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Unsere Zeit braucht mehr Zärtlichkeit. Das ist die Botschaft, die Papst Franziskus seit seinem Amtsantritt vorgibt. Mehr Zärtlichkeit wagen, das ist auch das, was Schwester Teresa Zukic antreibt. Dieses Buch ist wie Schwester Teresa selbst: voller Kraft und Lebensfreude, ohne dabei die dunklen Momente des Lebens zu verschweigen. Kein "Alles wird gut"-Kitsch, sondern ein echter Wegweiser in Krisen und Verzweiflungen und mit der Gewissheit: Gott kann uns heilen. Sie erlebt in ihren Gesprächen und Begegnungen mit Menschen immer wieder, wie heilsam Zärtlichkeit ist. Wie das Berühren und Sich-Berühren-Lassen zu einer spirituellen Kraftquelle wird, die Gottes Botschaft zutiefst ernst nimmt. Lebendig und mit Humor und vielen Anekdoten erzählt Schwester Zukic, wie und wo sie Zärtlichkeit im Alltag erlebt und weitergibt und wie dadurch das Leben bereichert wird. Sie erklärt, wie Kränkungen durch liebevolle Begegnungen heilen können und wie der Glaube Kraft gibt, nicht nur weiterzuleben, sondern gestärkt aus solchen Situationen hervorzugehen und sie zu überwinden. Ein spirituelles Plädoyer für mehr Zärtlichkeit, alltagsnah und konkret.
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Seitenzahl: 173
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Teresa Zukic
Von der Zärtlichkeit Gottes
Begegnungen, die uns Kraft schenken
Impressum
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand, Stefan Weigand
Umschlagmotiv: © Peter von Felbert
E-Book-Konvertierung: wunderlichundweigand
ISBN (E-Book) 978-3-451-80982-8
ISBN (Buch) 978-3-451-31127-7
Vorwort
Einen vollgepackten, nicht nur religiösen Versammlungssaal zum Lachen, Plaudern, Sich-Umarmen und sogar zum Glauben zu bringen, das kann nur der liebe Gott selbst. Oder auch jemand, der sich von ihm gebrauchen lässt. „Die verrückte, kleine dicke Schwester, die verliebt in Gott ist.“ So lautet das Motto von Schwester Teresa Zukic, in ihren eigenen Worten. Diese Liebe sprudelt förmlich aus ihr heraus. Ob sie nach langen Reisen müde ist, in guten oder in schwierigen Zeiten – sie kommt aus dem Schwärmen über ihn nicht heraus, über den Gott, der ihr Leben geküsst und seitdem auf den Kopf gestellt hat. Dessen ausgestreckte, erlösende Hand in diese gebrochene Welt hinein einen Namen hat: Jesus Christus. In einer Gesellschaft, in der Gefühle von Muffigkeit, Kälte und Langeweile Worte wie „Glaube“ und „Kirche“ besetzen, definiert Schwester Teresa diese Begriffe neu. Eine, die von Gott zärtlich berührt wurde, gibt diese Berührung auch weiter. Und schreibt in ergreifender Weise davon in diesem Buch. Ob in Begegnungen mit Menschen, die mit Kirche nichts zu tun haben wollen, ob in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, die ihr besonders am Herzen liegen, ob durch Mut machende Facebook-Posts oder beim Kochen für ihre Kommunität: Schwester Teresa macht aus Glaube ein Abenteuer. Als ich sie bei einem Vortrag zum ersten Mal erlebte, fühlte ich mich nicht wie in einem Hörsaal, sondern wie in einem Wohnzimmer am warmen Kamin. Ich lachte bis zum Umkippen. Es war aber keine Wohlfühl-Predigt. Im Gegenteil – ich fühlte mich in jeder Hinsicht herausgefordert. Manchmal leicht genervt. Von Gott selber. Anderen Menschen vergeben, für andere da sein, eigene Eitelkeiten und Ambitionen zur Seite legen, mich Gott bedingungslos zur Verfügung zu stellen. Es ging mir nicht darum, eine Dienerin Gottes zu verehren. Sondern selber eine zu werden. Mich anstecken zu lassen. Selber berührt zu werden von der Zärtlichkeit Gottes, um andere zu berühren.
