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Für den smarten Ronan Sullivan sind die Signale eindeutig: Die umwerfende Deirdre kann ihn nur zu einem romantischen Dinner auf ihrer Veranda eingeladen haben, weil sie ihn genauso begehrt wie er sie. Ihr leidenschaftlicher Kuss und die heiße Nacht geben ihm recht. Doch dann weist Deirdre ihn unvermittelt zurück. Was ist nur los mit dieser wunderbaren Frau?
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
Viel zu süß, um nein zu sagen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© by Anne Marie Rodgers Originaltitel: „Dedicated to Deirdre“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1053 - 1999 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Christiane Bowien-Böll
Umschlagsmotive: konradback/Fotolia
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733742751
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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„Lee! Nicht …!“
Zu spät. Mit aller Kraft versuchte Deirdre Pattens Ältester, eine Schachtel Honigpops aus der untersten Reihe eines riesigen Stapels herauszuziehen.
Deirdres Herzschlag setzte fast aus, als der Stapel sich langsam zur Seite neigte und einzustürzen drohte. Mit einem Satz war sie bei ihrem Sohn, doch im selben Moment krachte die ganze Lawine der mit Honigpops gefüllten Kartons schon vor ihr auf den Boden des Supermarktes.
„Lee! Liebling, wo bist du?“ Panisch kickte Deirdre die Kartons auseinander, in der Hoffnung, irgendwo in diesem Durcheinander ein Stück von Lees kleinem Körper zu entdecken. „Lee? Lee!“
„Hier, Mommy!“
Lee winkte ihr von der anderen Seite des Ganges zu. Neben ihm stand ein Mann, ein Fremder mit dunklem Haar. Und er hielt Lees Handgelenk fest.
„Mein kleiner Liebling, ist alles in Ordnung?“ Deirdre sprang zu ihm hinüber und kniete sich vor ihren Sohn, um ihn von Kopf bis Fuß abzutasten. „Wie oft habe ich dir gesagt …“
„Der Mann hat mich gerettet, Mom.“ Lee deutete auf den Fremden, der sein Handgelenk inzwischen losgelassen hatte. Er musste ihn von der Unglücksstelle weggezogen haben.
Deirdre lächelte entschuldigend. „Ich danke Ihnen. Wissen Sie, er und sein kleiner Bruder … Nun ja, sie halten mich ganz schön auf Trab …“ Sie brach ab, als sie den Mann plötzlich wiedererkannte.
„Guten Tag. Mrs … Patten, nicht wahr?“
Auch die Stimme erkannte sie wieder, tief und ein bisschen rau, eine sexy Stimme. Das war ihr schon damals vor drei Jahren bei jener Weihnachtsparty in Baltimore, Maryland, aufgefallen, obwohl sie damals so wütend auf ihren Mann gewesen war, dass sie kaum noch einen klaren Gedanken hatte fassen können.
Langsam richtete sie sich auf. „Guten Tag.“
Er streckte seine Hand aus. Eine große, gebräunte Hand. „Ronan Sullivan. Wir sind uns schon einmal begegnet.“
Vor Verlegenheit nickte sie nur und erwiderte schweigend seinen Händedruck. „Ich heiße Deirdre, aber meine Freunde nennen mich Dee. Das ist Lee, und mein anderer Sohn, da drüben im Einkaufswagen, das ist Tommy.“ Rasch zog sie ihre Hand wieder zurück. Die Berührung mit seiner warmen, kraftvollen Hand hatte etwas in ihr ausgelöst, dem sie lieber nicht auf den Grund gehen wollte. „Danke, dass Sie so schnell zur Stelle waren. Lee hätte ernsthaft verletzt werden können.“
„Aber ich bitte Sie, keine Ursache.“ Er strich Lee sacht über den Schopf. „Ich stand zufällig dabei und ahnte, was passieren würde.“
„Nochmals vielen Dank.“ Deirdre sah rasch zu ihrem Einkaufswagen. Saß Tommy auch noch wohlbehalten darin und versuchte nicht etwa herauszuklettern?
„Wie gesagt, keine Ursache.“ Ronan hielt einen Moment inne. „Arbeitet Ihr Mann noch bei Bethlehem Steel?“
„Ja.“ Weshalb erwähnte er jetzt ihren Mann? Eigentlich hatte sie gehofft, dass er nach so langer Zeit die Details jenes Abends vergessen hatte. Es war so demütigend.
