen Fantasy-Reihe »Seday Academy«: Band 5-8 -- Sammelband der romantischen Fantasy-Serie »Seday Academy« Band 1-8 -- Sammelband der romantischen Fantasy-Serie »Seday Academy« Band 1-10// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Karin Kratt

Verdammte des Schicksals (Seday Academy 6)

**Wenn dein Schicksal die Dunkelheit ist …** Der Kampf, den Cey nun führt, ist härter als alles, was sie je erlebt hat. Nur das unerschütterliche Vertrauen ihres Mentors Xyen und die Unterstützung ihrer Freunde aus der Seday Academy geben ihr die Kraft, sich dem Schatten ihrer Vergangenheit zu stellen – einem Feind, der keine Gnade kennt und für den die alten Gesetze der J’ajal nicht zu gelten scheinen. Ihm ist jedes Mittel recht, um sein Ziel zu erreichen und Cey in das finstere Schicksal zu drängen, das ihr einst zugedacht wurde …

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© privat

Karin Kratt ist eine lesesüchtige Mathematikerin, die sich nach ihrem Studium in der Bankenbranche Frankfurts wiederfand. Doch so sehr sie ihre Zahlen auch zu schätzen weiß, die Macht der Buchstaben begeistert sie noch weitaus mehr. Sie nutzt jede freie Minute, um ihre Träume auf Papier zu bannen. Träume, die bei ihren Streifzügen durch die endlosen Felder des hessischen Rieds entstehen oder auch mal ganz simpel auf der Liege im heimischen Garten.

»Du bist mein Geschöpf, Cey! Du gehörst einzig und alleine mir! Und bis in alle Ewigkeit wirst du mir auf jede nur erdenkliche Art und Weise dienen …«

– Astan –

Kapitel 1

Obwohl es bereits kurz vor Mitternacht war, herrschten auf Honeymoon Island – einer kleinen paradiesischen Insel vor der Westküste Floridas, die sich über eine Brücke bequem per Auto erreichen ließ – immer noch angenehm warme Temperaturen. Wellen brandeten sachte gegen den Strand, die Palmen wiegten sich träge im Wind und am Himmel funkelten zahlreiche Sterne.

Ein wirklich romantisches Plätzchen, dachte Cey und ihr Blick zuckte zu dem muskulösen, dunkelhäutigen J’ajal, der nur wenige Meter hinter ihr stand, die Arme vor der Brust verschränkt hielt und in dessen gold-braunen Augen ein halb angespannter, halb kritischer Ausdruck lag. Jetzt hoben sich Xyens Mundwinkel um eine Winzigkeit, offenbar nutzte er es mal wieder aus, dass er ein übermenschliches Geschöpf war und zusätzlich zu einer ganzen Reihe an Fähigkeiten auch die sehr seltene Gabe besaß, Emotionen wahrnehmen zu können. Emotionen wie etwa … Verlangen.

Cey seufzte leise auf, dann nahm sie sich jedoch ein Beispiel an Xyens Wachsamkeit und wandte ihren Blick ebenfalls wieder den dunklen und in lange Capes gehüllten Gestalten zu, die sich nun nach und nach am Strand einfanden und diesen zu einem ganz und gar unromantischen Plätzchen machten.

Und das lag nicht nur an dem andauernden Aufblitzen von Schwertern, Dolchen und sonstigen Waffen, sondern insbesondere an der Haltung von Astans einstigen Kriegern – Furcht und Zorn, Hass und Sorge, Bitterkeit und vor allem eine abgrundtiefe Bestürzung, all das konnte Cey aus den Bewegungen der sich versammelnden Wächter und Dämonen herauslesen, obwohl sie Xyens außergewöhnliche Gabe keineswegs teilte.

Es spiegelte jedoch exakt das wider, was sie selbst seit Zachriels gestrigem Auftritt im Fernsehen empfand, dem Auftritt eines Mannes, der ihrem jahrelangen sadistischen Peiniger rein äußerlich verblüffend ähnlich sah. Die Größe von über zwei Metern, die typische Attraktivität, die alle J’ajal besaßen, die seelenlosen, schwarzen Augen … – hätte es nicht den winzigen Unterschied gegeben, dass Zachriel auf der linken Gesichtshälfte eine Narbe von der Stirn bis zur Wange reichte, während sich diese bei Astan rechts befunden hatte, dann hätte man meinen können, die beiden Männer wären ein und derselbe.

Und das Schlimmste an der Sache ist, Cey biss sich auf die Unterlippe, während ihre Gesichtszüge sich erhärteten, dass Zachriel wohl wirklich auch innerlich ein exaktes Ebenbild von Astan ist.

Denn in den letzten Tagen hatte Cey nicht nur einmal gegen Zachriels perfide Rachepläne ankämpfen müssen. Ihr war allerdings noch nicht so ganz klar, ob Zachriel sie nun tatsächlich dafür töten wollte, dass sie Astan einst besiegt und vernichtet hatte, oder ob seine letzten Versuche nur ein makaberes Vorspiel auf etwas noch weitaus Furchtbareres gewesen waren.

Hat er damit gerechnet, dass ich all seine bisherigen Anschläge überstehen werde?, überlegte Cey. Will Zachriel womöglich nur testen, wie sehr mich die Jahre in Freiheit verweichlicht haben? Ob ich es noch wert bin, dass er sich ausführlicher mit mir beschäftigt?

Eine Gänsehaut kroch über Ceys gesamten Körper und augenblicklich wandten die beiden Gestalten, die sich zwischen ihr und den anderen Anwesenden am Strand positioniert hatten – und an denen sich nur ein ausgesprochen dämliches und lebensmüdes Wesen vorbeidrängen würde! –, den Blick in ihre Richtung.

»Schwesterchen«, sandte Sahim ihr einen lautlosen Tadel. »Wie wäre es, wenn du endlich mit diesen verstörenden Grübeleien aufhören würdest?«

»Soll ich Xyen sagen, du brauchst eine kräftige Kopfnuss?«, erkundigte sich der Graf eifrig. »Da er schon so stur darauf beharrt hat, dich zu diesem Dämonen-Wächter-Treffen zu begleiten, kann er sich doch auch ein wenig nützlich machen.«

O ja, dachte Cey voller Ironie. Das käme bestimmt ausgesprochen gut, wenn ausgerechnet ein gesetzestreuer und spießiger Seday der Wächteranführerin höchstpersönlich eine verpassen würde!

Innerhalb von maximal fünf Sekunden würden sich Dutzende Wächter und Dämonen auf Xyen stürzen. Sei es, weil diese sie tatsächlich verteidigen wollten oder – was vermutlich die weitaus größere Mehrheit betraf – sie schon seit Wochen nach einem Vorwand suchten sich mit demjenigen Mann anzulegen, der Ceys persönliches Abzeichen in sein Bewusstsein eingeprägt trug. Ein silbernes Schwert mit schwarzem Griff, das von hellblauen Flammen umzüngelt wurde.

»Du vergisst die Fraktion, die einfach nur deshalb mitmischen würde, weil eine gute Schlägerei nun mal nicht zu verachten ist«, warf der Graf belustigt ein, bevor er wieder die wispernde und raunende Menge ins Visier nahm. »Und sollte Xyen sich deswegen genötigt fühlen Lee, Jay und seine Männer hierher zu beordern, dann könnte diese Schlägerei nicht nur gut, sondern sogar hammermäßig-mega-gut werden!«

Cey konnte förmlich spüren, wie das Grinsen im Gesicht ihres Bruders breiter und breiter wurde. Sie selbst fand seine Vorstellung eines Dämonen-Wächter-Seday-Kampfes allerdings überhaupt nicht witzig und hoffte inständig, Lee, Jay und die anderen würden wie versprochen in sicherer Entfernung bei ihren Autos warten und darauf achtgeben, dass niemand – vor allem keine Cops – auf die unerlaubten, nächtlichen Besucher im Honeymoon Island State Park aufmerksam wurden.

