Von einem Leben als Mann - zu einem Leben als Frau - Ilka Christin Weiß - E-Book

Von einem Leben als Mann - zu einem Leben als Frau E-Book

Ilka Christin Weiß

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Beschreibung

Ilka Christin Weiß wurde als Holger Torsten 1963 in einem Jungenkörper geboren, wusste aber schon mit vier Jahren, dass sie ein Mädchen ist. Dennoch hat es noch viele Jahre gedauert, bis sie mit 50 Jahren endlich zu einem Leben als Frau fand. Ilka Christin Weiß beschreibt in diesem Buch die Stationen ihres Lebens, wie sie es schaffte, sich aus dieser für sie falschen Rolle zu befreien. Es darf bei dieser durch viele lustige, nachdenkliche und auch traurige Anekdoten aufgelockerten Erzählung gerne gelacht, geschmunzelt oder auch einmal geweint werden. Ihr Ziel ist es, die Welt in Mikroschritten zu verbessern, indem sie für mehr Verständnis für die Lebenssituation von Transpersonen wirbt.

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Für meine Schwester Lena

Navigation in diesem Buch

Botschaft an meine Leser*innen

Früheste Erinnerungen

Die Hölle der Siebzigerjahre

Die Achtzigerjahre: Freiheit, neue Erkenntnisse und unüberwindbare Hemmungen

Dezember 1982 bis April 1984: Zivildienst

1986 – 1989: Ausbildung zur Krankenschwester

1989/1990: Erste Arbeitsstelle in Bremen

1990: Der innerliche Druck wird unerträglich

Der Rest von 1990 bis Februar 1992: Einkaufstouren, Ausflüge und anderes

Auftritt in Frauenkleidung und erste Trennung

1992 – 1993: Erstes Outing, zweites Kind und zurück zur Familie

Der Rest von 1993 bis 1997

1998: Zweite Trennung, Krise und dann alles zurück auf Start

2004: Diagnose Zungenkrebs

2008: Das Jahr, in dem es knallte

Zeitsprung ins Jahr 2012

2013: Ein entscheidendes Jahr

Der Tod meines Vaters

Freitag, 30. August 2013: „Ein Käfig voller Narren“

Sonntag, 1. September 2013 und die Tage danach: Outing

Die Ereignisse überschlagen sich

Es geht mit riesigen Schritten weiter im Oktober 2013

November 2013

2014: Outing bei meiner Arbeitgeber*in und den Kolleg*innen

Mein neues Leben

März 2014

Vornamens- und Personenstandsänderung-1

Im Krankenhaus

Vornamens- und Personenstandsänderung-2 und andere tolle Erlebnisse

Erster Sachverständigentermin in Hamburg

Zweiter Sachverständigentermin in Hannover

Urlaub auf Usedom in Basin

Vornamens- und Personenstandsänderung-3 am 25. Juli 2014

Urlaub in Thüringen im Nationalpark Hainich

Der ganz große Knall

Vornamens- und Personenstandsänderung-4

Unglaubliche Ereignisse im Herbst/Winter 2014

Cyproteron®

Krank und Monis Auszug

23. Oktober 2014: Dienstreise nach Krefeld

Gespräch mit Frau G.

Termin bei Dr. P.-1

Zweifaches Outing - was für ein unglaubliches Ding

11. Dezember 2014: Krebsnachsorgetermin in Bremen

18. Dezember 2014: Termin bei Dr. P.-2

21. Dezember 2014: Mein erstes Date als Frau

Das bin Ich!

Weihnachten 2014

Silvester 2014 und Neujahr 2015

2015

Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“

Februar 2015: Dr. P.-3

Kontaktanzeigen

Ohrringe

Kehlkopfentzündung

Panikattacke

Wartezeit auf einen Facharzttermin

Sabine und Sabine

Ein unerwarteter Brief und der Fernsehfilm „Mein Sohn Helen“

Gutachten meines Therapeuten für den MDK und andere Ereignisse

Montag, 8. Juni 2015: Scheidungsabsichten

Schock im Juni 2015: Diagnose Lungenkrebs und Kampf mit der Krankenkasse

Eine Einschubgeschichte: Anita

Reha in Heiligendamm vom 12. August – 16. September 2015

Post-Reha-Erlebnisse ab 17. September 2015

Weihnachten 2015

Bei meinem ehemaligen Therapeuten Dr. F. in Bremen

Ende unserer Ehezeit

Kontaktanzeigen

Akademie Waldschlösschen 4. – 6. Dezember 2015. Vernetzungstreffen des Projekts Akzeptanz für Vielfalt – Gegen Homo-, Trans*- und Inter*feindlichkeit und Daria, in die ich mich verliebte

2016

Trans*

Net

OHZ

19. Februar 2016: Erster Gruppenabend

4. – 6. März 2016: Grundkurs Geschlechter in der Akademie Waldschlösschen

Internationaler Frauentag 8. März 2016: Scheidung

Warten auf die angleichende Operation

11. Mai 2016: Terminmitteilung aus Essen

Mai/Juni 2016: Verschiedenes

29. Juni 2016: Fachtagung im Bundesfamilienministerium in Berlin

Montag, 4. Juli 2016: Besuch von Lena

Dienstag, 5. Juli 2016: Schock vor der OP

Die letzte Woche vor der angleichenden OP

Montag, 11. Juli 2016: Focus TV

Acht Tage bis zur OP

OP-Woche

Montag, 18. Juli 2016

Dienstag, 19. Juli 2016: 1. Tag in Essen, Aufnahme in der Klinik für Urologie

Mittwoch, 20. Juli 2016: 2. Tag in Essen, OP-Tag

Donnerstag, 21. Juli 2016: 3. Tag in Essen, 1. postoperativer Tag

Freitag, 22. Juli 2016: 4. Tag in Essen, 2. postoperativer Tag

Sonntag, 24. Juli 2016: 6. Tag in Essen, 4. postoperativer Tag

Montag, 25. Juli 2016: 7. Tag in Essen, 5. postoperativer Tag

Dienstag, 26. Juli 2016: 8. Tag in Essen, 6. postoperativer Tag

Mittwoch, 27. Juli 2016: 9. Tag in Essen, 7. postoperativer Tag

Donnerstag, 28. Juli 2016: 10. Tag in Essen, 8. postoperativer Tag

Freitag, 29. Juli 2016: 11. Tag in Essen, 9. postoperativer Tag

Samstag, 30. Juli 2016: 12. Tag in Essen, 10. postoperativer Tag

Sonntag, 31. Juli 2016: 13. Tag in Essen, 11. postoperativer Tag

Montag, 1. August 2016: 14. Tag in Essen, 12. postoperativer Tag

Dienstag, 2. August 2016: Wieder zu Hause

Post-OP-Zeit

20. September 2016, 23:10 Uhr: Sendetermin Fokus-TV Reportage „Erst Mann, jetzt Frau. Raus aus dem falschen Körper“ von Katharina Wulff-Bräutigam

Vernetzung mit der Volkshochschule Osterholz-Scharmbeck Hambergen Schwanewede

2017: Zweite angleichende OP in Essen

Heimreise

Eine Anekdote am Rand: Das Ende ist Nahe

Nach der zweiten OP im Frühjahr 2017

Plötzlich allergisch

Zähne, die Zweite

Ende der Transition: Abschlussuntersuchung in Essen Zweite Reha in Heiligendamm 27. September bis 7. November 2017

Tag 2: Donnerstag, 28.09.2017, Erste Eindrücke

Tag 3: Freitag, 29.09.2017, Die Reha nimmt Fahrt auf

Tag 4: Samstag 30.09.2017, Kühlungsborn

Tag 5: Sonntag, 01.10.2017, Ein voller Monat liegt noch vor mir

Tag 6: Montag, 02.10.2017, Erste Gruppentherapie 13:30 Uhr

So ging es in der Reha weiter

Ende der Transition!? Ende dieses Buches?

Das Diplom als Frau: Haben Sie noch Ihren Uterus?

Botschaft an meine Leser*innen

Ich wusste bereits seit meinem fünften Lebensjahr, dass ich ein Mädchen bin, obwohl meinem Körper bei der Geburt das Geschlecht „männlich“ zugewiesen wurde.

Erst seit der Einschulung wurde ich als Junge behandelt, was mich schockierte, denn meine Mutter hatte mich bis dahin wie ein Mädchen erzogen. Ich fühlte mich sehr behütet von ihr und schaffte es sogar einmal, ihr einen BH abzutrotzen, der leider viel zu groß für meinen kleinen Körper war.

Ich möchte Ihnen mit meiner Geschichte das Thema Trans* näherbringen und für mehr Verständnis für die Lebenssituation von trans* Personen werben. Heute werden die Begriffe „transgeschlechtlich“, „transident“, „transgender“ oder einfach nur Trans* oder trans* verwendet. In früheren Zeiten wurde von „Transsexualität“ oder „Transsexualismus“ gesprochen, was heute nicht mehr zeitgemäß ist und von den meisten trans* Personen abgelehnt wird. Ab 2022 wird dieser Begriff gänzlich aus der Internationalen statistischen Klassifikation der Erkrankungen und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) gestrichen. Wir sprechen dann nur noch von Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie als Normvariante der menschlichen Entwicklung ohne damit eine krankheitsbewerte Diagnose zu beschreiben. Geschlechtsinkongruenz wird dann unter den „Zuständen der sexuellen Gesundheit“ gelistet sein.