„Dann hat er ja einen ganz schön langen Arbeitsweg. Denn Sie wohnen doch hier in der Gegend, oder?“
Deirdre zögerte. Aber was hätte es für einen Sinn, ein Geheimnis daraus zu machen? Früher oder später würde sie es ohnehin allen sagen müssen. „Ich bin inzwischen geschieden und habe eine kleine Farm zwischen Butler und Frizzleburg.“
Er sah irgendwie erfreut aus, auch wenn er nicht lächelte. „Meine Großeltern haben auch eine Farm, in Virginia. Bewirtschaften Sie sie selbst?“
Sie schüttelte den Kopf. „Den größten Teil des Landes habe ich an meinen Nachbarn verpachtet. Ich arbeite freiberuflich, und damit habe ich genug zu tun.“
„Interessant. Und was arbeiten Sie?“
Nervös verschränkte sie die Finger ineinander. „Ach, nichts Besonderes. Ich entwerfe und nähe Puppenkleider.“
„Aha.“
Was das wohl bedeutete? Jedenfalls fühlte sie sich plötzlich in der Defensive. „Ich kann davon leben und dabei zu Hause und für meine Kinder da sein.“
„Das ist das Wichtigste.“
„Für mich auf jeden Fall.“ Erneut sah sie hinüber zu Tommy, der jetzt anfing, unruhig zu werden. Bald würde er aus dem Wagen klettern. „Nun, ich muss jetzt gehen. Hat mich gefreut, Sie wiederzusehen.“ Eine glatte Lüge. Die Begegnung mit Ronan Sullivan hatte alle möglichen Erinnerungen an ihr früheres Leben aufgewühlt. Erinnerungen, die sie für immer zu begraben hoffte.
„Warten Sie“, sagte er. „Wissen Sie vielleicht, wo ich hier ein Apartment mieten könnte? Ich bin auf der Suche …“
„Mom!“ Lees Augen leuchteten. „Vielleicht ist er der Richtige! Frag ihn.“
„Nein, Lee.“ Warum mussten Kinder immer drauflosplappern? „Ich bin sicher, Mr …“
„Ronan“, korrigierte er sie.
„… Ronan wäre an diesem Apartment nicht interessiert.“
„Was für ein Apartment?“ Er sah sie interessiert an.
„Es ist wirklich nichts Tolles“, antwortete sie rasch. „Ich suche einen Mieter für die Wohnung über dem Stallgebäude. Sie ist sehr einfach ausgestattet, und ich bin sicher, das wäre nichts für Sie.“
„Man kann nie wissen. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich es mir einmal anschaue?“
Warum eigentlich nicht? Sie hatte sich zwar eine Mieterin gewünscht, aber weshalb sollte sie nicht auch einen Mieter akzeptieren? Solange es ein zivilisierter Mensch war. Schließlich waren nicht alle Männer wie Nelson. „Na gut“, erwiderte sie. „Aber erwarten Sie nicht zu viel. Es ist ziemlich primitiv.“
Ronan nickte. „Ich möchte es mir trotzdem einmal anschauen. Passt es Ihnen morgen?“
Schon morgen! „Ja, in Ordnung. Um elf?“ Bestimmt hätte er da keine Zeit, er musste doch sicher arbeiten; und sie könnte behaupten, abends würde es ihr überhaupt nicht passen …
„Also dann, morgen um elf.“
Auf der Heimfahrt durch die beschauliche Landschaft von Butler County war Deirdre schrecklich nervös. Warum hatte sie zugesagt? Eigentlich wollte sie doch auf keinen Fall einen Mann in ihrer Nähe haben, ob er nun wie Nelson war oder nicht. Sie wollte mit keinem Mann reden, wollte keinen Mann sehen, ja, sie wollte keinen einzigen Gedanken an irgendein männliches Wesen verschwenden. Ausgenommen ein paar Ausnahmen: ihre Brüder und der Mann ihrer besten Freundin Frannie, aber mit Jack war sie ja praktisch aufgewachsen. Ansonsten vermied sie jeglichen Kontakt – sogar Blickkontakt – mit dem anderen Geschlecht. Allein der Gedanke an eine Verabredung, und sei sie noch so unverbindlich, bereitete ihr Unbehagen.