»Die Cops?« Der Graf nickte scheinbar nachdenklich. „Ja, die können dann ruhig auch noch mitmischen, macht das Ganze um so spannender. Also werde ich Xyen jetzt sagen –«

»Wag es ja nicht!«, zischte Cey und für einen kurzen Augenblick hätte sie den Geist ihres Bruders am liebsten unsanft aus ihrem Kopf gestoßen, damit er nicht mehr an all ihren Gedanken teilhaben und sie dementsprechend reizen konnte. In diesem Moment erkundigte sich Xyen jedoch leise: »Cey, alles in Ordnung mit dir?«

Sie wurde besorgt gemustert und anhand der abgeschwächten Emotionen, die Xyen an sie aussandte, um ihr einen gewissen Ausgleich zu seiner Gabe zu gewähren, konnte Cey erkennen, wie wenig ihm dieses nächtliche Treffen behagte. Ja, dass er es sogar regelrecht verabscheute – vermutlich wegen der Erinnerung daran, was ihr bei der letzten Zusammenkunft dieser Art widerfahren war.

Ohne groß zu überlegen, trat Cey auf ihren Mentor zu und ungeachtet dem immer lauter werdenden Geraune der Anwesenden, griff sie nach seiner Hand und schmiegte sich flüchtig an seine Seite.

»Das wird schon werden«, murmelte sie und kopierte dabei bewusst die Worte des Seday’schen Optimismus-Prinzips, an das sie selbst eigentlich nur mäßig glaubte. Wie erhofft huschte jedoch ein Lächeln über Xyens Gesicht und er nickte bekräftigend. »Natürlich wird es das!«

Cey musste nun ebenfalls lächeln und für ein paar Sekunden genoss sie die vertraute und zuneigungsvolle Atmosphäre, die zwischen Xyen und ihr herrschte, dann ergänzte sie leise, aber überaus eindringlich: »Vergiss bitte nicht, dass du zwar zusehen, dich aber weder zu Wort melden, noch dich auf irgendeine andere Art und Weise einmischen darfst.«

Xyens Gesichtsausdruck wurde merklich grimmiger. »Ich schätze, es wäre gut, wenn du mich nicht nur darum bittenwürdest!«

Sein Blick heftete sich auf ein kleines Grüppchen Dämonen, die sich zwar gedämpft, aber offenkundig wütend unterhielten und dabei immer wieder hasserfüllt zu ihnen hinüberstarrten.

»Hmmm …«, nuschelte Cey. Sie holte tief Luft, weil sie sich immer noch daran gewöhnen musste, dass Xyen und sämtliche seiner Leute ihr versprochen hatten in Bezug auf Dämonen- und Wächterangelegenheiten von nun an stets ihren Vorgaben zu gehorchen, selbst wenn diese im Widerspruch zu ihrer eigenen Meinung stehen sollten.

Während Cey noch mit dem Gefühl des Unbehagens in sich rang, dem Mann, den sie so sehr bewunderte und über alles liebte, einen Befehl zu erteilen, drängte sich das Bild einer chaotischen Schlacht zwischen den Ihrigen, Nikaras Dämonen, unzähligen Cops, Xyen, Jay und dessen Männern in ihr Bewusstsein – ein dezenter Hinweis des Grafen, was passieren könnte, wenn sie auch weiterhin zögerte.

»Ich befehle dir, dich nicht einzumischen!«, forderte Cey nun so hastig, dass Xyen sie mit einem jener intensiven Blicke bedachte, die sich direkt bis in ihr Innerstes zu bohren schienen.

Anschließend nickte er jedoch. »Ich werde mich daran halten. Denn ich verspüre nicht die geringste Lust auf das, was deine Brüder dir gerade gezeigt haben, Cey.«

Ein amüsiertes Glucksen erklang und Sahim und der Graf wandten sich erneut zu ihnen um. »Xyen ist wirklich unglaublich, Schwesterchen«, verkündete Sahim ihr lautlos. »Ich habe allerdings keine Ahnung, wie du das mit jemandem aushältst, der selbst ohne geistige Verbindung zu dir alles so genau errät.«

Cey zuckte betont lässig die Schultern und warf dem Grafen einen drohenden Blick zu. Denn ihr fahler Bruder spielte gerade mit dem Gedanken vorlaut auf gewisse Situationen hinzuweisen, in denen es ausgesprochen praktisch war, wenn jede noch so kleine Geste oder Mimikänderung richtig gedeutet wurde – Situationen, die ausschließlich Xyen und sie etwas angingen!

»Du bist aber kleinlich heute!« Der Graf verdrehte seine blutroten Augen, strich sich eine weiße, kinnlange Haarsträhne aus dem Gesicht und riss dann übergangslos sein Schwert aus der Scheide. Die Klinge sirrte durch die Luft und stoppte nur wenige Millimeter vor der Kehle eines komplett in Schwarz gekleideten Wächters, der sich offenkundig nervös die Hände knetete, aber trotzdem nicht zurückwich.

»Ähm … lieber keine Seele als seine Seele …«, ratterte Resic die traditionellen Wächter-Begrüßungsworte herunter, während er gleichzeitig auf die Schwertspitze des Grafen schielte.

»… und lieber tot als keine Seele«, vollendete der Graf und ein Kräuseln seiner Lippen entblößte zwei strahlend weiße und überaus spitze Eckzähne.

»Ich … ich wollte nicht stören, nur …«

»Nur was?«, hakte der Graf nach und sein ausgesprochen liebenswürdiger Tonfall verstärkte Resics Unruhe sichtlich.

Cey dachte jedoch gar nicht daran, ihren Bruder aufzufordern das Schwert wegzustecken oder sich etwas weniger angsteinflößend zu geben. Denn erstens zählte Resic keineswegs zu ihren Unterstützern und obgleich er selbst vor einiger Zeit freiwillig auf sein Privileg verzichtet hatte, sie jemals für einen angeblichen Verstoß gegen ihre Gesetze anklagen zu können, so hieß das noch lange nicht, dass er nie jemanden anderen dazu anstacheln würde.

Resics Eitelkeit, die man bereits an seinen sorgfältig zurückgegelten Haaren erahnen konnte, war ein weiterer Grund, warum Cey diesen Wächter nicht sonderlich mochte. Und es stand zweifelsfrei fest, dass diese Nacht extrem anstrengend werden würde, schließlich hatte sie sich fest vorgenommen Astans einstige Krieger davon zu überzeugen, sich trotz Zachriels Auftauchen auch weiterhin wie halbwegs gesittete Wesen zu benehmen und nicht plötzlich jede Anpassung und Zurückhaltung aufzugeben, mit der sie seit Jahren gegen ihre tödlichen Instinkte und die Dunkelheit in ihrem Geist ankämpften.

Deswegen hatte Cey die wenigen Minuten, die ihr noch bis zur offiziellen Eröffnung des Dämonen-Wächter-Treffens blieben, auch so bitter nötig, um ihre Gedanken zu sortieren und sich verschiedene Argumente zurechtzulegen. Resic und sein Geschwätz waren dabei alles andere als hilfreich.

»Ich kenne die Regeln«, versuchte der Wächter gerade ihren Bruder zu überreden ihn vorbeizulassen. »Das hier ist aber keine gewöhnliche Zusammenkunft, sondern ein Notfall-Treffen, also wollen einige von uns, für die ich hier stellvertretend spreche, jetzt sofort wissen, ob Cey bereits früher von diesem Typ im Fernsehen gehört hat. Wer ist der Kerl und warum sieht er so aus wie Astan? Was soll das mit diesem neu eröffneten Institut für Kosmetik- und Pflegeprodukte, das er als Hauptinvestor finanziert? Was hat er dort vor? Und warum –«

Resics Stimme war selbstsicherer und lauter geworden und nicht wenige der Gestalten in seiner Nähe gaben ein beifälliges Knurren von sich, aber der Graf ließ sich davon nicht im Geringsten beeindrucken.

