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Die fünf Erzählungen führen uns nach Nordafrika. Kara Ben Nemsi zeigt sich Freund und Feind gegenüber immer wieder als Retter in der Not. Mitglieder einer Raubkarawane, die die Sahara unsicher machen, Sklavenhändler und räuberische Wüstenstämme sind seine ärgsten Widersacher. Der Band enthält folgende Erzählungen: 1.) Die Gum 2.) Christus oder Mohammed 3.) Der Krumir 4.) Der "Sand des Verderbens" 5.) Der Raubzug der Baggara. Die einzelnen Erzählungen spielen in den 60er- und 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts.
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Seitenzahl: 578
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KARL MAY’s
GESAMMELTE WERKE
BAND 10
SAND
DES VERDERBENS
REISEERZÄHLUNGEN
VON
KARL MAY
Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid
© 1952 Karl-May-Verlag
ISBN 978-3-7802-1510-9
KARL-MAY-VERLAG
BAMBERG • RADEBEUL
Afrika! –
Sei mir gegrüßt, du Land der Geheimnisse! Ich soll auf edlem Ross deine kahlen, leeren Steppen, auf flüchtigem Kamel deine gluterfüllte Hammada durchreiten, soll unter deinen Palmen wandeln, deine Spiegelung schauen und auf grünender Oase an deine Vergangenheit denken, deine Gegenwart betrauern und von deiner Zukunft träumen.
Sei mir gegrüßt, du Land des Sonnenbrandes, des tropischen Pulses und der riesenhaften Ausmaße! Ich habe im eisigen Norden deine Wärme gefühlt, dem wunderbaren Klang deiner Märchen gelauscht und das ferne Rauschen der Psalmen vernommen, die deine überwältigende Natur zum Himmel braust. Da brandete das Meer der Springböcke über die Ebene, das Flusspferd tummelte sich im tiefen Wasser, der Wald brach unter den Tritten des Elefanten und des Nashorns, im Schlamm wälzte sich das Krokodil und unter stacheligen Mimosen röchelte der schlafende Löwe. Mein Fuß war gefesselt, aber meine Seele eilte zu dir. Da donnerte die Büchse des Buren, da erklangen die Speere der Hottentotten und Kaffern; schwarze Gestalten wanden sich im Ringen, Ketten rasselten, Sklaven heulten und schwer beladen zog die Karawane nach Osten, das Schiff aber dem Westen zu.
Im einsamen Duar erscholl der schmetternde Chor der Hariri[1]; vom hohen Minarett rief der Muezzin zum Gebet, die Söhne der Wüste wandten ihre Augen gen Aufgang und der Dschellab sang sein frommes ,Lubbekka Allah hümeh – hier bin ich, o mein Gott!‘
Sei mir gegrüßt, du Land meiner Sehnsucht! Jetzt endlich sehe ich deine Küste winken, atme die Flut deiner reinen Luft und trinke den süßen Hauch deiner Düfte. Deine Zungen sind mir nicht fremd, doch will kein Angesicht mir entgegenlächeln und keine Hand die meinige erfassen, aber vom grünen Strand herüber neigen sich die Palmenwedel, und die Höhen strahlen im freundlichen Glanz mir zu ihr ,Habakek – sei uns willkommen o Fremdling!‘ – – –
Drüben im ,far west‘ hatte ich einen Mann getroffen, der sich ebenso wie ich aus reiner Abenteuerlust ganz allein in die ,finsteren und blutigen Gründe‘ des Indianergebietes gewagt hatte und mir bei allen Fährlichkeiten ein treuer Freund geblieben war. Sir Emery Bothwell war ein Mann, wie man ihn selten findet, stolz, edel, kalt, wortkarg, kühn bis zur Verwegenheit, geistesgegenwärtig, ein starker Ringer, ein gewandter Fechter, ein sicherer Schütze und dabei voller Aufopferungsfähigkeit, wenn sein Herz einmal freundschaftlichen Regungen zugänglich geworden war.
Neben diesen zahlreichen Vorzügen besaß der gute Sir Emery allerdings einige kleine Eigentümlichkeiten, die ihn sofort als Angelsachsen kennzeichneten und einen Fremden gar wohl abzustoßen vermochten. Mir aber hatten sie keinerlei Störung, sondern im Gegenteil öfters eine kleine, allerdings heimliche und unschuldige Belustigung gebracht, und wir waren schließlich in New Orleans als die besten Freunde geschieden. Wir hatten uns das Versprechen gegeben, uns wieder zu sehen. Die Begegnung sollte – in Afrika stattfinden.
Dass wir uns für Algier entschieden, geschah nicht ohne Gründe. Mein braver Bothwell war ebenso wie ich das, was man einen ,Weltläufer‘ zu nennen pflegt. Er hatte fast alle Winkel der Erde durchkrochen, von Afrika aber im Süden nur die Kapstadt gesehen und im Norden das ,Gharb‘, wie der Araber die Küstenstrecke von Marokko bis Tripolis nennt, bereist.[2] Natürlich lag ihm da der Wunsch nahe, auch das Innere dieses Erdteils, vor allem die Sahara, den Sudan, kennenzulernen; über Dar Fur und Kordofan wollte er dann auf dem Nil zur Zivilisation zurückkehren. In Algier lebte ein Verwandter von ihm, ein Onkel mütterlicherseits, bei dem er früher einmal längere Zeit gewesen war, um das Arabische zu lernen. Dieser Franzose namens Latréaumont war Leiter eines Handelshauses, das sehr fruchtbringende Beziehungen zum Sudan unterhielt. Bei ihm wollten wir uns treffen.
