22,99 €
Als Mikrokosmos der Gesellschaft bietet die KiTa in all ihrer Vielfalt die Chance, Partizipation und Demokratie von Anfang zu leben und zu erleben. Sie kann eine "Schule der Demokratie" sein, in der sich die Kinder zu sozial verantwortlichen, weltoffenen und toleranten Bürger*innen entwickeln können. Dies gilt umso mehr in Zeiten der institutionalisierten Kindheit, in denen die Kinder immer früher und immer länger in KiTas gehen. In diesem Buch wird unter inklusiver Perspektive aufgezeigt, wie Kinder in der KiTa von Anfang an und unabhängig von ihren individuellen, kulturellen oder sozio-ökonomischen Voraussetzungen beteiligt werden und Demokratie tagtäglich als Lebensform erfahren können.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 220
Veröffentlichungsjahr: 2025
Raingard Knauer | Frauke Hildebrandt | Bianca Pergande | Xenia Roth
Von Anfang an dabei!
Partizipation und Demokratiebildung in der KiTa
Zitierhinweis:nifbe (Hg.) (2025). Von Anfang an dabei! Partizipation und Demokratiebildung in der KiTa. Freiburg: Herder Verlag. © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2025 Alle Rechte vorbehaltenwww.herder.de Redaktion: Dr. Karsten Herrmann Umschlaggestaltung: Verlag Herder Coverbild: © monkeybusinessimages/GettyImages Fotos innen: S. 6 © izusek / GettyImages; S. 56 © StockPlanets / GettyImages; S. 136 © skynesher / GettyImages E-Book-Konvertierung: Daniel Förster ISBN Print: 978-3-451-39682-3 ISBN E-Book (EPUB):978-3-451-83308-3 ISBN E-Book (PDF): 978-3-451-83312-0
Karsten Herrmann
Unsere lange Zeit für selbstverständlich gehaltene Demokratie ist in den letzten Jahren international und auch in Deutschland unter Druck geraten. Rechtspopulisten und -extremisten sind auf dem Vormarsch und es wird immer klarer, dass Demokratie von allen vier Gewalten im Staat (also der Exekutive, der Legislative, der Judikative und den Medien), den Institutionen und jedem einzelnen Menschen aktiv gepflegt und verteidigt werden muss. So konstatierte Bernd Ulrich (2024) in der ZEIT zu Anfang des Jahres 2024 in einem Leitartikel: »Spätestens in diesem Jahr steht die Frage im Raum, ob der Ernstfall der Demokratie nicht längst da ist.«
Jüngsten Umfragen zufolge sehen knapp vier von fünf Befragten die Demokratie in Deutschland gefährdet. 78,9 Prozent stimmen laut einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM)1 der Aussage zu, die Demokratie werde heute stärker angegriffen als noch vor fünf Jahren. Der Umfrage nach wünscht sich eine große Mehrheit, dass den Angriffen stärker entgegengewirkt wird. 84,9 Prozent der Befragten sehen es als Aufgabe der Bundesregierung, sich noch stärker für eine lebendige und starke Demokratie einzusetzen.
Als Mikrokosmos der Gesellschaft bietet die KiTa in all ihrer Vielfalt die Chance, Partizipation und Demokratie von Anfang an zu leben und zu erleben. Sie kann eine »Schule der Demokratie« sein, in der sich die Kinder zu sozial verantwortlichen, weltoffenen und toleranten Bürger*innen entwickeln können. Dies gilt umso mehr in Zeiten der institutionalisierten Kindheit, in denen die Kinder immer früher und immer länger in KiTas gehen und diese neben den Eltern eine zunehmende Bedeutung als Sozialisationsinstanz einnehmen. Hier kann demokratisches Denken und Handeln von Anfang an gelebt und erlebt werden.
Doch was bedeutet Demokratie eigentlich?
Als grundlegende Prinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung gelten u. a. die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Ausübung einer Opposition (Thurich 2011).
Unter verschiedenen Perspektiven kann Demokratie einerseits als »Herrschaftsform« (mit Blick insbesondere auf den Staat und seine Funktionen / Aufgaben), aber auch als Gesellschaftsform« (im Sinne einer demokratischen, offenen Zivilgesellschaft) und als »Lebensform« (mit Blick auf das alltägliche Leben bzw. die Kultur des sozialen Lebens) verstanden werden.
Der Reformpädagoge John Dewey hat sich intensiv mit der Frage der demokratischen Gesellschaft und der demokratischen Erziehung auseinandergesetzt. Eine demokratische Gesellschaft sah er dabei als eine offene und dynamische Gesellschaft, »die nicht nur im Wandel begriffen ist, sondern diesen Wandel – zum Besseren – als ihren Lebenszweck betrachtet« (Dewey 2011, S. 113).
