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Eine frischgebackene Single-Lady mit Mission Lange galten sie in Hamburg als DAS Traumpaar schlechthin: Musikproduzent Sebastian und Werbetexterin Pia – bis Sebastian anderer Meinung war und sich kurzerhand von ihr trennte. Niemand hätte das kommen sehen – am wenigsten Pia! Doch gehören zu einer Trennung nicht immer zwei? Vom Liebeskummer geplagt, stolpert sie im Internet über ein verlockendes Angebot, das die Lösung all ihrer Probleme sein könnte: Ein Seminar, dessen Teilnahme ihr verspricht, den Ex zurückzugewinnen ... Nichts zu verlieren, denkt sich Pia, und ist in ein paar Klicks angemeldet. Ihr treuer Sidekick bei der ehrgeizigen Mission ist ihr bester Freund Phillip, der jedoch nicht ganz so gut auf Sebastian zu sprechen ist wie Pia ... Aber einmal Traumpaar immer Traumpaar – oder? Mit viel Herz und Humor – eine romantische Komödie für Fans von Sophie Kinsella und Emily Henry
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Seitenzahl: 354
Über dieses Buch:
Lange galten sie in Hamburg als DAS Traumpaar schlechthin: Musikproduzent Sebastian und Werbetexterin Pia – bis Sebastian anderer Meinung war und sich kurzerhand von ihr trennte. Niemand hätte das kommen sehen – am wenigsten Pia! Doch gehören zu einer Trennung nicht immer zwei? Vom Liebeskummer geplagt, stolpert sie im Internet über ein verlockendes Angebot, das die Lösung all ihrer Probleme sein könnte: Ein Seminar, dessen Teilnahme ihr verspricht, den Ex zurückzugewinnen ... Nichts zu verlieren, denkt sich Pia, und ist in ein paar Klicks angemeldet. Ihr treuer Sidekick bei der ehrgeizigen Mission ist ihr bester Freund Phillip, der jedoch nicht ganz so gut auf Sebastian zu sprechen ist wie Pia ... Aber einmal Traumpaar immer Traumpaar – oder?
Über die Autorin:
Wiebke Lorenz, geboren 1972 in Düsseldorf, war jahrelang als Journalistin für verschiedene Print- und Online-Medien tätig sowie als Drehbuchautorin für diverse TV-Sender. Heute arbeitet sie fast ausschließlich als Roman- und Thrillerautorin und schreibt als Charlotte Lucas und Anne Hertz (gemeinsam mit ihrer Schwester Frauke Scheunemann) romantische Komödien. Ihre Bücher landen regelmäßig auf der Spiegel-Bestsellerliste und sind bisher in über zwanzig Ländern erschienen. Wiebke Lorenz lebt mit Mann und Kindern in Hamburg.
Wiebke Lorenz veröffentlichte bei dotbooks bereits »Mein wunderbarer Brautsalon«.
Die Website der Autorin: wiebke-lorenz.de/
Die Autorin auf Facebook: lorenzwiebke
Die Autorin auf Instagram: @wiebkelorenz
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eBook-Neuausgabe Januar 2025
Copyright © der Originalausgabe 2010 by Wiebke Lorenz
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Wiebke Lorenz
Voll auf Ex-Kurs
Roman
dotbooks.
Für M. Trotz allem.
Ground Zero
Ich kann nicht verstehen, was er sagt. Das heißt, physisch kann ich es schon verstehen, also, wenn es um das reine Hören geht. Nur psychisch begreife ich es nicht. Da lösen seine Worte in der verquirlten Masse zwischen meinen beiden Ohren (auch »Hirn« genannt) gerade einen kompletten Systemabsturz aus. Er, das ist Sebastian, mein Freund, mein Liebster, mein Ein und Alles. Seit fünf Monaten schon, fünf Monaten voller Glück, Harmonie, Seelenverwandtschaft und, ähm … Streit. Aber auch voller phantastischem Sex, das soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Nur darüber redet Sebastian gerade leider nicht. Von dem phantastischen Sex, meine ich. Nein, er hält sich lieber beim Thema »Streit« auf, bei der kleinen Auseinandersetzung, die wir gestern Abend hatten und die nun dazu führt, dass er die bereits erwähnten Systemabsturz-Worte sagt.
Das heißt, er sagt sie nicht, er scheint sie vielmehr zu rappen, was vielleicht daran liegt, dass Sebastian seine Brötchen als Produzent bei einem kleinen Hip-Hop-Label verdient. Aber möglicherweise ist es auch nur das Blut, das laut durch meinen Kopf pocht und jeden seiner Sätze mit einem gnadenlosen Rhythmus unterlegt. Spiel mir das Lied vom Beziehungstod, Requiem für eine beerdigte Liebe:
»Es geht einfach nicht mehr. ES GEHT NICHT MEHR. Ich fühle mich zerrieben und von dir getrieben, bin überfordert und ausgebrannt, du hast mich völlig überrannt.«
Nein, so hübsch reimt er das nicht, während er am Fußende meines Bettes hockt und dabei den Kleiderschrank fixiert. Er bringt es mehr stockend vor, leise purzeln Worte wie »vorbei« und »Ende« aus seinem Mund. Bei mir hingegen purzeln die Tränen, zwar ebenfalls leise, aber keineswegs stockend. Mehr sturzbachähnlich, quasi aus weit geöffneten Schleusen.
»Kannst du mich nicht ansehen, während du mir das sagst?«, will ich wissen. Wer mich abserviert, soll mir dabei wenigstens in die verheulten Augen blicken. Doch Sebastian schüttelt den Kopf.
»Nein, das kann ich nicht. Und ich möchte dich bitten, mir jetzt keine Szene zu machen.« Szene? Was für eine Szene?
»Hab ich schon mit was geworfen?«, frage ich und denke gleichzeitig darüber nach, ob meine Nachttischlampe nicht in der Tat ein ausgezeichnetes Wurfgeschoss wäre. Gefällt mir sowieso nicht mehr, ich wollte längst mal eine neue kaufen.
»Pia.« Er seufzt und starrt weiter die Schranktür an. »Wir haben es versaut. Wir haben es beide versaut und kriegen es einfach nicht hin.«
»Aber warum denn nicht?« Ich bin versucht, ein kleines »Menno« hinterher zu schieben. Aber dann fällt mir ein, dass ich mit meinen dreiunddreißig Jahren dafür wohl ein bisschen zu alt bin.
