Von der Ferne in die Nähe - Bruno Kofler - E-Book

Von der Ferne in die Nähe E-Book

Bruno Kofler

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Beschreibung

Der Hauptprotagonist befindet sich auf einer Reise durch Marokko. Als er von einem mysteriösen und wunderschönen Dorf in der Wüste hört, führt sein Abenteuerdrang und sein bisheriger Lebensweg zu der Entscheidung, die Wüste alleine zu durchqueren. Zwischen mentalen Höhepunkten und körperlichem Ableben kommt er schließlich ans Ende seiner Reise.

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Für bewusste Leser

Dieses Buch beinhaltet die spirituelle Reise von meinen ersten 30 Lebensjahren. Von ganzem Herzen danke ich allen Meistern, Lehrern, Partnern, Vätern, Müttern, Brüdern, Schwestern, Freunden und Fremden, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Ihr seid dieses Buch, ich bin dieses Buch. Dieses Buch ist euch gewidmet. Dieses Buch ist dir gewidmet. Und deinem Weg.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

I

Wenn Leute sagen, Gott hat zu Ihnen gesprochen, verstehe ich, was sie meinen. Wenn jemand davon erzählt, dem Tod ins Auge geschaut zu haben, kann ich mich an eine gleiche Situation erinnern. Und behauptet wer, den Sinn des Lebens begriffen zu haben, bin ich mit diesem Zustand bereits vertraut.

Wer ich bin, mag sich so manche Person fragen. Ich habe mir diese Frage lange Zeit immer wieder selber gestellt. Doch dazu komme ich später.

Stets habe ich Antworten gefunden, weil ich einfach immer schon gefragt habe. Das einzige Limit, das wir als Mensch haben, kommt von uns selbst. Zum Beispiel in den Fragen, die wir uns stellen, und in den Orten, an denen wir nach Antworten suchen. Auf viele meiner Fragen habe ich Antworten bekommen, während viele andere weiter unbeantwortet bleiben. An unzähligen Orten habe ich nach Antworten gesucht, doch ein besonderer Ort kommt mir sofort in den Sinn, der mein größter Lehrmeister geworden ist. Dieser Ort ist so mysteriös und schwer erreichbar, dass er fast in Vergessenheit geraten ist und nur von den allerwenigsten Menschen wirklich besucht wird. Es ist ein Ort, auf dessen Weg man sich nur mit immensem Aufwand und ausdauernder Entschlossenheit begeben kann. Nicht selten ist der Weg gefährlich und so manch einer hat sein Leben gelassen, beim Versuch, sich diesem magischen Platz anzunähern. Auch ich habe extreme Strapazen auf mich genommen, um abseits jeglicher Limits diesen heiligen Ort zu erreichen und meine Antworten zu finden. Mehr als nur fast hätte es mich mein Leben gekostet. Ich würde sagen, ich habe eine gute Beziehung zum Tod. Dies scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen, so nah wie wir uns schon des Öfteren gekommen sind. Was einem kurz vor dem Tod durch den Kopf geht? Ich kann nur für mich sprechen, aber vergessen sie die romantischen Träumereien, die uns in den meisten Filmen eingeprägt werden. Es ist ein Moment, so intensiv und außergewöhnlich, so unglaublich persönlich, dass es einem schwerfällt, dieses Alles und nichts in Worte zu fassen. Doch ich will versuchen, etwas zu beschreiben, dass sich nicht beschreiben lässt. Ich will versuchen, mein Innerstes zu teilen und zu erläutern, was die Liebe, der Sinn und der Tod zu mir sagten.

Mein Gesicht war dreckig, meine Augen hellwach und auf meinen Schultern klebte ein mittelgroßer dunkelblauer Rucksack. Ich befand mich an einem unbekannten Ort in einer Stadt, einem Land und auf einem Kontinent, die ich allesamt zum ersten Mal besuchte. Mein Blick versuchte alles wahrzunehmen, was um mich herum passierte und ich schaute schnell auf meine neue Uhr, die mein linkes Armgelenk verzierte. Der Zeitpunkt war passend, kurz zuvor ist meine bisher längste Beziehung zu Ende gegangen. Wie sehr kann man sich in Menschen täuschen. Die eine Liebe war nicht mehr da und schon nicht mehr das, was sie einst zu sein schien. Faszinierend, wie schnell sich Manches ändert, wie schnell der Strom des Lebens läuft und eine Realität zur nächsten wird. Die Magie war nicht mehr Teil der Show und unser Feuer endete in einer müden Rauchwolke, die sich stetig ihrem Umfeld anpasste und sich schließlich wahrhaftig in Luft auflöste. Die große Liebe also, sie war nur mehr in der Vergangenheit. Der Plan hat sich geändert. Eine neue Realität, ein neuer Ort.