Vorangetrieben wird dieser Wandel dabei durch eine beständige Erweiterung der (sozialen) Beziehungen und Wechselprozesse auf der Grundlage gemeinsamer Ziele und Interessen. In diesem Sinne schrieb er in seinem erstmals 1916 erschienenen Hauptwerk »Demokratie und Erziehung«: »Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung« (ebd., S. 121).
Entsprechend propagierte er auch eine demokratische Erziehung, in der die »erforderlichen Glaubensüberzeugungen« nicht »eingetrichtert, die notwendigen geistigen Einstellungen nicht angeklebt werden« (ebd., S. 27). Vielmehr müsse zunächst eine soziale Umgebung geschaffen werden, die zu entsprechenden »sicht- und greifbaren Formen des Handelns« anregen könne. »Der abschließende Schritt besteht darin, dass der einzelne zu einem Teilhaber, zu einem Partner in der gemeinsamen Handlung gemacht wird« (ebd., S. 31).
Als demokratische Essentials und als Grundlage gemeinsamer und geteilter Verantwortung in einer demokratischen Gesellschaft können die in der UN-Menschenrechtskonvention (Vereinte Nationen 1948) und dem deutschen Grundgesetz (GG) formulierten Paragraphen gelten – von der unantastbaren Würde des Menschen über das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und freie Meinungsäußerung bis zur Gleichberechtigung und dem Verbot der Diskriminierung aufgrund »seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen« (GG § 3.3). Das Recht des Einen stößt allerdings jeweils dort an Grenzen, wo es das Recht eines Anderen berührt bzw. einschränkt oder verletzt.
Im Gegensatz zu anderen (autoritären, totalitären) Staatsformen gilt die Demokratie als eine Herrschaftsform, die sowohl in Bezug auf das Individuum als auch in Bezug auf das Kollektiv immer wieder neu erlernt, erlebt und auch erkämpft werden muss. Dies bedeutet, dass die Toleranz gegenüber anderen Meinungen in einer Demokratie zwar sehr weit geht, aber nicht uneingeschränkt gelten kann. In diesem Sinne muss eine Demokratie auch wehrhaft sein, und wir stoßen hier auf das von dem Philosophen Karl Popper ausgeführte »Paradox der Toleranz«: »Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen« (Popper 1975, S. 359). Popper schrieb diese Zeilen noch unter dem Eindruck des Nationalsozialismus, sie gelten aber zu allen Zeiten, in denen die Demokratie sich verstärkten Angriffen von Extremist*innen ausgesetzt sieht.
Die Demokratie als »Herrschaft des Volkes« schließt heute auch die Beteiligungsrechte von Kindern als Menschen und als eigenständige Subjekte ein. Als Grundrechteträger*innen haben sie wie Erwachsene auch ein Recht auf Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung, auf Beteiligung und Mitbestimmung.
Mit der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) (Vereinte Nationen 1989), die bis auf die USA alle Länder der Welt ratifiziert haben, sollen politische Entscheidungen nicht nur unter dem Vorrang des Kindeswohls getroffen werden – was oft, wie z. B. aktuell im Hinblick auf den Klimawandel mehr als fraglich ist –, sondern Kindern wird auch ausdrücklich ein Recht darauf gegeben, direkt gehört und beteiligt zu werden: »Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich seine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife« (Vereinte Nationen 1989, Art. 12.1).
Um die UN-KRK auch in Deutschland konsequenter umzusetzen, wird seit Jahren die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz diskutiert. Insbesondere soll es hier um »das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte« und auch um die komplexe Klärung des Verhältnisses zwischen Eltern, Kindern und Staat gehen. Außerdem sollen Kinder bei staatlichen Entscheidungen, die ihre Rechte unmittelbar betreffen, »einen Anspruch auf rechtliches Gehör« haben (Tagesschau, 26.11.2019). Damit wären Kinderrechte zukünftig auch viel leichter einklagbar, als es zurzeit der Fall ist.
