Von links bis heute: Sahra Wagenknecht - David Goeßmann - E-Book

Von links bis heute: Sahra Wagenknecht E-Book

David Goeßmann

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Beschreibung

Sahra Wagenknecht: In ihren ökonomischen Analysen ist sie eine der Klarsten und Sachkundigsten im Land. Mit ihrer Neugier ist sie als eine der wenigen fähig, das Feingewebe der Wirtschaft mit progressiven Ideen zu verbinden. Von ihren Gegnern wird immer wieder ihre umfassende Detailkenntnis gelobt. Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Deutschen Bundestag, fasziniert und polarisiert wie kaum ein anderer in unserer derzeitigen politischen Landschaft. Dieses Buch zeigt, wie die promovierte Volkswirtin, Publizistin und Politikerin zu dem wurde, was sie heute ist. Es schildert ihre bei Goethe, Hegel und Marx beginnenden Einflüsse und den langen Weg der Autodidaktin über die Systeme hinweg. Sahra Wagenknecht, die Ostdeutsche, der in der DDR der Zugang zu einem Studium verwehrt wurde, hat die Politik der Bundesrepublik beeinflusst wie nur wenige Frauen vor ihr. Ihre wechselhaften Rollen in der PDS, in der Partei Die Linke, der Linksfraktion sowie in der Bewegung Aufstehen kommen in diesem Buch genauso zur Sprache wie Partei- und Wahlprogramme, an denen sie entscheidend mitgearbeitet hat. Der Autor thematisiert aber nicht nur die herausragenden Leistungen und Fähigkeiten dieser singulären Politikerin, sondern analysiert auch die problematischen Seiten ihres Politik- und Wirtschaftsverständnisses.

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Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist nicht gestattet, dieses Werk oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.

Verlag Das Neue Berlin – eine Marke der Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

ISBN E-Book 978-3-360-50163-9

ISBN Print 978-3-360-01349-1

1. Auflage 2019

© Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: Verlag, Peter Tiefmann

unter Verwendung eines Fotos von Robert Allertz

www.eulenspiegel.com

für Antje und Hannes

Inhalt

1. Einleitung: Wer ist Sahra Wagenknecht?

2. Das Trauma

Ideologische Obdachlosigkeit

3. Krieg der Systeme

Der Untergang des Sozialismus?

Menschenfreundlichkeit Ost vs. West

Machtsysteme im Wettkampf

Trotz gegen Siegertaumel am »Ende der Geschichte«

Bevölkerungskontrolle, westlich bis sowjetisch

Wagenknechts sozialistische Trauer

4. Kapitalismus im Todeskampf

Der Kampf gegen den neoliberalen Reformwind

Die Selbstausweidung des Kapitalismus

Zur Machtlosigkeit sozialer Reformen

Mythos: innovative Märkte und Ökodiktatur

5. Die Rettung: Kreativer Sozialismus

Die wachsende politische Macht der Massen

Die Wiedergeburt des Sozialismus aus dem Geiste der BRD

Marktsozialismus und die Gerechtigkeitsfalle

Ineffizient, unsozial und demokratiefeindlich

Der gezähmte Markt: Geschichte eines Scheiterns

Markt vs. Zentralplanung – Endstation Sehnsucht?

6. Erst kommt das Fressen, dann die Moral

Ökonomie gegen Freiheit

Die durchgestrichene Vision: Wagenknechts politische Ökonomie

Neuauflage: Reformismus 2.0

Wagenknechts Konservatismus und Elitendemokratie

Von Wilhelm von Humboldt zum »kreativen Sozialismus«

Die entsorgten Werte

7. Die Wende?

Mehr Sicherheit: Die Neuentdeckung der »Flüchtlingskrise«

»Wohlstand für alle« und »Germany first«

Problemzone: Globale Gerechtigkeit

Zur Dialektik von zufriedenen und hungrigen Staaten

8. Schluss: Die linke Sackgasse

Danksagung

»Sie wollen Wohlstand und Ruhe. Beide aber erhält man immer in eben dem Grade leicht, in welchem das Einzelne weniger mit einander streitet. Allein was der Mensch beabsichtet und beabsichten muss, ist ganz etwas anders, es ist Mannigfaltigkeit und Thätigkeit. Nur dies giebt vielseitige und kraftvolle Charaktere, und gewiss ist noch kein Mensch tief genug gesunken, um für sich selbst Wohlstand und Glück der Grösse vorzuziehen. Wer aber für andre so raisonniret, den hat man, und nicht mit Unrecht, in Verdacht, dass er die Menschheit miskennt, und aus Menschen Maschinen machen will.«