Als ich die Texte dieses Buches las, überkam mich das gleiche Gefühl wieder. Schwester Teresas Erzählungen sind ein Paket göttlichen Sonnenscheins. Gelebte Theologie vom Feinsten. Ein „Muss“ für jeden, der in dieser finsteren, gebrochenen Welt ein kleiner Lichtstrahl werden möchte.
Nicola Vollkommer
Reutlingen, den 13.7.2016
Teil 1: Überrascht von Gott
Sind Sie verliebt?
Vielleicht etwas provozierend, wenn eine Ordensfrau Sie das fragt, aber genau das frage ich Sie und gelegentlich auch mich selbst. Vielleicht ist es schon länger her, aber ich hoffe, Sie erinnern sich noch daran? Wenn man verliebt ist, hat man Dynamik, Esprit, man lässt sich verrückte Dinge einfallen. Wenn man liebt, hat man Angst, dass den anderen ein Regentropfen erschlagen könnte. Von so einer Liebe rede ich. Und wenn Sie sich jetzt wundern, dass ich als katholische Schwester Ihnen diese Frage stelle, dann liegt das einfach daran, dass von dieser Antwort sehr vieles abhängt. Unser Befinden, unser Denken, ja sogar die Kraft zum Leben.
Sich geliebt, respektiert und angenommen zu fühlen, ist wohl die wichtigste Energie, die uns zum Leben befähigt. Wenn jemand sich für Sie interessiert, Ihnen Wohlwollen, Sympathie, Wärme und Freundlichkeit entgegenbringt, kurz wenn er Ihnen seine Wertschätzung schenkt, blühen Sie auf. Denn Wertschätzung ist Grundlage seelischer Gesundheit. Er ist der „Schatz“ unseres Lebens. Wertschätzung hat für mich ganz viel mit Zärtlichkeit zu tun. Zärtlichkeit – dieses wundersame Wort hat in meinem Leben immer mehr an Bedeutung gewonnen. Sie steht für Zuwendung, Hingabe, Liebe, Herzenswärme, Leidenschaft, Verbundenheit, Innigkeit oder Zuneigung. Ein zärtliches Wort, eine zärtliche Geste, ein zärtlicher Blick tun einfach gut. Es macht mich lebendig und, wie ich gemerkt habe, auch viele andere. Ich glaube, dass uns diese „Zärtlichkeit“ in unserer Kirche verloren gegangen ist, in unserer Gesellschaft und in vielen Beziehungen.
Ich selbst musste erst wieder darauf gestoßen werden und das von keinem geringeren als unserem Papst Franziskus, den ich für einen ausgesprochen zärtlichen Menschen halte.
Wie hat dieser neue Papst mich bei seinem Antritt überrascht und fasziniert! So menschlich, so mutig, so anpackend und so normal, betrat er die Bühne der Welt und hat mich damals gleich verzaubert. Er bringt einen zum Nachdenken und er fordert heraus. Wie lange wartete die Welt schon auf diese einfachen, zärtlichen Gesten eines Oberhirten und wir Katholiken auf den frischen Wind, der die schlafende, müde gewordene Kirche aufrüttelt? Immer wieder findet er so starke Worte, dass ihm selbst Nichtkatholiken ihre Anerkennung zollen.
