Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen - Jalid Sehouli - E-Book

Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen E-Book

Jalid Sehouli

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Beschreibung

Schlechte Nachrichten überbringen zu müssen ist eine Tragödie. Sie erträglich zu machen ist eine Kunst.

Wie soll ich es nur sagen? Diese Frage stellt sich jeder Mensch häufig in seinem Leben. Personen, die beruflich schlechte Nachrichten überbringen müssen, stellen sie sich täglich. Auch Prof. Dr. Jalid Sehouli zählt zu ihnen. Als Leiter der gynäkologischen Klinik an der Berliner Charité trifft er täglich auf Menschen, deren Leben er nachhaltig verändert. Um diese Aufgabe leichter und erträglicher zu machen, leitet er in diesem Buch durch jedes Detail von Gesprächen, die Leben verändern und beeinflussen. Überbringer der Nachrichten, Betroffene aber auch Angehörige können sich mit diesem Buch einen sicheren Weg erarbeiten, wie schlechte Nachrichten empathisch und angemessen überbracht, aber auch verarbeitet werden können.

In der aktualisierten Neuauflage werden Beispiele und die behandelten Themen so erweitert, dass nicht nur Ärzt*innen, sondern auch weitere Berufsgruppen angesprochen werden. Neue Kapitel wie die Kommunikation schlechter Nachrichten an Kinder und die gesonderte Betrachtung von Problemen beim Überbringen der Nachrichten im Allgemeinen erweitern das Potenzial dieses Buches als Standardwerk.

Einfühlsam und leicht zugänglich erklärt Jalid Sehouli die Bedeutung der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen.

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Seitenzahl: 286

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Zum Buch:

Schlechte Nachrichten überbringen zu müssen, ist eine Tragödie. Sie erträglich zu machen, ist eine Kunst.

Wie soll ich es nur sagen? Diese Frage stellt sich jeder Mensch häufig in seinem Leben. Personen, die beruflich schlechte Nachrichten überbringen müssen, stellen sie sich täglich. Auch Prof. Dr. Jalid Sehouli zählt zu ihnen.

Als Leiter der gynäkologischen Klinik an der Berliner Charité trifft er täglich auf Menschen, deren Leben er nachhaltig verändert.

Um diese Aufgabe leichter und erträglicher zu machen, leitet er in diesem Buch durch jedes Detail von Gesprächen, die Leben verändern und beeinflussen. Überbringer der Nachrichten, Betroffene, aber auch Angehörige können sich mit diesem Buch einen sicheren Weg erarbeiten, wie schlechte Nachrichten empathisch und angemessen überbracht, aber auch verarbeitet werden können.

In dieser aktualisierten und überarbeiteten Neuauflage werden die bisher behandelten Themen vertieft und mit neuen Erkenntnissen und Beispielen erweitert.

Einfühlsam und leicht zugänglich erklärt Jalid Sehouli die Bedeutung der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen.

Zum Autor:

Prof. Dr. Jalid Sehouli ist Arzt und zählt als Leiter der gynäkologischen Klinik der Charité zum Kreis der weltweit führenden Top-Krebsspezialisten. In seinem Alltag als Onkologe, dicht an den Menschen, erlebt er Situationen und Begegnungen, in denen die Art der Gesprächsführung eine existenzielle Bedeutung hat. Er nimmt die Verantwortung dafür bewusst an und teilt seine Erfahrung und sein Wissen aus Überzeugung.

Prof. Dr. med. Jalid Sehouli

Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen

Wilhelm Heyne Verlagmünchen

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Originalausgabe 05/2024

Aktualisierte und überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 2024 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Hans Georg Hoffmann

Umschlaggestaltung: Wilhelm typo grafisch

Umschlagfoto: Christian Festag Fotografie

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-32009-6V001

www.heyne.de

Inhalt

Vorwort

Die Botschaft

Wer dieses Buch braucht und warum ich es als Arzt schreiben musste

Breaking Bad News

Die untragbare Angst

Wie wird Kommunikation gelehrt und gelernt?

Agadir

Ein Thema, das uns alle angeht – auch im Privaten

Das gute Übermitteln der schlechten Nachricht

Der Moment: »Kommen Sie bitte herein?« Zwei Menschen begegnen sich

Die gute Vorbereitung ist (fast) alles

»Die ABC-Regel: Wann – wo – wer?«

Zuhören, aber wie?

Das NURSE-Modell

Das SPIKES-Modell

Die SPIKES-Methode

Was erwarten Patient:innen?

Sich seiner Rolle bewusst sein

»Herr Doktor, woher kommt meine Heiserkeit?«

Die Chefarztvisite

Wie führt man ein Gespräch zur Übermittlung einer schlechten Nachricht?

Wahrhaftigkeit und Vertrauen

Krankheitstheorien Raum geben und miteinander besprechen

Das richtige Timing

Die entscheidende Frage

Das Überbringen schlechter Nachrichten mithilfe digitaler Medien

Checkliste zur Übermittlung mithilfe digitaler Medien

Was tun vor dem Überbringen einer Todesnachricht?

Was tun, wenn es so weit ist?

Die ärztliche Angst vor Komplikationen

Checkliste für die Kommunikation im Rahmen von Komplikationen

»Mamed, ich muss dir was sagen!«

Checkliste für Überbringer und Empfänger von schlechten Nachrichten

Das Gespräch beenden und dokumentieren

Zurück in der Sprechstunde

Probleme in der Verständigung

Interkulturelle Kommunikation

Interkulturelle Kompetenz unterstützt die Kommunikationsfähigkeiten

Wichtige Aspekte in der interkulturellen Kommunikation

Checkliste für die Übermittlung von schlechten Nachrichten bei Patient:innen mit Sprachbarrieren

Warum Schweigen manchmal die beste Antwort ist

Im Treppenflur

Das Umfeld: Angehörige als Verbündete

Der Spaziergang

Was hilft den Menschen, schlechte Nachrichten zu verarbeiten?