Trans* Personen können oder wollen sich ihrem bei der Geburt zugewiesenem Geschlecht nicht, nicht vollständig oder zeitweilig nicht zuordnen. Das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht (Hebammen- oder Zuweisungsgeschlecht) stimmt nicht mit dem empfundenen Geschlecht überein. Manche trans* Personen fühlen sich keinem Geschlecht zugehörig oder designen ein eigenes Geschlecht.

Trans* zu sein ist eine Selbsterklärung, die nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun hat, denn die kann bei trans* Personen genau so vielfältig, wie bei anderen Menschen auch sein. Das trans*-Sein kann nicht von außen überprüft oder festgestellt werden. Es gibt dafür keinen „Test“, wie manche es sich gerne wünschen. Viele trans* Personen machen eine sogenannte „Transition“. Das bezeichnet die Phase der Geschlechtsangleichung. Früher wurde von Geschlechtsumwandlung gesprochen. Dieser Begriff wird heute nicht mehr verwendet. In der Transition nehmen viele trans* Personen Maßnahmen vor, mit denen das Aussehen und der Körper durch modische, kosmetische, medikamentöse und/oder operative Maßnahmen an das Identitätsgeschlecht angeglichen wird. Das beinhaltet das Tragen der Kleidung des Identitätsgeschlechts sowie die Gesichtsepilation, die angleichende Hormontherapie, die angleichenden Operationen, die Stimmtherapie u. v. mehr. Auch eine neue Anrede, sowie ein neuer Vorname sind dabei sehr wichtig.

Trans* Personen können ihren Vornamen und ihren Personenstand aktuell noch nach den Regelungen des Transsexuellengesetz (TSG) ändern lassen. Dieses Gesetzt steht in der Kritik von Betroffenenverbänden, weil es aus den 1980ger Jahren stammt und nicht an die Lebenswirklichkeit von trans* Personen angepasst wurde.

Heute wird eine gänzliche Neuregelung gefordert, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE) viele Paragrafen des TSG für verfassungs- und menschenrechtswidrig und somit für unwirksam erklärt hat. Verschiedene Grundrechte wurden gegeneinander ausgespielt und trans* Personen wurden in schwerste Gewissenskonflikte gestürzt. Zudem stützt sich das TSG nicht auf evidenzbasiertes Wissen, sondern auf politische, gesellschaftliche und religiöse Vorstellungen des 20. Jahrhunderts. Danach benötigen trans* Personen zwei psychiatrische Gutachten, die die Diagnose „Transsexualismus“ bescheinigen. Nach Vorlage vor dem zuständigen Gericht kann der Vorname und der Personenstand geändert werden und trans* Personen erhalten eine neue Geburtsurkunde. Für Behörden gilt ein (eingeschränktes) Offenbarungsverbot. Alte Zeugnisse können geändert werden. Ein neuer Personalausweis und Führerschein u. a. werden ausgestellt. Dies gilt auch für nonbinäre trans* Personen, die sich keinem Geschlecht zuordnen und den Personenstand streichen lassen oder die sich für den Personenstand „divers“ entscheiden.

Die Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Maßnahmen regelt aktuell die Begutachterrichtlinie des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom August 2020 nach denen trans* Personen Zugang zu medizinischen Leistungen erhalten können. Dafür müssen sich die Betroffenen einer Psychotherapie von mindestens sechs Monaten und einer sogenannten Alltagserprobung von zwölf Monaten unterziehen, die psychotherapeutisch begleitet wird. Es soll getestet werden, ob die Person in der angestrebten Rolle leben kann/will. Non-binäre Personen fallen nicht unter diese Regelungen. Sie sind von der Kostenübernahme angleichender Maßnahmen ausgeschlossen. Nach sechs Monaten kann die Hormontherapie beginnen und nach zwölf Monaten können angleichende Operationen beantragt werden. Dazu muss der begleitende Psychotherapeut eine Stellungnahme für die Krankenkasse abgeben, die daraufhin prüft, ob eine Leistungspflicht der Kasse entsteht. Die Kasse entscheidet, ob der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) eingeschaltet wird, der den Antrag auf Kostenübernahme prüft. Die Krankenkasse muss den Antrag innerhalb von drei Wochen bescheiden. Wird der MDK eingeschaltet gilt eine Frist von fünf Wochen. Es kann bei Nichteinhalten der Fristen eine sogenannte Zustimmungsfiktion entstehen. D. h. die versicherte Person kann davon ausgehen, die Kasse hat dem Antrag zugestimmt und befindet sich somit in der Leistungspflicht.

Heute fordern Betroffenenverbände wesentliche Vereinfachungen im Verfahren der Vornamens- und Personenstandsänderung und in den Regelungen für den Zugang zu den medizinischen Maßnahmen und setzten sich gegen die fortgesetzte Diskriminierung von trans* Personen ein. Besonders gravierend war die Bestimmung des Transsexuellengesetz, die vor der Personenstandsänderung eine Zwangssterilisierung durch Operation der Geschlechtsteile verlangte. Zudem wurden Ehen von Staats wegen geschieden, auch wenn den betroffenen Personen gar nicht nach Scheidung war.

In Zukunft sollte es darum gehen, den betroffenen Personen mehr Verständnis entgegenzubringen, um den Prozess der Transition zügig voranzubringen.

Die Kriegs- und Babyboomergeneration haben zum großen Teil einen sehr langen Leidensweg hinter sich, weil trans* Personen systematisch pathologisiert, diskriminiert und ausgegrenzt wurden.

Heute wird zwar offener mit trans* Personen umgegangen und uns wird mehr Verständnis entgegengebracht, dennoch bedarf es nach meiner Meinung mehr Aufklärung, um mehr und besser über Trans* zu informieren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre und wenn am Ende mehr Offenheit im Umgang mit trans* Personen entsteht, würde ich mich sehr freuen.

Über Ihre Rückmeldungen bin ich sehr gespannt.

Herzlichst Ihre

Ilka Christin Weiß

Trans* Frau, weiblich

Pronomen: sie/ihr

Anrede: förmlich: Frau Weiß, vertraulich: Ilka

Lilienthal im Juli 2023

Früheste Erinnerungen

Ich war vier Jahre alt und wurde von meiner Mutter sehr behütet. Wenn sie in meiner Nähe war, fühlte ich mich sicher. Ich sah ihr häufig beim Ankleiden zu und fand es schön, wie sie sich einen BH anzog. Geschickt schwang sie die Arme hinter ihren Rücken und verschloss ihren BH. Etwas, dass ich bis heute nur mit Mühe hinbekomme, auch wenn ich im Anziehen von BHs eine Menge Übung entwickelt habe. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was ich zu ihr sagte, aber ich wollte auch einen BH anziehen. Ich wollte es ihr gleichtun. Sie erwiderte zunächst zögernd, das wäre nichts für mich, dann gab sie mir zu meiner Freude aber doch einen ihrer BHs. Ein weißer BH durch dessen Träger ich zwar meine Arme stecken konnte, der aber viel zu groß mich war.

Mir gefiel die Kleidung, die meine Mutter anzog. Ich liebte es besonders, wenn sie Nylonstrümpfe trug. Damals wurden sie noch an Hüftgürteln getragen und hatten und einen breiten Bund. Die Beine sahen mit Nylonstrümpfen viel schöner aus als ohne sie. Von da an war meine Liebe für Nylonstrümpfe und Feinstrumpfhosen geboren, wobei es gerade zum Thema Strümpfe und Strumpfhosen noch zwei weitere Ereignisse gab, die besonders wichtig waren.

Ich wusste, ich bin ein Mädchen. Für mich war das vollkommen klar, daran gab es nichts zu deuten und ich wartete auf die weitere Entwicklung. Ich dachte, mir würden irgendwann Brüste wachsen, wie sie die „Großen“ auch hatten.

Ich half meiner Mom gerne im Haushalt und wenn sie einkaufen ging, war ich immer mit dabei. Ich liebte es, sie zu begleiten, wenn sie sich Kleidung kaufte. Ich flitzte dann unter den Kleiderständen hin und her oder saß auf einem Stuhl und wackelte mit meinen Beinchen. Ich wartete darauf, auch ein Kleid zu bekommen, was aber nie passierte, weil wir „los“ mussten. Vater wartete im Auto und war bestimmt schon wieder ungeduldig und ärgerlich, weil es „wieder länger“ dauerte. Meine Mutter konnte beim Einkaufen (heute wird „Shopping“ gesagt) die Zeit gut vergessen. Ich vertröstete mich dann auf den nächsten Einkauf. Bei dem würde die Mutter bestimmt mehr Zeit haben und auch an mich denken. Sobald wir beim Auto ankamen, fing mein Vater regelmäßig an zu schimpfen. Der klassische Satz fing an mit: „Warum braucht ihr Weiber immer so lange?“ Ich rang mit den Tränen, fühlte mich auch ausgeschimpft und so ging es weiter, bis wir zu Hause waren. Obwohl meine Mutter einen Führerschein besaß und Vater gar nicht hätte fahren müssen, ließ er sie nicht an das Steuer seiner geliebten dunkelgrünen Volkswagenlimosine VW 411 L. Mutter hätte vielleicht eine Delle hineinfahren können, denn „Frauen können nun mal nicht Auto fahren.“ (Originalzitat meines Vaters).

