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In Ard, der Hauptstadt des Reichs der Machtmenschen, laufen alle Fäden, die im vorangegangenen Band geknüpft wurden, zusammen. Eine Revolution ist ausgebrochen, durch die sich Palang der 'Panther' – der älteste Sohn des Scheiks der Tschoban – der Alleinherrschaft bemächtigen will. Derweil gehen auch in der 'Stadt der Toten', die lebendiger ist, als ihr Name vermuten lässt, höchst wichtige Dinge vor sich. In den Vorgebirgen Dschinnistans endlich fällt die Entscheidung, die allen Frieden bringen und den Weg zum Reich der 'Edelmenschen' weisen soll. "Der Mir von Dschinnistan" ist der zweite und letzte Teil der Reihe "Ardistan und Dschinnistan". Der erster Teil ist "Ardistan" (Band 31).
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Seitenzahl: 729
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KARL MAY’s
GESAMMELTE WERKE
BAND 32
DER MIR
VON DSCHINNISTAN
Ardistan und Dschinnistan
Zweiter Band
ROMAN
VON
KARL MAY
Herausgegeben von Roland Schmid
© 1967 Karl-May-Verlag
ISBN 978-3-7802-1532-1
Der vorliegende Roman bildet den Schlussteil der zweibändigen Reiseerzählung ‚Ardistan und Dschinnistan‘, die in den Jahren 1907-09 entstand und erstmalig in der Zeitschrift ‚Deutscher Hausschatz‘ abgedruckt wurde. Die vorliegende Fassung enthält den ungekürzten Text der ersten Buchausgabe (Freiburg 1909). Über die Entstehungsgeschichte unterrichtet der Abschnitt ‚Gestalt und Idee‘ in Band 34 »ICH«. Zudem erschien 2005/2007 im Karl-May-Verlag eine kritische Ausgabe nach dem Manuskript, mit umfangreichem Kommentar von Hans Wollschläger.
Ein Verzeichnis der arabischen (Symbol-)Wörter und ihrer Bedeutung findet sich am Schluss dieses Buches.
Es war etwas über zwei Monate später. Dschunnubistan hatte sich fügen müssen. Der Erdschani stand mit seinem stark vermehrten Heer nun an der Grenze von Gharbistan, das keinen besonderen Herrscher besaß, sondern ebenso wie auch Scharkistan dem Mir von Ardistan unmittelbar untergeben war. Wir beide aber, nämlich Halef und ich, befanden uns unseren Truppen weit voraus; warum, das wird der Leser bald erfahren. Wir hatten Gharbistan quer durchritten und uns dann bei dem Mir von Ardistan als Abgesandte des Erdschani melden lassen. Es war uns von ihm eine Reiterschar entgegengeschickt worden, um uns nach Ard, seiner Hauptstadt und Residenz, zu führen. Diese Leute behaupteten, dass sie die Aufgabe hätten, uns zu beschützen. In Wahrheit aber hatten wir uns als ihre Gefangenen zu betrachten, weil es ihnen bei Leben oder Tod befohlen war, uns der Gewalt des gefürchteten Tyrannen auszuliefern. Sie waren das, was wir in Europa als Soldaten bezeichnen, und wurden von einem Oberst angeführt, der sich alle Mühe gab, uns glauben zu machen, dass nicht die geringste Gefahr für uns vorhanden sei. Dass wir unsere beiden Hengste ritten, versteht sich von selbst. Aber unsere Gewehre hatten wir bei dem Erdschani zurückgelassen, ebenso auch die Pistolen und Revolver, und zwar aus zwei gewichtigen Gründen. Erstens wollten wir als Gesandte oder vielmehr als Parlamentäre gelten und durften also nicht bewaffnet sein, und zweitens wollte ich meine beiden kostbaren Gewehre nicht der Gefahr aussetzen, in die Hände des Mir zu geraten. Wir waren also vollständig unbewaffnet, denn die Messer, die dort ein jeder fortwährend trägt, waren nur als Esswerkzeuge, nicht aber als Waffen zu betrachten. Auch unsere Hunde hatten wir nicht mit. Es war ausgeschlossen gewesen, sie mit nach Ardistan zu nehmen. Sie konnten uns da leicht hinderlich sein. Darum hatten wir sie zurückgelassen und der Pflege Abd el Fadls, Merhamehs und des Erdschani anvertraut.
Unsere Eskorte hatte uns schon anderthalb Tage lang durch ein Land geführt, das sich immer gesegneter und fruchtbarer zeigte, je mehr wir uns der Hauptstadt näherten. Aber wir bemerkten gar wohl, dass man einsamen Wegen den Vorzug gab, um Begegnungen möglichst zu vermeiden. Das Terrain stieg langsam, aber ununterbrochen an. Das Land war bergig geworden. Aber die Berge waren nicht kahl, sondern teils dicht bewaldet, teils mit Reben oder Fruchtbäumen besetzt. Wo es eine breitere Ebene gab, sahen wir Häuser, Gärten und Felder liegen, und aus der Tiefe der Bergesengen glänzte fließendes Wasser zu uns herauf. Das war gegenüber der Wüste der Tschoban, die wir glücklich überwunden hatten, ein erfreulicher Anblick für uns.
Der heutige Nachmittag war schon über halb verflossen, als sich die Zeichen mehrten, dass die Residenz nahe sei. Auf allen Wegen sah man Menschen, die entweder dorthin gingen oder von dorther kamen. Begegnungen waren nicht mehr zu vermeiden. Besonders fiel uns der große Prozentsatz der Militärpersonen auf, die sich unter diesen Leuten befanden. Sie waren, wie vor zwei Monaten die Dschunub, fast ganz gleich gekleidet und an ihren Gewändern mit Abzeichen versehen, die sich auf die betreffende Charge bezogen.