Das Beteiligungsrecht der Kinder in Bildungs- bzw. Jugendhilfeeinrichtungen ist auf Bundesebene im SGB VIII, § 8 Absatz 1, verankert: »Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen.«
Auf Länderebene wird mit dem Beschluss der Jugendminister- und der Kultusministerkonferenz (2004) über einen ›Gemeinsamen Rahmen für frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen‹ die »entwicklungsgemäße Beteiligung der Kinder an den ihr Leben in der Einrichtung betreffenden Entscheidungen« gefordert. Die Beteiligung und Partizipation ist darüber hinaus auch in einigen Kindertagesbetreuungsgesetzen (KiTaG) verankert und taucht als Leitprinzip oder Querschnittsaufgabe in den meisten Bildungs- und Orientierungsplänen der Länder auf. So heißt es zum Beispiel in Niedersachsen: »Durch altersangemessene Beteiligung der Kinder an Entscheidungen können demokratische Verfahrensweisen im Alltag gelebt und die zunehmende Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft der Kinder gefördert werden. Vereinbarungen treffen, Regeln verabreden, die eigene Meinung vertreten, Vorschläge machen – all dies kann in der Tageseinrichtung für Kinder praktiziert werden« (Niedersächsisches Kultusministerium 2005, S. 10).
Partizipation und Demokratiebildung stellen aber keine weitere zusätzliche Anforderung an die pädagogischen Fachkräfte dar, sondern sind die zentrale Basis für frühpädagogisches Handeln: »Partizipation erfolgt nicht durch zusätzliche Angebote, sondern kann im Alltag als integriertes Strukturmerkmal realisiert werden. Dafür ist das demokratieunterstützende Handeln der pädagogischen Fachkräfte der maßgebliche Schlüssel. Demokratiebildung ist aktive Herstellung von Chancen zur Partizipation« (Bartosch et al. 2014, S. 14).
Partizipation kann grundsätzlich als ein leistungsstarker Motor der kindlichen Entwicklung angesehen werden. Gerd Schäfer sieht daher neben verlässlichen Beziehungen die Beteiligung der Kinder auch als ein Fundament der gesamten Frühpädagogik. Es geht ihm dabei um den Entwurf eines grundlegend demokratischen Ansatzes im pädagogischen Verständnis, »um eine Demokratie der zwischenmenschlichen Beziehungen von Anfang an, eine Demokratie auf der Basis einer wechselseitigen Verständigung von Geburt an« (Schäfer 2019, S. 12). In Abgrenzung zu einer Pädagogik der Förderung und der Kompetenzvermittlung versucht Schäfer, den Bildungsprozess »konsequent aus der Perspektive der Beteiligung [zu beschreiben]: Bildung wird in erster Linie verstanden als ein Sich-Bilden durch Beteiligung« (ebd., S. 18).
Das jeweils vorherrschende Bild vom Kind ist entscheidend dafür, welche (Selbst- und Mitbestimmungs-)Rechte dem Kind in einer Gesellschaft bzw. in ihren pädagogischen Einrichtungen eingeräumt werden. Das wissenschaftlich aktuelle Bild des kompetenten Kindes unterstützt die Subjektstellung des Kindes und die damit verbundenen Rechte: »Pädagogische, entwicklungspsychologische und neurobiologische Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass das Kind von Anfang an Mitgestalter seiner Entwicklungs- und Bildungsprozesse ist« (BMFSFJ 2005, S. 104).
Das Kind wird heute als ein von Anfang an selbsttätiges, kompetentes und dialogorientiertes Subjekt verstanden, das in wechselseitiger Interaktion (Ko-Konstruktion) mit seiner Umwelt die eigene Entwicklung und das eigene Lernen vorantreibt und mitgestaltet. Aus eigener Initiative erkundet das Kind voller Neugierde die Welt, erfährt sein Selbst und entwickelt durch Spiel und Fantasie eigene Thesen, Theorien und Kompetenzen. Bildung wird heute »weder als ein individueller Prozess des Kindes noch als ein sozialer Konstruktionsprozess, sondern als ein Interaktionsprozess zwischen Kind, sozialen Beziehungen und kulturellen Bedingungen verstanden« (Schäfer 2019, S. 18).
Da Wissen, Erfahrungen oder Kompetenzen nicht direkt von den Erwachsenen auf die Kinder übertragen werden können, steht in der frühkindlichen Bildung – auf der Basis von verlässlichen Beziehungen und einer anregungsreichen Umgebung – das selbsttätige und interaktive Handeln der Kinder im Zentrum.
Das kindliche Interesse und das kindliche Tun bilden den zentralen Ausgangspunkt in der heutigen Frühpädagogik. Eltern und Erzieher*innen nehmen dabei eine begleitende, ermöglichende oder impulsgebende Rolle ein, und Erziehung als normative Orientierung durch Erwachsene findet eher mittelbar statt.