Doch dieser eine Satz von ihm hat mich besonders berührt und zugleich verwirrt: „Unsere Welt braucht mehr Mut zur Zärtlichkeit.“
Wie meint er das? Was stellt er sich vor? Eine Kirche, die zärtlich ist? Und alle druckten seine Worte ab, angefangen von der Bild-Zeitung bis zur Süddeutschen, und selbst in der Tageschau hörte man es:
„Haben wir den Mut, mit Zärtlichkeit die schwierigen Situationen und die Probleme des Menschen neben uns mitzutragen, oder ziehen wir es vor, sachliche Lösungen zu suchen, die vielleicht effizient sind, aber die Glut des Evangeliums entbehren? Das Evangelium ist voller Feuer und lodernder Energie, aber was ist aus der Glut geworden. Warum entzündet sie sich so selten?“
Als der Herder Verlag mich dann auch noch mit der Bitte überraschte, ein Buch zu diesem Thema zu schreiben, war ich komplett geschockt! Das sagte ich auch meinem liebenswerten, geduldigen und einfühlsamen Lektor Simon:
„Was soll ich denn dazu schreiben – angesichts aller Missbrauchsfälle in der Kirche?“ die für viele Menschen noch nicht abgeschlossen waren, auch wenn manche das gerne hätten?
Ein theoretisches Buch über die Zärtlichkeit kann ich beim besten Willen nicht schreiben. Ich kann nur über meinen ganz persönlichen Alltag schreiben. Das, was ich selbst erlebt, durchlitten, gefühlt und erfahren habe! Alle meine Bücher sind voller Lebensgeschichten.
Lange habe ich gezögert, mich auf das Projekt einzulassen. Ich hatte eine regelrechte Schreibblockade, auch weil sich eine andere, wohl existenzielle Schwierigkeit auftat: Wie sollte ich mir die Zeit dafür nehmen?
Während ich nun diese Zeilen schreibe, muss ich schmunzeln. Gott gibt Zeit, so wie ER alles in meinem Leben bisher fügte, und er brauchte nichts anders als meine Bereitschaft. Sein zärtliches Stupsen ließ den Plan aufgehen, und ich musste nichts anders tun, als mir die Begegnungen mit vielen Menschen ins Gedächtnis zu bringen und mir ihre anvertrauten Sorgen vor Augen zu führen.
Aus ihren Worten, ihren Schicksalen, ihren Verletzungen höre ich immer und immer mehr diese Sehnsucht heraus. Die Sehnsucht nach mehr Zärtlichkeit, mehr Zuwendung, mehr menschlicher Nähe, Liebe, Güte und Barmherzigkeit, weil sie genau dies bei ihren eigenen Lebenspartnern, in ihrer Familie, am Arbeitsplatz, in ihrer Gemeinde oder in der Kirche vermissen. Weil die Sorgen um ihre müd gewordene Ehe, den depressiven Partner, die kranken, überforderten oder verstorbenen Kinder, den ignoranten Chef oder verletzenden Kollegen, den resignierten oder manchmal auch überforderten oder nur faulen Pfarrer sie verzweifeln lassen. Ganz zu schweigen von dem politischen Wahnsinn, der Flüchtlingskrise und dem wachsenden Hass und Streit in unseren europäischen Ländern.
So viele Menschen sehnen sich nach einer Befreiung. Sie sehnen sich danach, ein einfacheres, liebevolleres und zärtlicheres Leben wiederzuentdecken, ein Leben mit mehr Würde, Wertschätzung und Respekt, in dem kein Menschen an seinem Wert zu zweifeln braucht.
Vielleicht haben wir vergessen, dass der eigene Wert nicht von den Meinungen anderer abhängt. Der Wert liegt schon in uns, und diesen Wert zu entdecken, zu schätzen, oder noch besser, unseren eigenen Wert zu erkennen, führt uns zur Selbsterkenntnis. Genauso wie es mehr Selbstbewusstsein schenkt, sich seine eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu machen. Und manchmal können wir unseren Wert sogar fühlen, im Selbst-Wert-Gefühl. Menschen mit hohem Selbstwert können gar nicht anders als andere Menschen auch zu schätzen. Sie sind kontaktfreudig und weltoffen und oft auch beliebt. Warum aber scheinen so viele Menschen an MinderWERTigkeits-Gefühlen zu leiden? Fühlen sich ungeliebt, schwach, abgelehnt oder zweifeln ständig an sich? Lassen sich von jeder Bemerkung, jeder Kritik und Ablehnung aus der Bahn werfen?