Der Sturz

Visite der Lebenserfahrung

Spiritualität – Hoffnung in hoffnungsloser Zeit

»Ich gebe doch nicht auf«

Regeln für das Überbringen schlechter Nachrichten für Angehörige/Begleiter

Schlechte Nachrichten an Kinder kommunizieren

»Mama ist sehr krank, wirklich sehr krank!«

Checkliste für die Übermittlung von schlechten Nachrichten, wenn ein Elternteil schwer erkrankt ist

Die Superheldin

Weitere Beispiele aus der Medizin und anderen Bereichen

Der Vater und der junge Polizist

Erinnerungen an einen guten Freund

Erlebnisse aus der Krankenpflege

Wie überbringe ich eine Kündigung?

Auf der Suche nach der guten Nachricht – das Rezept für alle und jeden!

Perspektivwechsel

Die gute Nachricht zum Abend

Die Schachblume

5 Regeln für die Übermittlung einer guten Nachricht

Zum guten Ende

Meine traurigste und meine schönste Nachricht

Wie ging es mit Susanne Sieckler weiter?

Istanbul

Brief an meinen Vater: »Die letzte Geschichte«

Vater

Anhang

Übersicht Checklisten

»Die ABC-Regel: Wann – wo – wer?«

Kurzfassung SPIKES-Methode

Was tun vor dem Überbringen einer Todesnachricht?

Was tun, wenn es so weit ist?

Checkliste für die Kommunikation im Rahmen von Komplikationen

Checkliste für Überbringer und Empfänger von schlechten Nachrichten

5 Regeln für die Übermittlung einer guten Nachricht

Checkliste für die Übermittlung von schlechten Nachrichten bei Patient:innen mit Sprachbarrieren

Regeln für das Überbringen schlechter Nachrichten für Angehörige/Begleiter

Checkliste für die Übermittlung von schlechten Nachrichten, wenn ein Elternteil schwer erkrankt ist

Hinweis auf Seminare

Literatur

Danksagung

Vorwort

Es freut mich so sehr, Ihnen diese intensiv überarbeitete Ausgabe zur Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen, präsentieren zu dürfen.

Das Echo zur ersten Ausgabe war großartig, ich danke für die unzähligen Briefe, Gespräche bei den Lesungen und Vorträgen zu dem Buch. Ein so altes Thema ist so aktuell wie nie zuvor, da die medizinischen Therapien immer komplexer werden, die zeitlichen Ressourcen aber weltweit immer knapper, und digitale Medien zu einem wichtigen Teil unserer Kommunikationskultur geworden sind. Mithilfe dieses Buches möchte ich betonen, dass aber die Kommunikation zwischen den Menschen das Rückgrat der Gesellschaft ist und bleiben wird und wir es uns daher wirklich gemeinsam zur Aufgabe machen sollten, die Aus – und Weiterbildung zum Thema »Überbringen von schlechten Nachrichten« flächendeckend zu intensivieren und die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Die neue Ausgabe war notwendig, da ich in den letzten Jahren auch dazugelernt habe, viele neue Erfahrungen machen durfte, als Arzt, Wissenschaftler, Schriftsteller und auch als Mensch, zudem haben sich weitere Aspekte ergeben, die ergänzt werden mussten. Auch habe ich neueste Studienergebnisse in das Buch einfließen lassen, weiterhin existieren hierzu zu wenige wissenschaftliche Arbeiten. Umso mehr bin ich stolz, dass ich mit meinem Team aus 800 Ärztinnen und Ärzten und 300 Studierende im Rahmen der bisher größten Studie zum Umgang mit schlechten Nachrichten interviewen konnte (Herzog et al., 2023). Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie lückenhaft die Aus- und Weiterbildung noch ist, und wie wichtig ein professioneller Umgang mit dem Thema bleibt. Viele berichteten davon, dass sie »Angst« vor diesen Gesprächen haben und sie dies auch als Risikofaktor für ein »Burn-out-Syndrom« erachten. Gerade im Hinblick auf die sich aktuell und zukünftig noch weiter zuspitzende Personalknappheit sollte dies ein Alarmsignal sein, wirklich die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Dieses Buch bedeutet mir sehr viel und gilt für mich als eine meiner wichtigsten Veröffentlichungen in meiner nunmehr 28-jährigen Zeit in der klinischen und wissenschaftlichen Medizin, da ich davon überzeugt bin, dass »Kommunikation weiterhin die wichtigste Arznei in der Medizin ist«. Ich begann meine medizinische Laufbahn mit der Ausbildung zum Krankenpfleger, das hat mich sehr geprägt. Im Medizinstudium hatte ich nahezu keinen Unterricht zum Thema »Kommunikation« und »Gesprächsführung«, auch als junger Arzt wurden meine Fähigkeiten einfach vorausgesetzt, unabhängig davon, dass mich nie irgendjemand angeleitet oder darüber unterrichtet hatte.

In dieser aktualisierten Ausgabe wurden neue Geschichten von Menschen, denen ich begegnen durfte, aufgenommen sowie auch Themen wie interkulturelle Kompetenz, den Umgang mit medizinischen Komplikationen und verschiedene Kapitel wurden intensiv überarbeitet.

Dieses Buch fokussiert sich auf das Gesundheitswesen, berufsgruppenübergreifend, berührt aber auch andere Bereiche unserer Gesellschaft und ist aber auch hilfreich für alle Menschen, die privat oder beruflich schlechte Nachrichten überbringen müssen. Dass sich mein Buch in verschiedenen Bibliotheken der Polizei, Sanitäter, Universitäten, pädagogischen Institute wiederfindet, freut mich sehr, da wir gerade bei diesem Thema berufs- und sektorenübergreifend agieren müssen um einen echten Perspektivwechsel in unserer Gesellschaft zu schaffen.