Was mich anlangt, so hatte ich mich bereits in früherer Zeit aus besonderer Liebhaberei auch mit der arabischen Sprache beschäftigt. Unser Beisammensein in der Prärie hatte treffliche Gelegenheit geboten, beiderseits in Übung zu bleiben, und so ging ich mit dem Dampfer ,Vulkan‘, der der Messagerie Impériale gehörte, in der beruhigenden Überzeugung von Marseille ab, es werde mir nicht schwer fallen, mich mit den Kindern der Sahara in ihrer Muttersprache zu verständigen.
Afrika galt uns, wie ja auch einem jeden anderen, als das Land großer, noch ungelöster Rätsel, die uns genug des Merkwürdigen und wohl auch Gefährlichen bieten würden. Doch erfüllte uns besonders eins mit erwartungsvoller Begeisterung: Wie wir den grauen Bären und den Büffel getötet hatten, so wollten wir unsere Büchsen auch an dem schwarzen Panther und dem Löwen versuchen. Emery Bothwell hatte mit einer Art von Eifersucht die Berichte über Gérard, den kühnen Löwenjäger, vernommen und war fest entschlossen, sich auf alle Fälle einige Mähnenhäute zu holen.
Es waren bereits drei Monate seit unserer Trennung vergangen, doch kannte er ungefähr die Zeit meines Eintreffens, und da er ebenso wusste, dass ich mit dem französischen Dampfer kommen würde, so fühlte ich mich einigermaßen enttäuscht, als ich ihn beim Landen nicht unter der bunten Menge erblickte, die auf dem Kai die Ausschiffung der Fahrgäste erwartete oder in Booten herbeigeeilt kam, um Freunde und Bekannte in Empfang zu nehmen.
Algier ist an der Westseite eines halbmondförmigen Golfs gelegen. Die Stadt kehrte dem Schiff ihre ganze Stirnseite zu und gewährte ein sonderbares, fast geisterhaftes Bild. Eine an dem grünen Gebirge aufsteigende, kreideweiße und ineinander fließende Häusermasse ohne Dächer und Fenster starrte herab in den Hafen und sah beinahe aus wie ein Kalksteinfelsen, eine riesige Gipsgruppe oder ein Gletscher bei Sonnenbeleuchtung. Hoch oben auf dem Gipfel des Gebirges erschienen die Bollwerke des Kaiserforts, und an seinem Fuß zogen sich außer der Festung Mersa Edduben verschiedene Befestigungen hin.
Auf dem Kai bewegten sich Gruppen weißer Burnusgestalten, Neger und Negerinnen in den buntesten Gewändern, Frauen, vom Kopf bis zum Fuß in weiße Wollschleier gehüllt, Mauren und Juden in türkischer Tracht, Mischlinge aller Farben, Herren und Damen in europäischer Kleidung und französische Soldaten aller Grade und Truppenteile.
Ich ließ mein Gepäck nach dem Hotel de Paris in der Straße Bab-el-Oued schaffen, stärkte mich dort nach Bedürfnis und begab mich dann in die Straße Bab-Azoun, wo die Wohnung Latréaumonts lag.
Meine Karte wurde abgegeben und sofort erschien der Hausherr unter der Tür seines Arbeitszimmers.
„Soyez le bienvenu, Monseigneur, aber nicht hier, nicht hier! Bitte, kommen Sie mit mir, damit ich Sie Madame und Mademoiselle vorstelle! Wir haben seit langem mit Schmerzen auf Sie gewartet!“
Dieser unerwartete Empfang musste mich überraschen. Mit Schmerzen hatte man auf mich, den Unbekannten, gewartet? Aus welchem Grund?
Latréaumont, ein kleiner, beweglicher Mann hatte die breiten, marmornen Stiegen erklommen, noch ehe die Hälfte hinter mir lag. Das Haus war früher der Palast eines reichen Muselmanen gewesen, und die Vereinigung arabischer Baukunst mit französischer Ausstattung brachte eine eigentümliche Wirkung hervor. Ich wurde durch den glänzend eingerichteten Empfangsraum ins Familienzimmer geführt, eine Auszeichnung, die mit dem Schmerz, womit man mich erwartet hatte, in Verbindung stehen musste.
Madame saß, in einem Roman blätternd, auf einem niedrigen Stuhl; sie war nach europäischem Schnitt in schwarze Seide gekleidet. Mademoiselle lag auf einem samtenen Diwan und trug das bequeme morgenländische Gewand. Ein weites seidenes Beinkleid reichte vom Gürtel bis zum Knöchel herab, während der nackte Fuß in blauen, goldgestickten Pantoffeln steckte. Feine Spitzeneinsätze, mit Gold und Silber durchwirkt, bedeckten Hals und Brust, und darüber trug sie eine samtene türkische Jacke, die mit kostbaren Schnörkeln verziert und mit Reihen wertvoller Knöpfe besetzt war. Das dunkle Haar war von Gold- und Perlenschnüren durchflochten und in blaue und rosa indische Seide eingebunden.
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