Vieles lief nicht so, wie es erwartete. Im Gegenteil, ich musste, als in die Schule kam, zu den Jungen in die Umkleide. Dabei gehörte ich nach meinem Gefühl auf die Seite der Mädchen. Ich bekam keine Strumpfhosen wie die Mädchen und dann gab es da ein Körperteil, der eindeutig zu einem Jungen gehörte und über den die anderen kleinen Jungen schon sehr gut Bescheid wussten. Das Alles passte nicht in meine Erwartung, dass ich mich zu einem großen Mädchen weiterentwickeln würde. Doch ich konnte nichts dagegen machen. Und es machte mich stumm. Ich konnte nicht darüber reden. Ich war geschockt, über viele Jahre. Ich litt still in mich hinein und erlebte nach einem Umzug und dem damit verbundenen Schulwechsel von Achim (Niedersachsen) nach Ritterhude (Niedersachsen) meine erste große Depression. Ich war nur noch traurig, ich traute mich nicht allein zur Schule zu gehen. Meine Eltern stritten viel. Ich glaubte, wenn ich mich umbringen würde, hätten sie keinen Grund mehr dafür. Ich dachte, ich sei der Grund für ihre ständigen Streitereien.

In der zweiten Klasse ohrfeige der Klassenlehrer die Kinder oder zog ihnen die Ohren schmerzhaft lang. Ich hatte fürchterliche Angst vor ihm. In der großen Pause lief ich nach Hause, obwohl der Unterricht noch nicht zu Ende war. Meine Mutter brachte mich zurück in die Schule, wenn sie das Läuten an unserer Haustür hörte. Wenn sie es nicht hörte, wuchs meine Verzweiflung ins Bodenlose und ich rannte zurück in die Schule. Hilfe gab es nicht. Es war schrecklich, bis mich eine Mädchengruppe aus meiner Klasse unter ihren Schutz nahm. Ich durfte mit den Mädchen „Gummitwist“ tanzen und bekam ein Bild meiner Mutter mit in die Schule. Dann wurde es besser, aber Angst und Verzweiflung entwickelten sich zu meinen Grundgefühlen.

Ich erinnere mich noch genau, wie es war, als wir vor meiner Schulzeit irgendwohin zu Besuch fuhren. Wiederholt wurde zu mir gesagt: „Du bist aber ein hübsches Mädchen. Wie heißt du denn?“ Ich antwortete dann immer: „Holger“. Darüber wurde in den meisten Fällen gelacht. Ich hatte lange blonde Locken und hätte meine Mom mich in ein Kleid gesteckt, wäre die Welt für mich absolut in Ordnung gewesen.

Meine Mom behauptete, sie hätte von alldem nichts bemerkt. Später gestand sie mir dann doch ein, selber behauptet zu haben, sie hätte gesagt, „das ist unser kleines Mädchen in der Familie“. Schade, dass sie irgendwann damit aufhörte. Ich denke, sie hatte sich nach meinem Bruder als zweites Kind ein Mädchen gewünscht. Heute hat sie eine Tochter, aber das ist nicht der Grund, warum ich Trans* bin.

Als ich sieben Jahre alt war, hatte mein Bruder zwei Nylonstrümpfe meiner Mutter gestohlen und diese angezogen. Darüber trug er seinen Bademantel. Mir liefen die Augen über. Ich spürte eine ganz eigenartige Faszination und prompt klopfe meine Mutter an die Tür. In Windeseile riss sich mein Bruder die Strümpfe von den Beinen und versteckte sie. Gemerkt hat meine Mutter wohl nichts, in mir blieb die Faszination der Nylonstrümpfe zurück und die Fantasie, sie selbst tragen zu wollen.

In unserem Reihenhaus waren im Keller ausrangierte Kleidungstücke meiner Mutter, was ich nicht wusste. Aber mein Bruder, der große Schnüffler, hatte sie entdeckt. Unter dem Vorwand, er wolle mir in unserem „Spielkeller“ etwas zeigen, lockte er mich hinunter und verführte mich dazu, ein altes Miederhöschen meiner Mutter anzuziehen. Mein Bruder verschloss den Keller, damit wir nicht gestört würden und ich machte, was er verlangte. Dabei war ich wieder eigenartig fasziniert. Ja ich wollte es geradezu. Also zog ich das Miederhöschen an. Aber wir wurden gestört. Diesmal war es unser Vater. Ich zog mich so schnell es ging aus und sprang wieder in meine normale Kleidung. Es ging nicht schnell genug und ich zitterte am ganzen Körper, denn unser Vater war Choleriker, der bestimmt geschrien und uns auch geschlagen hätte, wenn er mich so vorgefunden hätte. Zum Glück klemmte der Schlüssel in der Tür. Mein Bruder konnte ihn nicht mehr herumdrehen. So wurde unser Vater immer wütender und tobte vor Wut. Verzweifelt und in Panik rief mein Bruder, er könne den Schlüssel nicht herumdrehen. Angelockt durch den Lärm im Keller kam meine Mutter hinzu und quakte auch noch dazwischen. Schließlich warf sich mein Vater von außen gegen die Tür und schrie immer wieder: „Um Gottes Willen, um Gottes Willen. Macht die Tür auf.“ Er war groß darin, aus Mücken Dinosaurier zu machen und sein eigenes Versagen mit dem Verhalten anderer zu begründen. Der Anschiss folgte auf den Fuß, schließlich stritten sich meine Eltern, weil mein Vater wieder einmal tobte. Das war normal bei uns. Den Streit und das Geschrei gab es täglich, ohne Rücksicht auf Verluste, bis sich meine Eltern endlich scheiden ließen. Danach führten beide einen erbarmungslosen Scheidungskrieg, der noch Jahre andauerte.

Während ich die Position des Lieblingssohnes meines Vaters hatte, muss ich eingestehen, dass ich oft das Gefühl hatte, mein Bruder wurde ungerecht behandelt. So manches Mal überkam mich der Verdacht, mein Vater hat meinen Bruder gehasst. Mein Bruder bekam regelmäßig seine Wut ab und er wurde viel geschlagen, ja geradezu geprügelt. Mein Bruder wiederum ließ seine Wut an mir aus. Regelmäßig wurde ich vom ihm verprügelt und verraten, wenn wir verbotene Dinge taten. Es entstand ein Teufelskreis aus Angst, Schlägen, Schmerzen und Verrat, der die Sicherheit und Geborgenheit eines Elternhauses zur Makulatur werden ließ. Nichts war sicher vor meinem Bruder. Regelmäßig vergriff er sich an meinen Sachen, stahl sie mir, behauptete, sie würden sein Eigentum sein. Unsere Eltern interessierte das alles nicht, ein Beklagen hatte keinen Sinn.

Die Hölle der Siebzigerjahre

Die Ehe unserer Eltern ging nach 1973 mit riesigen Schritten ihrem Ende entgegen. Nachdem die Familie im Dezember 1973 in ein Eigenheim gezogen war, wurde nur noch gestritten, getobt und auf dem Höhepunkt auch noch geschlagen. Mein Vater war extrem konservativ, der alles hasste, was nicht in seine Weltordnung passte. Er war dabei sowohl Opfer wie auch Täter. Leider hat er alles durchgereicht, was ihm widerfahren war und sich dabei niemals selbst reflektiert. Für ihn wäre es nie in Frage gekommen, sich therapeutische Hilfe zu holen. Dass hätte sein Selbstbild total zerstört.

Mein Gefühl, ein Mädchen zu sein, und Mädchenkleidung anziehen zu wollen, waren konstant vorhanden. Im Dezember 1974 konnte ich das erste Mal ein Fest mit mir selbst feiern. Ich nutze eine samstägliche Einkaufstour meiner Eltern nach Bremen, um einen ganzen Nachmittag, die Kleidung meiner Mutter anzuziehen. Ich entwickelte ein erstaunliches Talent, die Wäsche peinlich genau wieder zusammenzulegen, wie ich sie vorgefunden hatte, damit sie ja nichts merkte. Dabei achtete ich genauestens darauf, ihre Kleidung nicht zu verschmutzen. Ich genoss den Nachmittag in vollen Zügen und stellte mir immer wieder vor, so leben zu können. Aber ich hatte auch große Angst, jemand könnte kommen und mich entdecken. Besondere Angst hatte ich davor, dass meine Eltern früher als erwartet zurückkommen könnten und immer wieder schaute ich ängstlich aus dem Fenster. Mit dem Hochgefühl, endlich einmal so sein zu können, wie ich es mir wünschte, kam auch die Angst vor Entdeckung und den Folgen davor.

Mein Vater war kein Vater, die sich mit so etwas auseinandersetzten würde. Er lehnte alles ab, was außerhalb seiner Vorstellungswelt existierte. Wahrscheinlich hätte er mich in ein Heim oder in die Psychiatrie gesteckt, um mir das „auszutreiben“. Oder Vater hätte versucht, es aus mir herauszuprügeln.

Es gab keine andere Möglichkeit an Kleidung heranzukommen als die meiner Mutter. Meistens begnügte ich mich mit Strumpfhosen, BHs oder anderer Unterwäsche, die ich über meiner Unterwäsche trug.