Ebenfalls kurz zuvor hatte ich einen schweren Autounfall, den ich nur knapp überstand. Meine Erinnerung daran war komplett ausgelöscht, schwere Gehirnerschütterung, doch die Schmerzen, die blieben mir. So nah war ich anscheinend dem Tode gekommen, dass die folgenden Monate und sogar Jahre nur minimal, wenn überhaupt, dem Tode vorzuziehen waren. Voller Leid und Schmerz, ohne irgendetwas Greifbares an Hilfe, sodass ich fast den Verstand verlor. Ohne erlösende Unterbrechung war ich durchgehend geplagt, fertig und energielos, wie vom LKW des Alltags überrollt.

So nieder gewälzt lag ich im Bett, so komplett ausgelaugt vom Leben und am Ende meiner Kräfte lag ich regungslos da, dass ich mir eher vorstellen konnte, im Schlaf an Altersschwäche zu sterben, als am nächsten Tag voller Energie, Elan und Lebensfreude wieder aufzustehen. Mehr und mehr kam ich in einen starken Trance-Zustand, wandelte zwischen den Welten und schwebte irgendwo als Zombie-Verschnitt zwischen Leben und Tod. Wie eine Pilzspore, die Tod und Leben gleichzeitig in sich trägt und vom Wind hin und her geflogen wird, nicht wissend, ob sie einen passenden Nährboden findet und den nächsten Lebenszyklus einleitet, oder in einem lebensfremden Umfeld gänzlich verkommt. Wer ist man eigentlich? Wenn der dauerhafte Schmerz zur eigenen Realität wird und man sich nie ganz wie sich selbst fühlt. Wenn man sich fragt, wer oder was man ist, wirklich wirklich ist. Wenn man nur mehr existiert, lebt man dann eigentlich? Wenn man nicht weiß, wer man ist, ist man dann überhaupt da? Ich war am Ende und wusste nur mehr, so kann es nicht weitergehen.

Am Ende bäumte sich das Leben doch noch einmal auf. Mein Körper heilte ein bisschen, meine Gesundheit regenerierte sich langsam und als erste Reaktion entstand ein Funke Lebensenergie, ein Drang nach alter Freude und neuem Leben. Am Weg der Besserung wollte ich wieder hinaus in die Welt. Wollte wieder daran teilhaben, mich neu spüren und neu erfinden. Ich wollte nicht auf Nummer sicher gehen, sondern lieber abseits der Komfortzone das wahre Ich suchen. Nach meiner Zeit des Ablebens wusste ich, nur das volle extreme Leben kann mich wirklich heilen. Dort, wo Reibung entsteht, wo die Funken sprühen. Dort, wo die Magie des Lebens verborgen ist. Der viel begangene Weg schien mir nicht passend. Deshalb entschied ich mich für den steilen und dunklen, den neuen Pfad, denn ich fühlte, dort würde meine Quelle der Erneuerung und des Wachstums liegen. Am Ende war es Zeit für einen Neuanfang.

Mein Neuanfang war schwierig. Immer noch quälten mich alte Gedanken über die Welt. Immer noch plagten mich meine grundsätzlich geschwächte Gesundheit, meine vergangene Liebe und meine Suche nach dem Glück.

Ich weiß nicht, wer ich bin.

Ich weiß nicht, wohin ich gehe. Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt unterwegs bin auf meinem Weg. Vielmehr gehe ich in einem niemals enden wollenden Kreis. Ich hatte ein tiefes Verlangen nach mehr, nach etwas, von dem ich nicht wusste, was es ist, sondern nur überzeugt war, dass es existiert und ich es finden muss, um endlich befriedigt und zufrieden zur Ruhe zu kommen. Voller Sehnsucht und zwanghafter Neugierde begann meine Jagd und ich suchte meine Umgebung ziellos aber übereifrig ab. Dabei drehte ich mich nur in immer schneller und enger werdenden Kreisen, ohne neue Ebenen meines Selbst zu erreichen. Oftmals fühlte ich mich einfach leer, höchstens voller Zweifel an mir und an meinem Leben, generell an allem. In dieser Welt gefangen, unfrei und unnötig wie ein Werkzeug, das unbenutzt in der Ecke rostet und immer weniger seinen Zweck erfüllt. Innerlich dachte ich, bin ich nicht so wie ich gerne sein will und lebe nicht so, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Vielmehr leben meine Wünsche nur in meinen Träumen. Und ich sonst nur so vor mich hin. Dadurch lebte ich nicht wirklich, zu mindestens nicht mein richtiges Leben und daraus lässt sich nur schließen, dass ich überhaupt nicht lebte. Ständig war dieses sanfte Stechen in meiner Brust, dieses Gefühl, dass etwas fehlt. Wie satt hatte ich diesen lustlosen, erschöpfenden Zustand. Es war wie ein Käfig, alles was ich wollte, war endlich die Türe zu öffnen und davonzufliegen. Es war wie fallen, ohne jemals zu fliegen oder zu landen. Tun ohne sein.