Weil wir uns vielleicht insgeheim doch alle von Äußerlichkeiten und der Meinung anderer Menschen abhängig machen und glauben, dass andere für unser „Unglück“ verantwortlich sind.
Und da kommt Gott ins Spiel. Er ist der absolute Spezialist im bedingungslosen Wertschätzen. Wenn es einen gibt, von dem wir lernen können, wie das geht, dann von ihm. Und ich habe entdeckt, dass es eine Menge Freude macht, die Spuren von Gottes Zärtlichkeit und Wertschätzung im eigenen Leben zu entdecken. Gerne nehme ich Sie mit in mein Abenteuer, mit Gott die Zärtlichkeit neu zu entdecken.
Du bist in Gottes Augen einzigartig und kostbar.
Für Dich hat er diese Welt geschaffen.
Was auch schief gegangen ist,
was immer Dein Herz bedrückt,
was man Dir auch einzureden versucht,
vergiss nie,
in Seinen Augen bist Du wertvoll
und ein Geschenk an die Welt.
Hab Mut, Du selbst zu sein.
Hab Mut, (wieder) glücklich zu sein.
Hab Mut, Gott zu vertrauen.
Das Wertvollste in unserem Haus
Wieder in ein neues Hotel einchecken. Das dritte schon in dieser Woche. Allein die Tatsache, dass wir nach 14 Uhr noch ein Mittagessen bekamen, machte es uns sofort sympathisch. Nach dem Reinfall der letzten Nacht, in der ich – nach zweistündigem Stau – kein Auge zubekam und wieder einmal alles schiefgegangen war, was in einem Hotel nur schiefgehen kann, war die Freundlichkeit dieses Hauses eine einzige Wohltat.
Gegenüber vom Aufzug fiel uns im Eingangsbereich ein Wandschränkchen auf. Es trug ein Schild mit verzierten Buchstaben:
„Das Wertvollste in unserem Haus“
Wenn man das Türschloss öffnete, sah man das „Wertvollste“: sich selbst im Spiegel. Wie wunderbar, dachte ich, und was für ein Sinnbild für das, was ich fast jeden Tag meinem Publikum sage: Dass jeder Mensch der wertvollste Schatz Gottes ist. Nachdenklich betrat ich den Aufzug. Was hat dieser Gott in den letzten fünf Jahren in meinem Leben bewegt? Wieso füllen sich die Säle und Hallen, und manchmal ist kein einziger Stuhl mehr zu bekommen? Ich sah die vielen Gesichter vor mir, spürte die sanfte Stille, die zärtlich die Menschen erfasst, und ihre Ergriffenheit. Leise Tränen, die man sich unauffällig wegwischt, und dann wieder befreites Lachen, das so ansteckend ist, dass ich selbst kaum an mich halten kann. Wie ist es dazu gekommen, dass ich, eine Ordensschwester, als „Keyspeakerin“ bei Firmen, Unternehmen und Wirtschaftstagen angekündigt werde und sogar in Langenscheidts „Rednerlexikon“ gelandet bin? Nie hätte ich zu denken gewagt, dass ich mal 180 Vorträge im Jahr halte und 70.000 km im Jahr im Auto durch alle deutschsprachigen Länder düse.