Die Dauerkrise meiner Eltern wurde durch das ständige Einmischen unserer Großmutter weiter angeheizt. Hinzu kam, dass ein Mann in das Leben unserer Eltern trat, mit dem sich meine Mutter eine andere Zukunft vorstellen konnte. Dieser Mann war Rechtsanwalt, so dass er und unser Vater die Juristerei gemeinsam hatten, aber mein Vater war kein Akademiker, was er als großen Nachteil empfand. Er war zwar Beamter im Range eines Amtmanns, aber er fühlte sich gegenüber meiner Mutter, die Apothekerin war, immer zurückgesetzt. Und er bemerkte die Flirterei meiner Mutter, bei der Personen einen höheren Wert hatten, die studiert hatten. Da mein Vater aber Nutzen aus der Bekanntschaft mit dem Anwalt zog, hatten die drei über einige Zeit miteinander zu tun. Plötzlich hatte mein Vater Geld im Portemonnaie. Das war ungewöhnlich, denn normalerweise floss alles Geld meiner Eltern ins Haus. Auch unsere Großmutter griff meinen Eltern finanziell unter die Arme. Aber trotz Haus und guter Stellungen vermittelten sie uns Kindern gegenüber den Eindruck wir hätten kein Geld, gar dass wir arm seien. Über Geld wurde nicht geredet. Ein Umstand der damaligen Generation, aber mit den Anschaffungen wurde fleißig geprotzt.

Ich weiß noch, wie mich die ersten neuen Klassenkameraden nach unserem Umzug ins eigene Haus besuchten. Am nächsten Tag erzählte Manni in der Klasse, „Weiß“ seien unermesslich reich, denn in unserem (riesigen) Wohnzimmer stünde eine Vase aus purem Gold auf dem Fußboden, die größer wäre als er selbst. Manni kam vom Hof und war herzensgut, aber er kannte so etwas von zu Hause nicht. Es gelang mir nicht, die Klassenkameraden vom Gegenteil zu überzeugen. Die Bodenvase aus purem Gold war nichts anderes als Mutters Samowar aus Messing, der auf einem Tischchen im Wohnzimmer stand. Manni konnte Gold und Messing nicht unterscheiden. So entwickelte sich in mir ein widersprüchliches Gefühl, denn nach wie vor hielt ich uns eher für arm, während wir für andere superreich waren. Dabei hatte ich zu der Zeit noch nicht einmal ein anständiges Fahrrad.

Zwischen dem Anwalt und meinem Vater liefen irgendwelche Geschäfte, denn auf einmal war ein steter Geldstrom vom Anwalt in Richtung meines Vaters unterwegs. Mein Vater versuchte das zu verheimlichen, denn Mutter sagte einmal zu ihm, wenn er Geld hätte, müsse das ins Haus und in die Familie fließen und könne nicht für ihn sein. Vater machte mit dem Geld persönliche Anschaffungen. Einmal kam er mit einer damals supermodernen neuen Canon Spiegelreflexkamera nach Hause. Wir Kinder waren begeistert und fragten natürlich nach dem Preis, den er nicht verraten wollte. Nur mir vertraute er ihn dann an. Ca. 600,00 DM hatte die Kamera gekostet. Meine Mutter machte das wütend und versuchte uns Kinder auszuhorchen und gegen unseren Vater auszuspielen. Schließlich gab ich dem Druck nach und gestand meiner Mutter, dass mein Vater mir den Preis gesagt hätte, aber mir das Versprechen abgenommen hatte, diesen gegenüber der Mutter nicht zu erwähnen. Das machte sie noch wütender, weil so etwas nach ihrer Meinung gar nicht ginge. Es war eine unheilvolle Abhängigkeit, in die mein Vater geriet, denn meine Mutter kokettierte nun ganz offen und ungeniert vor der ganzen Familie mit dem Anwalt. Dieser Mann fühlte sich in seiner Rolle anscheinend sehr wohl. Er wurde von meiner Mutter angebaggert und meinen Vater stellte er mit Geld ruhig. Er lebte gerade in Scheidung und machte allen vor, wie ein Anwalt mit seinem überlegenen Wissen alles an sich reißen konnte, was zwei Personen in einer Ehe aufgebaut hatten. Zudem zog er ungeniert über seine Ex-Frau her, die ich noch aus Vor-Scheidungszeiten kannte und die ich nicht nur sehr schön, sondern auch sehr nett fand. Sie war viel zu nett und viel zu schön für den Anwalt, der einen sehr schlechten Kleidungsstil hatte und sich auch äußerlich nicht besonders pflegte. Ursprünglich kam er von einem Bauernhof und er machte keinen Hehl daraus, dass er eigentlich immer ein Bauer geblieben sei. Daran hätte auch das Jurastudium nichts geändert, das er lediglich als Broterwerb ansehe, denn sein Herz schlage für den Hof. Seiner Frau nahm er im Laufe der Scheidung alles weg, an das er herankommen konnte. Sogar das Schmuckgeschäft, das sie sich aufgebaut hatte, gehörte auf einmal dem Anwalt. Er brach in ihre Wohnung ein und lieferte sich mit seiner Frau einen der schmutzigsten Scheidungskriege, an die ich mich erinnern kann. Diese überlegene Art von Arroganz, die dieser Mann an den Tag legte, der doch nichts anderes als ein Bauer (ich will hier keineswegs alle Bauern beleidigen, aber er gehörte nicht zu den Guten) war, verursachte mir Übelkeit.

Mensch kann das Ganze getrost als Vorgeplänkel auf die Scheidung meiner Eltern bezeichnen, denn die Streitereien zwischen meinen Eltern gipfelten darin, dass sich mein Vater mit einem einzigartigen Gewaltexzess aus der Familie verabschiedete. Auf einmal überschlugen sich die Ereignisse.

Begonnen hatte alles beim Abendessen. Mein Vater schilderte wieder einmal einen seiner Rechtsfälle. Die Familie sollte raten, wie richtig zu entscheiden sei. Natürlich lagen wir alle daneben. Wir entschieden aus dem Bauch heraus, hatten keine Ahnung von der Juristerei. Mein Vater hatte ein überragendes Wissen. Darüber gab es dann regelmäßig Streit, immer bei den Mahlzeiten, die für mich nicht – von wenigen Ausnahmen abgesehen – mit Genuss verbunden waren, sondern mit Angst und Schrecken. Es war schrecklich. Sobald das anfing, blieb mir der Bissen im Hals stecken. Doch dieser Abend erhielt eine zusätzliche Dimension des Schreckens, denn er bildete den Anfang vom Ende. Die Sitzordnung bei Tisch war bei uns streng geregelt und durfte nicht verändert werden. Vater saß als Patriarch, wie er sich gerne sah, am Kopfende, ihm gegenüber unserer Großmutter, rechts von ihm meine Mutter, neben ihr mein Bruder. Er hatte damit einen gewissen Sicherheitsabstand zum Vater, den ich nicht hatte, denn ich saß links vom ihm, meiner Mutter gegenüber. An diesem Abend war die Stimmung bis aufs Äußerste gespannt.

Vater forderte meinen Bruder auf, den damaligen Bestseller „Und die Bibel hat doch recht“ von Werner Keller zu holen und daraus eine bestimmte Stelle vorzulesen. Mein Vater hatte eine Art religiösen Wahn. Er glaubte nicht an Gott und hasste alles, was mit Kirche zu tun hatte, aber dieses Buch hatte er gelesen. Irgendetwas musste ihn beschäftigen. Was, war mir nicht klar. Warum mein Bruder das machen sollte, war auch nicht klar. Es ging einfach um eine Machtdemonstration meines Vaters, wer das Sagen hatte. Aus damaliger und heutiger Sicht völlig irrsinnig, aber das war der Auftakt. Er drückte an diesem Abend den Startknopf, um sich mit Gewalt aus der Familie zu verabschieden. Vielleicht benötigte er einen Grund und den könnte er im Verhalten meines Bruders gesucht haben. Mein Bruder weigerte sich, das Buch zu holen, was für unseren Vater vorhersehbar war. Hätte er es mir befohlen, ich hätte das Buch geholt und auch daraus vorgelesen. Die Weigerung meines Bruders war hingegen unglaublich und hing wie eine Bombe kurz vor der Detonation im Raum. Das war ein Angriff auf die Autorität unseres Vaters. Panik überkam mich. Zugleich spürte ich eine tonnenschwere Laste auf meinen Schultern drücken. Ich fragte mich, warum er das machte. Wir alle wussten, was jetzt folgen würde. Mein Vater würde ausrasten und sich einen cholerischen Anfall nehmen. Es war die Hölle, meine Mutter mischte sich ein und sagte immer den einen Satz zu meinem Vater: „Du, es ist jetzt gut, hör auf, es ist jetzt Ruhe.“ Aber trotz Dauerwiederholung konnte sie Vater nicht von seiner Raserei herunterbekommen. Wir Kinder wurden in unsere Zimmer verjagt. Zitternd vor Angst lag ich, die Decke über meinen Kopf gezogen, im dunklen Zimmer und hörte das Geschrei meiner Eltern. Durch den Spalt unter der Tür drang Licht herein. Es gab in meinem Elternhaus ein riesiges offenes Wohnzimmer, von dem mensch über eine Treppe und eine Galerie hinauf in die Wohnräume gelangte. Mein Zimmer lag so auf der Galerie, dass ich genau auf den Essbereich schauen konnte, wenn meine Tür offenstand. Das hatte mich vor allem nachts immer geängstigt, bis ich nachts endlich meine Tür schließen durfte. Jetzt hörte ich die Stimmen meiner streitenden Eltern. Unten wurde das Licht gedämpft und sie zogen sich in den Fernsehbereich zurück. Der Fernseher lief, dennoch hörte ich weiterhin ihre Stimmen, schlief aber irgendwann ein.