»Das weißt du doch selber.«
»Wenn ich es wüsste, würde ich nicht fragen. Also hätte ich gern eine Antwort.« Doch anstatt einer elaborierten Antwort, ob nun gerappt oder nicht, erhalte ich nur einen weiteren Seufzer. Dann steht Sebastian auf, geht hinaus in den Flur und legt den Zweitschlüssel zu meiner Wohnung auf die Kommode neben der Tür. Jetzt löse ich mich aus meiner Bewegungsstarre, springe vom Bett auf und folge ihm.
»Kannst du«, frage ich, als er schon die Klinke in der Hand hat, »mich wenigstens noch einmal in den Arm nehmen?« Er dreht sich zu mir um. Und irgendwie wusste ich, dass das vielleicht ein Fehler sein würde. Aber jetzt steht er vor mir, mein großer, mein stattlicher Held. Mit seinen 1,90 Metern, den dunklen gelockten Haaren und den stahlblauen Augen, die dazu genau den faszinierenden Kontrast bilden, der Pierce Brosnan zu Weltruhm und einigen Milliönchen auf dem Konto verholfen haben dürfte.
Und er tut es. Er nimmt mich in den Arm. Ganz fest drückt er mich an sich, so dass ich seinen Herzschlag spüren kann. Stumm stehen wir da, seine »Kleine«, wie er mich immer genannt hat, und mein »Basti«. Nur eine Sekunde scheint es zu dauern, dann macht er sich von mir los und schlurft mit hängenden Schultern durch die Tür. Als sie hinter ihm ins Schloss fällt, explodiert es in mir. Ground Zero. Na, prima!
Der erste Morgen nach Ground Zero
Okay. Die Situation ist einigermaßen unschön: Gestern hat mich mein Freund verlassen, weil er meinte, es ginge mit uns beiden nicht mehr. Heute – wir schreiben Montag, den 27. September –, sitze ich um sechs Uhr morgens in der verschnarchten Werbe-Agentur, in der ich meine Brötchen verdiene, und bin mit Sebastian absolut einer Meinung. Es geht nicht mehr. Es geht nicht mehr, dass ich hier hocke und mich mit einem schwachsinnigen, unnützen und noch dazu schlecht bezahlten Prospekt für eine piefige Baumarktkette befasse, während irgendwo da draußen meine große Liebe herumläuft und … und … ja, was, und? Und schon bald irgendeine andere kennenlernt? O mein Gott, plötzliche Panik steigt in mir auf. Er wird eine andere kennenlernen, mit Sicherheit wird er das! Vielleicht hat er ja sogar schon?
Pia, versuche ich mich zu beruhigen, er ist erst seit gestern weg, und sooo schnell wird er seine Pierce-Brosnan-Scheinwerfer nun auch nicht auf ein neues Objekt der Begierde ausrichten. Hoffe ich jedenfalls. Aber um sechs Uhr morgens ist es auch eher unwahrscheinlich, dass Basti gerade eine andere anbaggert, das ist nun überhaupt nicht seine Zeit. Meine übrigens auch nicht. Zumindest normalerweise nicht. Aber bei Liebeskummer bedingter Insomnia (in Fachkreisen auch LBI genannt) kann es schon mal vorkommen, dass ich zu nächtlicher Stunde im Büro sitze und versuche, mich abzulenken. Wenigstens mein Chef wird begeistert sein, dass mich mein derzeitiger Zustand in ein Dasein als Workaholic treibt.
Drei Stunden später: Mein Chef wird nicht begeistert sein. Denn anstatt mich darauf zu konzentrieren, die Vorzüge von Winkelschleifern, Heißklebepistolen und Tischkreissägen mit Hilfe poetischster Worte hervorzuheben, gilt meine gesamte Konzentration – Basti. Und dem verzweifelten Gedanken daran, wie schön es mit uns beiden war …
Kleine und Basti, Teil 1:
Ich sah ihn das erste Mal, als meine Freundin und Kollegin Barbara Ende April ihren Junggesellinnenabschied auf der Reeperbahn feierte. Eine an und für sich vollkommen würdelose und überholte Veranstaltung. Erwachsene Frauen werfen sich in rosafarbene T-Shirts mit der Aufschrift »Barbaras letztes Geleit«, trinken sich zu Hause mit billigem Fusel einen Schwips an, stecken die angehende Braut in ein peinliches Bunnykostüm, hängen ihr einen Bauchladen mit Kondomen und Schnäpsen um und scheuchen sie zwecks Verkauf des überschaubaren Sortiments kreuz und quer über die Reeperbahn. Dabei wird gegackert, als wäre man dreizehn Jahre alt, und gebechert, als gäbe es kein Morgen mehr.
Tja, und in diesem äußerst fragwürdigen Zustand habe ich Sebastian eben kennengelernt. In einem rosafarbenen T-Shirt, in der Hand ein paar Fläschchen »Kleiner Feigling«. Insgesamt schon ein mehr als schlechtes Omen. Aber die Optimistin in mir sagt sich noch heute, dass eine Geschichte, die so anfängt, im Grunde genommen nur gut ausgehen kann, weil die kosmische Lebensdramaturgie es verlangt, dass die negative Anziehung durch positive Schwingungen verstärkt im Endergebnis zwingend dazu führen muss, dass, dass … jetzt habe ich den Faden verloren.
Jedenfalls stand er plötzlich neben mir, als wir vor dem Eingang des »Goldenen Sacks« gerade eine grölende Horde Männer mit Kondomen und Kurzen zu je drei Euro versorgten (mittlerweile waren wir dazu übergegangen, Barbara beim Verkauf ein bisschen unter die Arme zu greifen). Das heißt, er stand nicht wirklich neben mir, er lehnte an einer Hauswand, rauchte eine Zigarette und beobachtete unser Treiben mit zynisch in die Höhe gezogenen Augenbrauen. Lässig. Typ einsamer Wolf. Sprich: Eigentlich viel zu cool für mich – aber der »Kleine Feigling« hatte mich längst enthemmt. Und so stolperte ich auf ihn zu, auf den Mann, der in Kürze mein Leben komplett auf den Kopf stellen sollte, hielt ihm eine Handvoll Präservative und Schnapsfläschchen unter die Nase und sprach die historischen Worte: »Willst du auch welche?«
Sein zynischer Blick wich einem Lächeln, das nicht minder zynisch war. Und er schüttelte den Kopf. »Schade«, sagte ich, »aber warum denn nicht?« Eine Frage, wir erinnern uns, mit der unsere Geschichte nicht nur begann, sondern mit der sie auch wenige Monate später enden sollte.
»Ich habe alles, was ich brauche«, erwiderte er ruhig und nicht mal unfreundlich, der Klang seiner dunklen Stimme rieselte wie sanfte Musik in meine Ohren.