Im Hinblick auf die Bildungsziele in Bildungseinrichtungen unterstreicht die UN-Kinderrechtskonvention (1989) einerseits das Recht des Kindes auf eine umfassende Entfaltung seiner Persönlichkeit, seiner Begabungen sowie seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten (Vereinte Nationen 1989, Art. 29a). Andererseits wird aber auch die »Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten« angeführt und als Aufgabe spezifiziert: »das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz; der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen sowie zu Ureinwohnern vorzubereiten« (ebd., Art. 29d).
In diesem Sinne hat Bildung »immer zwei Funktionen im Blick: auf der einen Seite die Selbstkonstitution des Subjekts, auf der anderen Seite die Konstitution der Gesellschaft« (BMFSFJ 2005, S. 83). Wie im 12. Kinder- und Jugendbericht an späterer Stelle ausgeführt wird, umfasst das Bildungsziel mit Blick auf die Gesellschaft »auch die Fähigkeit zu politischer Mündigkeit, sozialer Verantwortung und demokratischer Teilhabe« (ebd., S. 84).
Partizipation gilt heute als ein entscheidendes Qualitätskriterium für die pädagogische Arbeit in der KiTa und ist zugleich der Schlüssel zur Demokratiebildung. Die konkrete alltägliche Erfahrung von Beteiligung und geteilter Verantwortung ist unerlässlich, um Demokratie als soziale Idee, als Form des Zusammenlebens zu verinnerlichen. Demokratische Prinzipien können in der KiTa nicht abstrakt vermittelt werden, sondern müssen als Regel erlebt werden.
Daher gilt es, im KiTa-Alltag verlässliche und transparente Strukturen für die Beteiligung von Kindern (und auch Eltern!) in der KiTa sowie eine entsprechende Haltung der pädagogischen Fachkräfte zu entwickeln und zu etablieren. Da Kinder ihre Rechte zumeist noch nicht kennen bzw. formulieren oder einfordern können, liegt die Verantwortung für die Initiierung von partizipatorischen Prozessen und Strukturen bei den pädagogischen Fachkräften. »Partizipation muss von den Erwachsenen gewollt sein und beginnt in ihren Köpfen«, unterstreichen Hansen, Knauer und Sturzenhecker (Hansen et al. 2009, S. 46).
Grundsätzlich kann Beteiligung in der KiTa auf einem breiten Spektrum stattfinden – von einer »Alibi«-Beteiligung ohne wirkliche Handlungs- oder Entscheidungsspielräume bis hin zu einer völligen Selbstbestimmung und -verwaltung von Kindern/Eltern. Die von Schröder (1995) benannten Kriterien »guter« Partizipation (Freiwilligkeit der Teilnahme der Kinder, Begleitung durch Erwachsene, Gemeinsamkeit der Zielformulierung und Transparenz des Ziels sowie Transparenz und hohe Verbindlichkeit der Prozesse) können als Orientierung und Reflexionsrahmen der Gestaltung von Partizipationsgelegenheiten dienen.
Neben der (stetig zu reflektierenden) Haltung spielen für die Qualität der Partizipation und Demokratiebildung in der KiTa das Wissen, die methodischen Kompetenzen der Fachkraft, die Teamentwicklung sowie deren strukturelle und verbindliche Verankerung eine zentrale Rolle (BMFSFJ 2015). Jedes Team kann dabei selbst entscheiden, wie weit die Partizipation und Mitbestimmung der Kinder (und Eltern) geht, aber »was vereinbart ist, muss gelten! […] und jede Stimme zählt. Die Kinder werden die Sinnhaftigkeit von Demokratie vor allem an der Gültigkeit und Wirksamkeit ihrer Mitwirkung ermessen« (Bartosch & Knauer 2016, S. 158).
Neben einem (verpflichtenden) Beschwerdemanagement kann in der KiTa ein breites Portfolio von Beteiligungsinstrumenten etabliert werden – von Abstimmungen mit Muggelsteinen oder Bildkarten zum Mittagsessen über Beteiligungsprojekte zum Beispiel zur Umgestaltung des Außengeländes bis hin zu Kinderkonferenzen und einem Kinderparlament. Wichtig ist aber auch insbesondere, dass Beteiligung im alltäglichen Miteinander und in den zentralen Schlüsselsituationen gelebt und erlebt wird: beim Mittagessen, in der Garderobe, beim Schlafen oder auch Wickeln.