Ich hoffe sehr, dass Ihnen dieses Buch in ihrer täglichen Arbeit hilft und Sie viele neue Anregungen erhalten.

Ihr

Jalid Sehouli

Die Botschaft

Ich muss es ihm sagen,

aber wie?

Oder besser schweigen?

Aber darf ich das?

Schweigen gegen die schreckliche Botschaft?

Aber die Wahrheit will und muss zutage,

sie hat mich ausgesucht, sie auszusprechen,

aber warum mich?

Ich nehme den Auftrag an,

aber wie soll ich es tun?

Ich tue es für ihn,

aber habe ich die Kraft?

Aber hat die Wahrheit ihn gefragt?

Sage kein einziges Wort,

meine Augen und die Stille tun es,

die schreckliche Nachricht ist übermittelt,

aber unsere Hände lassen sich nicht mehr los und sind nun für immer verbunden.

Jalid Sehouli

Wer dieses Buch braucht und warum ich es als Arzt schreiben musste

Die Übermittlung von schlechten Nachrichten ist eine der schwersten Aufgaben, die man sich vorstellen kann, nicht nur im klinischen Alltag eines Arztes, sondern in nahezu allen Berufen und Bereichen unseres Lebens.

Was aber sind eigentlich schlechte Nachrichten?

Hierbei wird schnell klar, dass hier keine eindeutige Definition existiert. Jeder von uns würde wahrscheinlich eine andere Schwelle für die Einstufung verwenden.

Für mich ist eine schlechte Nachricht eine Information, die das Potenzial in sich birgt, den Blick auf das »Jetzt« und »Morgen« für immer zu verändern.

Das bedeutet, dass die Information, die Nachricht oder Botschaft stets in Beziehung zu der individuellen Person gesetzt werden muss und nicht nur das Thema der Botschaft allein betrachtet werden darf. Als Überbringer einer schlechten Nachricht sollte man besonders auf seine eigene Sensibilität und Reaktion achten und nicht vorschnell selbst bewerten, wie schwerwiegend diese Nachricht ist, und ohne zu wissen, was die Nachricht für den Empfänger bedeutet. Man sagt, dass die Interpretation stets im soziokulturellen Kontext erfolgen sollte.

Diese Betrachtung macht klar, dass es viel mehr schlechte Nachrichten und Botschaften gibt, als man vielleicht denkt.

Dieses Buch möchte nun versuchen, diese Achtsamkeit zu stärken und von den Geschichten der Patient:innen und ihrer Angehörigen zu lernen, denn das wahre Leben ist unser bester Lehrmeister!

Dennoch kann man nach generellen Codes suchen und allgemeingültige Empfehlungen machen. Lernen wir von den Geschichten aus dem Alltag. Jeder kennt derartige Geschichten: Ärztinnen / Ärzte, Pflegepersonal, natürlich auch Patient:innen, Polizist:innen, Sanitäter:innen, Feuerwehrleute, Unternehmer:innen, selbst Tierärztinnen und Tierärzte. Was sind aber die Gemeinsamkeiten? Was kann man aus diesen Geschichten lernen – und zwar als Betroffener, aber auch als Überbringer der schlechten Nachricht? Was ist der Code? Das sind Fragen, die ich gerne mit Ihnen in diesem Buch diskutieren möchte.

Für viele gilt: Gute Nachrichten zu verkünden, ist an sich keine komplexe Herausforderung. Das ist meiner Meinung nach falsch. Deswegen werde ich im Folgenden auch auf dieses ebenso vernachlässigte Thema eingehen. Denn das Überbringen guter Nachrichten wird noch weniger bewusst gestaltet als das Überbringen schlechter Nachrichten.

Breaking Bad News

Menschen schlechte Nachrichten zu übermitteln, ohne diese in ein tiefes Loch zu stürzen – das ist die wahre ärztliche Kunst. Auch in einer nach Lage der Dinge wohl »hoffnungslosen« Situation kann man positive Aspekte für den weiteren Verlauf der Therapie oder des Lebens der Patient:innen finden und diese kommunizieren, ohne die Unwahrheit zu sagen. Wenn das Gespräch gut verlaufen ist, fühlen sich die Patient:innen adäquat informiert, unterstützt und versorgt. Das kann für beide Seiten – Ärztin / Arzt und Patient:innen – eine sehr befriedigende, positive Erfahrung sein. Für Patient:innen mit lebensbedrohlicher Krankheit ist die offene und empathische ärztliche Kommunikation eine der wichtigsten Hilfen in der Auseinandersetzung mit der Krankheit. Und diese existenzielle Erfahrung lässt sich auch auf andere Lebensbereiche unserer Gesellschaft übertragen. Es geht um die Wertschätzung und den Beistand, ohne eine Hilfe aufzuzwingen.

Und woher weiß man, ob das Gespräch gut war? Das ist schwer zu beantworten, man kann ja nicht direkt nach dem Gespräch fragen: »Und, wie war ich?« Achten Sie aber auf die Gestiken ihres Gegenübers, auf die Stimmung, das Gefühl von Verständnis, Empathie und Vertrauen. Ich denke, ein gutes Gespräch ist es dann gewesen, wenn beide, der Überbringer und der Empfänger, grundsätzlich ein erneutes Gespräch miteinander wünschen.