»Oh«, kam es dann von mir, »da hast du ja echt Glück, wenn du das von dir behaupten kannst.«
»Ja, das habe ich.« Darauf wusste ich nichts mehr zu erwidern, so dass ich mich zurück zum hysterischen Haufen trollte. Wohl doch eine Nummer zu groß für mich, eindeutig nicht die Kategorie Mann, mit der ich mich auskenne. Was vielleicht daran liegt, dass ich normalerweise nie irgendwelche Typen anspreche, sondern mich ansprechen lasse. Und die, die das tun, haben logischerweise nicht alles, was sie brauchen, sonst hätten sie mich ja nicht angesprochen.
Aber ich sollte falsch liegen. So ganz komplett ausgestattet war Bastis Leben wohl doch nicht, denn als wir eine Stunde später lärmend über den Hans-Albers-Platz zogen, sah ich ihn aus den Augenwinkeln auf mich zukommen. Und zwar direkt auf mich. Ich gab mir größte Mühe, ihn zu ignorieren, ein wenig unangenehm war mir seine Abfuhr vor der Kneipe schon. Aber wie ignoriert man jemanden, der auf einmal keine zwanzig Zentimeter entfernt vor einem steht?
»Hier«, sagte er und drückte mir einen Zettel in die Hand. In diesem Moment bemerkte ich zum ersten Mal seine unglaublich blauen Augen und fragte mich, warum die Schöpfung solche Halogenstrahler an einen Mann verschwendet und sie nicht lieber beim schöneren Geschlecht einsetzt, um es noch etwas schöner zu machen. »Wenn du deine rosafarbene Periode hinter dir hast und ein letztes Geleit suchst, ruf mich an.« Ich war zu perplex, um etwas zu erwidern, und starrte ihm nur sprachlos nach, wie er sich umdrehte und mit lässigen Schritten davonging.
»Guten Morgen. Du siehst scheiße aus.« Mit gewohnt einfühlsamen, wenn auch durchaus zutreffenden Worten werde ich von eben jener Barbara aus meinen Gedanken gerissen, der ich in gewisser Weise meine derzeitige Lage zu verdanken habe.
»Vielen Dank«, knurre ich zurück und werfe ihr einen bösen Blick zu. Sie lächelt anmutig (anmutig lächeln ist Barbaras Spezialität) und lässt sich in ihrem zarten Blumenkleidchen Größe sechsunddreißig auf den Platz auf der anderen Seite unseres Doppelschreibtischs sinken. Ihre blonden, schulterlangen Locken wippen dabei leicht, und mir wird mal wieder klar, weshalb Barbara ganze fünf Heiratsanträge – von fünf verschiedenen Männern – ablehnen konnte, bevor sie den sechsten schließlich annahm.
Ich hingegen muss mich mit langweiligen braunen, schnurgeraden Haaren abfinden, die mir bis zu den Schultern gehen und selbst mit Hilfe einer Dauerwelle nicht dazu zu bewegen sind, ein bisschen Schwung vorzutäuschen. Und so ist das Einzige, was bei mir wippt, meine Hüftpolster, denn nachdem es bei Basti und mir schon in den vergangenen drei Wochen nicht mehr ganz so toll lief, habe ich mich etwas zu sehr mit kompensatorischer Lebensmittelaufnahme getröstet. Noch ein Burger mehr und ich verlasse Größe vierzig in Richtung zweiundvierzig. Und da die Lage sich ja momentan nicht gerade verbessert hat, da … na ja.
»Ist was los?«, will Barbara wissen. »Du hast total tiefe Augenränder.«
»Basti hat mich verlassen.«
»Oh. Das tut mir leid.« Sie setzt einen Blick auf, als hätte ich ihr soeben von einem abgebrochenen Fingernagel berichtet, und ich frage mich schon, warum um Himmels willen ich mit Barbara befreundet bin – bis mir einfällt, dass ein abgebrochener Fingernagel für sie tatsächlich einer Tragödie gleichkommt. Außerdem fügt sie dann mitfühlend hinzu. »Wann denn? Und warum? Weshalb hast du mich nicht sofort angerufen?«
»Gestern früh. Er meinte, es ginge mit uns beiden einfach nicht mehr, weil wir uns nur noch streiten und er das Gefühl hat, mir gar nichts recht machen zu können. Danach wollte ich dann erst einmal allein sein und nachdenken.« Ja, so bin ich: Stellt man mir drei Fragen, werden sie alle drei brav nacheinander beantwortet.
»Und?«, fragt meine Kollegin. »Hat er Recht damit?« Ich starre sie an und merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen.
»Ich weiß es nicht«, bringe ich gequält hervor, »in letzter Zeit ist es wohl nicht mehr so gut gelaufen.« Dann lasse ich meinen Kopf auf die Tischplatte sinken und schluchze leise vor mich hin.
»Kopf hoch«, sagt Barbara in ermunterndem Tonfall, »der Chef kommt.« Okay, der Tonfall war ermahnend, nicht ermunternd.
Gerade noch rechtzeitig habe ich mich zurück in eine aufrechte Position gebracht und mir mit einem Taschentuch, das Barbara mir reicht, die Nase geputzt, da steckt auch schon Roland Behrmann seinen Kopf durch die Tür zu unserem Zweierbüro herein. Ihm gehört die verschnarchte Werbe-Agentur mit den piefigen Kunden, aber immerhin reichen die Einnahmen offenbar für seinen Porsche Boxster, mit dem er hier immer großspurig angerauscht kommt.
Jetzt steht er vor uns, geleckt wie immer in Jeans mit Bügelfalte und hellblauem Polo-Shirt von Ralf Lauren, die Ray-Ban-Sonnenbrille lässig in den Ausschnitt gehängt, sein Teint sommerfrisch vom letzten Segeltörn im Mittelmeer. Ohne diese Aufmachung würde er mit seinen vollen honigfarbenen Haaren und den hellgrünen Augen vielleicht sogar ganz gut aussehen – so aber ist er nur ein weiterer Medienfuzzi um die Vierzig, wie einem in Hamburg alle fünf Meter einer begegnet.
»Guten morgen, die Damen!«, begrüßt er uns. Strahlender Blick Richtung Barbara: »Alles gut?« Irritierter Blick zu mir: »Was macht der Prospekt für die Müllermanns Baumärkte, Frau Weiland?«
»Fast fertig«, lüge ich. Denn fertig ist hier nur eins: ich.
»Gut«, sagt er, »die Sachen müssen morgen zur Abnahme an den Kunden raus.«
»Kein Problem.« Wo ist der nächste Strick? El Cheffe entschwindet.
»Brauchst du Hilfe?«, will Barbara wissen.