»Entweder du verschwindest jetzt wieder, Resic, und wartest noch die paar Minuten, bis du deine Fragen stellen kannst, oder …« Die Schwertspitze des Grafen schnellte nach vorne und strich warnend über Resics Kehle. »Oder du bleibst noch exakt drei Sekunden hier stehen und verfolgst dieses Treffen dann vom Jenseits aus. Noch zwei Sekunden. Noch eine …«

Resics Augen blitzten wütend auf, doch gleichzeitig machte er einen hastigen Schritt zurück. Dass sich nun ausgerechnet ein Dämon an ihm vorbeischob und von Sahim und dem Grafen mit einem freundlichen Lächeln durchgewunken wurde, wohingegen er als Wächter nicht mit seiner Anführerin hatte sprechen dürfen, entlockte ihm ein zorniges Fauchen, aber dann wandte er sich endgültig ab und verschwand wieder in der Menge.

»Hey, Xyen«, grüßte Nikara grinsend. »Ist dir schon mal aufgefallen, welch unglaubliches Talent Cey dafür hat, sich innerhalb von wenigen Momenten den Hass der gesamten Welt zuzuziehen?«

»Leider ja«, murmelte Xyen, während Cey entrüstet aufschnaubte.

»Ich habe doch gar nichts gemacht!« Vorwurfsvoll blickte sie ihren Freund an, der ebenfalls ein Cape und ein Schwert trug. Dank seiner rot-grün-blauen Punkfrisur und seinem Unterlippenpiercing stach Nikara für gewöhnlich aus der Masse heraus, aber da sich unter Astans einstigen Kriegern auch etliche Geschöpfe befanden, bei denen die erzwungene J’ajal-Wandlung zu den seltsamsten Mutationen geführt hatte, war sein Aussehen hier keinesfalls etwas Besonderes. Dass er allerdings nicht nur ein äußerst verrückter Kerl war, der sich mit einem schier unfassbaren Improvisationstalent aus jeder noch so schlecht geplanten Aktion zu retten vermochte, sondern zudem noch lange vor Cey die Anführerrolle über die Seinigen erhalten hatte, machte diesen Dämon sehr wohl zu etwas Besonderem.

Und die Tatsache, wie gerne Nikara von gewissen Personen als exklusiver Mode-Lieferant genutzt wird, sollte man wohl ebenfalls nicht außer Acht lassen, dachte Cey und ein kurzes Grinsen huschte über ihr Gesicht.

Als ihr Blick jedoch auf Nikaras weiße Turnschuhe fiel, die von knallbunten, aufgesprayten Totenköpfen verziert wurden, spürte sie unweigerlich Sehnsucht und Sorge in sich aufsteigen.

Was Nathan wohl gerade treibt?, überlegte sie. Als Xyens Stellvertreter war der stets fröhliche Sunnyboy an der Academy zurückgeblieben, wo er hoffentlich hinreichend mit seinen Aufgaben und Pflichten beschäftigt war, um keinen Blödsinn anzustellen. Denn erst vor wenigen Tagen hatte Nathans Neugier, kombiniert mit dem Wunsch an sämtlichen Aspekten ihrer verkorksten Existenz teilzuhaben, den jungen Seday beinahe getötet.

Ich sollte ihm vertrauen, meldete sich Ceys schlechtes Gewissen zu Wort. Obwohl sie Nathan seine Dummheit längst verziehen hatte, war da allerdings immer noch diese Angst tief in ihrem Innersten. Die Angst jemanden zu verlieren, den sie über alles liebte …

»Cey!«

»Was denn?«Unwillig sah sie zu dem Grafen hinüber, der jedoch nur seufzend den Kopf schüttelte und dann in Sahims Richtung wies. Dieser versenkte gerade sichtlich amüsiert sein Handy in der Hosentasche und noch bevor sie sein Bewusstsein durchforsten konnte, was denn bitte schön so lustig war, erklärte Sahim es ihr bereits.

»Dein durchgeknallter Seday schrubbt seit einer Stunde den Barbereich von Valas Table Dance Club. Jetzt will er eine Pause machen, um deine Freundin davon zu überzeugen zukünftig nur noch Wasser auszuschenken, weil er so langsam eine Phobie gegen klebrige Pfützen entwickelt. Alternativ soll Vala zumindest ein Schild aufstellen, auf dem steht, dass ihre Gäste von nun an selbst wischen müssen, wenn sie was verschütten.«

»Du hast mit Nathan gesimst?« Cey starrte ihren Bruder an und wusste nicht, ob sie sich bei ihm bedanken oder ihn für sein Nachspionieren tadeln sollte.

Wieder meldete sich ihr schlechtes Gewissen, weil sie nicht einfach darauf vertraut hatte, dass Nathan seine Lektion gelernt hatte. Gleichzeitig fühlte sie sich jedoch ungemein erleichtert – es ging ihm gut und er war sogar bereits dabei, seinen von ihr angeordneten Strafdienst für sein gedankenloses Einschleichen in eine Dämonenlocation abzuleisten. Und das, obwohl Nathan diverse Vorbehalte gegen ihre Freundin Vala und deren Table Dance Club hegte.

Ceys anfängliche Überraschung wandelte sich sehr schnell in Anerkennung und Stolz und sie musste lächeln, als sie sich vorstellte, wie Nathan mit seiner charismatischen Art Vala von seinen neuen Ausschank- bzw. Putzregeln zu überzeugen versuchte. Wenn überhaupt jemand damit Erfolg haben könnte, ist das ganz gewiss er, dachte Cey voller Zuneigung. Mit seinem treu-doofen Dackelblick kriegt er schließlich so ziemlich jeden um den kleinen Finger gewickelt.

Immer noch lächelnd wandte sie sich von Sahim ab und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Xyen und Nikara, die sich in der Zwischenzeit leise unterhalten hatten.

»Was strahlst du denn so?«, erkundigte sich der Dämonenanführer belustigt und Cey gab ein genuscheltes »Ach, war nur was wegen Nathan« von sich, während sie sich gleichzeitig bemühte ihre Mimik wieder stärker unter Kontrolle zu bringen.

Xyen bedachte sie mit einem gleichermaßen wissenden wie liebevollen Blick, doch Nikaras Gesichtsausdruck verfinsterte sich sofort. »Nun, falls dein dämlicher Seday auf ein limitiertes Paar Sneakers im Colorful Death-Design hofft …« Er zeigte auf seine Schuhe. »Dann richte ihm bitte aus, das kann er vergessen!«

Demonstrativ wich Nikara zwei Schritte zur Seite und starrte über den Strand. Obwohl sich der Dämonenanführer und Nathan in den letzten Wochen mehr und mehr angefreundet hatten und sich Nikara in der Vergangenheit ja ebenfalls schon eine Vielzahl an Dummheiten geleistet hatte, war er immer noch unglaublich sauer auf den Seday.

Und das wird sich vermutlich auch so schnell nicht ändern. Unglücklich sah Cey zu Xyen auf und er berührte daraufhin sachte ihr Bewusstsein mit seinem Geist. Der vertraute Kontakt beruhigte sie sofort und schenkte ihr zusätzlich ein Gefühl von Geborgenheit und Zuversicht – genau das, was sie jetzt brauchte.

Ein dankbares Lächeln glitt über Ceys Lippen und Xyens Blick wurde noch eine Spur sanfter. Für einen Moment verharrten sie so, ohne zu sprechen, ohne sich zu berühren, und dennoch auf eine einzigartige Weise miteinander verbunden. Dann trat Cey entschlossen an Nikaras Seite. Es wird Zeit anzufangen.

»Bereit?«, erkundigte sie sich und Nikara seufzte auf.

»Nein. Und du?«

»Auch nicht«, bekannte Cey. »Aber es muss ja sein.«

»Und du willst immer noch, dass ich dich bei dieser Versammlung ins Kreuzfeuer nehme?«, vergewisserte sich Nikara lautlos, sodass keine noch so guten J’ajal-Ohren seine Worte belauschen konnten. »Meine Fragen werden nämlich nicht sonderlich … angenehm werden.«

»Das ist mir schon klar.« Ein schiefes und gleichzeitig auch entschuldigendes Grinsen zeigte sich in Ceys Gesicht, weil sie Nikara bislang genauso wenig über Zachriel verraten hatte wie dem elfköpfigen Wächterrat, dem sie vorstand, oder allen anderen, die in den letzten Stunden vehement nach Antworten verlangt hatten.