Partizipation und Inklusion scheinen zunächst einmal als zwei Seiten derselben Medaille und ohne Zweifel ist Partizipation die Grundlage für Inklusion – doch bei genauerem Hinschauen zeigt sich, wie herausfordernd es im Alltag tatsächlich sein kann, alle Kinder unabhängig von ihren individuellen, kulturellen oder sozio-ökonomischen Voraussetzungen zu beteiligen. Es liegt auf der Hand, dass Kinder, die noch nicht sprechen können, auf ganz andere Weise beobachtet und beteiligt werden müssen als Kinder, die ihre Meinung schon verbal ausdrücken können. Hier kommt es darauf an, die nonverbalen Signale auf den verschiedenen Körperebenen feinfühlig wahrzunehmen und Beteiligungsverfahren zum Beispiel zu visualisieren. Komplizierter wird es schon bei den kulturellen oder sozio-ökonomischen Voraussetzungen – denn viele Kinder aus anderen Kulturen und aus prekären wirtschaftlichen Verhältnissen sind es nicht unbedingt gewohnt, ihren Meinungen und Wünschen Ausdruck zu geben. Sie brauchen immer wieder eine besondere Ansprache und Ermutigung, damit sich die demokratische Beteiligung nicht auf die Kinder beschränkt, die es von zu Hause aus gewöhnt sind, mitzudiskutieren und mitzubestimmen. Und dies gilt letztlich ebenso für die von einer großen kulturellen und sozio-ökonomischen Bandbreite geprägte Elternschaft einer KiTa.
Demokratie und Beteiligung sollten sich aber selbstverständlich nicht nur auf die KiTa beschränken, sondern auch in den anderen Ebenen des Systems der frühkindlichen Bildung gelebte und erlebte Praxis sein. Fachschüler*innen sollten so beispielsweise nicht nur etwas über Partizipation und Demokratiebildung in der KiTa lernen, sondern diese auch in der Schule selbst tagtäglich erleben können. Erzieher*innen und KiTa-Leitungen sollten wiederum auch vom Träger in inhaltliche und strukturelle Entscheidungsprozesse einbezogen und in ihrer Expertise ernst genommen werden. Und Träger wiederum sollten sich in der frühkindlichen Bildungspolitik gesehen und beteiligt wissen. Mit John Dewey sollte also das Gesamtsystem der frühkindlichen Bildung von der Aus- und Weiterbildung über die KiTas und ihre Träger bis hin zur Politik von der Demokratie als Lebensform geprägt sein – nur dann können alle Beteiligten auch zu ebenso authentischen wie überzeugenden Botschafter*innen derselben werden.
Bartosch, U. & Knauer, R. (2016): Erzieherinnen und Erzieher als Begleiter/innen zur Demokratie. In: KiTa aktuell spezial, 4, S. 158–160.
Bartosch, U.; Knauer, R.; Bartosch, C.; Bleckmann, J.; Grieper, E.; Maluga, A. & Nissen, I. (2014): Schlüsselkompetenzen pädagogischer Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen für Bildung in der Demokratie. https://www.partizipation-und-bildung.de/wp-content/uploads/2013/08/partizipation_in_der_kita_web.pdf.
BMFSFJ (2015): Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Allgemeine Qualitätsstandards und Empfehlungen für die Praxisfelder Kindertageseinrichtungen, Schule, Kommune, Kinder- und Jugendarbeit und Erzieherische Hilfen. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. https://www.bmfsfj.de/blob/94118/c49d4097174e67464b56a5365bc8602f/kindergerechtes-deutschland-broschuere-qualitaetsstandards-data.pdf.
BMFSFJ (2005): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend https://www.bmfsfj.de/blob/112224/7376e6055bbcaf822ec30fc6ff72b287/12-kinder-und-jugendbericht-data.pdf.
Dewey, J. (2011): Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik (neu herausgegeben von J. Oelkers). Weinheim und Basel: Beltz.
Hansen, R.; Knauer, R. & Sturzenhecker, B. (2009): Die Kinderstube der Demokratie. In: TPS – Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, 2, S. 46–50. https://www.partizipation-und-bildung.de/pdf/Hansen_Knauer_Sturzenhecker_Kinderstube%20der%20Demokratie.pdf.
Jugendministerkonferenz / Kultusministerkonferenz (2004): Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen (Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004 und Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03./04.06.2004). https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_06_03-Fruehe-Bildung-Kindertageseinrichtungen.pdf.
Popper, K. (1975): Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Teil 1: der Zauber Platons. Bern und München: Francke.
Schäfer, G. (2019): Bildung durch Beteiligung. Zur Praxis und Theorie frühkindlicher Bildung. Weinheim: Beltz.
Schröder, R. (1995): Kinder reden mit! Weinheim: Beltz.