»Nein«, antworte ich ermattet. »Das stehe ich schon durch. Das auch noch.«
Der erste Abend nach Ground Zero
19.30 Uhr, Barbara packt ihre Sachen zusammen, nachdem sie sich zuvor im Bad für die Heimkehr zu ihrem Gatten zurechtgemacht hat. Sie sieht aus wie heute Morgen, kein Unterschied zu erkennen. Ich bin mittlerweile ein Wrack. Nicht nur emotional, sondern auch nervlich. Zu meinem Liebeskummer hat sich nämlich noch die handfeste Panik gesellt, mit meiner Arbeit nicht rechtzeitig fertig zu werden. Von acht Seiten Prospekt liegen noch siebeneinhalb vor mir. On the Nightshift ...
»Bist du sicher, dass ich dir nicht helfen soll?«, will Barbara wissen, während sie ihre Tasche schultert. »Ich kann Jens auch sagen, dass es mit unserem Kinoabend nichts wird. Ehrlich!« Ich lächle sie dankbar an.
»Nein, ist schon gut. Wenn ich hier erst einmal meine Ruhe habe, läuft’s bestimmt von ganz allein.« Außerdem: Barbaras Angebot in allen Ehren, aber da sie im Gegensatz zu mir nicht Texterin, sondern Grafikerin ist, wüsste ich gerade nicht, wie sie mir helfen könnte. Außer vielleicht als moralische Stütze, aber was soll sie hier neben mir hocken, während ich mir das Hirn zermartere?
»Meinst du wirklich?«, fragt sie noch einmal nach.
»Ja.« Nein. Nichts läuft. Nichts wird jemals wieder laufen. Nie wieder!
Fünf Minuten später ist Barbara aus der Tür, und ich bin – allein. Also gut, stelle ich mich der Herausforderung. Das fehlte ja noch, dass ich neben meiner Beziehung nun auch noch meinen Job gegen die Wand fahre. Nein, nein, Pia Weiland ist ein Werbe-Profi, da wird sie sich doch nicht von so einem kleinen bisschen Herzschmerz einschüchtern lassen!
Ich wende mich der geöffneten PDF-Datei auf dem Bildschirm zu. Wollen mal sehen. Der neue Winkelschleifer von Reck & Hecker. Was fällt mir denn dazu ein?
Der neue Winkelschleifer von Reck & Hecker
Verlassen worden? Wut im Bauch? Kein Problem, der neue Winkelschleifer RH 324 von Reck & Hecker eignet sich ganz hervorragend dafür, den Abtrünnigen in fünf Teile zu zerlegen, so dass er bequem in eine 1x1 Meter große Kiste passt (zum Beispiel in eine unserer praktischen Aufbewahrungsboxen von Sondermann), die sich dann ganz einfach in der Elbe versenken lässt.
Ha! Ich sitze vor meinem Text und freue mich. DAS wäre doch mal wirklich ein Argument, sich so einen dämlichen Winkelschleifer zu kaufen! Und außerdem merke ich, wie die kreativen Kräfte in mir erwachen und ich mit großer Freude weiter drauflos texte.
Gartenschlauch »Floral«
Mit seiner Länge von insgesamt 30 Metern und seinem überaus biegsamen, aber doch robusten Material lässt sich der Gartenschlauch »Floral« hervorragend mehrfach um den Expartner wickeln. Anschließend können Sie ihn damit einfach aus dem Fenster hängen und dabei gleichzeitig noch Ihre Beete bewässern. Überaus praktisch!
Ich schreibe mich in Rage. Keine zwei Stunden später ist der Prospekt fertig. Super! Nur schade, dass ich die Texte so unmöglich abgeben kann. Kurz vor halb zehn. Wenn ich jetzt nicht wirklich mal anfange zu arbeiten, wird das heute nichts mehr.
Also speichere ich das PDF ab (darüber will ich mich später noch mindestens hundertmal amüsieren) und fange in einer neuen Datei von vorne an. Winkelschleifer, also wirklich! Bin ich tatsächlich zu solchen niederen Arbeiten auserkoren? Ja, bin ich wohl. Und während ich versuche, träumerische Ausdrücke für »Handlichkeit« und »Geringer Energieverbrauch« zu finden, schweifen meine Gedanken wieder ab. Natürlich zu: Basti ...
Kleine und Basti, Teil 2:
Drei Tage nach der peinlichen Kiez-Nummer rief ich ihn an. Mit zitternden Händen wählte ich seine Nummer und hoffte mit halben Herzen, dass er nicht rangehen, sondern mich zurückrufen würde, wenn er meine Nummer im Display sah. Er ging ran.
»Hallo, hier ist Sebastian.«
»Hier, äh, ist ... Rosa Luxemburg.«
»Wer?« Okay, kein guter Witz.
»Na, Pretty in Pink, die Frau in der rosafarbenen Periode.«
»Ach, ja, richtig! Schön, dass du anrufst. Das ging aber schnell.« Schnell? Ich habe drei Tage lang mit mir gerungen und mir auf die Pfoten gehauen. War mein Anruf etwa trotzdem zu früh? Männer!
»Ja, hm, ich dachte, ich meld mich einfach mal.«
»Und in welcher Periode bist du jetzt?«
»Dunkelblau.«
»Sehr gut. Dann lass uns doch mal was trinken gehen. Da passt blau ganz gut.«
Und das haben wir dann auch gemacht. Sind etwas trinken gegangen. Noch am gleichen Abend trafen Basti und ich uns im Schulterblatt in einer angesagten Szene-Bar. Und: Ich trug Rosa. Jawohl! Denn beim Zurechtmachen – ich hatte mich bereits für eine dunkelblaue Bluse entschieden – kam mir die Idee, dass es ja überhaupt nicht in Frage kommt, dass ich es diesem Kerl von Anfang an recht mache. Einsamer Wolf hin, einsamer Wolf her, ich lasse mich doch nicht schon vor dem ersten Date unterdrücken!
Sebastians irritierten Blick quittierte ich mit einem grinsenden »Ich bin farbenblind.« Danach verstanden wir uns wunderbar. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich die beliebte »Und was machst du so«-Frage stellte.
»Wie, was soll ich denn machen?«
»Na, beruflich.«
»Ach, beruflich.« Große Pause. »Ich lebe vom Wetten.«
»Wie, vom Wetten?«
»Na, vom Wetten halt.«
»Äh, bei ›Wetten dass?‹ oder wie?«
»Nö. Pferdewetten. Fußballwetten. Sowas halt.«
»Aber davon kann man doch nicht leben!« Wieder die zynische Augenbraue.
