Vom Gedankengang zum Schreiberfolg (E-Book) - Katrin Seele - E-Book

Vom Gedankengang zum Schreiberfolg (E-Book) E-Book

Katrin Seele

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  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Lehrveranstaltungen finden meist im Sitzen statt. Für das Schreiben ist die sitzende Körperhaltung geradezu ideal. Dennoch: Der Bewegung und insbesondere dem Gehen kommt im Schreibprozess eine hohe und oft noch wenig beachtete Bedeutung zu. Dieses Buch präsentiert Ansätze, Ideen und Stimmen zur ambulatorischen Schreib- und Scheibberatungspraxis. Es richtet sich an alle, die Schreibende im Schreibprozess unterstützen.

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Seitenzahl: 64

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Hrsg. Doris Edelmann / Evelyne Wannack

Katrin Seele

Vom Gedankengang zum Schreiberfolg

Ambulatorische und peripatetische Methoden zur Unterstützung des Schreibens und der Schreibberatung

Beiträge für die Praxis, Band 12

 

ISBN Print: 978-3-0355-2356-0

ISBN E-Book: 978-3-0355-2357-7

 

1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 hep Verlag AG, Bern

 

hep-verlag.com

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einführung und Problembeschreibung: Warum Schreiben und Gehen verbinden?