Ihre Vorgehensweise, Nikara stellvertretend für alle Anwesenden sprechen zu lassen, um somit hoffentlich am Ende nur noch eine Handvoll individueller Punkte klären zu müssen, konnte nur funktionieren, wenn Nikara den gleichen Wissenstand wie die restlichen Dämonen und Wächter besaß und seine Fragen deshalb absolut authentisch waren. Und deshalb ergänzte Cey nun auch mit Nachdruck: »Komm ja nicht auf die Idee irgendetwas auszulassen, Nikara, bloß weil wir miteinander befreundet sind!«

»Aber das sind wir. Und werden es auch immer bleiben. Und ich vertraue dir, Cey – voll und ganz!«

Ohne ihr die Möglichkeit zum Antworten zu geben, sandte Nikara ein mentales Signal an alle der Seinigen. Nach einem kurzen Aufwallen von Zuneigung zu diesem verrückten Punk tat Cey das Gleiche mit den Ihrigen – es war nun Punkt Mitternacht und das Treffen galt als offiziell eröffnet.

Es waren weitaus mehr Dämonen und Wächter erschienen, als es bei ihren gewöhnlichen Treffen der Fall war, und zum allerersten Mal hatte kein einziger von ihnen seine Energie auf eine noch so kleine Vorab-Rangelei verschwendet.

Was nur bedeutet, dass es gleich umso hitziger zur Sache gehen wird …

Cey straffte die Schultern und schritt gemeinsam mit Nikara und dicht gefolgt von Sahim und dem Grafen durch die wartende Menge, die schlagartig verstummt war. Genau in der Mitte, auf einer kleinen und eilig errichteten Anhöhe aus Sand, hielten sie an und weil die Spannung, die bereits jetzt in der Luft hing, kaum mehr zu ertragen war, ergriff Cey augenblicklich das Wort.

»Ihr wisst, worum es geht – um den Mann, der vor etwas mehr als vierundzwanzig Stunden bei einer Einweihungsfeier mitten in New York aufgetreten ist. Ich selbst habe eine starke Vermutung, um wen es sich bei diesem Mann handelt …«

Ein lautes Raunen ertönte.

»… und zwar deswegen, weil einige von uns – Glen, Israfil, Zalouir und Sion – kürzlich unsere Gesetze nicht nur aus persönlichen Motiven gebrochen haben, sondern weil sie dazu angestiftet worden sind. Und weil sie dabei einen Namen erwähnt haben, den ich vor langer Zeit schon einmal vernommen habe: Zachriel.«

Rufe hallten durcheinander, doch Cey wandte ihren Blick nicht von Nikara ab, der seine Faust in die Höhe reckte, bis es wieder etwas leiser wurde. »Wann genau hast du diesen Namen gehört, Cey?«, wollte er wissen.

»Am letzten Tag unserer Gefangenschaft.«

Cey konnte sehen, wie ihr Freund scharf einatmete, und er war damit keineswegs der Einzige. Wieder wurde gezischt und gerufen und mehrere Anwesende verlagerten ihr Gewicht unruhig von einem Fuß auf den anderen.

»Wer hat dir diesen Namen genannt?«, hakte Nikara nach, obwohl er die Antwort gewiss schon ahnte.

»Astan.« Cey wartete kurz, bis zumindest die lautesten Wutschreie und Verwünschungen verklangen, und fuhr dann fort: »Bevor ich ihn vernichtet habe, hat Astan mir gedroht, er hätte Spiegelbilder von sich erschaffen – Spiegelbilder, die mich bis in alle Ewigkeit verfolgen würden. Kopien seines Selbst, mit all seinen Erinnerungen und Wesenszügen, die dafür sorgen werden, dass ich – ganz egal, was ich auch tue – es niemals schaffen werde dem Schicksal zu entrinnen, das er einst für mich vorgesehen hat.«

Cey konnte nicht weitersprechen, weil das Tosen der Menge einfach zu laut wurde. Die Haltung von Sahim und dem Grafen spannte sich merklich an und ihre Hände umschlossen bereits die Griffe ihrer Schwerter, aber noch hatten sie diese nicht gezogen.

»Ruhe!«, brüllte Nikara und der ausgesprochen zornige Blick, den er auf das chaotischste Grüppchen Dämonen richtete – exakt jene, die bereits zuvor voller Hass auf Ceys Nähe zu Xyen reagiert hatten –, brachte diese nach und nach wieder zum Verstummen.

Die anderen Dämonen und Wächter dämpften ihre Stimmen ebenfalls und obwohl immer noch das ein oder andere »Wie ist das möglich?« oder »Er ist nur hinter Cey her … Nein, er wird sich an uns allen rächen!« über den Strand schallte, war die Lautstärke nun sehr viel erträglicher als zuvor.

»Cey.« Nikara sah sie an und in seinen Augen ließ sich erkennen, wie sehr ihn ihre Erklärung erschüttert hatte. »Du weißt also seit fast sieben Jahren, dass Astan diese Spiegelbilder von sich erschaffen hat? Und hast diese Gefahr vor uns allen geheim gehalten? Du hast sämtliche deiner Gesetze in dem Wissen aufgestellt, dass uns womöglich keine Jahrzehnte in Freiheit erwarten, sondern nur ein flüchtiger Moment?«

»Ja«, erwiderte Cey, ohne zu blinzeln. Und in genau diesem Augenblick verwandelte sich der Strand endgültig in ein Tollhaus.

»Sie hat uns all die Jahre über zum Narren gehalten!«, brüllte Keegan, ein Typ, der unter seinem Cape eine schwarz-silberne Motorradhose trug und ihr stärkster Widersacher im Rat der Wächter war.

»Verrat, Verrat, Verrat!«, kreischte ein halbes Dutzend Dämonen gleichzeitig und dass ausgerechnet diese mit ihrer extrem zerfurchten, nachtschwarzen Haut und den vertikal geschlitzten, grellgelben Augen zu den furchteinflößendsten Albtraumgestalten unter ihnen zählten, verschlimmerte die Wirkung ihrer Worte noch um ein Vielfaches. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wurden allerorts Waffen gezückt und Cey konnte sich nur durch einen beherzten Sprung zur Seite vor einem geschleuderten Dolch retten.

Sahim, der Graf und auch etliche andere Wächter, ja, sogar sieben oder acht Dämonen, versuchten mit ihren Schwertklingen verzweifelt die tobende Menge auf Abstand zu halten, doch die Mischung aus Panik und Zorn raubte zu vielen der Anwesenden jeglichen Funken Verstand.

Eine Handvoll Wurfsterne sirrte durch die Luft und zwar die guten, exakt ausbalancierten, die Cey selbst so sehr schätzte – weswegen auch eine blitzschnelle Drehung und ein hastiges Ducken sie nicht davor bewahren konnten, sich einen langen blutigen, aber zumindest nicht sonderlich tiefen Schnitt an der Schulter einzufangen.

Ihre Wange brannte ebenfalls unangenehm, aber Cey blieb keine Zeit ihr Gesicht zu betasten. Denn ihr Blut war nicht das einzige, das auf den feinen Sand des Strands hinabtropfte, und wenn sie nicht sofort etwas unternahm, dann war’s das ein für alle Mal gewesen mit ihrer Absicht auch weiterhin für eine einigermaßen friedvolle Koexistenz zwischen Astans einstigen Kriegern und allen anderen Geschöpfen dieses Planeten zu sorgen.

Also schnellte Cey wieder in die Höhe. Sie schloss die Augen und bündelte ihre geistige Macht, um einen schrillen mentalen Ping an sämtliche der Ihrigen auszusenden. Und sie hielt diesen so lange aufrecht, bis sie das Gefühl bekam, ihr Schädel könnte jeden Moment platzen. Erst dann öffnete sie die Augen wieder und obwohl sich nur die wenigsten Wächter ihrem offenkundigen Willen beugten und ihre Waffen wieder wegsteckten, so stoppten sie immerhin für den Moment ihre Bemühungen, jeden Meinungsgegner in winzig kleine Stücke zu zerhacken.