Wir hatten eine lang hingestreckte Höhe zu erklimmen gehabt, an der sich Wein- und Johannisbrotgärten aneinander reihten. Ich dachte dabei an meinen Lieblingsberg, den Karmel, auf dessen Höhe es auch Wein und Johannisbrot in Menge gibt. Jetzt, als wir den Kamm erreichten, hielten wir unwillkürlich unsere Pferde an, denn der Anblick, der sich uns von hier aus bot, war überraschend schön, war sogar selten schön. Vor uns lag ein weiter, weiter, rundum von Bergen eingeschlossener Talkessel, den vier Flüsse durchzogen, die sich gerade unter uns vereinigten. An den Ufern dieser Flüsse lag Haus an Haus und Garten an Garten, soweit unsere Blicke reichten. In den Gärten herrschte die Palme vor. Es war fast so, wie wenn man von den Barada-Felsen aus auf Damaskus herunterschaut, nur noch viel schöner. Die Häuser zeigten alle möglichen Baustile. Auch Gotteswohnungen gab es in großer Zahl und, wie es schien, von jeder geschichtlichen Art. Wir sahen geschlossene und offene Säulentempel; links drüben ein Bau, der einem indianischen Teokalli glich, und rechts, auf der anderen Seite, eine hoch und massig gebaute Chinesenpagode. Dazwischen ragten schlanke, mohammedanische Minarehs in die Lüfte. Hier und da stand auch ein kleineres, bescheideneres Haus mit einem christlichen Kreuz auf dem Dach. Sollten das etwa Kirchen sein?
Vor allen Dingen stieg gerade im Mittelpunkt der Stadt ein wunderbar komponierter und gegliederter Bau aus Stein zum Himmel auf, der unsere Blicke auf sich zog und gar nicht wieder von sich lassen wollte. Sein Mittelstück, ein großes, kühnes Kuppelwerk, wurde nach Nord, Süd, Ost und West von vier gewaltigen Türmen flankiert, die ganz gewiss die Höhe des Kölner Doms hatten, einander auf das Genaueste glichen und, unten massig geschlossen, sich nach oben hin immer feiner und feiner filigranisierten, sodass ihre Spitzen sich in Äther zu verwandeln und ganz in ihm zu verschwinden schienen. An diese vier Haupttürme schlossen sich nach den vier Himmelsrichtungen wieder Kuppeln an, aber kleinere, die eine Interpunktion von gleichmäßig kleineren Türmen bekamen und in eine weitere Folge von immer tiefer herabsteigenden Kuppeln, Türmen und Türmchen verliefen, bis der hoch aufgeschwungene Grundgedanke die Erde wieder erreichte, aus der er gestiegen war. War das ein christlicher Dom? Etwa die Kathedrale?
„Nicht wahr, eine herrliche Stadt?“, fragte der Oberst, der es uns ansah, welchen Eindruck das alles auf uns machte. „Hier stand zur Zeit der ersten Menschen das Paradies. Siehst du die vier Flüsse? Sie heißen Phison, Dschihon, Tigris und Phrat. Diese Namen stehen schon in euerm Koran oder in eurer Bibel oder in euren Veda-Büchern. Mich geht das nichts an, denn ich glaube an kein solches Buch. Die Türme sind das Schloss des Mir. Gott selbst hat den Grundstein gelegt, als das Paradies noch stand, gerade in seiner Mitte. Er befahl den Assyra und Babyla, die Riesen waren, den Bau zu beginnen, den er zur Wohnung für den Mir von Ardistan bestimmte. Sie gehorchten. Später aber kamen die Christen, die behaupten, dass alles nur ihnen allein gehöre. Sie trieben die Assyra und Babyla von dannen und bauten weiter. Als alles fertig war, setzten sie auf jede Spitze, Ecke und Kante ein Kreuz. Der damalige Mir ließ das geschehen. Er lächelte dazu, dass sie glaubten, in diesem seinem Haus wohnen zu können. Als das letzte Kreuz seinen Platz erhalten hatte, ließ er sie alle wieder entfernen und zog hinein, wo nun sein Nachkomme noch heutigen Tages wohnt. Die Christen aber wurden ob ihres Hochmuts streng bestraft. Sie sind noch heute verachtet und verhasst und es ist eine große Gnade des Mir, dass er sie nicht ganz vernichtet oder vertrieben, sondern ihnen erlaubt hat, in den kleinsten und abgelegensten Häusern der Stadt zu wohnen, die als Warnungszeichen mit einem Kreuz versehen sein müssen, damit niemand sich verunreinige, indem er seinen Fuß über eine solche Schwelle setzt. Doch kommt! Wir müssen weiter. Der Mir hat befohlen, euch noch vor Abend abzuliefern, weil die von euch gewünschte Audienz noch heute stattzufinden hat.“
„Wohin führst du uns?“, fragte ich.
„Natürlich nach dem Schloss, in dem ihr wohnen werdet, denn ihr seid seine Gäste.“
„Gäste?“
Bei diesem Wort sah ich ihm scharf in die Augen. Er wurde zwar ein wenig verlegen, bestätigte aber doch:
„Ja, Gäste!“
„Hat er dich beauftragt, uns dieses Wort zu sagen? Wirklich dieses?“
„Gerade dieses! Ganz gewiss!“ Nach dieser Versicherung fuhr er gedämpften und vertraulichen Tones fort:
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