A Theoretisch-begrifflicher Hintergrund einer ambulatorischen Schreibberatung

1 Promenadologisch, peripatetisch, ambulatorisch, bewegt: Begriffsrepertoire der Arbeitsmethoden im Gehen

1.1 Promenadologisch

1.2 Peripatetisch

1.3 Ambulatorisch vs. bewegt

2 Merkmale der ambulatorischen und insbesondere der peripatetischen Lernmethode(n)

2.1 Kognition

2.2 Lokomotion

2.3 Situation

3 Schreibprozess und Reibungsverluste: Ansatzpunkte, Gehen und Schreiben zu verbinden

3.1 Strukturelemente des Schreibprozesses – und die Relevanz kognitiver Leistungen

3.2 Schreibentwicklung und Schreibtypen

3.3 Schreibsituation und Schreiborte

3.4 Reibungsverluste

3.5 Ansatzpunkte der Schreibberatung

4 Konsultation unterwegs: Gehen als Beratungssetting

B Konzeptentwicklung für die Praxis

5 Ambulatorische Schreibberatung

5.1 Indikationen für eine Schreibberatung im Gehen

5.2 Anforderungen an die Umgebung ambulatorischer bzw. peripatetischer Schreibberatung

5.3 Vorbereitung einer ambulatorischen Schreibberatung

5.4 Durchführung

5.5 Nachbereitung der ambulatorischen Schreibberatung

6 Ambulatorische Methoden zur Optimierung des Schreibprozesses

6.1 Nature Freewriting

6.2 Landmark Walk

6.3 Zitate-Parcours

6.4 Podcast Walk

6.5 Trimm-deine-Schreibkompetenz-Pfad

6.6 Talk Walk

6.7 Gassigehen

7 Ausblick: Potenziale und Limitationen

7.1 Potenziale und Limitationen ambulatorischer Interventionen in Schreibprozess und -beratung

7.2 Potenziale und Limitationen dieses Aufsatzes: Forschungsdesiderate und Ausblick

Literaturverzeichnis

Vorwort

Katrin Seele fragt zu Beginn ihres Buches: Warum Schreiben und Gehen verbinden? Eine reizvolle Frage – in der Tat. Scheinen doch die beiden Tätigkeiten mit Blick auf die damit verbundenen Handlungsorte meilenweit entfernt voneinander zu sein: das Schreiben am Schreibtisch, das Gehen draußen auf Wegen, über Wiesen oder durch Wälder. Aber auch das Klischee vom (rauchenden) Dichter oder Philosophen, der rastlos vor seinem Schreibtisch auf und ab geht, bevor er wieder etwas zu Papier bringt, fällt mir bei dieser Frage ein: Warum Schreiben und Gehen verbinden? Friedrich Nietzsche, nicht nur Philosoph, sondern auch passionierter Wanderer, gibt darauf in seinem Buch Die fröhliche Wissenschaft (1882) einen Aphorismus zur Antwort, der auf die natürliche Verbindung von Schreiben und Gehen für manche Menschen verweist: «Ich schreib nicht mit der Hand allein / Der Fuß will stets mit Schreiber sein / Fest, frei und tapfer läuft er mir / bald durch das Feld, bald durchs Papier.» Während die Botschaft Nietzsches zum Schreiben und Gehen eher spielerischer bzw. explorativer Art zu sein scheint, ist sie von anderen Autoren vor ihm, vor allem zu Zeiten von Romantik und Aufklärung, reflexiv-autobiografischer und als solche durchaus auch existenzieller Natur, z.B. für Jean Jacques Rousseau am Ende seines Lebens in der Beschreibung seiner Pariser Spaziergänge in Les reveries du promeneur solitaire (1782). Meine persönliche Antwort auf Katrin Seeles Eingangsfrage betrifft das Schreibhandeln, die Textproduktion selbst: Ich gehe umher, wenn mir gerade nichts Rechtes in den Kopf kommt oder mich auch manchmal zu viele Gedanken beschäftigen und ich dann nicht so recht weiß, was ich zuerst aufschreiben soll. Manchmal verwirren mich aber auch die unterschiedlich gelagerten Argumente, sodass ich beim Gehen erst einmal Ordnung im Kopf schaffen muss. Natürlich könnte ich mir auch mit einer MindMap visuell vor Augen führen, was wie geordnet werden sollte. Aber aus irgendeinem Grund zieht es mich in solchen Momenten der Verunsicherung nach draußen und in die Bewegung – warum das so ist und wahrscheinlich auch von anderen Schreibenden so erlebt wird, darauf gibt das Buch von Katrin Seele aufschlussreiche Antworten. Außerdem: Schreibende, zumindest die im Globalen Norden, haben heutzutage den Luxus, ihren Schreibtisch ganz einfach in Form ihres Handys in der Hosentasche oder ihres Laptops im Rucksack mit sich zu nehmen. Warum dafür dann nicht den angestammten Ort des Schreibens verlassen und nach draußen gehen? Die Autorin fragt sich in ihrem Buch und zeigt uns Lesenden, was da eigentlich passiert, wenn wir unsere Gedanken, Ideen und Textvorstellungen mit auf den Weg zu Fuß nehmen. Auf dem Gang durch die Natur wird aus dem Gedanken im Kopf ein Gedankengang, z.B. in Form einer Argumentation, als konkrete Vorstellung vom zu schreibenden Text. Mit den Gedanken (spazieren)gehen – auf einem Gedankengang sein, hier verstanden im wahrsten Sinne des Wortes –, das scheint nach Katrin Seeles Erkundungen im Buch viel Potenzial zu erzeugen, um sich seiner Mitteilungsabsicht, der angestrebten Botschaft, seiner Intention bewusst zu werden. Für manche Menschen auf einem solchen Weg – Gedankengang – bleibt die eigene Intention vielleicht trotzdem weiterhin diffus, aber sobald sie sich zum Schreiben hinsetzen, sprudelt der Text nur so aus ihnen heraus. Andere wiederum müssen alle 50 Meter stehenbleiben, um ihr Schreibgerät zu zücken und ihre Gedanken festzuhalten. Wiederum andere fangen an, vor sich hinzusprechen, um den entstehenden Text auszuprobieren und zum Klingen zu bringen. Mir persönlich sind schon ganze Gedichte beim Gehen in der Natur eingefallen, die ich Verszeile für Verszeile wiederholt, verändert und auswendig gelernt habe, um sie, auf diese Weise schön zurechtgeschliffen, mit nach Hause zu bringen. Aber machen wir uns nichts vor: Viele von uns sind froh, zu Hause zu bleiben, am vertrauten Schreibtisch zu sitzen und da auch sitzen zu bleiben, wenn nichts mehr «geht». Sie scheuen den Weg nach draußen oder diese kostbare Gelegenheit eines «Gedankengangs» kommt ihnen erst gar nicht in den Sinn. Für diese Menschen gibt es, dank der Autorin dieses Buches, die «bewegte Schreibberatung» – ein Konzept von spannender Tragweite, nicht nur für Schreibende, sondern auch für die Schreibwissenschaft beim weiteren Erkunden eines ganzheitlichen Verstehens des Phänomens «Schreiben».

 

Auf einem Gedankengang im April 2023

Gerd Bräuer, Freiburg im Breisgau

Einführung und Problembeschreibung: Warum Schreiben und Gehen verbinden?

Der Alltag vieler Studierender ist von sedentärem Verhalten (Rupp et al. 2020: 1) geprägt: Seminare und Vorlesungen finden meist in Seminarräumen im Sitzen statt. Anschließend an die Lehrveranstaltungen müssen die Studieninhalte vor- und nachbereitet werden – in aller Regel im Sitzen am heimischen Schreibtisch oder in der Bibliothek. Auch die Leistungsüberprüfung in Form von mündlichen oder schriftlichen Prüfungen findet meist sedentär in Innenräumen statt. Und für die Studien- und Abschlussarbeiten sind wiederum lange Stunden im Sitzen zum Lesen und Schreiben notwendig. Eine aktuelle Studie (Moulin et al. 2019) belegt, dass Studierende durchschnittlich elf Stunden pro Tag im Sitzen arbeiten – mehr als Büroangestellte. Was im Kontext dieses Aufsatzes über Studierende ausgeführt wird, gilt in ähnlicher Weise auch für andere wissenschaftlich Arbeitende und Forschende, wie z.B. Doktorierende.

Die Vorzüge eines sedentären Settings für die akademische Arbeit liegen auf der Hand: Seminarraum wie auch heimischer Arbeitsplatz sind in der Regel so angelegt, dass sie den Fokus auf den zu erarbeitenden Gegenstand ermöglichen und ablenkende Störreize möglichst «aussperren»: Umwelt, Verkehr, Mitmenschen, Lärm und Wetter, um nur einige zu nennen. Gerade für das Schreiben ist zudem die sitzende Körperhaltung ideal: Das Pult dient nicht nur als Standort des Schreibmediums (in der Regel ein Computer mit Bildschirm), sondern auch als Ablageort für die Handgelenke beim Tippen auf der Tastatur. Neben digital verfügbaren Quellen bietet er zudem Raum für Print-Materialien wie Bücher. Auch wenn ein Stehpult die gleichen Optionen bietet, so sind doch die allermeisten Arbeitsplätze in Universitäten, Bibliotheken und vermutlich auch daheim als Sitz-Arbeitsplätze angelegt. Das akademische Arbeiten im Sitzen ist derart ubiquitär und etabliert, dass es kaum thematisiert oder gar in Frage gestellt wird.

Studierende profitieren jedoch von Lern- und Arbeitsgelegenheiten, die ihnen eine Abwechslung zum sedentären Studium in Innenräumen bieten, wie eine Befragung im Rahmen eines Lehr-Innovationsprojekts an der Pädagogischen Hochschule Bern (Seele & Bürki 2020) zeigen konnte: Im Rahmen des Projekts wurden peripatetische Übungen (vgl. 2.1