Thurich, E. (2011): pocket politik. Demokratie in Deutschland. Überarbeitete Neuauflage. (Freiheitlich demokratische Grundordnung). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/shop/buecher/pocket/34360/politik-demokratie-in-deutschland/
Ulrich, B. (2024): Noch ist nichts verloren. ZEIT 1-2024.
Vereinte Nationen (1989): Übereinkommen über die Rechte des Kindes. https://www.kinderrechtskonvention.info.
Vereinte Nationen (1948): Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf.
1. https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/DeZIM/Grafiken/Publikationen/DeZIM-Briefing-Note-Demokratie-05-2023/Kleist-Weiberg-Sch%C3%B6ll_Mehr-Demokratie-f%C3%B6rdern_DeZIM-Briefing-Note.pdf
Raingard Knauer
Als fachliche Anforderung scheint demokratische Partizipation in Kindertageseinrichtungen angekommen zu sein. Als wir uns 2001 im ersten Modellprojekt in Schleswig-Holstein mit demokratischer Partizipation in der KiTa beschäftigten (vgl. Hansen et al. 2004), war das Thema in diesem sozialpädagogischen Handlungsfeld noch relativ neu und vielen eher fremd. Heute gilt Partizipation neben Schutz und Förderung als eine wichtige Säule der Kinderrechte (vgl. u. a. Maywald 2021, S. 17f.) und ist ein zentrales Element von Demokratiebildung (vgl. u. a. BMFSFJ 2020, S. 161 ff.). Partizipation und Demokratiebildung sind inzwischen auch in den meisten Bildungsrahmenplänen der Länder für Kindertageseinrichtungen verankert. Verschiedene Förderprogramme unterstützen ebenfalls die Weiterentwicklung von Partizipation in der KiTa und den Transfer in die Praxis. So entwickeln die Wohlfahrtsverbände im Bundesprogramm »Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung« Projekte zur Umsetzung von Partizipation und Vielfalt in der KiTa und der Kindertagespflege (vgl. Koordinierungsstelle »Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung«). Auch die Demokratiewerkstätten des niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) unterstützen KiTas nachhaltig bei der Umsetzung von Partizipation im KiTa-Alltag.2
Gleichzeitig lässt sich in der Praxis immer wieder pädagogisches Handeln beobachten, das sich wenig partizipativ zeigt. So macht die BiKA-Studie für die Krippe deutlich, dass Kinder die Fachkräfte in der Mehrheit der KiTas zwar als zugewandt erleben (vgl. Hildebrandt et al 2020a, S. 15), aber gleichzeitig direktive Handlungsanweisungen und grenzüberschreitender Körperkontakt für viele Kinder zum KiTa-Alltag gehören (ebd., S. 22). Diese Koppelung von Zugewandtheit und Grenzüberschreitung kann sich bei den Kindern zu der fatalen Erfahrung verdichten: ›Die Erwachsenen in der KiTa sind zwar nett, aber sie machen immer wieder Dinge, die ich eigentlich nicht will. Das dürfen sie wohl.‹
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass die Mehrheit der untersuchten Fachkräfte (64 %) grundsätzlich keine pessimistische Einstellung gegenüber Partizipation hat. Auf Nachfrage hin finden aber »nur noch 17 % der Fachkräfte, dass sich diese Mitbestimmung auf die ureigensten Bedürfnisse wie Schlafen und Körperpflege erstrecken sollte« (Hildebrandt et al. 2020b, S. 35). Partizipation scheint pädagogischen Fachkräften also trotz einer grundsätzlich positiven Einstellung in einigen Themenbereichen dann schwer zu fallen, wenn es konkret wird. Daher ist es notwendig, nicht nur grundsätzlich zu klären, was unter Partizipation verstanden werden soll, sondern immer wieder zu konkretisieren, was Partizipation im KiTa-Alltag bedeutet, wie es gelingen kann, alle Kinder zu beteiligen, und wie die pädagogischen Fachkräfte selbst dabei unterstützt werden können, demokratisch zu handeln.
Im Folgenden wird zunächst das Verhältnis zwischen Partizipation als Kinderrecht und Pädagogik skizziert (1). Darauf aufbauend werden Eckpunkte einer strukturellen Verankerung von Partizipation beschrieben (2) und es wird der Frage nachgegangen, wie pädagogische Fachkräfte demokratische Partizipation pädagogisch gestalten können (3). Abschließend werden Hinweise gegeben, wie pädagogische Fachkräfte selbst darin unterstützt werden können, demokratische Partizipation umzusetzen (4). Da es demokratischer Partizipation grundsätzlich immer um die Beteiligung aller Kinder in der KiTa geht, wird Inklusion in diesem Text als Querschnittsperspektive berücksichtigt (vgl. auch Sturzenhecker et al. 2022).