Sie hatte vorgehabt, das Apartment herzurichten und dann an eine alleinstehende berufstätige Frau zu vermieten, die nicht oft zu Hause wäre. Nun, ein Mann als Mieter wäre natürlich nicht völlig abwegig. Sie würde ihm ja nicht oft begegnen müssen, würde seine Anwesenheit vielleicht kaum bemerken.
Plötzlich und unvermittelt war sie wieder da: die Erinnerung daran, wie seine große, starke Hand ihre umfasste. Und dann diese Wärme, die von ihm ausging! Schon so lange hatte sie nicht mehr die Wärme eines männlichen Körpers gespürt.
Die Gegend war wie geschaffen für ihn. Ronan steuerte seinen weißen Pick-up vorsichtig über den holprigen Feldweg zu Deirdres Haus. Ja, hier war der perfekte Platz zum Schreiben. Keine Reporter und keine Fans weit und breit.
Und was fast noch besser war: Die Gegend bot die perfekte Kulisse. Felder zu seiner Linken, Wälder zu seiner Rechten. In der Ferne mündeten die Felder in ein flaches Tal, durch das sich ein kleiner Fluss schlängelte. Dann war da noch das aus Steinen gebaute Farmhaus – sehr alt, dem Anschein nach –, das von einem gepflegten Gemüsegarten umgeben war. Jenseits der mit Kies aufgefüllten Zufahrt befand sich eine ebenso alte Scheune und daneben etwas, das aussah wie ein Hühnerstall, außerdem ein Schweinekoben und schließlich noch ein allerdings wesentlich neueres Stallgebäude. Dazwischen war überall saftiges Grasland, hier und da stand vereinzelt ein Baum, und um den Zaun rankten sich Efeu und wilde Reben.
Das Ganze wirkte wie ein Postkartenmotiv aus den Fünfzigerjahren. Und doch war es real und lag in unmittelbarer Nähe des Highways.
Ronan fuhr langsam weiter und versuchte, den schlimmsten Schlaglöchern auszuweichen. Als er dann vor Deirdres Haus anhielt, kam ein verbeulter grüner Wagen aus der entgegengesetzten Richtung angeholpert. Hinter dem Steuer saß Deirdre. Sie stieg nun aus und kam auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Danach wies sie auf das Stallgebäude und bedeutete ihm, ihr zu folgen.
„Ich bin sicher, Sie werden es sich anders überlegen, wenn Sie das Apartment erst einmal gesehen haben.“ Sie blies sich eine vorwitzige schwarze Locke aus der Stirn. „Ich wollte es renovieren, bin aber einfach noch nicht dazu gekommen. Wie gesagt, es ist ziemlich heruntergekommen.“
„Es macht mir nichts aus, ein bisschen daran zu arbeiten“, erwiderte er.
„Und die Gegend ist nicht gerade aufregend. An Nachtleben ist nicht zu denken, da müssten Sie schon bis Baltimore fahren.“
„Daran habe ich im Moment keinen großen Bedarf.“ Bei dem Gedanken an Partys erinnerte er sich nun daran, wie er Deirdre zum ersten Mal begegnet war.
Es war die offizielle Weihnachtsfeier für die Angestellten von Bethlehem Steel gewesen. Er war dort gelandet, weil seine Cousine Arden ihn eingeladen hatte. Sie hatte einen männlichen Begleiter gebraucht, und da er nichts anderes vorgehabt hatte, hatte er zugesagt. Er und Arden hatten mit dem Vizepräsidenten der Gesellschaft, dessen Frau sowie mit dessen Sekretärin und deren Mann an einem Tisch gesessen, und mit Deirdre und Nelson Patten, der ebenfalls zu den Führungskräften der Firma gehörte.
Alkohol war reichlich geflossen, zu reichlich, und Nelson Patten war bereits völlig betrunken gewesen, noch bevor der letzte Gang beendet war. Seine Frau hatte peinlich berührt dagesessen, den Blick auf ihren Teller gerichtet, und sie hatte nur gesprochen, wenn jemand das Wort an sie richtete.
Er war von ihrer ungewöhnlichen Schönheit fasziniert gewesen und hatte den Blick nicht von ihr lösen können. Erst als sie aufstand, um zur Toilette zu gehen, hatte er bemerkt, dass sie hochschwanger war. Er hatte schwangere Frauen nie für besonders sexy gehalten, doch sein Körper schien seinen eigenen Gesetzen zu folgen, während er Deirdre Patten betrachtet hatte.