»Sicher kann man das. Sehr gut sogar, man muss nur das richtige Händchen dafür haben und die Risiken und Chancen gut gegeneinander abwägen.« Herr Ober, zahlen! An was für eine halbseidene Type war ich denn hier geraten? Dann auf einmal prustendes Gelächter von Blauauge.
»Das war ein Witz. Ich bin Musikproduzent. Echt, du solltest mal dein Gesicht sehen!« Haha, sehr lustig. Wie gesagt, Basti und ich verstanden uns auf Anhieb wunderbar ...
Düdeldidu. Mitten in meinen Gedankengang zwischen den neuen Gartenhäusern aus schwedischem Naturholz und meinem ersten Date mit Basti klingelt das Telefon auf meinem Schreibtisch. Um 22.43 Uhr. Kann nur was Privates sein.
»Behrmann Communications, Pia Weiland.«
»Hallo, Süße. Ich bin’s, Philip. Immer noch in der Agentur, wie ich höre? Machst du mal wieder eine Nachtschicht?« Ach so, ja. Den hätte ich jetzt fast vergessen. Meinen Mann. Den gibt’s ja auch noch ...
Später in der Nacht nach Ground Zero
Um kurz nach eins sitzen Philip und ich bei mir zu Hause auf dem Sofa und trinken den Vernaccia, den wir vergangenes Jahr bei unserem letzten gemeinsamen Urlaub in der Toskana gekauft haben. War ein schöner Urlaub. Auf der mehrstündigen Autoheimreise nach Hamburg haben wir uns dann getrennt. Das heißt, ich habe mich getrennt, Philip war damit nicht so wirklich einverstanden. Besser gesagt, überhaupt nicht. Aber die 50er Jahre sind ja glücklicherweise vorbei, da reicht es schon, wenn einer nicht mehr will.
Und ich wollte eben nicht mehr, nach drei Jahren Ehe – die wir seinerzeit etwas überstürzt nach sechsmonatiger Beziehung geschlossen hatten –, war der Ofen für mich schlicht und ergreifend aus. Vielleicht hätte ich auch erst einmal fünf Anträge ablehnen sollen, bevor ich »Ja« sage. Andererseits war ich im Gegensatz zu Barbara sicher, bis auf den von Philip so schnell keinen mehr zu bekommen, also habe ich lieber sofort eingewilligt. Und außerdem, das muss man wirklich sagen, sieht Philip mit seinen dichten blonden Haaren und den großen braunen Augen wirklich sehr, sehr gut aus, ein »hübscher Kerl«, wie meine Mutter immer meinte.
Das erste Jahr nach der Hochzeit war super. Das zweite mäßig. Im dritten waren wir komplett auseinander gedriftet. Jeder machte sein eigenes Ding, und so lebten wir in schweigender, aber durchaus friedlicher Koexistenz nebeneinander her, führten nur noch Gespräche auf »Kannst du bitte den Wasserkasten hochtragen?«- und »Wir brauchen noch ein Geburtstagsgeschenk für deine Mutter«-Niveau. Während des Italienurlaubs sprachen wir dann gar nicht mehr miteinander, wie ließen sprechen und zogen uns während unserer zweiwöchigen Rundfahrt gut und gern zwanzig Hörbücher rein.
Sicher, auch so kann man miteinander alt werden. Aber man kann es auch lassen. Und ich hatte einfach das Gefühl, dass ich mit Anfang dreißig zu jung war, um … na ja, um nicht mehr daran zu glauben, dass es doch irgendwo, irgendwie und vor allem mit irgendwem mehr geben musste als »Philip und Pia Weiland haben sich nichts mehr zu sagen«.
Tja, das gab’s ja dann auch. Mit Basti war mir nicht ein einziges Mal der Gesprächsstoff ausgegangen. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als er beschloss, mich zu verlassen, und so überhaupt nicht mehr mit mir zu reden.
Dafür sprechen Philip und ich jetzt wieder miteinander, man muss doch in allem das Positive sehen.
»Ach, nimm’s nicht so tragisch«, sagt er jetzt gerade und trinkt einen Schluck von seinem Weißwein. »Der Idiot kommt doch sowieso in ein paar Tagen wieder angekrochen und will dich zurück.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil du eine unglaublich tolle Frau bist, die ein Mann einfach nicht verlieren will.« Ja, so ist er, der Philip. Unheimlich süß. Unheimlich lieb. Und leider immer noch unheimlich verliebt in mich. Was die Tatsache, dass ausgerechnet er mich gerade zu trösten versucht, einigermaßen absurd erscheinen lässt. Andere Menschen hätten vermutlich ein hämisches »Das geschieht dir recht!« verlauten lassen und sich gefreut, dass der Expartner gerade genau so abserviert wurde, wie es ihnen vor einem guten Jahr selbst widerfahren ist. Nicht so Philip, der ist zu gut für diese Welt.
»Du bist wirklich zu gut für diese Welt«, spreche ich meine Gedanken aus und werfe ihm ein schiefes Lächeln zu.
»Ich weiß.« Schiefes Lächeln zurück. »Aber genau das war ja bei uns beiden das Problem. Zu wenig Reibungsfläche, wie du immer gesagt hast.«
»Na ja«, ich seufze laut auf, »jetzt habe ich ja meine Reibungsfläche. Jedenfalls fühlt es sich im Moment so an, als hätte man mich einmal quer über ein Stück Sandpapier gezogen. Alles ist wund und tut weh und macht Aua!«
»Du schreibst zu viel für Baumärkte«, stellt Philip fest, »du findest mittlerweile schon sehr eigenartige Vergleiche.« Wir müssen beide lachen, was mir in diesem Moment erstaunlich gut tut. »Ist dein Prospekt denn fertig geworden?« Ich nicke.
»Ja, hab vorhin noch alles an den Kunden geschickt, damit er es abnicken kann. Ist zwar keine Sternstunde der Literatur geworden, aber für den Otto-Normal-Heimwerker wird’s schon noch reichen.«
»Ich sag ja immer, dass du mal ein Buch schreiben solltest.« Philip ist Lektor bei einem Hamburger Verlag. Daher auch sein unerschöpflicher Vorrat an Hörbüchern.
»Um ein Buch zu schreiben, muss man was zu erzählen haben.«
»Hast du doch!«
»Was denn?«
»Deine gescheiterte Ehe. Deine gescheiterte Beziehung. Dein Job, der dich anödet …«
»Klingt eher nach einer ›Anleitung zum Depressiv-werden‹. Glaube kaum, dass das einer lesen will. Und außerdem hast du eben noch behauptet, Basti würde wieder zu mir zurückkommen!«
»Siehste. Dann wird’s ja doch nicht so ein depressives Buch.«
»Ach, Philip.« Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich hab dich lieb.«
»Ich dich auch, meine Süße. Aber das weißt du ja.«
»Du sagst es mir ja nur ungefähr jeden Tag dreimal.«
»Wäre es dir lieber, ich würde es lassen?«
»Sagen wir so: Es wäre mir lieber, wenn du irgendwann eine wunderbare Frau kennenlernst, der du es dann sagen kannst.« Philip sieht mich nachdenklich an.