Mitten in der Nacht wurde ich durch einen schrillen Schrei meiner Mutter geweckt. Spontan ohne nachzudenken, aber bereits am ganzen Körper zitternd, sprang ich aus dem Bett und riss die Tür zu meinem Zimmer auf. Auf dem Flur war bereits Licht. Ich sah, wie mein Bruder aus seinem Zimmer gerannt kam. Spontan rief ich: „Los komm.“ Wir rannten zum Elternschlafzimmer, dessen Tür aufgerissen wurde. Unser Vater stand mit einer leeren Flasche hochprozentigen Obstschnaps in der Hand vor uns. Meine Mutter drängte sich zitternd zwischen Schrank und Zimmerwand hinter mich. Er hielt mir die leere Flasche vors Gesicht. Es war völlig betrunken und drohte in meine Richtung: „Und du hast viel zu wenig abbekommen.“ Ich zittere am ganzen Körper. Ich konnte nur dastehen. Ich fror in meinem dünnen Schlafanzug. Mein Bruder stand im Flur. Ich musste meine Mutter doch beschützen, sagte mir mein Gefühl. Da stürmte unser Vater nach unten ins Wohnzimmer. Wir hörten, wie etwas zersplitterte. Er zerschlug Gegenstände, die meiner Mutter lieb und teuer waren. Wahrscheinlich aus Hass, und um meiner damit Mutter noch mehr wehzutun. Sie löste sich von mir und lief nach unten. Ich sah ihr zerrissenes Nachthemd und blaue Flecke an ihren Armen und am Hals. Unser Vater hatte versucht, sie zu vergewaltigen und ihr dabei ins Gesicht geschlagen. Es war furchtbar und ich sah nur noch durch einen Schleier von Tränen. Auch unsere Großmutter war nun auf den Beinen. Alle stürzten die Treppe herunter und ich sah zerschlagenes Porzellan auf dem Perserteppich. Überall auf dem Boden waren Splitter. Unser Vater stand mitten im Raum, unsere Mutter schrie und weinte. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie Oma sich das Telefon greifen wollte. Damals gab es nur das graue Standardtelefon mit einem sehr kurzen Kabel, das mit der Telefondose in der Wand fest verbunden war. Aber unser Vater kam ihr zuvor. Es riss das Telefon samt Schnur aus der Wand. Oma flüchtet die Treppe hinauf. Gerade noch rechtzeitig vor dem Einschlag des Telefons konnte sie ihre Zimmertür hinter sich schließen. Krachend schlug das Telefon in ihre Tür ein und hinterließ darin ein hässliches Loch. Mutter schrie schrill auf und schluchzte lauthals.

Ich konnte nicht begreifen, dass uns das alles im Moment wirklich passierte. Solche Szenen kannte ich bisher immer nur aus der Fernsehsendung „Ehen vor Gericht“, die einige Jahre lang vom ZDF ausgestrahlt wurde, und die damals zu unserem abendlichen Pflichtprogramm gehörte. Mir kam das alles so unwirklich vor, es war wie aus dem Fernsehen entsprungen, aber ich musste begreifen, dass wir uns in der Realität befanden. Dann kehrte auf einmal ein wenig Ruhe ein. Unser Vater hatte sich an den Esstisch gesetzt und zündete sich eine Zigarette an. Mutter klaubte schon das erste Porzellan zusammen, und ich hatte mir in der Zwischenzeit meinen orangefarbenen Morgenmantel angezogen. Auf einmal befand ich mich in einer Beobachterrolle. Ich sah mir das ganze wie im Fernsehen an. Ich taxierte die Schäden, die Vater angerichtet hatte. Wo mein Bruder steckte, konnte ich nicht nachvollziehen. Auf jeden Fall hatte er keine aktiv helfende Rolle. Er existierte in diesem Moment nicht. Ich sah, dass Vater den gläsernen Lampenschirm einer wertvollen Tischleuchte auf dem Boden zerschlagen hatte. Gott sei Dank aber nur auf dem Teppich und nicht auf dem teuren Wohnzimmerschrank oder gar auf der Glasplatte des Wohnzimmertisches, der aus teurem Goldbrokat bestand. Auch das übrige zerschlagene Glas lag auf den Teppichen und nicht auf den Möbeln. Hinzu kam die eingeschlagene Tür von Omas Zimmer. Ich stellte überschaubare Schäden fest.

Ich wusste nicht, wie viele Zigaretten mein Vater bereits geraucht hatte, als es plötzlich an der Haustür schellte. Hoffnung keimte in mir auf. Hatte jemand mitten in der Nacht, die tatsächliche Uhrzeit ist mir nicht mehr erinnerlich, von unserer Not etwas mitbekommen? In Wirklichkeit war das unwahrscheinlich, weil wir in einer großen freistehenden Villa lebten, die zudem von einem großen Grundstück umgeben war. Ich sah, wie Vater zur Tür ging und sie öffnete. Zwei Polizisten (ich verwende hier bewusst nur die maskuline Form) standen vor der Tür. Woher kamen die? Mein Herz machte einen Luftsprung. Doch die beiden ließen sich von unserem Vater abwimmeln und gingen wieder. Ich bekam einen Schock. Das durfte doch nicht wahr sein. Die gingen wieder weg, als sei nichts geschehen. Ich rannte nach oben in mein Zimmer. Es war dunkel. Ich musste die beiden zurückholen. Die konnten doch nicht einfach unverrichteter Dinge wieder abziehen. Hatten die Angst vor unserem Vater? Ich hatte einmal mitbekommen, wie mein Vater einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle mit „Herr Wachtmeister“ angesprochen hatte. Ich öffnete mein Fenster, kletterte auf die Fensterbank und rief drei- oder viermal „Herr Wachtmeister, Herr Wachtmeister“ hinaus in die Dunkelheit. Einer der beiden Polizisten kam durch den dunklen Garten an mein Fenster. Gott sei Dank hatte er mein Rufen gehört. Unter Tränen und am ganzen Körper zitternd bat ich ihn: „Bitte gehen sie nicht, Herr Wachtmeister, mein Vater hat meine Mutter geschlagen und unsere Sachen im Wohnzimmer kaputt gemacht. Bitte gehen sie nicht weg“. Mein Flehen verfehlte seine Wirkung nicht, wie ich gleich darauf feststellte, denn ich ging sofort wieder nach unten ins Wohnzimmer. Schließlich wollte ich nicht, dass Vater Verdacht schöpfte. Ich tat so, als sei ich auf der Toilette gewesen. Im Wohnzimmer angekommen, hörte ich wieder die Hausglocke mit ihrem typischen „Ding-Dong“. Unser Vater stutzte. Er war verwundert. War er eventuell in der Zwischenzeit nüchtern geworden, oder war ihm klar, was er angerichtet hatte? Ich sah, wie er zur Tür ging und sie öffnete. Er öffnete die Tür nur einen Spalt breit und stemmte sich sofort mit vehementer Gewalt dagegen, um sie von innen zuzudrücken, denn er sah die beiden Polizisten. Aber diesmal verschafften sie sich mit Gewalt Zutritt, in dem sie unseren Vater nach innen drängten und ihn dann in ihre Mitte nahmen. Er versuchte sich zu wehren, aber gegen die beiden hatte er keine Chance, zumal sie nun sahen, war er angerichtet hatte. Meine Mutter und mein Bruder waren erstarrt vor Schreck. Ich war so froh, dass die Polizisten nun im Haus waren und hoffte inständig, dass sie ihn mitnehmen würden, dieses schreckliche Monster. Aber das taten sie leider nicht. Sie machten einen Rundgang durchs Wohnzimmer, sahen sich die Schäden an und sagten auch einige Worte zu meiner Mutter. Sie war starr vor Schock. Anstatt den Polizisten zu sagen, dass unser Vater sie vergewaltigen wollte und sie geschlagen hatte, stand sie nur da und reagierte nicht. Dann sagte einer der beiden Polizisten: „Sie sind doch der Herr Weiß vom Gericht (mein Vater war damals Rechtspfleger am Amtsgericht). Dann wissen sie, was auf Zerstörung von gemeinsamem Eigentum steht.“ Und dann zogen die beiden erneut ab. „Oh Gott, oh mein Gott“, flehte ich innerlich, „bitte lass die Polizisten ihn mitnehmen“, aber leider zogen sie ab. Wir waren mit dem Monster wieder allein. Plötzlich erhob er sich und ging nach oben. Er ging nach oben in mein Zimmer, verriegelte die Tür von innen und legte sich schlafen. Was sollte noch alles passieren? Wir konnten doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich verkroch mich zu Oma ins Bett und schlief an der Wand. Oma rückte einen ihrer Sessel vor die Tür. Sie hatte große Angst, denn sie war es, die aus dem Fenster geklettert war, um bei den Nachbarn die Polizei zu rufen. Mein Bruder schloss sich wahrscheinlich in seinem Zimmer ein und meine Mutter kehrte ins elterliche Schlafzimmer zurück. Auf mir lastete eine bleierne Schwere, wie ich sie noch nie empfunden hatte und so schlief ich auch ein. Oma gab mir einigermaßen Geborgenheit. Was war in dieser Nacht passiert? Es war der reine Wahnsinn. Unsere Welt war zerstört. Am Morgen drückte unser Vater die Tür zu Omas Zimmer mit Gewalt auf. Schwer war es für ihn nicht, der Sessel bot kaum Widerstand gegen seine Kraft. Ich war sofort wach und mein Herz schlug wie wild. Das Licht der Flurlampe blendete mich und ich bekam Angst, er wäre wütend auf mich, weil ich bei Oma geschlafen hatte. Er warf einen Blick ins Zimmer und schmiss die Tür ins Schloss. Wie musste der sich gefühlt haben? Was ging in dem vor? War er wieder nüchtern?