Obwohl sie offensichtlich unglücklich gewesen war, hatte sie einfach wundervoll ausgesehen: hochstehende Wangenknochen; eine Haut, die wie Satin schimmerte; lange schwarze Wimpern, die strahlend grüne Augen unter perfekt gewölbten dunklen Brauen umrahmten. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt, doch ein paar Locken hatten sich gelöst und auf bezaubernde Weise ihr herzförmiges Gesicht umrahmt.
Sie hatte ein schlichtes schwarzes Abendkleid getragen und damit wohltuend gegen manch andere entsetzlich übertriebene Abendrobe abgestochen. Es wurde nur von zwei hauchdünnen Spaghettiträgern gehalten, was ihre zarten Schultern und ihren schwanengleichen Hals anmutig betont hatte. Eine Stola hatte ihre Oberarme und ihre Brüste bedeckt. Dennoch hatte er genau gesehen, dass sie volle Brüste hatte. Damals hatte er sich gefragt, ob das eine Folge der Schwangerschaft sei, doch jetzt wusste er, sie war auch ohne schwanger zu sein sehr gut proportioniert.
Nach dem Essen hatte man getanzt. Er hatte mit Arden getanzt, die kurze Zeit später von einem jungen Mann entführt wurde. Wieder an seinem Platz, hatte er bemerkt, dass sich auch Patten auf der Tanzfläche befand, allerdings nicht mit seiner Frau, sondern, unanständig eng tanzend, mit der Vorstandssekretärin, deren Mann nirgendwo zu sehen war. Deirdre hatte allein am Tisch gesessen, mit hocherhobenem Kopf und angestrengt lächelnd.
Er erinnerte sich, was er damals gedacht hatte. Sie war offenbar eine echte Lady. Und wenn sie seine Frau wäre, würde er sich ganz bestimmt nicht mit einer anderen abgeben. Außerdem wusste doch jeder, dass eine Frau während der Schwangerschaft besonders viel Aufmerksamkeit und Bestätigung brauchte.
Er hatte sich zu ihr gesetzt, doch Small Talk war noch nie seine Stärke gewesen. Warum nur fielen ihm für seine Romanfiguren immer Hunderte von schlagfertigen Sprüchen ein, aber niemals, wenn er sie selbst dringend brauchte? Deirdre hatte schweigend neben ihm gesessen, eisern bemüht zu ignorieren, dass ihr Mann auf der Tanzfläche die andere Frau umwarb.
Gegen elf waren die beiden plötzlich verschwunden. Arden war kurz zu ihm gekommen und hatte ihm ins Ohr geflüsterte, dass sie glaube, diesmal den Richtigen gefunden zu haben, und ob es ihm etwas ausmache, wenn sie sich von ihrem jungen Mann nach Hause bringen ließe.
Schließlich, es war schon fast Mitternacht gewesen, hatte er Deirdre angeboten, sie nach Hause zu fahren.
Da hatte sie ihm den Kopf zugewandt und ihn angesehen, als nähme sie ihn jetzt erst wahr.
„Vielen Dank, aber ich kann mir ein Taxi nehmen. Ich bin daran gewöhnt“, hatte sie geantwortet. Sie war aufgestanden und er ebenso. „Guten Abend.“
Es hatte für ihn keinen Grund mehr gegeben, noch länger zu bleiben, und so war er ihr zum Ausgang gefolgt. Schließlich war sie hochschwanger. Wenn sie nun stolperte! Im Foyer hatte er sie eingeholt und ihr seinen Arm angeboten. Nach kurzem Zögern hatte sie „Danke“ geflüstert und ihre Hand in seine Ellenbeuge gelegt.
Vor dem Hotel hatte er ein Taxi herangewunken und ihr beim Einsteigen geholfen. Als der Wagen dann davongefahren war, hatte er noch gedacht, was für eine verdammte Schande es doch sei, dass eine solche Frau an einen Mistkerl wie Patten gebunden war.
Und jetzt stand er hinter Deirdre und wartete, während sie die Tür zu dem Apartment über dem Stall aufschloss. Sie trug ein Top und Shorts und sah so ganz anders aus als die elegante Erscheinung von damals. Doch wenn er ihren wohlgeformten Körper betrachtete, den knackigen Po in den Shorts und die dichten schwarzen Locken, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, fand er sie in diesem Outfit mindestens ebenso attraktiv.