Partizipation von Kindern in der KiTa steht in engem Zusammenhang mit den Machtverhältnissen zwischen den Erwachsenen und den Kindern. Erwachsene Macht zeigt sich im KiTa-Alltag auf vielfältige Art und Weise. So sind pädagogische Fachkräfte nicht nur körperlich mächtiger als Kinder, sie gestalten auch Räume und Zeitstrukturen, planen Angebote, bewerten das Verhalten von Kindern u. v. m. (vgl. Hansen et al. 2011, S. 26 ff.). Nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungstatsache (Bernfeld 1973, S. 51) und der damit verbundenen Angewiesenheit der Kinder auf Fürsorge und Erziehung durch die Erwachsenen liegt die Macht in pädagogischen Settings (insbesondere in der Arbeit mit sehr jungen Kindern) letztlich immer bei den Erwachsenen. Sie sind aufgefordert, diese im Sinne der Kinder einzusetzen, ihre Entwicklung zu fördern, ihr Wohlergehen sicherzustellen und sie zu schützen. Daher gilt es, im KiTa-Alltag die Machtungleichheit zwischen Erwachsenen und Kindern zu reflektieren, einzudämmen und so Adultismus (die Diskriminierung von Kindern alleine aufgrund ihres Alters, vgl. Richter 2013, S. 6) zu reduzieren.
Dazu braucht es ein Verständnis von Partizipation, das sich nicht auf ein gnädiges Zuhören reduziert, sondern eine Beteiligung der Kinder an Entscheidungen bedeutet und so das Machtverhältnis zwischen Fachkräften und Kindern verändert. Das macht bereits die seit 1990 im SGB VIII verankerte Formulierung in § 8.1 deutlich: »Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen« (Hervorhebung R. K.).
Das Recht auf Partizipation ist eine der drei Säulen der UN-Kinderrechte (UN-KRK, insbesondere Artikel 12, 13 und 17). Als ein Recht muss Partizipation so gestaltet werden, dass die Prinzipien ›Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‹ der Menschenrechte, die auch die Kinderrechte spezifizieren, Berücksichtigung finden. Artikel 1 der Menschenrechtskonvention von 1948 lautet: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.« Heiner Bielefeldt schlägt vor, den Begriff der ›Brüderlichkeit‹ durch den in der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen von 2006 neu profilierten Leitbegriff der ›Inklusion‹ zu ersetzen (Bielefeldt 2011, S. 119). Dabei bedingen sich Freiheit, Gleichheit und Inklusion wechselseitig. Die Freiheit des Einzelnen muss sich immer auch an der Freiheit des Anderen orientieren. So haben alle unterschiedlichen Kinder in der KiTa die gleichen Rechte. Gleichheit muss immer freiheitlich strukturiert sein. Allerdings kann Freiheit und Gleichheit nur im Miteinander aller und in gegenseitiger Unterstützung gelebt werden. D. h. Partizipation muss so gestaltet werden, dass alle Kinder an Partizipationsprozessen teilnehmen (sich also aktiv beteiligen) und teilhaben (also auf Entscheidungen Einfluss nehmen) können (vgl. Beck 2022, S. 149). Nur wenn alle Kinder teilnehmen und teilhaben können, ist Partizipation inklusiv. Insofern sind demokratische Partizipation und Inklusion bzw. Differenzgerechtigkeit nicht zu trennen.
Welche Fragen stellen sich nun vor dem Hintergrund eines Verständnisses von Partizipation als Menschenrecht von Kindern an die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen? Das Prinzip der Freiheit stellt die Frage nach den Selbstbestimmungsrechten jedes einzelnen Kindes, die gleichzeitig durch das Prinzip der Gleichheit (gleiche Freiheiten) begrenzt werden können und in Mitbestimmung übergehen. Gleichheit bedeutet auch, dass Partizipationsrechte nicht einzelnen Kindern zugestanden werden dürfen, sondern Rechte aller Kinder sein müssen. Das Prinzip von Inklusion wiederum fragt danach, wie jedes Kind vor dem Hintergrund seiner individuellen Fähigkeiten und Eigenheiten sowie unterschiedlichen sozio-kulturellen Zugehörigkeiten darin unterstützt werden kann, seine Selbst- und Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen. Es darf keine Diskriminierung in oder durch Partizipation geben. Damit Partizipation ein Recht aller Kinder und keine Gnade der Erwachsenen ist, die sie einzelnen Kindern nach Belieben gewähren oder entziehen können, braucht es eine strukturelle Verankerung konkreter Beteiligungsrechte und geeigneter Gremien (siehe Abschnitt 2) für alle. Erst wenn sich Partizipation an Prinzipien der Demokratie orientiert, kann man von demokratischer Partizipation sprechen.