Trotz der schockierenden Ereignisse der vergangenen Nacht wurden wir am nächsten Tag wie an jeden Morgen in die Schule geschickt und meine Eltern fuhren zur Arbeit. Ich weiß nicht, wie ich diesen und die darauffolgenden Tage überstanden habe. Ich kann mich aber noch gut daran erinnern, dass ich die Blutergüsse, die Mutter hatte, mit meiner kleinen Kodak Instamatic Kamera fotografierte, um damit „Beweise“ zu sichern. Zugleich fertigte ich eine Tonaufnahme auf einer 3M-Tonkassette an, die ich mit den Ereignissen besprach. Die Arme meiner Mutter waren voller blauer Flecken und sie hatte ein blaues Auge. Es war schrecklich. Wo mein Vater abgeblieben war, ist mir nicht mehr erinnerlich. Er kam jedenfalls nicht nach Hause.

Im Sommer 1976 versuchten meine Eltern ihre Ehe mit einem Urlaub in Norwegen zu retten. Während dieses Höllenurlaubs wurde mir endgültig klar, ein Mädchen zu sein. Ich träumte davon, Mädchenkleidung zu tragen, durch die Welt zu stolzieren und ein großartiges Leben zu haben. Ich versenkte mich in diese Träumereien. Sie lenkten mich vom Dauerstress meiner Eltern ab. Ich hatte Todesangst, wenn Vater von seiner Wut gepackt, wie ein Wahnsinniger auf den zum Teil unbefestigten Straßen Norwegens durch die Gegend raste. Meine Mutter konnte kein Stück deeskalieren. Immer wieder schüttete sie Öl ins Feuer, bis es so richtig loderte. Ich war froh, als der Urlaub zu Ende war und wir wieder zu Hause waren.

Auf einmal hatten wir dann einen Farbfernseher, den mein Vater angeblich gebraucht gekauft hatte. Er wollte, dass die Familie die Abende gemeinsam vor dem Fernseher verbrachte. So war die damalige Zeit. Die Familie schaute gemeinsam fern und das war es dann.

Doch dann zog mein Vater zwischenzeitlich in eine eigene Wohnung, um dann kurz vor Weihnachten 1976 reumütig zurückzukehren und der Familie am Esstisch einen Vortrag über seine Entschlüsse zu verkünden. Er gelobte Besserung, an die ich schon damals nicht glauben konnte. Ich wusste, dass das schief gehen würde. Erstaunlich fand ich, dass ich mich zum ersten Mal im Leben ihm gegenüber überlegen fühlte. Er versaute der Familie das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel 1976/1977.

Mein Vater hatte große Probleme mit einer Reihe von Speisen. Es aß keinen Fisch, kein Geflügel, keine Orangen. Es hatte eine schlimme Phobie vor diesen Lebensmitteln, denn er kannte immer irgendjemanden, der an einer Gräte, einem Geflügelknochen oder einem Orangenkern erstickt war. Es war ein Trauma oder eine Phobie, denn jedes Mal, wenn es eines dieser Gerichte gab, bekam er etwas Anderes zu essen. Meine Mutter machte oft Geflügel oder Fisch und zu Weihnachten gab es traditionell einen Truthahn. Er hätte jeden Tag Schweinebraten mit Klößen oder auch Eintopf essen können, aber der Fisch oder das Geflügel auf dem Tisch, das machte ihn fertig.

Während wir mit Begeisterung den Truthahn verspeisten, bekam er an diesem Weihnachten Gulasch. Anscheinend war das Fleisch aber ziemlich zäh, denn er aß nur wenig. Ich sah ihm an, wie er sich nur mühsam zusammenreißen konnte. Ich beobachtete, wie er einen hölzernen Serviettenring in die Faust nahm und ihn mit aller Kraft zusammendrücke, um seine Aggressionen über das missglückte Essen zu unterdrücken. Ich hatte schreckliche Angst, denn ich spürte, dass da ein Vulkan kurz vor dem nächsten Ausbruch stand. Aber er beherrschte sich, dennoch war es kein fröhliches, sondern ein schreckliches Weihnachten. Ich ging gezwungenermaßen nur zu den Mahlzeiten nach „unten“, ansonsten verbrachte ich die Tage mit meinen Fantasien in meinem Zimmer.

Ich zog mich vollständig in mich zurück und verbrachte auch die Abende nicht vor dem Farbfernseher, sondern in meinem Zimmer. Eines Abends, einem plötzlichen Impuls folgend, stahl ich meiner Mutter eine ihrer Feinstrumpfhosen. Sie hatte eine große Auswahl Feinstrumpfhosen und ich setzte darauf, dass sie es deswegen nicht bemerken würde, wenn eine fehlte. Ich legte mich in mein Bett, zog meine Schlafanzughose aus und zog diese herrliche wunderbare Feinstrumpfhose an. Ich war so glücklich. Ich würde sie nicht mehr zurückgeben. Das sollte mein erstes eigenes Kleidungsstück werden. Ich versteckte diesen so überaus wertvollen Schatz in einer Posterrolle unter meinem Schrank. Später versteckte ich noch weitere Feinstrumpfhosen in diese Rollen, bis ich eine ganze Sammlung hatte.

Silvester eskalierte die Situation wieder. Ich war mit meinem Bruder in seinem Zimmer. Unsere Eltern stritten unten im Wohnzimmer. Ich stand am Fenster und sah, wie unser Vater in Unterwäsche in den Garten rannte und versuchte, die Tür der Gartenhütte aufzureißen, doch sie war fest verschlossen. Er stemmte sich gegen die Tür und versuchte sie mit Gewalt zu aufzureißen, was ihm misslang. Mir stockte der Atem. Alles begann von wieder vorne. Er rastete wieder aus, und wir wussten nicht warum. Wir verschanzten uns im Zimmer meines Bruders. Es folgte der blanke Horror: Wir hörten die Hilferufe unserer Mutter. „Der Alte“, das war fortan der Name unseres Vaters hatte sich nach seinem Wutanfall ins Bett gelegt und irgendwelche Tabletten geschluckt. Unsere Mutter reagierte hysterisch und schrie herum, brühte Kaffee auf, der einen Herzstillstand verursacht hätte, hätte den jemand getrunken. Sie versuchte mit allen Mitteln, dem Alten das Leben zu retten. Mein Bruder und ich mussten ihn in unsere Mitte nehmen und mit ihm auf und ab gehen, damit er wach wurde. Er hatte bereits das Bewusstsein verloren. Es war nur schrecklich und ich ekelte mich davor, ihn anfassen zu müssen. Dann sollten wir ihm auch noch den brühend heißen Kaffee einflössen, den er nicht schlucken konnte. Es war der Horror schlechthin. Schließlich rief unsere Mutter den Rettungsdienst, der den Alten abtransportierte. Endlich war er weg und ich hoffte, dass er nicht so schnell wiederkommen würde. Doch weit gefehlt. Abends kam er wieder nach Hause, denn er hatte sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen. Ich war abwechselnd wütend und traurig und hatte nur noch Angst.

Jahre später erzählte meine Mutter, dass die drei Tabletten Diazepam 10 mg dem Alten niemals das Leben gekostet hätten. Er hätte nur ein wenig länger geschlafen. Ich kann nicht sagen, ob etwas daran war, oder sie lediglich eine Schutzbehauptung aufstelle. Es war der blanke Horror, egal ob die Tablettendosis tödlich gewesen wäre oder nicht. Warum hat meine Mutter den ganzen Aufwand betrieben, wenn sie sicher war, die Tablettendosis wäre nicht tödlich gewesen?

Im nächsten Jahr zog der Alte dann endgültig aus. Meine Eltern begaben sich in psychologische Behandlung, obwohl nicht von Behandlung gesprochen werden kann, da sie nur wenige Sitzungen absolvierten. Einmal mussten mein Bruder und ich auch dorthin. Als ich gefragt wurde, was ich mir wünschen würde, sagte ich, dass es mein größter Wunsch sei, dass der Alte gehe und nie wiederkomme. Anschließend mussten wir nie wieder zum Psychologen. Das war wohl zu eindeutig. Das wir das Ganze auch irgendwie verarbeiten mussten, dafür sorgten unsere Eltern leider nicht. Dafür waren sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Ich weiß noch, wie meine Mutter einmal bei einem Elternsprechtag war. Meine Leistungen sackten in der Schule rapide ab und Mutter erzählte der Klassenlehrer*in von ihrer Scheidung. Beide lamentierten darüber, dass mensch ja wisse, dass die Kinder am meisten unter einer Scheidung leiden würden. Ich zog daraus den Schluss, dass deswegen mehr Rücksicht auf mich genommen werden würde. Aber das Gespräch hatte keinerlei Folgen. Im Gegenteil, zwei Akademiker*innen hatten sich gegenseitig ihrer Schläue versichert, aber geholfen haben sie mir nicht. Die waren zufrieden mit ihren Erkenntnissen und ließen dann alles so weiterlaufen.