Was die Menge allerdings wirklich wieder zum Nachdenken brachte, war das, was Nikara nun tat. Nicht die geringste Spur von Freundlichkeit ließ sich mehr in seiner Miene erahnen, als er sich mit schnellen Schritten den Weg zu demjenigen Dämon bahnte, der die Wurfsterne geschleudert hatte.

»Ich kann mich nicht daran erinnern, dir den Befehl erteilt zu haben Cey endgültig zu töten!«, sagte er eisig und eine fast schon greifbare Aura von Dunkelheit wallte um ihn herum auf. »Stattdessen kann ich mich sehr gut daran erinnern, wem wir es zu verdanken haben, dass wir heute überhaupt hier stehen können. Diese Person anzugreifen und zu verletzen, während sie direkt an meiner Seite weilt – das werte ich als Angriff auf mich selbst, Risnuch! Und meine Haltung zu diesem Thema sollte ja hinläufig bekannt sein.«

Cey wusste, was gleich geschehen würde und ihr Blick suchte zwangsläufig nach Xyen, der immer noch auf seinem ursprünglichen Platz stand. In der Dunkelheit konnte sie nicht erkennen, was für ein Ausdruck auf seinem Gesicht lag, und vielleicht war das auch ganz gut so, denn die Regeln in ihrer Welt unterschieden sich nun einmal grundlegend von denen der Seday.

Ohne ein einziges weiteres Wort zu verlieren, hob Nikara sein Schwert und trennte Risnuchs Kopf von dessen Körper. Von einem Moment auf den nächsten herrschte eine unheimliche Stille am Strand und die Reihen der Dämonen und Wächter ordneten sich wieder.

»Das war jetzt keine Prügelei nach meinem Geschmack!«, beschwerte sich der Graf lautlos, während Cey immer noch in Xyens Richtung starrte und überlegte, ob sie etwas zu Risnuchs Exekution sagen sollte. Dämonen, die sich anstatt mit Menschen oder gewöhnlichen J’ajal mit ihrem Anführer anlegten, durften von Nikara auch ohne ein Urteil des Wächterrats gerichtet werden. Sie hätte das Geschehene also in keiner Weise beeinflussen können, selbst wenn sie gewollt hätte, aber natürlich war es möglich, dass Xyen das ein klein wenig anders sah.

Ohne die eine oder andere drastische Maßnahme wären ihre Dämonen-Wächter-Strukturen allerdings schon längst zerbrochen und die unzähligen dunklen Gelüste, von denen Astans einstige Krieger beherrscht wurden, hätten vermutlich rasch zu einem folgenschweren Fehler geführt. Zu einem, der sowohl Menschen als auch gewöhnliche J’ajal auf sie aufmerksam gemacht und eine gnadenlose Jagd verursacht hätte.

Und das war etwas, das Nikara und sie selbst mit aller Macht verhindern wollten. Schließlich würde eine solche Jagd aufgrund der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Wächter und Dämonen nur von ausgesprochen kurzer Dauer sein, egal wie außergewöhnlich die meisten ihrer Fähigkeiten auch waren.

»Es musste sein, Xyen«, wagte Cey einen vorsichtigen lautlosen Vorstoß und sofort spürte sie die sanfte Berührung von Xyens Geist.

»Geht es dir gut?«, erkundigte er sich besorgt, ohne im Geringsten auf Risnuchs Tod einzugehen. »Ich weiß, Cey, ihr kämpft alle sehr gerne, aber das eben sah für meinen Geschmack doch arg heftig aus!«

»Arg heftig?«, kommentierte der Graf schlecht gelaunt, allerdings so, dass Xyen es nicht mitbekam. »Cey, sag mal, kann dein seltsamer Seday nicht rechnen, oder was? Seit der Eröffnung des Treffens sind bereitssechsundzwanzigMinuten verstrichen, aber es gab nureinen einzigen Toten. Also wenn das keine vortreffliche Quote ist, dann weiß ich auch nicht mehr!«

Noch bevor Cey wütend zu ihrem Bruder herumfahren konnte, brandete für eine einzelne Sekunde Sahims grüne Wasserwand in ihrem Verstand auf. Der Graf brach daraufhin glücklicherweise seine überflüssige Tirade ab – er hatte zwar durchaus recht damit, dass die Todes-Quote bei ihren Dämonen-Wächter-Treffen schon weitaus höher gelegen hatte, nur war das gewiss nichts, was sie Xyen erzählen wollte.

Weil Nikara in diesem Moment wieder seine Position ihr gegenüber einnahm, blieb Cey aber ohnehin nur noch die Zeit für eine knappe lautlose Beteuerung an Xyen, dass es ihr soweit gutging, dann forderten die auf sie einprasselnden Fragen wieder ihre volle Konzentration.

»Cey, ich möchte zunächst gerne klären, was du über dieses Institut in New York weißt. Versucht Zachriel dort eine neue Kriegergeneration zu erschaffen? Und ist dir Zachriels genauer Aufenthaltsort bekannt?«

Nikara musterte sie eindringlich, gleichzeitig aber auch seltsam distanziert und Cey verspürte für einen Moment einen schmerzhaften Stich. Dann riss sie sich jedoch zusammen.

»Das Tomorrow’s Beauty Institut wurde bereits gründlich durchsucht«, erklärte sie. »Und zumindest derzeit scheinen sich die Angestellten mit genau jenen Themen und Erforschungen zu befassen, für die sie von diversen Beauty-Produktherstellern beauftragt wurden. Was Zachriel angeht …« Cey schaffte es nur mit Mühe, sich ihre Frustration nicht anmerken zu lassen. »Der Kerl ist direkt nach seinem Auftritt bei der Einweihungsfeier wieder in der Versenkung verschwunden. Über keine der Kontaktdaten, die er als Hauptinvestor des Tomorrow’s Beauty angeben musste, hat er sich bislang aufspüren lassen. Seine Penthousesuite in New York, sein Telefon, Handy und seine E-Mail-Adresse werden natürlich rund um die Uhr überwacht, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass das etwas bringen wird.«

Zachriel würde erst dann wieder in Erscheinung treten, wenn er das für richtig hielt, und zwar ausschließlich zu seinen Bedingungen – Bedingungen, vor denen Cey bereits jetzt grauste.

Der laue karibische Nachtwind kam ihr plötzlich sehr viel kühler vor, doch sie vermied es tunlichst sich über die Arme zu reiben und damit der Menge ihre Unsicherheit und Angst preiszugeben.

»Wer ist für diese Überwachung verantwortlich, Cey?«, wollte Nikara wissen und sein Blick zuckte in Xyens Richtung.

»Ist doch klar wer«, höhnte Keegan, der sich inzwischen zu den Dämonen mit der nachtschwarzen, zerfurchten Haut und den geschlitzten Augen gesellt hatte. »Wahrscheinlich arbeiten Ceys ach-so-vertrauenswürdige Seday schon längst mit Zachriel zusammen und deswegen gibt es keine Spur von ihm!«

Cey spürte, wie eine rasende Wut in ihr erwachte. »Es sind tatsächlich einige Seday, die derzeit in New York auf der Lauer liegen«, zischte sie. Eine Gruppe von zehn Männern, die sie zwar nicht persönlich kannte, aber von denen sowohl Xyen als auch Jay eine ausgesprochen hohe Meinung besaßen. Von daher stand die Loyalität und Zuverlässigkeit dieser Männer außer Frage und für seine üble Verleumdung hätte Cey Keegan am liebsten eine geknallt.

Leider war er nicht der Einzige, der für die Mitglieder der Seday-Organisation tiefe Verachtung empfand. Eine Verachtung, die ausschließlich auf dem Unverständnis beruhte, wie den Seday moralische Prinzipien und die Unterstützung der menschlichen Gesellschaft mehr bedeuten konnten als Machtgier, Egoismus oder kurzweilige Vergnügen ohne Reue und ohne Gedanken an den nächsten Morgen.