Das Prinzip von Inklusion verweist aber auch darauf, dass Partizipation als Kinderrecht immer eng verbunden sein muss mit dem pädagogischen Handeln der Fachkräfte. Diese müssen die komplexen und vielfältigen Aspekte von Demokratie pädagogisch so gestalten, dass sie für die konkreten Kinder der konkreten KiTa sichtbar und verständlich werden. Partizipation ist damit immer auch auf Demokratiepädagogik angewiesen.
Die im Deutschen geläufige Unterscheidung von Erziehung und Bildung erlaubt zwei hilfreiche Perspektiven auch auf Demokratiepädagogik: Aus der Perspektive von Demokratieerziehung stellt sich die Frage, was pädagogische Fachkräfte durch ihr Handeln tun können, um Kindern Demokratie zu vermitteln. Wie kann es ihnen gelingen, jedem Kind zu vermitteln, dass und welche Rechte es hat, um welche konkreten Beteiligungsthemen es aktuell geht und wie gemeinsame Themen in einem Beteiligungsgremium behandelt werden? Allerdings ist Erziehung keine einseitige Aktivität der Erwachsenen, die durch die Vermittlung spezifischer Inhalte abgeschlossen ist. Erziehung geschieht vielmehr in engem Zusammenhang mit den individuellen Aneignungsprozessen des Kindes bzw. der Kinder. Demokratiebildung stellt daher die Frage: Was machen die Kinder mit den Demokratie-Vermittlungsangeboten der Erwachsenen? Wie eignen sie sich ihre Rechte an? Wie gelingt es ihnen, die Partizipationsräume in der KiTa für sich zu nutzen? Folgt man dieser Unterscheidung zwischen Erziehung als dem Handeln der Erwachsenen und Bildung als den Aneignungsprozessen der Kinder, die wiederum in ko-konstruktiv-dialogischen Prozessen miteinander in Verbindung stehen, gilt es, bei der Umsetzung demokratischer Partizipation das stete Wechselverhältnis zwischen Demokratieerziehung und Demokratiebildung immer wieder in konkreten Situationen zu reflektieren (siehe Abschnitt 3).
Eine strukturelle Verankerung von Rechten und Beteiligungsgremien in der KiTa ist damit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Partizipation als Kinderrecht. Erst, wenn die strukturelle Verankerung begleitet wird durch ein Handeln der pädagogischen Fachkräfte, das inklusiv allen unterschiedlichen Kindern jeweils für sie passend die vielfältigen Prinzipien von Demokratie vermittelt und ihre individuellen Aneignungsprozesse fördert, wird demokratische Partizipation möglich.
Allerdings ist demokratische Partizipation nicht nur ein Bildungsprozess der Kinder. Auch die pädagogischen Fachkräfte (sowie die anderen Fachkräfte, die in und mit der KiTa arbeiten) sind gefordert, sich die vielfältigen Aspekte demokratischer Partizipation anzueignen (siehe Abschnitt 4).
Auch wenn die Entscheidungsmacht in der KiTa letztlich immer bei den pädagogischen Fachkräften (z. T. in Absprache mit den Eltern, vgl. Hansen et al. 2023) liegt, die strukturell asymmetrischen Machtverhältnisse also nur gemildert und nicht aufgehoben werden können, stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, den Kindern eine hohe Chance dafür zu geben, gehört zu werden und sich an den sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen. Anders gefragt: Wie kann die Beteiligung der Kinder unabhängiger werden von der willkürlichen Machtausübung der Erwachsenen? Bereits Janusz Korczak plädierte für eine konstitutionelle Pädagogik, also eine Pädagogik, in der jede/r Pädagog*in »den Kindern kein Unrecht tut, nicht weil er sie gern hat oder liebt, sondern weil eine Institution vorhanden ist, die sie gegen Rechtlosigkeit, Willkür und Despotismus des Erziehers schützt« (Korczak 1979, S. 353). Notwendig dafür ist eine Verankerung von Partizipation in den Strukturen einer KiTa. Das bedeutet zum einen, dass geklärt sein muss, in welchen Themenbereichen die Kinder welche Entscheidungsrechte haben (Rechtekatalog), und zum anderen, dass geklärt ist, wie Themen besprochen und entschieden werden (Gremien und Verfahren).