»Die finde ich schon irgendwann.« Und an der Art, wie er das sagt und mich dabei aus seinen großen braunen Dackelaugen anschaut, weiß ich genau, was er denkt. Nämlich, dass er nur mich will. Mich, die gerade wegen eines anderen traurig ist. Das Leben ist doch manchmal einigermaßen ungerecht. »Und du«, fährt Philip dann fort, »wirst spätestens in einer Woche auch wieder von Basti hören, dass er dich lieb hat.«
Eine Woche nach Ground Zero
Als Orakel taugt Philip eher nicht, seine hellseherischen Fähigkeiten halten sich in ziemlich beschaulichen Grenzen. Nicht nur, dass Basti mir nicht gesagt hat, dass er mich lieb hat. Nein, er hat überhaupt nichts gesagt. Beziehungsweise sich nicht mehr bei mir gemeldet. Funkstille. Total. Total frustrierend, was mich betrifft.
Selbst auf eine kurze Mail von mir, in der ich »nur mal« nachhorchen wollte, wie es ihm so geht, hat er nicht reagiert. Und auf die drei Nachrichten, die ich ihm zu Hause auf dem Anrufbeantworter hinterlassen habe und in denen ich ihn um ein Treffen bat, auch nicht. Nicht mal auf eine der fünfzehn SMS hin, die ich im Verlauf der Woche getipselt habe, hat er sich gemeldet. Na gut, in der letzten hatte ich ihm auch geschrieben, dass er sich von mir aus dann gehackt legen soll, wenn er mich einfach ignoriert. Aber selbstverständlich habe ich das nicht wirklich so gemeint, also, die Sache mit dem sich gehackt legen.
»Ich glaube, Basti hat das mit dem Schlussmachen wirklich ernst gemeint«, teile ich Barbara am Montagvormittag meine neueste – und ich möchte sagen, erschütternde – Erkenntnis mit. »Er reagiert nicht einmal, wenn ich ihm was maile, ihn anrufe oder eine SMS schicke.«
»There’s many fish in the sea«, erwidert sie nur trocken, ohne von ihrem Computerbildschirm aufzublicken.
»Für dich vielleicht«, knurre ich düster, »in meinem kleinen Tümpel herrscht gerade akutes Fischsterben.« Jetzt sieht sie mich doch an.
»Und was ist mit Philip?«
»Philip?«
»Der Mann, mit dem du noch verheiratet bist. Du erinnerst dich?«
»Aber ich bin doch in Basti verliebt, was soll ich da mit Philip?« Manchmal kann ich die Gedankengänge meiner Freundin und Kollegin nur schwer nachvollziehen, um es mal vorsichtig zu formulieren.
»Ich dachte ja nur, du könntest ihn als eine Art Zwischenlösung nehmen. Bis wieder ein neuer Kerl auftaucht.« Ich werfe ihr einen einigermaßen entsetzten Blick zu.
»Zwischenlösung? Philip hängt noch total an mir, da kann ich mich doch nicht mit ihm trösten, während ich in Wahrheit nur Basti zurückhaben will!«
»Warum nicht?«
»Weil das total unfair wäre.«
Barbara zuckt mit den Schultern und streicht sich mit einer Hand durch ihre blonde Mähne. »Männer muss man nicht fair behandeln.«
»Philip schon.«
»Das genau war ja das Problem.«
»Was meinst du denn damit schon wieder?« So langsam frage ich mich, ob Barbara sich mit irgendwas zugedröhnt hat. Normal klingt das jedenfalls nicht, was sie mir hier erzählt.
»Na, dass Philip immer viel zu nett zu dir war. Jeden Wunsch hat er dir von den Augen abgelesen, hat alles für dich getan und war immer für dich da. Kein Wunder, dass dir das langweilig wurde.«
»Jens tut doch auch alles für dich«, werfe ich ein.
»Das ist etwas anderes.«
»Wieso?«
»Weil ich anders bin als du. Ich genieße es, die volle Aufmerksamkeit eines Mannes zu haben.«
»Ach? Und ich etwa nicht?«
»Nein«, stellt Barbara fest, »du magst es, wenn man dich scheiße behandelt.«
»Basti hat mich nicht scheiße behandelt!« So langsam aber sicher nimmt dieses Gespräch hier Züge an, die mir ganz und gar nicht gefallen.
»Hat er nicht?«
»Nein!«
»Na gut. Dann habe ich mir diese achthundert Gespräche, die wir zum Thema ›Warum hat Basti jetzt wieder das und das gemacht?‹ wohl eingebildet.« Sie wendet sich wieder ihrem Bildschirm zu und fängt unbeeindruckt an zu tippen. Ich selbst hingegen bin gerade etwas … grummelig. Sicher habe ich mich mal über Basti beschwert, sowas ist ja wohl auch ganz normal. Aber achthundert Mal war es bestimmt nicht. Basti war toll. Meistens jedenfalls. Zum Großteil. Gar nicht mal so selten.
Kleine und Basti, Teil 3:
Nach unserem ersten Date in der Schanze ging dann auf einmal alles ziemlich schnell: Wir zogen bis drei Uhr morgens um die Häuser und landeten schließlich bei Basti zu Hause. Genauer gesagt in seinem Bett. Und schon beim ersten Mal musste ich feststellen, dass Sebastian als Liebhaber gewisse Qualitäten hatte, die mich sogar darüber hätten hinwegsehen lassen, wenn er wirklich als Zocker sein Geld verdient hätte. Aber das musste ich ja zum Glück nicht einmal.
Irgendwann zwischen meinem dritten und vierten Orgasmus hielt ich es dann für angebracht, ihn über ein kleines, wenn auch nicht vollkommen unwichtiges Detail aus meinem Leben aufzuklären.
»Du«, sagte ich, während er gerade dabei war, mich durch bloßes Knabbern an meinen linken Ohrläppchen zum nächsten Höhepunkt zu kitzeln, »ich bin übrigens verheiratet.« Das Knabbern hörte schlagartig auf. »Also, noch, meine ich«, schob ich schnell hinterher. »Mein Mann und ich leben in Trennung.«
Basti rollte sich auf den Rücken, zündete sich eine Zigarette an, blies kleine Rauchkringel in die Luft und fixierte relativ lange die Zimmerdecke, bis er schließlich sagte: »Das macht nichts. Ich bin eh nicht so der Beziehungsmensch.«
»Äh, wie?«
»Na ja«, erklärte er, »mit festen Bindungen hab ich’s nicht so.«
»Ach so.« Und bevor ich ihn fragen konnte, was genau er damit meinte, drückte er seine Kippe aus und fing an, genau da weiterzumachen, wo er aufgehört hatte.