Alles war schrecklich und im Scheidungsjahr 1977 folgte meine zweite Depressionswelle. Ich spürte, wie sich eine bleierne Schwere auf mich legte, die mich an allen Aktivitäten hinderte. Ich musste jetzt für meine Mutter da sein, aber ich wusste nicht wie. Ich spürte eine Verantwortung, die ich so gar nicht tragen konnte. Wie sollte es mit unserem Leben weitergehen? Mutter hatte nicht einmal ein anständiges Auto, mit dem sie zur Arbeit fahren konnte. Sie hatte sich eins vom Anwalt geliehen, der inzwischen aus der Beziehung, die die beiden hatten, ausgestiegen war. Dazu gehörte auch, dass er den Wagen zurückforderte. Der Anwalt wusste genau, was ihm gehört. Meine Mutter hatte auf eine Ehe mit ihm spekuliert. Aber wie hatte meine Mutter sich das vorgestellt? Der Anwalt hätte eine ganze Familie heiraten müssen, denn ohne meinen Bruder, ohne Oma und mich gab es meine Mutter nicht. Mein Gefühl sagte mir, dass wir am Ende waren und bald auch das Haus verlieren würden, für das sich meine Mutter mit aller Kraft einsetzte. Das Haus wollte sie unbedingt behalten, egal was es kosten würde.

Meine Eltern wurden dann endlich geschieden und ab 1978 ging es wieder aufwärts. Meine Mutter arbeitete jetzt in Vollzeit als Apothekerin. Wir hatten wieder mehr Geld und ich hatte eine neu gewordene Freiheit. Ich bekam ein Mofa zum Geburtstag. Das heißt ich bekam sie zum Teil, einen Teil musste ich selbst bezahlen, während mein Bruder sein Mofa komplett bezahlt bekam. So war das leider immer. Ich hatte richtig großartige Lederkleidung und mein Gefühl, ein Mädchen zu sein trat in den Hintergrund, obwohl ich die Feinstrumpfhosen hatte und ich mir immer wieder Kleidung von meiner Mutter „auslieh“. Meine Leistungen in der Schule wurden wieder besser. Ich würde als eine der wenigen Schüler*innen der Realschule den Sprung aufs Gymnasium schaffen und Abitur machen. Ich sollte nach Mutters Willen Rechtsanwältin werden. Danach könnte ich alle Prozesse führen, die sie so gedachte zu führen, vor allem gegen den Alten. Auch mein Bruder meinte, ich müsste die Familienehre retten und Jura studieren. Am Ende redeten alle auf mich ein, dass das das Beste für mich sei, und ich glaubte es dann irgendwann selbst.

Die Achtzigerjahre: Freiheit, neue Erkenntnisse und unüberwindbare Hemmungen

Ich schaffte den Sprung von der Realschule auf das Gymnasium. Dort erlebte ich meine geistige Befreiung. Befreiung von der Engstirnigkeit eines konservativen Elternhauses, hin zu politischen Vorstellungen, die im linken Spektrum angesiedelt waren. Und ich lernte ganz andere Eltern kennen. Eltern, die auf ihre Kinder eingingen, mit ihnen sprachen anstatt nur über sie. Eltern, die ganz andere Auffassungen als meine Eltern hatten, die wirklich modern und tolerant waren und die meinten, was sie sagten. Ich wechselte meine politische Meinung und meine Einstellungen zu vielen Dingen, was für mich befreiend war. Zu Hause eckte ich damit ziemlich an. Ich lernte schnell die politische Vergangenheit Deutschlands und vor allem des Nazireichs kennen.

Ich schätzte die aktuelle politische Lage anders ein als meine Mutter. Wir befanden uns damals im tiefsten Kalten Krieg, der mit dem NATO-Doppelbeschluss auf einen Höhepunkt zusteuerte. Wir (meine Freund*innen) und ich waren gegen die USA, gegen Helmut Schmidt und seine aggressive Aufrüstungspolitik. Wir waren gegen Atomkraft und auf jeder Demo zu finden, die es gab. Ich erinnere mich noch gerne an die im Herbst 1981 stattgefundene erste Megademonstration in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Wir demonstrierten gegen den NATO-Doppelbeschluss. Mehr als 300 000 Menschen zogen durch die Stadt. Es war ein gigantisches Ereignis und wir waren dabei. Mein Bruder, der Schwätzer nicht, der saß vor lauter Angst zu Hause, er könne Tränengas abbekommen. Der hatte genau wie unser Vater nur zu Hause eine große Klappe.

Meine Vorstellung eine Frau zu sein, war nun dauerhaft vorhanden, ging aber mit meiner ersten Freund*in ein wenig zurück. Wir hatten eine gute Zeit, bis ich mich ihr gegenüber outete.

Im Frühjahr 1982 erkrankte meine Mutter an einer Krankheit, die sie uns verschwieg. Wir wussten nur, sie musste in eine Klinik nach Bremen und dort operiert werden. Ich geriet in eine tiefe Krise, weil ich genau zu dieser Zeit einen Artikel über Transsexualität las und sofort begriff, dass das, was ich gelesen hatte, auf mich zutraf. Auf einmal hatte ich für das, was mit mir los war ein Wort und ich war froh darüber: Ich war transsexuell und es gab noch mehr Menschen, die so empfanden wie ich: Ich war im falschen Körper geboren worden. (Ich verwende hier absichtlich den „alten“ Begriff, weil es damals keinen anderen für mich gab.)

Transsexualität darf mensch sich nicht so vorstellen, dass mensch morgens aufwacht und weiß, mensch ist trans*(sexuell). Dem geht eine lange Zeit der Unsicherheit voraus, bis das innere Coming-out abgeschlossen ist. D. h., bis die inneren Zweifel und Fragen zur Gewissheit geworden sind. Daran schließen sich häufig noch Jahre an, bis betroffene Menschen sich anderen mitteilen. Wir sprechen hier vom äußeren Coming-out.

Heute wissen viele trans* Personen, ihre Gefühle besser einzuordnen und haben mehr Möglichkeiten darüber zu reden und sich zu informieren. 1982 erschien darüber ein Artikel im „Stern“. Ich habe gewusst, ich bin kein Junge, aber mir war auch bewusst, einen männlichen Körper zu haben und ich habe nie verleugnet, dass mir Sex mit meiner Freund*in Spaß machte. Ich nahm halt das, was an Körper vorhanden war. Aber als ich damals den Artikel gelesen hatte, war das wie eine Offenbarung für mich.

Dort schilderte eine junge trans* Frau ihren Leidensweg. Das Transsexuellengesetz (TSG), das heute nur noch in einigen Paragrafen gültig ist, war 1982 gerade einmal zwei Jahre alt und erfahrene Operateur*innen oder Therapeut*innen waren rar oder gab es schlichtweg nicht. Wie sollte ich das meiner Mutter oder meiner Freund*in erklären? Ich war so gehemmt, eigene Wünsche zu äußern, dass ich dachte, verrückt zu werden. Ich hatte gelernt, meine Wünsche zurückzustellen oder am besten erst gar keine zu haben, denn sie wurden mir ausgeredet. Meine Mutter verfolgte da einen harten Kurs. Jegliche Äußerung eines Wunsches, der ihr nicht passte, wurde mit folgender Kaskade aus vier Sätzen, die sich in der Abwertung meiner Person steigerten, abgeschmettert:

Wer hat dir denn das eingeredet?

Darauf würdest du doch selbst nie kommen.

Das bildest du dir nur ein.

Am Schluss kam häufig das „Versprechen“: „Ich überlege es mir.“ Das bedeutete „Nein“, denn sie setzte fest darauf, ich würde schon morgen meinen Wunsch vergessen haben. Ihrer Meinung nach würden Kinder „alles ganz schnell vergessen.“ Deswegen müsse mensch sie auch nicht ernst nehmen. (Meine Schlussfolgerung).

Die letzte Bemerkung war der Hammer und damit gab es auch keine Diskussion oder Wünsche mehr. Dann ging sie zur Tagesordnung über. Ich konnte irgendwann einfach keine Wünsche mehr aussprechen. Auch wenn ich es mir fest vornahm, ich wusste was kam und dagegen war ich machtlos. Wie oft habe ich nachts wach gelegen und verzweifelt darüber nachgedacht, wie ich es anfangen könnte, mit ihr darüber zu reden. Das System der Wunschunterdrückung war perfekt. Ich war wie unter einem Zwang und einem inneren Zwiespalt, der sich in gewaltigen körperlichen und seelischen Spannungen äußerte.

Dann kam der Abend, an dem meine Freund*in frotzelte, wenn ich Kleider so toll fände (sie trug leider nie welche) dann solle ich selber welche anziehen. Ich nahm das als Aufforderung und nutzte die Gelegenheit, als sie aus dem Zimmer ging, mir eine ihrer Strumpfhosen, einen BH und ein Nachthemd anzuziehen. Mein Herz schlug bis zum Hals. Als sie wiederkam meinte sie erschrocken, sie wolle das nicht, und es mache ihr Angst. Ich zog die Sachen wieder aus. Mit Herzklopfen erklärte ich ihr, wie es um mich stand und ich lieber als Frau leben würde. Sie verstand das nicht. Das hätte ich auch von ihr nicht erwarten können, aber ich musste mit jemanden darüber reden. Ich spürte, wie ich allmählich am Rande des Wahnsinns lavierte, so sehr stand ich unter Druck. Sie trennte sich noch am gleichen Abend von mir. Das war gründlich schief gegangen.