Er hatte noch monatelang an sie gedacht und sich vorgestellt, was er alles mit ihr tun würde, wenn … und wie sie darauf reagieren würde. Es war nur eine Träumerei gewesen, denn er hatte nicht damit gerechnet, sie jemals wiederzusehen. Allerdings, wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er sich oft ausgemalt hatte, wie sie wohl aussähe, wenn sie nicht schwanger gewesen wäre.
Jetzt wusste er es. Sie sah einfach fantastisch aus. Als er sie gestern in dem Supermarkt wiedergetroffen hatte, war er überrascht gewesen, wie sehr sie dem Bild ähnelte, das er sich von ihr gemacht hatte, von ihr ohne ihre Schwangerschaft.
Er hatte gleich darauf hingearbeitet, dass sie und ihre Kinder ihn ebenfalls bemerkten. Allerdings nicht, weil er an ihr als Frau interessiert war. Er hatte sich zwar ein Vergnügen daraus gemacht, von ihr zu fantasieren, doch er war nicht wirklich an einer Affäre interessiert. Ihn interessierten vielmehr ihre Kinder. Sein Wissen über Kinder und Jugendliche war sehr begrenzt. Wenn er also mit ihren Kindern zusammen sein könnte, wäre es genau das, was er brauchte, um seine Story mit Leben zu füllen. Er hatte zwar eigentlich an etwas ältere Kinder gedacht, aber vielleicht wäre die Story mit Kindern im Vorschulalter sogar noch überzeugender.
Dass sie eine Wohnung zu vermieten hatte, war ein unglaublicher Glücksfall, und die Wohnungssuche war nicht etwa nur ein Vorwand von ihm. Bolton Hill, wo er bisher gewohnt hatte, war eine kleine Insel des Wohlstands und der Sicherheit mitten im Zentrum von Baltimore, doch ringsherum herrschten Armut und Kriminalität und drohten Bolton Hill zu ersticken. Er mochte diesen Ort zwar, fand es aber von Jahr zu Jahr schwieriger, in dieser Umgebung zu schreiben.
Außerdem sehnte er sich nach Anonymität; nach der Möglichkeit, einfach aus dem Haus zu gehen, ohne sofort erkannt zu werden; nach einem Leben ohne all die Frauen, die sich ihm an den Hals warfen in der Hoffnung, ihn sich zum Freund oder gar zum Geliebten machen zu können.
Und nach den Erfahrungen, die er unlängst gemacht hatte, war es für ihn besonders wichtig, unauffindbar zu sein.
„Ich habe Sie gewarnt.“ Deirdre trat zur Seite, um ihn eintreten zu lassen.
Sie hatte wirklich nicht übertrieben, als sie sagte, dass die Wohnung hergerichtet werden müsste. Der Raum schien Küche und Wohnzimmer gleichzeitig zu sein. Es gab eine uralte Spüle und einen museumsverdächtigen Kühlschrank. Der Fußboden bestand aus rohen Holzdielen, und an den Wänden waren keine Tapeten. Doch der Raum war groß, und zwei Deckenfenster und ein riesiges Fenster an der hinteren Wand ließen sehr viel Licht herein. Daneben lagen noch ein kleineres Zimmer und ein Bad.
Sehr renovierungsbedürftig das Ganze. Aber das machte ihm nichts aus.
„Die Wohnung sieht wirklich übel aus“, sagte sie. „Ich muss unbedingt noch renovieren, bevor ich sie vermieten kann. Sie ist übrigens nicht ganz so alt wie die anderen Gebäude, sondern wurde erst vor ungefähr sechzig Jahren gebaut, als der Farmer Reitpferde zu züchten begann. Sein Stallmeister lebte hier.“
Schweigend nickte er und schritt langsam die Wohnung ab. Er wusste bereits, dass er sie nehmen würde, wollte das aber nicht so rasch zugeben. Schließlich erklärte er: „Ich denke, es müsste gehen, wenn ich ein bisschen Farbe und Tapete besorge, und vielleicht die Bodendielen abschleife.“
„Sie wollen die Wohnung tatsächlich?“ Deirdre starrte ihn an, als käme er von einem anderen Stern.
Er lachte. „Die Wände stehen jedenfalls fest und sind anscheinen gut isoliert. Der Rest ist Kosmetik. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich sie auf eigene Faust renoviere?“
„Sie können tun, was Sie wollen“, erwiderte sie. „Ich würde Ihnen gern anbieten, Ihre Unkosten zu ersetzen, aber …“ Sie sah ihm direkt in die Augen. „Meine Finanzen lassen das nicht zu.“
„Dafür habe ich Verständnis.“
„Wirklich?“ Sie lächelte fast.