Schlechte Nachrichten werden überbracht, seit Menschen miteinander kommunizieren. Selbst auf Höhlenzeichnungen wird davon berichtet, dass z.B. ein bestimmter Platz nicht sicher ist oder dass sich an diesem Ort eine Katastrophe ereignet hat. Häufig wurden Symbole und Malereien, aber auch mystische Geschichten als Instrumente indirekter Kommunikation von schlechten Nachrichten verwendet. Aus der griechischen Mythologie kennen wir die Geschichte von Apollon, dem Gott des Lichts. Er soll über die Nachricht, dass seine Geliebte Koronis den Konkurrenten Ischys heiratete, so erzürnt gewesen sein, dass er den ursprünglich weiß gefiederten Raben, der ihm diese Nachricht überbrachte, für alle Zeiten schwarz färbte. Fortan konnte der Rabe auch nicht mehr singen, sondern nur noch krächzen. Der Überbringer der schlechten Nachricht wurde meist bestraft und verdammt.

Auch das Alte Testament, die Grundlage der drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, weiß eine düstere Geschichte vom Überbringen schlechter Nachrichten zu erzählen: Wir finden sie im Buch Hiob, in dem Gott seinen treuesten Diener mit immer schlimmeren Verlusten und Leiden belegt und so dessen Gottesbeziehung auf schwerste Proben stellt. Die sprichwörtliche Hiobsbotschaft leitet sich von dieser biblischen Erzählung ab und steht heute sinnbildlich für katastrophale Nachrichten, die wir als ungerecht empfinden oder die uns aus heiterem Himmel treffen. Diese Geschichte zeigt aber auch, dass dem Menschen verschiedene Ressourcen bei der Bewältigung schlechter und sogar katastrophaler Nachrichten helfen können. Etwa die Gespräche Hiobs mit seinen Freunden. Oder auch sein fester Glaube, vielleicht würden wir heute eher sagen: seine Spiritualität, seine Resilienz und auch die Achtsamkeit.

Trotz der vielen historischen Zeugnisse darüber, dass die Übermittlung von schlechten Nachrichten schon immer das Leben der Menschen begleitete und prägte, verwundert es doch irgendwie, dass so wenig über den Umgang mit dieser Tatsache bekannt ist und dass darüber nur sehr wenige Erfahrungen mitgeteilt wurden. Das Thema ist wohl emotional zu schwer angesehen, zu sehr tabuisiert, als dass es den intimen Raum des Einzelnen verlassen konnte. Darüber zu sprechen und zu schreiben, um die Geschichten festzuhalten, um mit sich und anderen in Dialog zu kommen, scheinen mir die besten Mittel für eine notwendige Enttabuisierung des Themas »Schlechte Nachrichten« zu sein. Sie werden in diesem Buch deshalb auch nicht nur analytische und wissenschaftlich fundierte Ausführungen finden, sondern das, was für mich unser Leben ausmacht, was mich auch dazu gebracht hat, dieses Buch überhaupt zu schreiben: wahre Geschichten, die ich erlebt habe; die mir erzählt wurden; die meist besser als trockene Statistiken, Tabellen oder Studien einen Eindruck davon vermitteln, wo die Herausforderungen, aber auch Chancen für Menschen liegen, die eine schlechte Nachricht zu überbringen haben oder aber diese existenzielle Botschaften erhalten haben oder vielleicht noch erhalten. So kann dieses Buch auch als eine Sammlung verschiedener menschlicher Begegnungen und Schicksale betrachtet werden, denn dieser Erfahrungsaustausch hat mir persönlich am meisten in meiner täglichen Arbeit geholfen.

Mit diesem Buch möchte ich als Mensch, Arzt, Wissenschaftler und Lehrer mit Ihnen in Dialog treten und dieses sensible Thema der Überbringung von schlechten Nachrichten aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Lassen Sie sich auf diesen Rundgang ein und erwecken Sie Ihre eigenen, vielleicht fast vergessenen Geschichten aus Ihrem Leben.

Lassen Sie uns sprechen!

Ich konzentriere mich im Folgenden vor allem auf die Medizin, mit der ich seit fast fünf Jahrzehnten lebe  – als Patient, dann als junger Krankenpflegeschüler, dann als Medizinstudent und heute als Direktor der Frauenklinik mit dem Schwerpunkt Krebserkrankungen der Frau. Auch wenn wir uns viel in der Medizin bewegen werden, berühren wir viele andere Bereiche unserer Gesellschaft, denn das Gesundheitswesen ist an sich das Spiegelbild der gesamten Gesellschaft.

Während des Schreibens dieses Buches wurde mir immer klarer, dass die Grundprinzipien und die Konflikte letztendlich in allen Lebensbereichen ähnlich sind, natürlich mit unterschiedlichen emotionalen und existenziellen Niveaus. Aber lassen wir uns die Codes des Gelingens und des Scheiterns in diesen Situationen identifizieren.

Manchmal ist es leichter, sich diesem Thema zu nähern und sein eigenes Verhalten über die Bande einer anderen Geschichte aus einem anderen Bereich zu beleuchten.

So haben wir beispielsweise vor einigen Jahren in Berlin ein Seminar zum Thema Überbringung von schlechten Nachrichten mit sechs Kommissaren und sechs Ärzten durchgeführt. Die Idee hierzu kam mir, als ich damals die erste Ausgabe dieses Buches schrieb und die Geschichte des Polizisten aus Hamburg fertigstellte und mir auffiel, dass beide Bereiche sich sehr schwer tun, dieses Thema nachhaltig zu bearbeiten.

Ich freute mich sehr, als ich einige Monate später von der Berliner Polizeipräsidentin eine Einladung zum Gespräch erhielt.

