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Von Bagdad nach Stambul zieht sich der Reiseweg unserer Helden. Im Pesthauch der Todeskarawane werden Kara Ben Nemsi und sein treuer Diener Halef von schwerer Krankheit befallen. Aber noch andere tödliche Gefahren lauern auf die Gefährten: Bei den Ruinen von Baalbek begegnen sie einem alten Widersacher. Die vorliegende Erzählung spielt in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts. "Von Bagdad nach Stambul" ist Band 3 des sechsteiligen "Orientzyklus". Weitere Bände sind: "Durch die Wüste" (Band 1) "Durchs wilde Kurdistan" (Band 2) "In den Schluchten des Balkan" (Band 4) "Durch das Land der Skipetaren" (Band 5) "Der Schut" (Band 6)
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Seitenzahl: 771
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KARL MAY’s
GESAMMELTE WERKE
BAND 3
VON BAGDAD
NACH STAMBUL
REISEERZÄHLUNG
VON
KARL MAY
Nach der Fassung von 1962 neu herausgegeben
von Lothar und Bernhard Schmid
© 2003 Karl-May-Verlag
ISBN 978-3-7802-1503-1
KARL-MAY-VERLAG
BAMBERG • RADEBEUL
Im Süden der großen syrischen und mesopotamischen Wüsteneinöden liegt, vom Roten Meer und dem Persischen Golf umgeben, die Halbinsel Arabien, die ihre äußerste Kante weit in das stürmereiche Arabisch-Indische Meer hinein erstreckt.
An drei Seiten ist dieses Land von einem zwar schmalen, aber außerordentlich fruchtbaren Küstensaum eingefasst, der nach innen zu einer weiten, wüsten Hochebene emporsteigt; deren teils trübselige, teils groteske Landschaftsbilder werden besonders im Osten durch hohe, unwegsame Gebirgsstöcke abgeschlossen, zu denen ganz hauptsächlich die öden Berge von Schammar zu zählen sind.
Dieses Land, dessen Quadratmeilenzahl man heute1 noch nicht genau anzugeben vermag, wurde im Altertum eingeteilt in Arabia petraea, in Arabia deserta und in Arabia felix, zu deutsch: in das peträische, wüste und glückliche Arabien. Wenn noch öfter jetzt gewisse Geologen der Ansicht sind, dass der Ausdruck petraea abzuleiten sei von dem griechisch-lateinischen Wort, das ,Stein, Fels‘ bedeutet, und deshalb diesen Teil des Landes das ,steinige‘ Arabien nennen, so beruht das auf einer irrtümlichen Auffassung; dieser Name ist vielmehr zurückzuführen auf das alte Petra, das die Hauptstadt dieser nördlichsten Provinz des Landes war. Der Araber nennt seine Heimat Dschesiret el Arab2, während sie bei den Türken und Persern Arabistan geheißen wird. Die jetzige Einteilung wird verschieden angegeben; die nomadisierenden Einwohner lassen jedoch als einzige Unterscheidung nur die der Stämme gelten.
Über diesem Land wölbt sich ein ewig heiterer Himmel, von dem des Nachts die Sterne rein und klar herniederblicken; durch die Bergschluchten und über die zum großen Teil noch unerforschten Wüstenebenen schweift der halbwilde Sohn der Steppe auf prachtvollem Pferd oder unermüdlichem Kamel. Sein Auge ist überall, denn er lebt mit aller Welt in Streit und Unfrieden, nur mit den Angehörigen seines Stammes nicht. Von einer Grenze bis zur andern zieht bald der rauschende Odem einer trüben, wilden Poesie, der den Wanderer überall umweht, wo er immer weilen mag. So kommt es, dass man bereits vor langen Zeiten Hunderte von arabischen Dichtern und Dichterinnen kannte, deren Lieder im Volksmund lebten und für spätere Zeiten festgehalten wurden.
Als Stammvater der echten Araber oder Joktaniden gilt Joktan, der Sohn Huts, der ein Abkömmling Sems im fünften Glied war und dessen Nachkommen das glückliche Arabien und die Küste Tehama bis hinab zum Persischen Meerbusen bewohnten. Jetzt suchen viele Stämme eine Ehre darin, von Ismael, dem Sohn Hagars, abzustammen. Dieser Ismael soll, wie die Sage berichtet, mit seinem Vater Abraham nach Mekka gekommen sein und dort die heilige Kaaba errichtet haben. Wahr aber ist, dass die Kaaba vom Stamm der Korejschiten gestiftet oder wenigstens ausgebaut wurde. Unter den Heiligtümern, die sie besaß, waren der Brunnen Sem-Sem und der angeblich vom Himmel gefallene schwarze Stein die berühmtesten. Hierher pilgerten die verschiedenen Stämme der Araber, um da ihre Stamm- oder auch wohl Hausgötzen aufzustellen und ihnen ihre Opfer und Gebete darzubringen. Daher war Mekka den Arabern das, was Delphi den Griechen und Jerusalem den Juden gewesen ist; es bildete den Mittelpunkt für die weithin zerstreuten Nomaden, die sich ohne ihn in alle Richtungen verloren hätten.
Da sich dieser hochwichtige Punkt im Besitz der Korejschiten befand, so war dieser Stamm der mächtigste und angesehenste Arabiens und infolgedessen auch der reichste, weil die von allen Seiten herbeikommenden Pilger nie ohne Geschenke oder wertvolle Handelswaren anzukommen pflegten.