Weil Cey keine Massenschlägerei zwischen Keegans Anhängern und Gegnern heraufbeschwören wollte, unterdrückte sie ihren ersten zornigen Impuls und starrte den Wächter stattdessen aus rot verfärbten Augen vernichtend an.

»Außer den Seday behalten aber auch einige FBI-Agents das Tomorrow’s Beauty im Auge«, erklärte sie in einem schneidenden Tonfall. Sanigton, der Leiter des FBIs, zählte zu ihren engsten Freunden unter den Menschen, weswegen er glücklicherweise ohne großes Nachhaken auf ihre Observierungsbitte eingegangen war.

»Und der Grund, warum ich bislang niemanden aus unseren eigenen Reihen nach New York entsendet habe – nun, was meinst du wohl, Keegan, wie gerne Zachriel die einstigen Krieger seines Schöpfers in die Finger kriegen würde?«

Die Schärfe in Ceys Stimme hatte sich bei ihren letzten Worten noch einmal deutlich verstärkt und von hier und da ertönte kleinlautes Gemurmel, doch Keegan zuckte nur kurz mit den Schultern.

»Du bist also einzig und alleine auf unseren Schutz bedacht, Cey?«, erkundigte er sich lauernd. »Oder hast du womöglich Angst, ich könnte mit meiner Behauptung über deine Seday richtigliegen? Schließlich scheint Zachriel weitaus mehr über dich zu wissen, als er sollte, oder irre ich mich da?«

Ein bitterer Geschmack erfüllte Ceys Mund, denn in diesem einen Punkt irrte sich Keegan keineswegs. Zachriel war in der Tat viel zu gut informiert, wie und wo er sie am härtesten treffen konnte. Das hatte sowohl der Angriff auf Tajyno, den Anführer der Seday, als auch zwei direkt auf sie abgezielte Attentatsversuche deutlich bewiesen. Und trotzdem – niemand aus Xyens Team würde sie jemals verraten! Für keinen Preis der Welt!

Oder vielleicht doch? Ohne es zu wollen, flackerte ein alter Funken von Misstrauen in Cey auf und sie ärgerte sich deswegen über sich selbst. Denn angesichts dessen, was ihre Teamkameraden bereits alles für sie getan hatten, war dieses Misstrauen schon längst nicht mehr angebracht, völlig egal welche Enttäuschungen sie in ihrer Vergangenheit erlebt hatte.

Ich werde mich nicht noch einmal von irgendwelchen Idioten dazu verleiten lassen, die Ehre meiner Freunde anzuzweifeln!, schwor sich Cey im Stillen und sie öffnete schon den Mund, um mit einer recht harschen Antwort auf Keegans Frage zu kontern, aber Nikara kam ihr zuvor.

»Schluss jetzt mit diesem blödsinnigen Gerede!«, knurrte er. »Oder willst du Ceys persönlichen Vertrauten offiziell als Verräter bezichtigen, Keegan?«

So unwahrscheinlich dies auch war – als Mitglied des Wächterrats wusste Keegan schließlich genau, welche Strafe ihm drohte, sollte sich seine Anklage nach einer eingehenden Prüfung als falsch erweisen –, Cey musste trotzdem heftig schlucken. Bevor ihr Verstand ihr jedoch diverse Schreckensbilder präsentieren konnte, etwa wie Xyen einem schmerzhaften mentalen Verhör unterzogen wurde, drängten sich bereits die zankenden Stimmen ihrer Brüder in den Vordergrund.

»Ich darf Keegan durchbohren, sollte er als hinterhältiger Intrigant verurteilt werden!«, verlangte der Graf.

»Ja, träum nur weiter, Bruderherz!«, spottete Sahim. »Bis du mal dein Schwertchen gezückt hast, habe ich diesem Idioten schon längst das Genick gebrochen!«

Keegan bedachte derweil Nikara mit zahlreichen finsteren Blicken, dann rang er sich jedoch das erlösende Nein ab.

»Ich schätze, dieses Nein basiert auf unserer aktuellenGesetzgebung …«, erklang eine leise, aber überaus zynische Stimme und Cey seufzte innerlich auf. Jetzt, wo Keegan endlich die Klappe hält, muss natürlich Resic die Wogen aufpeitschen!

Tatsächlich entflammte sofort eine hitzige Diskussion zwischen Wächtern und Dämonen über die Andeutung in Resics Worten und sogar Nikara schien etwas sagen zu wollen, verkniff sich seine Bemerkung aber im allerletzten Moment.

»Okay, Keegan für dich und Resic für mich«, schlug der Graf Sahim versöhnlich vor. »Und bei allem anderen Gesocks machen wir ebenfalls halbe-halbe.«

Cey musste unweigerlich lächeln, als Sahims lautlose Zustimmung durch ihr Bewusstsein toste, denn mit ihrer unnachahmlichen Art sorgten ihre beiden Brüder dafür, dass sie das Wichtigste – jenes Argument, worauf ihre gesamte Strategie für diese Dämonen-Wächter-Versammlung beruhte – für keine einzige Sekunde vergaß.

»Frag!«, sandte sie Nikara lautlos zu, woraufhin er sie mit einem langen Blick bedachte, der wohl Bist du völlig übergeschnappt? bedeuten sollte. Cey grinste kurz und signalisierte ihrem Freund mit einem Wink, dass sie ihre Aufforderung völlig ernst gemeint hatte.

Nikara wirkte immer noch nur mäßig überzeugt, trotzdem steckte er nun Daumen und Zeigefinger in den Mund und stieß einen solch grellen Pfiff aus, dass sich alle Blicke automatisch auf ihn richteten.

»Cey, warum sollten wir uns denn überhaupt noch länger an unsere – an deine! – Gesetze halten?«, erkundigte Nikara sich ruhig und griff damit jene Frage auf, die derzeit für die höchste Aggression und Anspannung unter den Wächtern und Dämonen sorgte. »Mit Zachriels Erscheinen bricht definitiv eine neue Ära an, warum sollten wir uns also nicht endlich eine kleine Entschädigung für all das gönnen, was wir jahrelang durchlitten haben? Ich meine damit nicht, dass wir so bescheuert sind und unsere Existenz öffentlich verkünden, aber warum sollten wir zum Beispiel noch länger auf die eine oder andere diskrete Manipulation eines Bewusstseins verzichten, wenn uns diese doch so viel ermöglichen könnte?«

Cey rechnete mit einer begeisterten Zustimmung aus hunderten von Kehlen, schließlich sprachen sich schon seit geraumer Zeit etliche Dämonen und sogar einige Wächter wie etwa Resic für die Legalisierung von Bewusstseinsmanipulationen aus. Doch seltsamerweise wurde es nun am Strand genauso leise wie nach Risnuchs Exekution. Jedes einzelne Augenpaar schien direkt auf sie gerichtet zu sein, offenbar wollte niemand ihre Antwort verpassen.

Cey ließ ihren Blick langsam über die Menge schweifen und obwohl sie keineswegs nur auf die Gesichter von Freunden und Verbündeten hinabsah, so empfand sie trotzdem ein tiefes Verantwortungsgefühl für einen jeden der Anwesenden. Dies waren die Kinder, mit denen sie zusammen aufgewachsen war, oder die in einem von Astans weiteren Verließen ähnlich furchtbaren Dingen ausgesetzt gewesen waren wie sie. Und egal wie sehr ihr die Haltung einiger Dämonen und Wächter auch missfiel, sie alle hatten eine glückliche, friedvolle Zukunft mehr als verdient. Ich selbst habe eine solche Zukunft verdient!