„Hm.“
„Geld.“ Sie seufzte. „Das Leben wäre so viel einfacher, wenn man sich nicht ständig deswegen sorgen müsste.“
„Hm.“ Jetzt näherten sie sich einem heiklen Thema, besonders wenn er an die beachtliche Summe seiner letzten Tantiemenzahlung dachte.
„Wo arbeiten Sie, Mr … Ronan?“
Aus reiner Gewohnheit suchte er nach einer Ausrede. Denn zuzugeben, dass er Bestsellerautor war, hatte ihm immer nur Ärger gebracht. Nachdem er einmal sogar von einem besonders hartnäckigen weiblichen Fan verfolgt worden war, sodass er die Polizei einschalten musste, war er erst recht vorsichtig geworden. Solange er anonym war, blieb er von Belästigungen verschont. Nein, er gab sich Fremden gegenüber schon lange nicht mehr zu erkennen. Es war einfacher so, und auf die Dauer auch sicherer. Und Sullivan war so ein weitverbreiteter Name, dass niemand auf die Idee kam, er könne „der Sullivan“ sein.
„Ich bin … Journalist, freiberuflich.“ Nun, das war nicht einmal gelogen. Anfangs, während er an seinem ersten Buch schrieb, hatte er tatsächlich für seinen Lebensunterhalt Artikel geschrieben.
Sie nickte verständnisvoll. „Nicht gerade etwas, wovon man reich wird.“ Zu seiner Erleichterung wechselte sie dann das Thema. „Die Reinigung der Wohnung ist natürlich im Mietpreis inbegriffen.“
„Das ist nicht nötig. Ich kann selbst sauber machen.“ Denn wenn sie sähe, wie er das Apartment renovierte, wäre ihr sofort klar, dass er keineswegs ein brotloser Schreiberling war. Irgendwann würde er ihr natürlich die Wahrheit sagen müssen, aber er hoffte, die total renovierte Wohnung würde sie über den kleinen Betrug hinwegtrösten. Sie würde sie problemlos weitervermieten können, wenn er auszöge.
„Oh nein, ich bestehe …“
„Nein, ich bestehe darauf.“ Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu. „Sie haben genug zu tun, und ich kann das sehr gut allein machen.“
„Na schön. Wenn Sie meinen. Aber falls Sie Hilfe brauchen, sagen Sie mir Bescheid.“
„Versprochen.“ Er hielt die Hand hoch wie zum Schwur. „Und wie hoch ist nun die Miete?“
Drei Tage später zog Ronan ein. Deirdre hatte ihm gesagt, dass sie den ganzen Tag über fort sein und erst spät in der Nacht zurückkommen würde.
Das passte ihm hervorragend. Sie fuhr um sieben Uhr morgens los. Sobald ihr Wagen hinter dem Hügel verschwunden war, nahm er sein Handy und ließ die Handwerker kommen, die er für den heutigen Tag bestellt hatte. Es müsste alles so schnell wie irgend möglich gehen, hatte er gesagt, und Geld spiele keine Rolle.
Als Erstes kam die Holzverkleidung. Er hatte sich für helle Eiche entschieden. Rauputz oder Tapeten hätten erst trocknen müssen, das hätte viel zu lange gedauert. Als Nächstes folgte der Teppichboden. Kurz nach eins kam der Installateur, dann der Fliesenleger. Am späten Nachmittag war fast alles geschafft, und er hatte ein schönes, gepflegtes Apartment. Der Elektriker war noch mit der Installation der Dimmschalter beschäftigt, als die neuen Möbel und Vorhänge geliefert wurden.
Die letzten Handwerker verließen abends um zehn das Haus, und er ließ sich auf der neuen Ledercouch nieder und betrachtete zufrieden das Ergebnis der Arbeiten. Es war doch immer wieder erstaunlich, was man mit Geld alles erreichen konnte.