Zu Hause hatte ich mittlerweile zwar eine kleine Sammlung an Strumpfhosen. Aber das Problem war, wie konnte ich an die Frauenkleidung herankommen und wo konnte ich sie verstecken, dass niemand sie fand?

Einmal, bevor meine Mutter erkrankte, kam ich von der Schule nach Hause und da war es passiert: Meine Mutter hatte meine Strumpfhosen entdeckt. Ich hatte sie in Rollen versteckt, mit denen Poster verschickt wurden. Diese lagen unter meinem Schrank. Warum sie die Rollen geöffnet hatte, ist mir bis heute nicht klar. Sie gehörten mir. Was sie machte, war respektlos. Da lag nun ein Teil meiner Schätze auf meinem Bett und weitere lagen im Badezimmer. Sie hatte sie einfach da hingelegt, ohne etwas zu sagen. Mir war das fürchterlich peinlich, obwohl ich schon fast erwachsen war. Ich hatte Angst vor ihren Fragen, aber sie fragte nicht, sie schimpfte nicht, sie sagte gar nichts und das war besonders schlimm. Was sollte ich tun? Ich konnte nicht anders. Ich packte alles wieder ein und versteckte sie an einer anderen Stelle. Ich erwartete ihre Fragen oder ihre Schimpftriaden, aber es geschah nichts. Sollte ich etwa das Gespräch darüber beginnen? Nichts geschah. Das Ereignis wurde totgeschwiegen.

Aber so war das immer, und sie lebte meinem Bruder vor, dass mensch keinerlei Respekt vor meinen Sachen zu haben brauchte und einfach an alles rangehen und mir wegnehmen konnte. Mein Vater war leider genauso. Als Kind besaß ich einen Kassettenrekorder, auf den ich sehr stolz war. Die Kassetten hatte ich mit Musik aus dem Radio bespielt. Als mein Vater noch zu Hause lebte, überspielte er die Kassetten einfach, wenn er meinte, es käme etwas im Radio, das ich für lustig halten müsste. Meine Musik war weg. Eine Entschuldigung, wenn ich mich beklagte? Fehlanzeige. Langsam begriff ich das als mein Schicksal. Ich konnte nicht für mich selbst sprechen.

Die Krise im Frühjahr 1982 war schlimm. Ich wollte mit jemanden über meinen Wunsch als Frau zu leben reden, aber ich konnte es nicht. Dazu kamen die Unsicherheiten mit der Krankheit meiner Mutter und dann stand ich mitten im Abitur und wusste nicht, was ich in Zukunft machen sollte. Ich hatte mehrere Baustellen und niemanden, der auch nur ein Quantum Verständnis für mich hatte. Ich dachte daran, mit dem Auto gegen einen Baum zu fahren, weil ich keinerlei Ausweg mehr sah.

Zumindest kam ich so einigermaßen durch das Abitur, aber meine Freundin war weg. Mutter war sehr froh darüber, weil das „sowieso kein Mädchen für mich sei.“ Sie war die Tochter eines Arbeiters und einer Hausfrau und diese Leute „passen einfach nicht zu uns.“ Wir waren schon immer etwas Besseres, da passt ein Arbeiterinnenmädchen nicht hinein. Die „wollen uns nur ausnehmen.“

Noch vor dem Abitur hatte ich den Kriegsdienst verweigert. 1982 war das nicht so einfach. Kriegsdienstverweigerer mussten sich einer sogenannten Gewissensprüfung unterziehen. Dazu gehörte eine ausführliche Begründung zum Antrag auf Kriegsdienstverweigerung, an der ich fleißig arbeite, den mensch vor der Musterung stellen musste, um glaubwürdig zu erscheinen. Wer den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung erst nach der Musterung stellte, hatte kaum eine Chance, die Gewissensprüfung zu bestehen. So sah die Gewissensprüfungskommission, dass ich bereits vor der Musterung verweigert hatte, und das war ein Pluspunkt für mich.

Zudem meinte meine Mutter, ich könne bei besagtem Anwalt ein Praktikum machen, da ich doch Jura studieren wollte. Ich beugte mich ihrem Willen, obwohl ich keine Lust darauf hatte, bei dem Kerl ein Praktikum zu machen. So verging der Sommer mit einem Jurapraktikum. Der Anwalt schleppte mich mit zu Gericht, ich konnte seine Prozesse mitverfolgen. Ich musste Akten studieren und ihn zu verschiedenen Terminen kutschieren. Ich schämte mich, weil ich mir vorkam, wie mein Vater, der ihn in seinerzeit in seinem 300er Diesel herumkutschierte, nur um einmal einen Benz zu fahren.

Nachdem ich die Gewissensprüfung beim Kreiswehrersatzamt in Stade ohne Probleme bestand, stellte ich im Oktober 1982 den Antrag, sofort eingezogen zu werden, weil ich arbeitssuchend sei. Ich hatte bereits eine Zivildienststelle im Zentralkrankenhaus Links der Weser in Bremen zugesagt bekommen. Diese Anträge mussten bevorzugt bearbeitet werden und das Bundesamt für den Zivildienst musste sich nicht um den Zivildienstplatz kümmern, sondern wies mir den Platz ab 1. Dezember 1982 zu. Ich schwankte zwischen Glück und Angst.

Es war der Aufbruch in ein völlig neues Leben, denn ich hatte zum ersten Mal die Chance aus dem Wahnsinn, der sich zu Hause entwickelt hatte, auszubrechen und ein eigenes Leben zu führen. Mein Bruder hatte versucht, weitgehend die Herrschaft über Mutter und Oma zu übernehmen. Meine Mutter hatte mir zum Abitur einen orangefarbenen VW-Käfer, der erst 65 000 km gelaufen hatte, geschenkt. Ich war damit unabhängig. Der Sold für einen „Zivi“ war auch nicht schlecht. Annähernd 700,00 DM würde ich jeden Monat erhalten. Und ich hatte ein eigenes Apartment am Klinikum. Ich erinnere mich noch genau an den Morgen des 1. Dezember 1982. Dunkel, kalt, mir ging es nicht gut, ich hatte am Tage vorher Fieber bekommen, wollte aber nicht gleich mit einer Krankmeldung meinen Dienst aufnehmen. Und ich hatte beschlossen auszuziehen und nicht mehr wiederzukommen. Ich wollte nichts als weg. Die Chance, die sich hier bot, dann zumindest in meinem Apartment als Frau zu leben bzw. wenigstens Frauenkleider tragen zu können, diese Vorstellung zog mich magisch an. Zudem gebärdete sich mein Bruder mittlerweile wie ein Irrer. Es quält mich, wo es nur ging, stahl mir Sachen, stecke eine Kartoffel in den Auspuff von Mutters Auto und platze vor Neid, dass ich nun Abitur hatte. Er brüllte mich vor Oma zusammen, als ich sagte, ich würde den Kriegsdienst verweigern. Da würde mensch sich nur in West-Berlin anmelden müssen, dann bräuchte mensch nicht verweigern, schrie er. Aber so war das immer. Er hatte eine große Schnauze zu Hause, machte mich fertig, wo es ging und wenn es darauf ankam, dann kniff er den Hintern zusammen. Er war schließlich derjenige, der dann zum Bund musste, weil er weder verweigerte noch sich in West-Berlin anmeldete. Apropos West-Berlin, vor der Wiedervereinigung wurden Männer, die in West-Berlin gemeldet waren, nicht zum Dienst mit der Waffe eingezogen. Berlin war von den Alliierten besetzt und unterlag dem sogenannten Vier-Mächte-Status. Aber so einfach mit der Anmeldung in West-Berlin war das nicht, denn wo sollte mensch sich anmelden und zweitens gab es dafür Fristen. Mir blieb gegen diesen ewigen Terror nichts anderes übrig, als mich mit Gewalt zu wehren und die Gelegenheit ergab sich bald, als wir gemeinsam im Keller waren und er mich wieder einmal quälen wollte. Ich schlug ihm mit voller Wucht mit der Faust ins Gesicht und schrie ihn an er solle herkommen, wenn er noch mehr haben wollte. Das sollte ein Kampf werden, bei dem einer von uns beiden sterben würde, das war mir klar. Aber anstatt zurückzuschlagen, zog er sich feige zurück. Ich merkte, ich hatte gewonnen. Von nun an ließ er mich in Ruhe. Dennoch wollte ich dem ganzen Wahnsinn zu Hause entfliehen. Von daher ignorierte ich meine Beschwerden am Morgen des 1. Dezembers 1982, nahm meine gepackte Tasche und fuhr nach Bremen ins Klinikum Links der Weser einem neuen Leben entgegen.

Dezember 1982 – April 1984: Zivildienst

Ich musste im Zentralkrankenhaus Links der Weser (ZKH LDW), meiner Zivildienststelle, morgens um acht Uhr antreten und mich in der Verwaltung melden. Es empfing mich der Zivildienstbeauftragte der Klinik, der mich in meine Dienstpflichten einführte und mir meine Unterkunft zuwies. Ich war zufrieden, erhielt ich doch ein eigenes, sehr komfortables Apartment für mich ganz alleine. Das war wie eine eigene kleine Wohnung.

Es war insgesamt gesehen eine sehr gute Zeit, in der ich in jeder Hinsicht Orientierung erlangte, in der ich aber leider auch vom Regen in die Traufe kam, weil ich die Moni kennenlernte, die sich dann nach 32 Jahren des Zusammenlebens und nach 29 Jahren Ehe von mir trennte.