»Guten Morgen Frau Kerstens, guten Morgen Frau Weiland!« Wie üblich steckt Roland Behrmann nach seiner Ankunft den Kopf durch unsere Tür, um zu überprüfen, ob wir auch fleißig am Arbeiten sind. Heute hat er sich für ein zitronengelbes Oberteil entschieden, und natürlich ziert auch dieses Shirt ein kleiner gestickter Polospieler.
»Morgen«, erwidern Barbara und ich gleichzeitig.
»Gut sehen Sie beide wieder aus«, sagt er, richtet seinen Blick aber einzig auf meine Kollegin. Schon peinlich, wie er Barbara immer anbaggert. Peinlich bis würdelos, möchte ich sogar sagen. Dabei war er als Gast auf ihrer Hochzeit, da müsste ihm doch klar sein, dass er auf vollkommen verlorenem Posten steht! Nun ja, die Trennung von Philip und mir hat er allerdings auch mitgekriegt, vielleicht lebt er getreu dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
»Vielen Dank, Sie auch!«, erwidert Barbara kokett das Kompliment, sie weiß eben, wie man die Kerle um den Finger wickelt. Ich weiß das nicht und sage deshalb nichts dazu, für so was Plattes werde ich mich bestimmt nicht bedanken.
»Wie läuft’s denn gerade?«
»Alles bestens«, meint Barbara, »ich habe Ihnen eben das Layout für den Schuhkunden auf den Server gestellt, Frau Weiland hat auch schon den Text reingeschrieben.«
»Ach, Sie meinen die Geschichte ›Auf atmungsaktiven Sohlen durch den Winter‹? Prima, das schaue ich mir gleich mal an.« Barbara nickt.
Ich unterdrücke ein Seufzen. Wenn das mal nicht Meldungen sind, auf die die Welt gewartet hat! Atmungsaktiv durch den Winter – und das im Spätsommer. Aber tatsächlich sind wir mental schon im Dezember, oder, wie Roland Behrmann es nennt: »Gedanklich immer einen Schritt voraus.« Tja, auf mich trifft das leider nicht zu, denn während mein Chef und meine Kollegin sich weiter in banalen Plänkeleien ergehen, habe ich gedanklich wieder den Rückwärtsgang eingelegt und quäle mich mit weiteren Erinnerungen an meine zerbrochene Beziehung.
Kleine und Basti, Teil 4:
Nach diesem Statement war mein Kampfgeist natürlich geweckt. Was soll das heißen, mit festen Bindungen hab ich’s nicht so? Das, so dachte ich damals, wollen wir ja mal sehen!
Und tatsächlich brachte ich Basti dazu, im Verlauf eines Monats erst von »unser Ding«, dann von »unserer Liaison« und schließlich davon zu sprechen, dass wir miteinander »unterwegs« sind.
Es passierte bei der Albumpräsentation der Band »The Cosmic Monkeys«, die er kürzlich unter Vertrag genommen hatte. In einem schrammeligen Kiezclub spielte die Kombo quälende 90 Minuten lang auf, was ich tapfer durchhielt, denn schließlich stand ich mit stolz geschwellter Brust neben Basti, der mich die ganze Zeit lang fest im Arm hielt.
»Und?«, wollte einer der kosmischen Affen wissen, als wir bei der Aftershowparty an der Bar standen und er sich mit Basti über die unglaubliche Intensität der Vibes aus dem Publikum unterhielt, die ihn während des Auftritts so richtig »geflasht« hätten (Musiker, ein seltsames Völkchen), »was ist mit euch beiden so?« Ich erstarrte zur Salzsäule. Was würde Basti dazu sagen? Sicher, er hatte mich mit zu dem Showcase genommen und für jeden gut sichtbar gezeigt, dass ich scheinbar mehr als die weit entfernte Cousine bin. Aber direkt darauf angesprochen …
»Wir«, antwortete Basti mit einem breiten Grinsen, legte wieder seinen Arm um meine Schulter und zog mich an sich heran, »sind miteinander unterwegs.«
Miteinander unterwegs? Den restlichen Abend grübelte ich darüber nach, was das wohl bedeuten sollte, dieses »Miteinander-unterwegs-Sein«. Als wir spät in der Nacht nebeneinander in Bastis Bett lagen, konnte ich nicht mehr anders. Ich musste ihn fragen.
»Du?«
»Ja?«
»Was meinst du eigentlich damit, dass wir miteinander unterwegs sind?« Basti drehte sich auf die Seite und warf mir einen amüsierten Blick zu.
»Na, eben das, was es heißt: Wir sind unterwegs.«
»Ja, aber was bedeutet das?«, bohrte ich nach, obwohl ich mich dabei schon ein kleines bisschen schlecht fühlte, weil mir irgendwie klar war, dass Basti es nicht sonderlich mochte, festgenagelt zu werden.
»Was immer du denkst«, erwiderte der schöne Mann neben mir. Herrjeh, das klang genauso kryptisch wie die Texte der Cosmic Monkeys.
»Das verstehe ich immer noch nicht ganz. Unterwegs sein … das klingt so … unverbindlich«, wagte ich mich mit klopfendem Herzen einen Schritt weiter vor. Jetzt lachte Basti kurz auf.
»Ich würde doch mal sagen, das kommt schwer auf die Richtung an, oder?«
»Und in welche Richtung sind wir unterwegs?« Seufzend legte er wieder beide Arme um mich, zog mich an sich heran und gab mir einen langen Kuss.
»Kleine«, nuschelte er dann in mein Ohr, »wenn du es unbedingt hören willst, lass es mich so formulieren: Du bist meine Freundin. Okay?«
Freundin. Er hatte es gesagt. Freundin, Freundin, Freundin! Prompt wurde ich von einer heißen Gefühlswelle durchspült – das war der glücklichste Moment meines Lebens!
Tja. Und von diesem Moment an ging es mit Basti und mir eigentlich nur noch bergab.
»Sie können also die Druckfreigabe erteilen.« Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, als Roland Behrmanns Stimme an mein Ohr dringt.
»Äh, wie bitte?«
»Für den Prospekt, Frau Weiland.« Mein Boss mustert mich leicht ungnädig.
»Den Prospekt?«, echoe ich.