Mit einem Ruck wandte sich Cey wieder Nikara zu. »Bewusstseinsmanipulationen sind falsch«, sagte sie mit fester Stimme. »Sie waren falsch und werden es auch immer sein. Die Gesetze, die wir haben, mögen nicht immer einfach zu befolgen sein, sie sind unbequem und kosten uns womöglich tatsächlich ein Stückchen unserer persönlichen Freiheit. Aber sie funktionieren, sie garantieren uns ein Dasein, mit dem wir vielleicht nicht jeden Tag, aber doch größtenteils zufrieden sind. Unsere Gesetze schützen nicht nur Menschen oder gewöhnliche J’ajal, sie schützen auch uns, beschützen uns davor, aus Leichtsinn eine Lawine loszutreten, die sich nie mehr stoppen lässt. Diskretion bei der Anwendung unserer Fähigkeiten mag eine Zeitlang vielleicht tatsächlich funktionieren, doch sind wir bereit, dafür all das zu riskieren, was wir uns in den letzten Jahren so mühevoll aufgebaut haben? Resic …«

Bewusst nahm Cey den Wächter ins Visier, der unbehaglich an seinem Cape herumzupfte. »Bist du wirklich bereit, deine Zugehörigkeit zu den Hayran zu riskieren, das Vertrauen deines Mentors Okadias, dein Zuhause? Vielleicht schaffst du es auch ohne unsere Regeln und Gesetze im Hinterkopf dich so zu verhalten, dass dir all das erhalten bleibt, oder du bist in der Tat so geschickt, dass deine Manipulationen niemandem auffallen würden. Aber was wenn nicht? Was wenn du plötzlich nie wieder zurück könntest und alles verlieren würdest? Ich persönlich …«

Cey starrte über den Strand zu einer einsamen Gestalt und ihr Herz schlug unweigerlich schneller. »Ich persönlich bin nicht bereit, das Dasein aufzugeben, welches ich gerade führe. Für keinen einzigen Vorteil, den ich aus einem Wegfall unserer Gesetze erhalten würde. Und erst recht nicht für einen wahnsinnigen J’ajal namens Zachriel, der meint, er könnte über meine Existenz bestimmen!«

Mit harter Miene sah Cey wieder in die Menge. »Egal was Zachriel auch plant – er wird nicht unsere Zukunft beherrschen! Da er offenbar kämpfen möchte, werde ich kämpfen, und sollte ich scheitern, werden Sahim und der Graf meinen Platz als Anführer einnehmen. Ich werde mich allerdings niemals, für keine einzige Sekunde meiner restlichen Existenz, Zachriels Willen unterwerfen und zu jenem gewissen- und emotionslosen Mordinstrument werden, welches Astan zu erschaffen gedachte! Wir haben uns jahrelang unserem dunklen Schöpfer widersetzt und ihn besiegt und wir werden auch sein Spiegelbild besiegen. Und dann …«

Ein sehnsüchtiger Klang schlich sich in Ceys Stimme und sie versuchte gar nicht erst diesen zu verbergen. »Und dann – gehen wir wieder nach Hause.«

»Ein sehr guter Plan«, lobte Xyen lautlos und sein Geist strich zärtlich über den ihren hinweg.

»Ja!«, bestätigten Sahim und der Graf fast zeitgleich und keineswegs nur mental und obwohl Cey in der Menge immer noch manch missbilligende Miene und sogar vehementes Kopfschütteln seitens einiger Dämonen wahrnehmen konnte, schien die Mehrheit der Anwesenden durchaus geneigt zu sein ihrer eindringlichen Rede ebenfalls zuzustimmen.

Mal sehen, ob meine Worte auch ausgereicht haben, um den Wächterrat zu überzeugen …Nacheinander blickte Cey die einzelnen Mitglieder an und hoffte, dass ihre aufrechte Haltung weitaus mehr Selbstbewusstsein ausstrahlte, als sie es derzeit empfand.

»Wir stimmen ab«, forderte sie knapp. »Unsere Gesetze bleiben vorerst bestehen und zwar in der jetzigen Form – Ja oder Nein?«

Sobald das fünfte Ja erklang und somit mit ihrer eigenen Stimme die Mehrheit erreicht war, fiel Cey eine unsägliche Last von den Schultern. Selbst Keegan, der zwar starke Veränderungen anstrebte, aber keinesfalls einen kompletten Wegfall ihrer Gesetze riskieren wollte, stimmte mit Ja ab. Am Ende gab es nur eine einzige Gegenstimme von einem Wächter namens Seph, der seinem schiefen Grinsen nach zu urteilen aber mehr aus seinem gewohnten Prinzip, dass bei kritischen Fragen auch immer jemand die Opposition vertreten sollte,heraus entschieden hatte als aus wirklicher Ablehnung.

»Nikara? Wie lautet deine Antwort?« Aufmerksam musterte Cey den Dämonenanführer und ignorierte dabei bewusst das einsetzende Protestgeraune einiger Wächter. Viele der Ihrigen sahen es gar nicht gern, wenn sie ihren Freund offiziell um seine Meinung bat, denn aufgrund der Verschmelzung mit Astans Geist war er schließlich ein vermeintlich niedereres Geschöpf, als sie es selbst waren. Cey hielt allerdings nichts von Hochmut und obgleich Nikara kein formales Stimmrecht besaß, war trotzdem er derjenige, der mit seinem Einfluss am besten dafür sorgen konnte, dass sich die Seinigen auch wirklich an die Beschlüsse des Wächterrats hielten.

Nikara schien eine Weile lautlosen Stimmen zu lauschen, dann nickte er. »Im Namen der Meinigen akzeptiere ich eure Entscheidung – wir werden uns auch weiterhin unseren Gesetzen fügen oder die entsprechenden Strafen für einen Verstoß auf uns nehmen.«

Aus der einen oder anderen dämonischen Kehle ertönte ein wütendes Knurren, doch Nikara ging nicht darauf ein. »Erzähl uns alles, was du sonst noch über Zachriel weißt«, bat er und Cey kam diesem Wunsch umgehend nach.

In aller Ausführlichkeit berichtete sie von den Angriffen, denen sie sich in den letzten Tagen gegenübergesehen hatte, und sie warnte auch eindringlich vor der neuartigen Droge, die bei ihrem menschlichen Freund Andy und einigen anderen jungen Skateboardern entsetzliche Zwangshandlungen ausgelöst hatte, ohne dass ihr Bewusstsein auf die J’ajal typische Art und Weise manipuliert worden war.

Ceys Bruder Zane und zwei ihrer Schatten hielten sich noch immer in West Whiard auf, um ein Auge auf die jungen Leute zu haben und gleichzeitig nach demjenigen zu suchen, der diese Droge auf Zachriels Geheiß hin Andy und den anderen Skateboardern verabreicht hatte. Bislang gab es allerdings nur wenig Hoffnung auf Erfolg.

Am liebsten wäre Cey ja selbst in West Whiard geblieben, das hatte Xyen ihr allerdings aus Gründen der Sicherheit schleunigst ausgeredet. Denn wo bereits zwei Anschläge auf sie verübt worden waren, konnte auch leicht ein dritter – und womöglich erfolgreicher – stattfinden.

Als Cey nun verkündete, dass derzeit noch nicht genau feststand, in welchem Umfang die bei den Menschen angewandte Droge auch J’ajal in einen hypnotischen, zombieartigen Zustand treiben könnte, verursachte das hier und da einen kleinen Aufruhr, doch zum Glück schienen sich die meisten Wächter und Dämonen mittlerweile zu mitgenommen von all den Neuigkeiten zu fühlen, um ein heftigeres Gerangel anzuzetteln.

Kurz bevor sich die Sonne über den Horizont schob und ihre Versammlung damit automatisch zum Ende kam, erinnerte Cey die Menge noch einmal an die Tatsache, dass Glen, Sion und Zalouir zwar den endgültigen Tod gefunden hatten, dies aber nicht für den äußerst verschlagenen und hinterlistigen Dämonen Israfil galt, der sich durch welches Druck- oder Lockmittel auch immer Zachriels Sache verschrieben hatte.