Doch ich wusste, irgendwann beginnt der Rest meines Lebens.

Mit diesem Wissen, mit diesem Gefühl und wie immer mit vielen Fragen stand ich also mit dreckigem Gesicht, hellwachen Augen und mittelgroßem dunkelblauen Rucksack am Beginn einer neuen Reise. An einem unbekannten Ort in einer fremden Stadt, genauer gesagt in Meknes in Marokko. Ein kleiner Ort, irgendwo im Land. So viel wusste ich. Einem spontanen Impuls folgend war ich nach stundenlanger Anreise via schwer voneinander zu unterscheidenden grauen Wartehallen, Sitzgelegenheiten und Fast-Food Angeboten endlich am kleinen Hauptplatz der wenig besuchten Stadt angekommen. Mein Drang nach Leben, mein Wunsch nach Neuanfang und meine Suche nach Sinn hatten mich irgendwie hierhergeführt. Die letzten paar Tage habe ich verbracht mit exotischem Essen, neuen Kontakten, interessanter Architektur, heißem Wetter und gemütlichen Spaziergängen.

Doch heute war anders. Mir fehlte noch etwas, noch war die Reise nicht gut genug. In meinem Inneren war etwas noch grundlegend unbefriedigt und so suchte ich nach mehr, fragte und schaute, bis ich einen Plan für den kommenden Tag entwickelte. Meine unbegrenzte Neugier, mein Drang nach Erfüllung und letztendlich der Besitzer der kleinen Pension, in der ich übernachtete, haben die entscheidenden Puzzleteile für mein bevorstehendes Abenteuer zusammengefügt. Die letzten Tage dienten ausschließlich der Vorbereitung. Mein Entschluss war getroffen und nichts würde mich von meiner Mission am nächsten Tag abbringen. So bereitete ich mich mental auf das Abenteuer vor, ruhte mich viel aus und visualisierte meine Reise am morgigen Tag. Am wuseligen Markt besorgte ich einen alten Kompass, der mir als Navigation dienen würde und auch Vorräte für die erwarteten Strapazen. Mit jeder fortschreitenden Stunde wuchs meine Vorfreude und die Lebensenergie floss durch meine Adern. Mein Blick fixierte mein linkes Armgelenk, der Zeitpunkt war perfekt.

Von Meknes aus werde ich zu einem kleinen Wüstendorf gehen. Laut dem Besitzer der Pension ist das kaum bekannte Dorf extrem isoliert und verborgen in den Weiten der Wüste. Versteckt am Horizont und durch keine Straße erreichbar, sondern nur nach einem schwierigen Marsch quer durch die Wüste, machen sich nur wenige Leute auf den Weg, den autarken Ort zu erreichen. Der Besitzer meinte, es ringen viele Geschichten und Theorien um das besagte Wüstendorf, sodass es fast eine mystische Form angenommen hat, ohne konkretes Wissen, wie dieser Ort überhaupt ausschaut und was einem bei der Ankunft erwarten könnte. Es soll eine letzte Oase sein, ein wunderschönes Dorf voller Magie und Einsamkeit. Ein wahrer Ort zum heilen, zum Ankommen und verweilen. Ein Ort für einen Neuanfang. 42 Kilometer. 42 Kilometer trennten mich von meinem Ziel, von meinem Drang nach Freiheit, der dort am Horizont erfüllt werden soll. Das klingt zwar ziemlich weit, aber das kann man schon gehen. Auch in der Wüste, dachte ich mir.

Wie ich auf die Idee kam? Immer schon gab es in mir einen Hang zu solcher Art von Aktivitäten. Die Neugier für die Abwechslung, für das Verborgene und Bildhafte. Fasziniert von der Mystik und den Symbolen der Traumwelt. Nur selten fand ich Ruhe von den Luftschlössern meiner Träume. Mein Wunsch nach Entfaltung und etwas Größerem und Weiterem verlangte Gehör.