»Sie erinnern sich vielleicht, die Werbebeilage für Müllermanns Baumärkte, die Sie betreuen und die nächste Woche ins Abendblatt soll«, stellt er nun ironisch fest, und Barbara unterdrückt sichtlich angestrengt ein Kichern.
»Ach, so, ja«, stottere ich, »der Prospekt.«
»Genau«, bestätigt mein Boss. »Der Kunde hat mich eben auf dem Handy angerufen und die Freigabe erteilt, kann also alles in Druck gehen. Wie gehabt, 250.000 Exemplare, die Druckerei soll die Prospekte dann direkt an den Verlag liefern.«
»Ich kümmere mich drum«, stelle ich eilig fest und ziehe wie zur Bestätigung meines nun sofort einsetzenden Arbeitseifers die Computertastatur näher zu mir heran.
»Bestens«, meint Roland Behrmann, nickt mir und Barbara noch einmal zu, bevor er entschwindet. Dreißig Sekunden später steckt er noch einmal seinen Kopf in unser Büro. »Übrigens, Frau Weiland: Gute Arbeit! Zwar keine Sternstunde der Literatur, aber für die Müllermanns Baumärkte doch durchaus ausreichend.« Vielen Dank, was für ein Lob! »Als nächstes kümmern Sie sich dann um die Urkunden und die Internetseite für die Apfelpatenschaften?«
»Natürlich«, erwidere ich und lächele ihn süßlich an. Noch so ein Hammer-Etat, den ich aufs Auge gedrückt bekommen habe: Ein Obstbauer im Alten Land hatte die Idee, dass man bei ihm für fünfzig Euro pro Jahr eine Patenschaft für einen Baum übernehmen kann. Dafür bekommt man dann eine schicke Urkunde, wird zu Events wie Erntefesten und Schnittkursen und Trallala eingeladen und erhält am Ende dann sämtliche Früchte, die sein »Patenkind« trägt. Tja, und diese Urkunde soll nun ich zusammen mit der Webseite mit einem freien Grafiker entwerfen; Barbara ist bei diesem Job natürlich raus, ihr gibt der Chef nur immer die schicken Sachen, die irgendwas mit Mode oder Lifestyle zu tun haben. Ich seufze. Eine wirklich tolle Aufgabe für mich, da werde ich dann wohl gleich mal in den sauren Apfel beißen.
Als ich um kurz nach acht völlig erledigt – die Äpfel haben mich echt fertig gemacht – die Tür zu meiner Wohnung in der Semperstraße aufschließe, blinkt mir freudig mein Anrufbeantworter entgegen. »Basti!«, ist mein erster Gedanke. »Träum weiter!«, mein zweiter. Und so ist es dann auch: Die vier Nachrichten stammen 1. von meiner Mutter, 2. von Philip, 3. von meiner Mutter. 4. von meiner Mutter.
Mamas Anrufe ignoriere ich geflissentlich, denn ich habe nur wenig Lust, mich nach einem langen Arbeitstag noch eine Grundsatzdiskussion zum Thema »Warum hast du deinen Mann verlassen?« zu führen. Das einzige Thema, das meine Mutter seit einem Jahr parat hat, denn sie ist der Ansicht, dass ein Mann, der nicht säuft und einen nicht schlägt oder betrügt, doch wunderbar und perfekt ist. Meine Versuche, ihr erklären zu wollen, dass das ja aber nicht alles sein kann und dass es für eine glückliche Beziehung vielleicht noch zwei, drei klitzekleine Kleinigkeiten braucht, habe ich mittlerweile resigniert eingestellt. Stattdessen rufe ich den Nicht-Säufer, Nicht-Schläger und Nicht-Betrüger an.
»Hallo, ich bin’s«, sage ich, nachdem Philip ans Telefon gegangen ist.
»Na, meine Schöne? Wie geht’s?«
»Nenn mich nicht so«, maule ich.
»Warum denn nicht?«
»Weil du mir damit ein schlechtes Gewissen machst.« Er lacht.
»Weshalb? Weil du schön bist?«
»Erstens bin ich das nicht, und zweitens … ach, ich bin heute einfach scheiße drauf.«
»Das dachte ich mir schon«, erwidert Philip. »Immer noch nichts von deinem Sebastian gehört?«
»Nein«, antworte ich in weinerlichem Tonfall, wofür ich mich sofort wieder schäme. Ich muss endlich mal aufhören, mich bei meinem Exmann auszuheulen, mein Benehmen ist wirklich mehr als widerlich!
»Sollen wir vielleicht eine Kleinigkeit essen gehen? Das lenkt dich bestimmt ab.«
»Wenn ich mich noch mehr mit dem Essen von Kleinigkeiten ablenke«, gebe ich düster zurück, »sehe ich bald aus wie Kirstie Alley. VOR ihren diversen Schlankheitskuren.«
»Du übertreibst mal wieder maßlos.«
»Woher willst du das wissen?«
»Als ich dich vor einer Woche gesehen habe, warst du von Kirstie Alley noch ziemlich weit entfernt.«
»In einer Woche kann viel passieren«, antworte ich, merke aber, wie ich schon wieder lächeln muss. Bitte, lieber Gott, schick Philip eine nette Frau, die diesen wunderbaren Mann verdient hat, es ist nicht richtig, wenn so einer allein durch die Gegend läuft!
»Also«, unterbricht Philip meine Gedanken. »Was ist jetzt mit Essen? Du kannst dir ja auch gern einen Obstsalat bestellen.«
»Hör bloß auf mit Obst«, gebe ich seufzend zurück, »davon habe ich nach heute mehr als die Nase voll.« Kurz berichte ich ihm von meinem neuen Projekt, der Apfelpatenschaft.
»Wie wäre es dann mit Kino?«, schlägt Philip daraufhin vor.
»Wenn ein richtig schlechter Horrorstreifen läuft, denke ich drüber nach.« Ich kichere. »Aber, wenn ich ehrlich bin, ist mir heute einfach nur danach, auf dem Sofa rumzuliegen.«
»Bist du sicher? Nicht doch ein bisschen Ablenkung?«
»Das ist wirklich lieb von dir, aber ich will mich heute lieber hier einigeln.«
»Okay, wie du meinst. Aber wenn du es dir noch einmal anders überlegst, meld dich einfach.«
»Das mach ich. Vielleicht können wir ja die Tage ins Kino gehen.«
»Immer gern, das weißt du ja. Von Mittwoch bis Freitag bin ich allerdings in Frankfurt auf der Buchmesse. Ich hab aber mein Handy dabei, falls irgendwas ist.«
»Was soll schon sein?«, seufze ich. »Trotzdem, vielen Dank!« Wir verabschieden uns, und ich lege auf.