Was ist nur passiert, dass das Abenteuer mit Gott so spannend weiterverläuft, wie es angefangen hat? Dass ich soviel Zärtlichkeit von IHM in meinem Leben entdecken und weitergeben darf? Und es hatte wahrlich abenteuerlich mit uns beiden angefangen! In dieser Nacht, in diesem Sportinternat, wo ich plötzlich wach war und nicht mehr schlafen konnte. Ich kannte ihn nicht, hatte nie Religionsunterricht, war nicht getauft. Ich wollte eine sportliche Karriere machen. Schon als Kunstturnerin hatte ich Erfolg und jetzt wollte ich als Badische Meisterin im Mehrkampf in der Leichtathletik durchstarten. Das war mein neuer Lebensinhalt. Geschickt hatte Gott es eingefädelt, dass meine Mitbewohnerin mir einen Stapel Bücher ins Zimmer legte, den sie entrümpeln wollte. Und ganz oben lag sie da: Die Bibel. Noch nie hatte ich in die Bibel geschaut. Vielleicht hilft mir lesen, dachte ich, und ich schlafe wieder ein. Willkürlich schlug ich eine Seite auf, die Bergpredigt, und las den Satz: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“.
Damit begann das Abenteuer meines Lebens mit Gott. Ich gab meinen Sport auf, ließ mich taufen und ging ins Kloster. Immer wenn ich dachte, „Das ist nun dein Leben!“, überraschte mich Gott wieder neu. Als ich nach Noviziat und Studium zur Religionspädagogin ausgebildet wurde und mich anschließend als Gemeindereferentin in einem sozialen Brennpunkt einbringen konnte, ahnte doch niemand, dass ich als „Skateboardfahrende Nonne“ vom Fernsehen entdeckt werden würde. Und das nur, weil ich mich der Kids angenommen hatte, mich um ihre Sorgen kümmerte und mit ihnen ihre Leidenschaft teilte, Skateboard zu fahren. Schnell war mir klar, dass man mit „frommen Sprüchen“ allein in so einem Umfeld nichts erreichen kann, sondern ganz in ihre Lebenswelt eintauchen muss. Was für ein Hype, nachdem mich 5 Millionen Zuschauer bei „Schreinemakers live“ gesehen hatten. Eine Schwester, die mit der E-Gitarre rockt, steppt, Skateboard fährt.
Ich kann das „blöde Brett“ zwar schon lange nicht mehr sehen, und das Image habe ich lange nicht ablegen können, auch wenn es so viele Türen geöffnet hat.
Wer hätte ahnen können, dass Gott mich nicht meine ewigen Gelübde in der Gemeinschaft ablegen ließ, in die ich eingetreten war? Er rief mich heraus, um meine eigene kleine Gemeinschaft zu gründen, zu der das Bistum Bamberg „Ja“ sagte. Inzwischen konnte unsere „Kleine Kommunität der Geschwister Jesu“ ihr zwanzigjähriges Jubiläum feiern.
Niemand hätte ahnen können, welche unsagbare Freude wir am Dienst in unserer Gemeinde hatten, auch wenn der Anfang mühsam und schwer war. Immer ist es schwer, etwas Neues anzufangen. Durch harte Prüfungen, Vorurteile und Anfeindungen mussten wir gehen, aber Gottes zärtliche Führung ließ uns nie verzagen. Sein Segen war so gewaltig, dass es sich im Nachhinein wie eine Erfolgsgeschichte liest. Alle zwei Jahre hatte ich ein neues Musical komponiert und mit 80 bis 100 Mitwirkenden zur Aufführung gebracht und in vielen Gemeinden und bei Katholiken- und Kirchentagen aufgeführt. Insgesamt waren es neun Musicals, die bei unseren Kirchenfestivals ihre Premiere feierten. Die Gemeindefestivals mit bis zu 3000 Besuchern an fünf Tagen waren Höhepunkte für unsere ganze Region. Voller Dankbarkeit denke ich an unseren Landrat, unseren ehemaligen Bürgermeister, die Rektoren unserer Schulen, unsere evangelischen Pfarrer und viele einflussreiche Persönlichkeiten, deren Unterstützung uns viele Möglichkeiten eröffnete. Wir feierten Gottesdienste für Suchende und natürlich unser Kinder-Abenteuerland. Ungläubig schauen die meisten Katholiken, wenn ich ihnen von unseren Kindergottesdiensten erzähle, bei denen wir elf Jahre lang 200 bis 300 Kinder in unserem Kinderabenteuerland hatten, und das alle 14 Tage. Was für eine Begeisterung, was für ein Arbeitspensum, neben dem alltäglichen Wahnsinn in der Schule und all den großen und kleinen Festen des Kirchenjahrs in unserer Gemeinde.