Wilhelm von Humboldt, 1851

1. Einleitung: Wer ist Sahra Wagenknecht?

Sahra Wagenknecht hat viele Gesichter. Sie gilt als standfeste Kommunistin und Sozialistin, scharfe Kritikerin des Neoliberalismus und gefeierte Ikone der Links­partei. Sie verteidigte die DDR nach ihrem Untergang, heute kämpft sie für die soziale Marktwirtschaft und einen »kreativen Sozialismus«. Idealistin und Realpolitikerin in einem, mischt sie die linke Szene immer wieder auf und avancierte dabei zu einer der populärsten Politikerinnen der Republik.

Auch wenn sie das politische Geschäft als Bürde wahrnimmt, geht sie voran, angetrieben von ihrem Willen, Ideen auch umzusetzen. Das Ergebnis: Aufstieg zur Fraktions­vorsitzenden der Linkspartei, häufig eingeladene Politikerin zu Fernsehtalkshows, allseits anerkannte Ökonomin mit großer Fangemeinde – fast eine halbe Million Facebook-Fans –, rund ein Dutzend publizierte Bücher, darunter Bestseller, zahllose Vorträge und Reden. Sie wird zu der ostdeutschen Spitzenpolitikerin neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Seit einigen Jahren ist sie verheiratet mit dem ehemaligen Vordenker der deutschen Sozial­demokratie und Mitbegründer der Linkspartei Oskar ­Lafontaine.

Der Erfolgsmarsch durch die Nachwende-BRD war der Ostdeutschen Wagenknecht keineswegs in die Wiege gelegt. Im Gegenteil. Das ZDF nannte die »junge Frau« 1994 einen »lebende(n) Anachronismus«. Die britische Times mutmaßte, dass die »Reformkommunisten der PDS« wohl bald »Jagd« auf die »introvertierte Studentin« machen werden, die weiter DDR und Sowjetunion verteidige. Der damalige PDS-Vorsitzende Lothar Bisky spöttelte zur selben Zeit: »Wenn die so weitermacht, wird sie sich eines Tages in die wiedererstandene Rosa Luxemburg verwandelt haben. Sie beginnt in letzter Zeit sogar schon leicht zu hinken.«1

Das Ende der DDR war für Sahra Wagenknecht die schlimmste Zeit ihres Lebens. Die welthistorische Tragödie schlägt in ihr Denken ein wie ein Komet. Seit dem Untergang des »ersten Sozialismus« wühlt eine einzige große Frage in ihrem Kopf: Wie konnte das bessere System gegen das schlechtere verlieren und von der Geschichte zur Seite geschoben werden?

Daraus entsteht ein spannender Kampf um politische Ordnung – in Wagenknechts Kopf wie in ihrer politischen Arbeit. Sie beginnt wie kaum eine andere in Deutschland den Todeskampf des Kapitalismus in seinem vermeintlich letzten Stadium zu analysieren. Und entwirft einen Ausweg. Ein Konzept für eine radikal neue Wirtschaftsordnung, die Wiedergeburt eines »zweiten Sozialismus« aus dem wiedervereinigten Deutschland. Eine Art soziale Marktwirtschaft Update 2.0.

Ihr politischer Optimismus scheint trotz Voranschreitens des – wie sie es nennt – vorherrschenden »Neofeudalismus« ungebrochen. Sie will verändern, den neuen Sozialismus noch selbst erleben. Und ruft als Fraktionsvorsitzende der Linken eine außerparlamentarische Oppositionsbewegung ins Leben mit dem Namen Aufstehen. Burn-Out und partieller Rückzug folgen.