So organisierten wir in Berlin einen zweitägigen Workshop, diskutierten mit den Kommissaren und Ärzten verschiedene typische existenzielle Situationen aus dem Polizeiwesen und der Medizin. Mit zwei hervorragenden Simulationspatienten wurden realitätsnah verschiedene Situationen, wie plötzlicher Kindstod des Enkels bei den Großeltern, der tödliche Verkehrsunfall, die Diagnose Brustkrebs, und eine Patientin mit Eierstockkrebs ohne weitere Therapieoptionen, nachgestellt. Über den Blick aus der Medizin in die Welt der Polizei und den Blick aus der Polizeiarbeit in die Medizin entstanden wunderbare Diskussionen. Dieser interprofessionelle Ansatz schien auch die Reflexion in die jeweils eigene Berufswelt erheblich zu erleichtern, da es bekanntermaßen manchmal einfacher ist, erst einmal über andere zu sprechen als über sich selbst.

Gute Kommunikation kann aber ohne Seltbstreflexion nicht wirklich gelingen!

Wir waren alle überrascht: Die Regeln für die Übermittlung von schlechten Nachrichten waren grundsätzlich dieselben, aber es gab auch einige Unterschiede. Grundsätzlich geht es immer um eine wertschätzende und ehrliche Kommunikation und dem Angebot, praktische Hilfe anzubieten, die nicht unbedingt auf den Schultern des Überbringers der schlechten Nachricht liegen muss.

Mir persönlich fiel aber das unterschiedliche Tempo der Informationsübermittlung auf. Ärztinnen und Ärzte versuchen im Allgemeinen einen großen Bogen zur jetzigen Situation zu schlagen, die Patient:innen oder Angehörigen abzuholen, sie vorsichtig auf die eigentliche schlechte Nachricht vorzubereiten. Dabei nutzen sie häufig eher eine indirekte als direkte Kommunikation. Polizist:innen scheinen eher die Botschaft im Fokus zu sehen, sie sprechen die schlechte Nachricht, aus der ärztlichen Sicht, sehr schnell aus.

Für die Polizist:innen war das Tempo der Gesprächsübermittlung der Ärztinnen und Ärzte kaum auszuhalten, genauso war für die Medizinier:innen das Tempo der Polizist:innen viel zu schnell. Ich erinnere mich gut an die verdutzten und geschockten Gesichter der Ärztinnen und Ärzte, als ein Kommissar den Eltern, die gerade an ihrem Hochzeitstag aus dem Theater kamen, mitteilen musste, dass ihr 4-jähriger Sohn Michael im Bett der Großeltern tot aufgefunden wurde.

Was mir sehr gut gefallen hat war, dass Polizist:innen grundsätzlich zu zweit eine schlechte Nachricht, wie eine Todesnachricht, übermitteln, Ärztinnen / Ärzte gehen meist alleine in ein derartiges Gespräch. Ich denke, dass es auch für Ärztinnen / Ärzte sehr gut wäre, als Team diese schwierige Situation zu begehen. Jeder kann von jedem lernen!

Das Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres Kurses war durchweg sehr gut, das Kernstück unseres Kurses waren Situationen aus dem beruflichen Alltag von Polizist:innen und Ärztinnen und Ärzten. Die Situationen wurden von großartigen Schauspielern simuliert. Wir kamen sehr nahe an die reale Situation heran. Anschließend diskutierten wir systematisch die einzelnen Situationen.

Der Blick auf die andere Berufsgruppe verbessert das gegenseitige Verständnis, es gibt ja zudem viele Schnittstellen zwischen Ärztinnen / Ärzten und Polizisten, wie bei Unfällen, Missbrauchs- und Gewaltdelikten. Außerdem hilft der Blick auf die »anderen« sich seinem eigenen Berufsleben zu nähern, sich zu reflektieren. Ähnliche Erfahrungen habe ich mit Piloten und Lotsen zum Thema Fehlermanagement seit Jahren gemacht.

Wie geht man mit Fehlern und Beinahe-Fehlern um, auch ein tabuisiertes Thema in der Medizin und Gesellschaft.

Ich kann nur alle Initiativen unterstützen, die den interprofessionellen Dialog in unserer Gesellschaft fördern.

Ich werde Ihnen in diesem Buch von meinen Begegnungen mit Patientinnen, Angehörigen und meinen Kolleginnen und Kollegen erzählen und hoffe, dass wir damit auch von Erfahrungen anderer Menschen profitieren werden. Als Kollege, als Betroffener, als Interessierter und Beobachter – wir werden feststellen, dass bei der Übermittlung von schlechten Nachrichten die Rollen ineinander übergehen, der Überbringer wird zum Empfänger und Beobachter und umgekehrt, da beispielsweise die betroffene Patientin die gerade erhaltene Diagnose einer unheilbaren Krankheit später ihrem Partner, Kindern oder Freunden kommunizieren wird. Wie verschieden unsere Berufe und Rollen auch sein mögen, es gibt viele Gemeinsamkeiten. Lassen Sie sich ruhig bitte darauf ein, wenn ich Sie als Kolleg:in, Patient:in, Angehörigen oder Bekannten anspreche. Versuchen Sie, diese Rolle anzunehmen und achten Sie dabei auf Ihre eigenen Emotionen und Gedanken, ohne sie aber gleich zu bewerten.

Aber lässt sich das Überbringen von schlechten Nachrichten überhaupt erlernen, so wie man das Stellen von Diagnosen oder spezielle Operationstechniken erlernen kann?

»Ja« ist die einfache Antwort für ein komplexes Thema!

Verschiedene Studien konnten nämlich eindeutig zeigen, dass dies der Fall ist und sowohl Medizinstudenten als auch Ärztinnen / Ärzte von der Beschäftigung mit diesem Thema nachhaltig profitieren. Schlechte Nachrichten sind unterschiedlich, sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Tragweite und was die existenzielle Bedrohung und die Konsequenzen angeht, die sich aus ihnen ergeben. Die Überbringung schlechter Nachrichten gehört zu den häufigsten, aber auch unangenehmsten Aufgaben einer Ärztin / eines Arztes. Je nach Ärztin / Arzt und Arbeitsfeld, wird am Tag mit 10 – 100 Patient:innen gesprochen. Die Anzahl der Arbeitstage variiert bekanntermaßen von Jahr zu Jahr und liegt im Allgemeinen zwischen 248 und 255 Tagen. Hinzu kommen etwa 30 Urlaubstage.