Ein armer Angehöriger dieses Stammes, namens Abd Allah3, starb im Jahr 570 nach Christus, und einige Monate später, am 20. April 571, der auf einen Montag fiel, gebar seine Witwe Amina einen Knaben, der später Mohammed4 genannt wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Knabe vorher einen andern Namen getragen hat und erst dann, als seine prophetische Wirksamkeit ihn zu einem hervorragenden Mann machte, den Ehrennamen erhielt. Dieser Name wird auch Muhammed, Mohammed und Muhammad, in der Türkei auch Mehmed gesprochen.
Dem Knaben waren von seinem Vater nur zwei Kamele, fünf Schafe und eine abessinische Sklavin hinterlassen worden, weshalb er sich zunächst auf den Schutz seines Großvaters Abd el Muttalib und nach dessen Tod auf die Unterstützung seines Oheims Abu Talib angewiesen sah. Da diese Männer aber nicht viel für ihn tun konnten, so musste er sich sein Brot als Schafhirtenjunge verdienen. Später wurde er Kameltreiber und Bogen- und Köcherträger, wobei sich wahrscheinlich sein kriegerischer Sinn entwickelt hat.
Als er fünfundzwanzig Jahre zählte, trat er in den Dienst der reichen Kaufmannswitwe Chadidscha, der er mit solcher Treue und Aufopferung diente, dass sie ihn lieb gewann und ihn zu ihrem Gemahl machte. Das große Vermögen seiner Frau ging ihm aber später verloren. Er lebte nun bis zu seinem vierzigsten Jahr als Kaufmann und Händler. Er kam auf seinen weiten Reisen mit Juden und Christen, mit Brahmanen und Feueranbetern zusammen und gab sich Mühe, ihre Religionen kennenzulernen. Schließlich zog er sich in eine Höhle in der Nähe von Mekka auf dem Berg Hira zurück. Hier hatte er seine ersten Visionen.
Der Kreis der Gläubigen, der sich um ihn versammelte, bestand zunächst nur aus seiner Frau Chadidscha, aus seinem Sklaven Sajd, aus den beiden Mekkanern Osman und Abu Bekr und aus seinem jungen Vetter Ali, der zu den unglücklichsten Helden des Islams gehört.
Dieser Ali, dessen Name auf Deutsch ,der Hohe, der Erhabene‘ bedeutet, war im Jahr 602 geboren und stand bei Mohammed in solchem Ansehen, dass er dessen Tochter Fatima zur Gemahlin erhielt. Als der Prophet im Kreis seiner Familie zum ersten Mal seine neuen Glaubenssatzungen vortrug und dann fragte: „Wer unter euch will mein Anhänger sein?“, da schwiegen alle; nur der junge Ali, begeistert von der gewaltigen Poesie des soeben gehörten Vortrages, rief in lautem, entschlossenem Ton: „Ich will es sein und nimmer von dir lassen!“ Das hat ihm Mohammed niemals vergessen.
Er war ein tapferer, verwegener Kämpfer und hatte großen Teil an der so ungemein schnellen Ausbreitung des Islams. Dennoch wurde er, als Mohammed ohne letztwillige Verfügung starb, übergangen und man wählte Abu Bekr, den Schwiegersohn Mohammeds, zum Kalifen5. Diesem folgte im Jahr 634 ein zweiter Schwiegervater des Propheten, namens Omar, dem wieder Osman, ein Schwiegersohn Mohammeds, nachfolgte. Dieser wurde im Jahre 656 von einem Sohn Abu Bekrs erstochen. Man beschuldigte Ali der Anstiftung dieses Mordes, und als er von seiner Partei erwählt wurde, verweigerten ihm viele von den Statthaltern die Huldigung. Er kämpfte vier Jahre lang um das Kalifat und wurde im Jahr 660 von Abd er Rahman ermordet. Er liegt in Kufa begraben, wo ihm auch ein Denkmal errichtet worden ist.
Von hier an datiert die Spaltung, die die Mohammedaner in zwei gegnerische Heerlager, in Sunniten und Schiiten, teilt. Diese Spaltung bezieht sich weniger auf die Glaubensgrundsätze als vielmehr auf die Personalfrage der Nachfolgerschaft. Die Anhänger der Schia behaupten nämlich, dass nicht Abu Bekr, Omar und Osman, sondern nur allein Ali das Recht hätte, der erste Stellvertreter des Propheten zu sein. Die zwischen den beiden Parteien dann ausgebrochenen Streitigkeiten über die Attribute Gottes, das Fatum, die Ewigkeit des Korâns und die einstige Vergeltung sind nicht als so wesentlich zu betrachten. Ali hinterließ zwei Söhne, Hassan und Hussejn. Der Erstere wurde von den Schiiten zum Kalifen erwählt, während die Anhänger der Sunna Muawija I., den Gründer der Omajjaden-Dynastie, erkoren. Dieser Letzte verlegte seine Residenz nach Damaskus, machte das Kalifat erblich und erzwang bereits zu seinen Lebzeiten die Anerkennung seines Sohnes Jesid, der sich später als ein solcher Wüterich zeigte, dass sein Andenken selbst von den Sunniten mit Fluch belegt wird. Hassan konnte sich gegen Muawija nicht behaupten und starb im Jahre 670 in Medina an Gift. Sein Bruder Hussejn widersetzte sich der Anerkennung Jesids. Er ist der Held einer der tragischsten Episoden aus der Geschichte des Islams.
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