Nebenbei schrieb ich meine ersten Bücher, und noch immer ist die Biographie: „Na toll lieber Gott. Mein verrücktes Leben“ ein Renner. Als ich den Kulturpreis für „Musik und Gegenwartsliteratur“ von unserem Kreistag erhielt und im gleichen Jahr bei der Quizshow von Jörg Pilawa mit Pfarrer Franz zusammen 100.000 Euro gewann, dachte ich, wir wären am Höhepunkt. Ich war 40 Jahre und keine Krise mehr in Sicht! Nebenbei noch Fernsehauftritte und Vorträge, aber das hielt sich noch in Grenzen, doch das sollte sich bald ändern: Als unser Pfarrer mit 75 Jahren in Rente ging. Er hatte mit Schwester Claudia und mir die Gemeinschaft in Pegnitz gegründet, und 17 Jahre dienten wir in unserer Pfarrei. Gerne wären wir in unserer lebendigen, wachsenden Gemeinde geblieben, aber nach 15 Jahren sollten auch die pastoralen Mitarbeiter im Bistum die Stelle wechseln.
Also beschlossen wir, gemeinsam neu aufzubrechen und einen neuen Anfang zu wagen. Es war wieder Gottes liebende Führung und Gnade, dass wir bereit waren, IHM wieder restlos zu vertrauen und uns führen zu lassen.
Er ist unterwegs.
Er ist unaufhaltsam.
Er ist lebendig.
Er ist erwartet.
Er ist berauschend in seiner Liebe.
Er ist Sprengkraft.
Er ist heilsam.
Er ist klein wie ein Stückchen Brot.
Er ist mächtig wie der Sturm.
Er ist Feuer.
Er ist Wasser.
Er flüstert.
ER liebt.
Dich.
Wenn Gott etwas nimmt, gibt er etwas Besseres
Alles hatte Gott gefügt. Dass meine Mitschwester die Stelle als Gemeindereferentin bei unserem ehemaligen Lieblingskaplan Lars, der inzwischen Pfarrer war, bekam und uns ein unglaublich schönes und großzügiges Haus zur Miete angeboten wurde, war für uns eine Fügung Gottes. Er wird unsere lieben Vermieter und ihre Familie immer dafür segnen! Wir wurden in unserer neuen Seelsorgeeinheit sehr herzlich und liebevoll aufgenommen.
Wie schwer war der Abschied, wie bitter, alle meine Kinder-, Jugend- und Musicalchöre, alle großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Freunde zurückzulassen. Lange habe ich ihnen nachgetrauert. Jetzt waren wir plötzlich im Seebachgrund, umgeben von Karpfenweihern und Störchen, in einem herrlichen kleinen Dorf, einem Ortsteil von Weisendorf bei Erlangen, nahe an der Autobahn. Meine Mitschwester übernahm eine volle Stelle als Gemeindereferentin, Pfarrer Franz als Priester in Rente oder besser gesagt „in Reichweite“ wurde von den drei Gemeinden gleich ins Herz geschlossen und freut sich nun immer, wenn er aushelfen darf. Und ich?
Nach 17 Jahren Durchpowern hatte ich um ein Sabbatjahr von der Gemeindearbeit im Bistum gebeten, in dem ich alle Vortragsanfragen abarbeiten wollte. Auf die faule Haut legen ist nicht meine Art, außerdem musste ja auch die Miete bezahlt werden und meine Gemeinschaft mit meinem Anteil versorgt werden.