Das Medizin-Studium dauert im Allgemeinen 6-7 Jahre, die Facharztausbildung zwischen 3 und 7 Jahren, Ärztinnen / Ärzte können sogar auch nach dem Rentenalter praktizieren, sodass selbst bei konservativer Rechnung etwa 200 000 Gespräche mit Patient:innen und Angehörigen geführt werden.

Für beinahe alles im Berufsalltag gibt es Checklisten, definierte Abläufe, sog. Standard Operating Procedures (SOPs) und Weiterbildungscurricula mit Zertifikaten der jeweiligen Ärztekammer. Wie eine Ärztin / ein Arzt aber Gespräche zu führen hat oder wie man sie führen kann, dafür gibt es jedoch nur sehr wenige Fort- und Weiterbildungsangebote oder Checklisten. Dies betrifft nicht nur die Ärztinnen / Ärzte letztendlich trifft dies auf alle Professionen in der Medizin zu. Dies erstaunt doch sehr, da in nahezu allen Bereichen die Kommunikation das Rückgrat ihrer Kompetenzen darstellen sollte.

Ärztinnen / Ärzte, Krankenpfleger:innen und nahezu alle Berufsgruppen sind verpflichtet, unzählige zusätzliche Qualifikationen nachzuweisen, da sie sonst ihre Berufserlaubnis nicht erwerben und diese sogar verlieren können. Weder in Deutschland noch in sonst einem anderen Land ist es dagegen verpflichtend, Kurse oder Weiterbildungen in der Arzt-Patient:innen-Kommunikation zu besuchen.

Es stimmt nach wie vor nicht, dass man es »im Blut« haben muss oder nicht, wie man am besten mit seinem Gegenüber spricht und auch schlechte Nachrichten so übermittelt, dass die Empfängerin /der Empfänger am Ende nicht wie gelähmt ist und ohne Orientierung und Hoffnung aus dem Gespräch geht. Besser wäre es, von einem Dialog zu sprechen, denn das ist das Wichtigste daran: der Austausch von Informationen in beiden Richtungen und dabei das Verhältnis, die Beziehung aufzubauen.

Ein Gespräch, das nur einseitig geführt wird, ist zum Scheitern verurteilt und wird das Gegenüber nicht dazu bringen, selbst handlungs- und orientierungsfähig zu werden. Darum geht es: Den anderen dazu zu befähigen, selbstverantwortlich zu handeln, aktiv zu werden, ihn also nicht in eine emotionale und mentale Sackgasse zu führen – das ist eines der wesentlichen Ziele eines Gesprächs mit der Überbringung einer schlechten Nachricht.

Unter dem Terminus »Breaking Bad News« – im Deutschen hat man bisher keinen adäquaten Begriff gefunden – wird das Überbringen einer Nachricht verstanden, die den Blick auf die Gegenwart und Zukunft drastisch und negativ verändern kann.

Aus ärztlicher Sicht ist damit das schwierige Gespräch gemeint, in dem die Ärztin / der Arzt bewusst den Patient:innen die Botschaft vermittelt, dass sie an einer existenzbedrohenden, z.B. unheilbaren Krankheit leiden. Die Definition ist aber nicht umfassend und allgemeingültig, da die Bewertung, wie schwer die Nachricht wiegt, sehr unterschiedlich sein kann und von verschiedenen individuellen Faktoren wie Erfahrung, Prägung, Lebensphilosophie, Spiritualität, Religiosität, Alter und Ausbildung beeinflusst wird. Auch der kulturelle Kontext spielt eine wichtige Rolle. Es ist zudem davon auszugehen, dass auch die Summe und die Frequenz der schlechten Nachrichten Einfluss auf die Wahrnehmung und die Bewertung der Nachrichten haben kann. Und wie ist mit den jeweiligen Situationen in der Vergangenheit umgegangen worden, was war gut gelaufen, was hat einen bei der Bewältigung eher behindert? Wie war es bei Ihnen?

Was bei der Verarbeitung der Nachricht mit Sicherheit ebenfalls eine Rolle spielt, ist wie viel Zeit zwischen möglicherweise mehreren schlechten Nachrichten vergangen ist und welche Konsequenzen diese für das weitere Leben der Betroffenen hatten, bzw. wie erfolgreich der Verarbeitungsprozess in der Vergangenheit war. Insbesondere für diesen Verarbeitungsprozess scheint es zudem wichtig zu sein, wie die Betroffenen in der Zeit nach dem Erhalt der schlechten Nachricht damit umgegangen sind. Das heißt, wie aktiv sie sich dabei erlebt haben, ihr Schicksal selber meistern zu können, und ob es in dieser Zeit auch gute Nachrichten und Momente gab und wie das soziale Umfeld darauf reagiert und interagiert hat. Nicht zu unterschätzen ist immer der aktuelle körperliche (physische) und seelische (psychische) Gesundheitszustand des Betroffenen. Gemeinsam haben alle schlechten Nachrichten aber, dass sie die Hoffnungen und Träume eines Menschen zerstören können, und ein jeder von uns braucht zum Leben Hoffnung und Zutrauen. Es geht also um das Gefühl, einer Bedrohung ausgesetzt zu sein, und eine plötzlich veränderte Sicht auf das zukünftige Wirken und Wahrnehmen. Aus meiner Erfahrung heraus übermitteln Ärztinnen / Ärzte viel häufiger schlechte Nachrichten, als ihnen bewusst ist, aber auch viel mehr gute Nachrichten, als ihnen bewusst ist, dazu aber später mehr.