»Wer immer Israfil sieht oder von ihm hört, hat mir sofort Bescheid zu geben!«, verlangte Nikara mit einem warnenden Blick in bestimmt nicht zufällig ausgewählte Dämonengesichter und erst als jeder einzelne der Angesprochenen genickt oder einen zustimmenden Laut von sich gegeben hatte, wandte sich Nikara wieder ab. »Danke, Cey, für den Moment habe ich keine weiteren Fragen mehr.«

Er trat ein Stückchen zurück, sodass sie nun alleine auf dem höchsten Punkt der Anhöhe stand, und prompt interpretierten zwei Drittel der Anwesenden dies als Zeichen endlich wieder lautstark durch die Nacht brüllen zu dürfen. Für einen Moment hätte Cey dem Lärm und dem Chaos am liebsten den Rücken zugekehrt und wäre davongerannt, doch dann verzog sie nur flüchtig das Gesicht und versuchte in den verbleibenden Minuten ihre Aufmerksamkeit einigermaßen gerecht zu verteilen.

Sie bedankte sich für geäußerte Unterstützungsbekundungen, mahnte diejenigen, die der Auffassung waren, ihnen könnte gar nichts geschehen, so lange sie sich nur aus allem heraushielten, und gab offen zu, dass ihr Wissenstand derzeit in vielen Angelegenheiten noch immens große Lücken aufwies. Trotzdem untersagte sie einer Gruppe von Dämonen aufs Schärfste, New York rein prophylaktisch mit einer Nuklearrakete zu beschießen, weil Zachriel sich ja eventuell noch dort aufhalten könnte.

Auch den Vorschlag eines Wächters, das Bewusstsein von sämtlichen von Nikaras Leuten zu durchstöbern, um sicherzustellen, dass diese tatsächlich nichts über Israfil wussten oder sogar bereits mit Zachriel höchstpersönlich in Kontakt standen, lehnte Cey kategorisch ab. Noch mehr Misstrauen, Verachtung und Zwietracht zwischen den beiden Lagern der Dämonen und Wächter zu säen, war das Letzte, was sie sich zu diesem Zeitpunkt erlauben konnten.

Ausgerechnet Resic warf dann noch eine Frage auf, die Cey wirklich interessant fand – nämlich ob es in den aktuellen Bildern der Dämonin Faith, die oft von düsteren Visionen über die Zukunft von Ihresgleichen geplagt wurde und diese in ihren Malereien festzuhalten versuchte, einen Hinweis auf Zachriel gäbe.

»Faiths Zustand ist gerade sehr instabil«, verkündete Nikara knapp. »Soweit ich weiß, hat sie in den letzten beiden Wochen überhaupt nichts mehr gezeichnet.«

Cey empfand heftiges Mitgefühl für die junge Frau, die immer noch so furchtbar unter der einstigen Vereinigung mit Astans Geist litt, und einzig der Gedanke daran, dass Faith in dem privaten Sanatorium, in dem sie untergebracht war, immer jemanden an ihrer Seite hatte und gleichzeitig die bestmögliche medizinische Versorgung erhielt, tröstete sie wieder ein wenig.

Zusammen mit ihren Brüdern und Nikara diskutierte Cey noch einige nebensächliche Dinge mit einer gemischten Gruppe aus Dämonen und Wächtern, dann wich die Dunkelheit der Nacht endlich den lang ersehnten ersten Sonnenstrahlen.

»Schluss jetzt! Alles Weitere könnt ihr als Agendapunkt für die nächste Versammlung einreichen!«, erklärte Sahim strikt und Nikara und der Graf wiederholten die Aufforderung noch einige Male mit weitaus kräftigeren Ausdrücken gegenüber denjenigen, die das Ende des Treffens so gar nicht einsehen wollten.

Müde und nachdenklich beobachtete Cey, wie sich die Dämonen und Wächter nur nach und nach zerstreuten, doch plötzlich konnte es ihnen gar nicht schnell genug gehen den Strand zu verlassen. Womöglich lag das an fünf Handgranaten, die der Graf von seinem Gürtel abgezupft hatte und mit denen er nun gekonnt durch die Luft jonglierte.

»Angeber!«, urteilte Sahim, während Nikara kurz grinste und anschließend Cey einen fragenden Blick zuwarf.

»Ja, gehen wir ein Stück«, murmelte sie und ihre Füße setzten sich automatisch in Xyens Richtung in Bewegung. Nikara schien das nicht zu stören und schweigend geleitete er sie, bis hinter ihnen der laute Knall einer Explosion ertönte – Risnuchs Überreste hatten sich soeben für immer aufgelöst.

»Cey, sei nicht sauer auf mich«, startete Nikara dann leise. »Aber das mit Zachriel … ich glaube, ich brauch ein paar Tage, um damit fertig zu werden, dass du mir – und auch sonst niemandem – nie etwas über ihn erzählt hast. Verdammt, ich kann mir schon denken, warum du das getan hast, nur –«

Nikara brach ab und strich sich stattdessen wütend und hilflos zugleich über seine bunte Haarpracht.

»Schon okay«, erwiderte Cey, obwohl sie damit zum ersten Mal seit Ewigkeiten bewusst log. Denn an dieser neuen Distanz, die sie zwischen sich und Nikara verspürte, war mit Sicherheit rein gar nichts okay. Der Schnitt an ihrer Schulter und der Kratzer an ihrer Wange schmerzten nicht mal ein Hundertstel so sehr wie dieses quälende Gefühl in ihrem Innersten und am liebsten hätte Cey das auch laut gesagt. Sie hatte jedoch nicht vergessen, wie heftig auch ihre Brüder – insbesondere Sahim – vor einer knappen Woche auf ihr Geständnis von Zachriels Existenz reagiert hatten.

Um ihren einstigen Mitgefangenen eine möglichst sorglose Zukunft zu ermöglichen, hatte sich Cey für die Geheimhaltung von Astans letzter Drohung entschieden. Mittlerweile verstand sie jedoch, wie sehr sie mit ihrem Schweigen und ihrer Ich muss alleine klarkommen!-Einstellung gerade diejenigen verletzt hatte, die sie am meisten hatte beschützen wollen. Und Nikara gehörte zu diesem Kreis definitiv dazu. Deshalb würde er auch alle Zeit der Welt von ihr erhalten, die er brauchte, um ihr wieder vertrauen zu können.

Ich habe ihn von mir ferngehalten, jetzt muss ich auch akzeptieren, wenn er das Gleiche tut, dachte Cey und holte einmal tief Luft.

»Es tut mir leid, Nikara!«, sagte sie und dieses Mal war es nichts als die reine Wahrheit. »Ich weiß, dass ich mich immer auf dich verlassen kann und dir früher von Zachriel hätte erzählen müssen. Ich geb dir Bescheid, sobald wir etwas Neues herausgefunden haben, ja? Denn ich bin mir sicher, dass wir – dass ich! – deine Hilfe noch dringend nötig haben werde.«

Mit einem zaghaften Lächeln sah Cey zu ihrem Freund hinüber, bevor sie sich wieder abwandte, um weiter auf Xyen zu zugehen.

»Ach, scheiß drauf!«, fluchte Nikara und dann wurde Cey auch schon gepackt und eng an seine Brust gedrückt. Einen Sekundenbruchteil bevor er sie berührte streifte Nikaras Geist jedoch den ihren und somit blieb Cey jener grausame Schmerz erspart, der normalerweise mit jeder Berührung eines J’ajals einherging, der nicht ihr persönliches Abzeichen trug.

Dass man mit einer einfachen mentalen Vorwarnung den von Astan eingeimpften Abwehrreflex umgehen konnte, hatte Xyen zu Beginn ihres ersten Academy-Trimesters herausgefunden und Cey war ausgesprochen froh darüber, dass Sahim und der Graf diese Methode recht rasch in ihrem Bewusstsein entdeckt und eigenmächtig an sämtliche Wächter und Dämonen weitergegeben hatten.

»Hm …«, murmelte Cey, während ein glücklicher Ausdruck über ihr Gesicht huschte und sie sich voller Erleichterung an Nikara schmiegte. »Heißt das, du verzeihst mir?«

»Ja. Aber wehe, du verschweigst mir noch einmal etwas so Fundamentales, wie dass es einen neuen Teufel in dieser Welt geben könnte, Cey!«, knurrte Nikara, während er gleichzeitig sanft über ihre unverletzte Schulter strich. »Und wehe, du murkst diesen Zachriel alleine ab!«