Nächste Woche würde jemand von der Telefongesellschaft kommen und Telefon, Faxgerät und Modem installieren. Er würde seine Bücherkisten auspacken, seinen Computer anschließen …
Der nächste Tag war ein Sonntag. Deirdre weckte die Jungen und ging mit ihnen zur Kirche. Danach fuhr sie nach Baltimore. Jetzt folgte der Teil des Sonntags, den sie hasste. Der Scheidungsrichter hatte entschieden, dass ihr Exmann jeden Sonntagnachmittag die Jungen bekommen sollte. Deshalb fuhr sie jeden Sonntag zum Haus ihrer Freundin Frannie, wo sie ihre geliebten Kinder an Nelson übergab. Denn Nelson war es nicht mehr gestattet, ihr allein zu begegnen, die richterlichen Auflagen waren sehr streng.
Und wegen Nelsons Verhalten in der Vergangenheit wollte auch Deirdre auf keinen Fall mehr allein mit ihrem Exmann sein. Bei ihrem Umzug hatte sie alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen, um für ihn unauffindbar zu bleiben. Sie nahm an, dass er tatsächlich nicht wusste, wo sie lebte.
Alles lief so ab wie immer. Nelson wartete schon vor Frannies Haus. Als sie ankam, trat Jack aus dem Haus, um sie zu begrüßen. Der gute Jack. Er musste am Fenster gestanden haben. Sie holte die Kinder aus dem Wagen, umarmte sie fest und sagte: „Viel Spaß mit Daddy!“ Dann nahm Jack sie bei den Händen, und sie musste zusehen, wie ihre Kleinen zu dem Wagen gingen, in dem ihr Vater auf sie wartete.
Sonntag für Sonntag litt sie Höllenqualen, während die Jungen bei Nelson waren. Solange sie noch verheiratet gewesen waren, hatte Nelson seine Wutausbrüche immer für die Momente aufgespart, in denen er mit ihr allein war, und sie hoffte inständig, dass ihre Kinder niemals erfahren würden, wozu er fähig war.
Deirdre blieb stehen und winkte, bis der Wagen um die Ecke bog. Dann wandte sie sich um, und versuchte, Jack zuzulächeln. Doch ihre Unterlippe zitterte.
Jack legte tröstend den Arm um ihre Schultern. „Sie sind ja bald wieder zurück“, brummte er.
„Ich weiß.“ Sie wollte ihre Freunde nicht mehr als nötig mit ihrem Kummer belasten. „Und wie geht es euch, jetzt, wo ihr zwei Kinder habt?“
„Kein Problem“, erwiderte Jack. „Unsere Kinder sind pflegeleicht.“
Deirdre lachte. „Ich wünschte, das könnte ich von meinen beiden auch sagen.“ Sie trat durch die Tür, die Jack für sie offen hielt.
„Hallo, Dee. Sieh nur, Alexa, es ist Tante Dee-Dee.“
Alexa war dreizehn Monate alt, blond und süß. Mit ausgestreckten Ärmchen rannte sie auf Deirdre zu. „Tan Dee!“
Deirdre spürte erneut, dass ihr die Tränen kamen, als sie die Kleine hochhob und an sich drückte. Frannie saß im Schaukelstuhl mit dem Baby an der Brust und sah sehr glücklich aus. „Vergiss nie, was für ein Glück du hast.“ Deirdre schluckte.
„Ja, ein Glück, dass sie mich hat“, ließ Jack sich vernehmen.
Die zwei Frauen verdrehten in gespielter Entrüstung die Augen, doch er schien davon nicht beeindruckt.
„Ich weiß, es ist hart, aber falls ihr es ohne mich aushalten könnt, würde ich jetzt gern den Rasen mähen.“
Frannie zwinkerte Deirdre belustigt zu, als Jack verschwand. „Und wie geht es dir so? Wir haben uns die ganze Woche nicht gesprochen.“
Deirdre hob die Schultern. „Gut. Ich habe einen weiteren Auftrag von diesem Puppenmuseum in New York bekommen. Der wird mich für eine Weile über Wasser halten.“
„Prima! Das ist schon der dritte Auftrag, den du von dort bekommst, nicht wahr?“ Frannie legte sich das Baby über die Schulter und tätschelte seinen Rücken. „Oh, Boy, was bist du für ein kleines Schwergewicht.“
Deirdre lachte. „Ganz sein Dad, nicht wahr?“ Plötzlich fiel ihr ein, was sie Neues zu berichten hatte. „Stell dir vor, ich habe einen Mieter für das Apartment gefunden.“
„Wow! Das ging ja schnell. Sagtest du nicht, du müsstest es noch renovieren?“