Immer wieder erfahre ich zum Teil große Diskrepanzen in der Einstufung eines Gesprächs, ob es eher gut oder eher schlecht verlaufen ist, wenn ich den Empfänger und den Überbringer getrennt dazu befrage.

Häufig haben aber die Überbringer einer schlechten Nachricht nach dem Gespräch, manchmal direkt danach, manchmal einige Stunden danach, das Gefühl, dass es nicht richtig gut war oder man etwas klarstellen möchte. In der Regel verschlingen aber die Hektik des Klinikalltags und die eigene Angst bzw. Verdrängung die Chance der »Reparaturmöglichkeit«. Nutzen Sie diese Chance und gehen Sie noch einmal auf den Menschen zu. Sie werden erleben, wie dankbar Ihr Gegenüber sein wird und wie diese Tat die Beziehung stärken wird.

Bei der Einschätzung der Schwere einer Nachricht sollte man sich zurückhalten, denn eine schlechte Nachricht ist es nicht nur dann, wenn man einem Menschen die Unheilbarkeit oder eine bleibende Einschränkung aussprechen muss. Es kann auch etwas sein, das aus medizinischer Sicht gar nicht eine so schlechte, sondern eher eine positive Nachricht darstellt, für Patient:innen aber Hoffnungen zerstört oder Ängste auslöst.

So erinnere ich mich gut an eine 76-jährige Patientin, die bei einer fortgeschrittenen Krebserkrankung und bestehender körperlicher Erschöpfung keine weitere Therapie wünschte, da für sie das einzige Lebenselixier ihre Skatabende am Dienstag und Freitag waren und sie diese nun nicht mehr wahrnehmen konnte und sie auch ohne Chemotherapie sich hierzu zu schwach fühlte. Ich akzeptierte Ihre Entscheidung und dankte ihr für die klaren Worte. Ich erinnere mich auch an eine andere Patientin, aus Freiburg, sie war Psychoanalytikerin und kam stets in einem tollen Outfit zu den Nachuntersuchungen. Sie erzählte mir, dass das Schlimmste an der Krebserkrankung nicht die siebenstündige Operation und auch nicht die sechsmonatige Chemotherapie mit vollständigem Haarausfall und ständiger Übelkeit war, sondern dass sie Probleme beim Denken habe und dass dies sie in ihrem Berufsleben durchaus massiv belaste, da sie stets so stolz war auf ihr Denkvermögen.

Die Übermittlung von schlechten Nachrichten gehört zu allen Lebensbereichen, zur Berufswelt ebenso wie zum Privaten. Die Techniken sind durchaus erlernbar, können professionalisiert werden, ohne dass aber dabei die Kraft der Empathie und Anteilnahme verloren geht. Sich mit der Übermittlung von schlechten Nachrichten gezielt auseinanderzusetzen, sie zu reflektieren, zu trainieren, kann dabei helfen, diese Aufgabe gut zu lösen und sogar Erfüllung in ihr zu finden. Dabei geht es nicht um ein Patentrezept, nach dem jedes Gespräch dieser Art abzulaufen hat, oder Sie zu kritisieren, sondern mehr um die Entdeckung der kostbarsten Zutaten eines guten Gesprächs, um mehr Achtsamkeit zu entwickeln, wie der andere Mensch, die anderen Menschen und wie man selbst fühlt, reagiert und interagiert.

Wann haben Sie zuletzt eine schlechte Nachricht überbringen müssen, wann haben Sie zuletzt eine schlechte Nachricht erhalten?Können Sie sich an Ihre schlimmste Situation erinnern, was hatte sie zu der gemacht?Legen Sie nun das Buch einfach weg und folgen Sie Ihren Gedanken!

Wenn Sie aufgrund ihres Berufs regelmäßig schlechte Nachrichten überbringen müssen, habe ich eine weitere Frage an Sie:

Wie viele schlechte Nachrichten überbringen Sie gewöhnlich?

Sie werden diese Fragen sicher nicht schnell beantworten können. Mein Tipp: Führen Sie für eine Woche eine Art persönliches Tagebuch und notieren Sie bei Ihren Kontakten, ob die Nachrichten, die Sie überbracht haben, eher gute oder eher schlechte waren. Ich verspreche Ihnen, Sie werden überrascht sein! 

Die untragbare Angst

Ich muss im ersten Ausbildungsjahr gewesen sein, es war Frühling, ich erinnere mich an das euphorisierende Gefühl dieser Zeit. Ich war begeistert von der Gynäkologie, vor allem die Krebsoperationen faszinierten mich. Ich war immer wieder beeindruckt, welche gewaltigen Operationen ein Mensch überstehen kann.

Als junger Arzt war ich auf der Station für die Vorbereitung der Neuaufnahmen zuständig, Anamnese und die allgemeinen Untersuchungen der Lungen- und Herzfunktion; die gynäkologischen Untersuchungen erfolgten später durch den Oberarzt. An diesem Tag war ich für zwei Neuaufnahmen zuständig. Ich fragte die Schwestern, welche der beiden Patientinnen bereits die Befragung durch die Schwestern durchlaufen hatte.

»Gerda Müller«, sagte die Oberschwester, »aber beeile dich, sie wird gleich zum EKG abgeholt.« Gerda Müller war 86 Jahre alt und sah blendend aus, niemand hätte auf Anhieb ihr Alter erraten können. Ich stellte mich vor und fragte sie gleich, was sie denn früher beruflich gemacht hätte, weil ich wissen wollte, welcher Beruf ein so hohes Alter und eine derartige Schönheit ermöglicht. Sie war Sekretärin in einer Modefirma gewesen. Ob sie Kinder habe, fragte ich. »Nein, mein Mann und ich wollten keine, wir hatten einfach zu viele andere Dinge zu tun«, antwortete sie. »Sie waren immer Nichtraucherin, oder?«, fragte ich dann. Sie lächelte und nickte. »Ja, ich habe nie geraucht.« Sie hatte eine Scheidenblutung und war deshalb in der Klinik aufgenommen worden. »Ich habe seit über 35 Jahren keine Blutung mehr gehabt, daher hatte ich eine Ausschabung und nun diese Diagnose,« sagte sie, als ob sie sich dafür entschuldigen wollte.