Welche Türen Gott damit allerdings aufgestoßen hatte, konnten wir nicht ahnen. Am Ende des Sabbatjahres hatte ich 137 Vorträge gehalten.
Gott hatte alles schon fest geplant, nur wir hatten seine zärtliche Handschrift während der vielen Arbeit in der Gemeinde nicht richtig gelesen. Auch in dieser Zeit hielt ich schon Vorträge, aber die Zahl blieb noch überschaubar. Ich scheute mich von Anfang an nicht, in die abgelegensten Winkel unseres Bistums zu fahren, anfangs waren es oft nur zehn bis 30 Besucher. Bis mich auch die ersten Einladungen von außerhalb des Bistums erreichten, die Besucheranzahl stieg und mich immer mehr Firmen buchten. Von Hamburg bis zum Bodensee.
Stetig füllte sich mein Terminkalender, und hilfreich war die neue Homepage, die ganz auf die Vorträge ausgerichtet war, denn wir stellten fest, dass die meisten Besucher zuerst die Vorträge anklickten. Und natürlich meine zwei Facebookseiten, die offizielle und die private. Eine kleine wundervolle „Gemeinschaft von Freunden“ ist da zusammengekommen, und jeden Tag mühe ich mich, sie mit positiven, ermutigenden und frech-fröhlichen Postings an meinem Leben Anteil nehmen zu lassen. Als die eigene App „Teresa Zukic“ dazu kam, die sich jeder, der ein Smartphone hat, runterladen kann, konnte ich vielen Menschen sehr nahe sein.
Es war ein immer deutlich vernehmbarer Hinweis, mit dem Gott mich auf meine neue Aufgabe vorbereiten wollte. Er behielt dabei die Zügel in der Hand. Warum sonst durfte ich all diese Erfahrungen machen, im Krankenhaus, im Altenheim und bei Menschen mit schwersten Behinderungen, im sozialen Brennpunkt und in der Sonderschule, in verschiedensten Gemeinden und Institutionen? Seine Stimme wurde immer lauter und eindringlicher, bis wir verstanden, was Er mir damit sagen wollte. Ich sollte nun hinaus und allen verkünden, was unser Papst Franziskus mit so unmissverständlichen Worten ausdrückte: „Als Getaufte sind wir alle missionarische Jünger. Wir sind dazu berufen, in der Welt ein lebendes Evangelium zu werden.“ Aber das ist so eine Sache mit dem „Jünger“sein.
Wie empfindlich reagiere ich selbst, wenn ich den Eindruck habe, jemand will mich „bekehren“, oder wenn er aufdringlich von seinen Glaubenserlebnissen berichtet, mir Bibelzitate um die Ohren wirft und mich für irgendeine religiöse Praxis vereinnahmen will. Unsere frohe Botschaft ist großartig, aber sie wird nur ankommen, wenn wir eine Sprache wählen, die von heutigen Menschen verstanden wird. Einladend, lebensnah, hilfreich muss sie sein, und ich behaupte: auch voller Humor. Ob jemand dabei authentisch ist, spüren die Menschen sofort. Sicher hätten mich Führungskräfte der Sparkasse, Unternehmer für Wirtschaftstage, die Steinmetze Baden-Württembergs oder der „Verband der Hersteller selbstklebender Etiketten und Schmalspurkonvertoren“ nicht als Rednerin eingeladen, wenn sie den Eindruck gehabt hätten, ich wolle sie „missionieren“. Das käme wohl nicht gut an und das würde sich auch schnell herumsprechen. Oft wurde mir gesagt, dass meine Vorträge so berühren, weil sie eine Kombination aus Lebenshilfe, Poesie, Philosophie, Psychologie und gelebtem Glauben sind.