Eine postmenopausale Blutung ist ein Kardinalsymptom für Gebärmutterkörperkrebs (Endometriumkarzinom), das war auch das Ergebnis der Gewebeprobe. Am nächsten Tag sollte sie operiert werden. Alle Befunde zeigten an, dass sich die Krebserkrankung im Frühstadium befand, eine zusätzliche und aufwendige Lymphknotenentfernung war nicht geplant.

Ich fragte nach ihrem Ehemann. »Dem geht es nicht so gut. Er ist 92 Jahre alt, hat seit vielen Jahren Asthma, und die Pollen machen ihm gerade sehr zu schaffen. Er ist zu Hause geblieben«, erzählte sie mir. »Unsere Nachbarin schaut später vorbei und bringt ihm etwas zu essen, ich mach ja sonst den ganzen Haushalt, Herr Doktor«, sagte sie stolz. »Er ist eben nicht mehr der Jüngste«, fügte sie hinzu. »Ich muss schnell wieder zu ihm nach Hause, ich kann also nicht lange im Krankenhaus bleiben. Ich denke, Sie verstehen mich, mein Mann macht sich große Sorgen um mich und braucht mich.«

Am nächsten Tag war sie die erste Patientin im Operationssaal. Der Eingriff verlief erfolgreich, die Gebärmutter und die Eierstöcke konnten ohne Komplikationen entfernt werden. Während der ganzen Operation war sie stabil, sie hatte kaum Blut verloren, der Blutdruck war die ganze Zeit stabil geblieben, sodass sie ohne Zwischenstopp von der Intensiv- auf die Station zurückverlegt werden sollte.

Dann kam ein Anruf. Die Nachbarin war am Telefon, sie sprach sehr leise. Ich bat sie, etwas lauter zu sprechen, ich konnte sie nicht verstehen. »Herr Müller ist tot«, sagte sie. »Tot, Sie meinen, der Ehemann unserer Patientin ist tot?«, fragte ich ungläubig. »Ja, tot, einfach tot, er hat sich mit einem alten Jagdgewehr erschossen.« Ich rief sofort den Oberarzt an und erzählte ihm mit bebender Stimme diese tragische Geschichte.

»Was soll ich tun?«, fragte ich ihn und hoffte, dass er nun alles in die Hand nahm und ich den seltsamen Geschmack in meinem Mund schnell wieder loswerden konnte. »Ruf bitte einen Psychologen an und frag ihn, ob er der Patientin die schlimme Nachricht überbringen könne. Wenn du nicht weiterkommst, kannst du mich ja noch einmal anrufen.«

Ich rief den diensthabenden Psychiater an, er war sehr nett. Aufgeregt erzählte ich ihm alle Details, bis er mich unterbrach. »Mal ganz ruhig, Herr Kollege, wo ist denn die Patientin jetzt?«

»Ihr geht es sehr gut, aber wegen ihres Alters ist sie noch auf der Intensivstation, vor wenigen Minuten ist erst die Krebsoperation zu Ende gegangen«, antwortete ich.

»Hat sie Angehörige?«, fragte der Psychologe.

»Ja, eine jüngere Schwester, die aber in Düsseldorf lebt und mit der sie nicht viel Kontakt hat.«

»Wann soll sie von der Intensivstation verlegt werden?«, fragte er nach.

»Ich denke, morgen«, antwortete ich. »Was soll ich tun?« Wieder hoffte ich, dass der Kollege mir ein Angebot unterbreiten würde, die Überbringung der schlechten Nachricht zu übernehmen. Ich wartete auf seine ersten Worte, doch es blieb still am anderen Ende. Das verunsicherte mich und ich dachte, dass vielleicht die Telefonverbindung zusammengebrochen war. »Hallo, Herr Kollege, sind Sie noch da?«

Wieder eine Pause und dann hörte ich einen leisen Seufzer. »Ich bin da, also warten Sie, bis eine der Bekannten der Patientin ins Krankenhaus kommen kann, und dann bitten Sie sie, das zu übernehmen, das müssen Sie nicht selbst tun«, sagte er schnell. Damals beruhigte mich diese Aussage, aber es blieb ein seltsames Gefühl zurück. Ist es wirklich nicht meine Aufgabe, muss ich mich darum nicht doch kümmern?

Heute weiß ich, dass ich ohne diese Verantwortung, meinen Patient:innen auch schlechte Nachrichten überbringen zu müssen, meinen Beruf nicht lieben und leben kann, dass ich ohne diesen Akt meine Patient:innen nicht gut behandeln kann, da die Überbringung von schlechten Nachrichten ein Garant meiner Demut ist und ich trotz der vielen schwierigen Situationen unglaublich wertvolle Begegnungen und Erfahrungen mache. Das »Dabeibleiben« und »Helfen«, dass es weitergehen kann, ist meiner Meinung nach der Kern ärztlichen Handelns. Und ohne Empathie und Demut kann man keine gute Medizin praktizieren. Aus einer Verantwortung wurde mit der Zeit ein Geschenk, da ich so als Arzt und Mensch wunderbare Begegnungen und Erfahrungen sammeln durfte und noch immer jeden Tag neue Erfahrungen sammeln kann.

Wie wird Kommunikation gelehrt und gelernt?