Sahra Wagenknechts Denken bildet dabei immer eine intellektuelle Brücke zwischen DDR und BRD, Ost und West. Sie ist Politikerin und politische Ökonomin zugleich, vereint Sachkompetenz mit radikaler Kritik. So hält sie seit drei Jahrzehnten das Bewusstsein wach, dass der Kapitalismus am Ende ist und über eine andere, bessere Welt nachgedacht werden sollte. Sie mahnt: Wir brauchen den Systemwechsel.

Trotz aller Wandlungen, von der DDR-Sozialistin zur Verfechterin von Markt, Wettbewerb und Leistung, hat sich Sahra Wagenknechts inneres Koordinatensystem in den letzten dreißig Jahren nicht geändert. Sie bleibt auf Kurs. Und der ist keineswegs auf Umsturz ausgerichtet, sondern auf ein eher konservatives Programm. Von Goethe und Hegel inspiriert, kämpft sie um ökonomische Ordnung und Sicherheit, Wohlstand und eine bessere Führung der Gesellschaft. Und um Reichtum mit weniger Gier, dem sich andere Werte unterzuordnen haben. Illiberale Schwingungen waren in ihrem Denken seit eh und je präsent. Im Zuge der »Flüchtlingskrise« kommen sie verstärkt an die Oberfläche.

Was verkörpert Sahra Wagenknecht? Das Buch schaut kritisch hinter die verschiedenen Gesichter des linken »Aushängeschilds«. Es liefert ein intellektuelles und politisches Profil einer streitbaren Spitzenpolitikerin und politischen Ökonomin, das wenig mit dem zu tun hat, was in der Öffentlichkeit gezeichnet wird. Es ist ein in sich gebrochenes Porträt einer reformistischen Rebellin, die um eine wohlhabende und von »klugen Köpfen« koordinierte Gesellschaft kämpft.

Zugleich werden die Quellen und Denktraditionen sichtbar, aus denen sich ihr Denken, ihre politische Ökonomie, aber auch ihr Menschen- und Gesellschaftsbild speisen. Vor dem Hintergrund von hundertfünfzig Jahren Arbeiterkampf und Sozialdemokratie, Antikapitalismus und Sozialismus erscheint Wagenknecht – wie große Teile der Linken – abgekoppelt von den ursprünglich libertären Traditionen, die den Kampf gegen den Kapitalismus bis ins 20. Jahrhundert prägten.

Dieses Buch handelt auch von Wagenknechts Wandel der letzten Jahre. Zunehmend betont sie das Nationale und die schädlichen Wirkungen der Migration, fordert mehr staatliche Sicherheit, während kulturelle Homogenität ihrer Meinung nach unerlässlich ist für jede Demokratie. Was steckt tatsächlich hinter diesen Positionierungen: ein Sinnes­wandel, ein Seitenwechsel gar?

Folgen wir also den Spuren einer Denkerin, die vor dreißig Jahren durch den Fall der Mauer politisch »obdachlos« wurde. Seitdem kämpft sie einen politischen Ringkampf um intellektuelle Balance. Die Frage ist: Welche Werte leiten sie dabei? Denn wie sie selbst sagt:

»Jeder Mensch hat ein weltanschauliches Grundraster, mit dem er sich in der Welt orientiert. Die Frage ist, in welchem Maße dieses Raster den wirklichen Zusammenhängen entspricht.«2

1 Hans-Dieter Schütt, Zu jung, um wahr zu sein? Gespräche mit Sahra Wagenknecht, 1995, S. 64

2 Schütt, a.a.O., S. 153

2. Das Trauma

In den 1980er Jahre wuchs der Frust in der DDR, wie auch in vielen osteuropäischen Ländern und der Sowjetunion, über diverse Missstände, eine ideologisch kaum noch zu überdeckende Mangelwirtschaft, politische Gängelungen, Einschränkungen von Bürgerrechten und ein verknöchert agierendes Staatsmanagement. Das gesellschaftliche Unbehagen politisierte sich immer mehr und gipfelte Anfang 1989 schließlich in Kampagnen und Bürgerprotesten rund um die DDR-Kommunalwahlen.

Die Wahlen, die im Mai stattfanden, führten im Vorfeld zu Mobilisierungen unterschiedlicher, vor allem kirchlicher Gruppen, die dazu aufriefen, sich in den Wahlprozess stärker einzumischen. Da Oppositionelle bereits bei den letzten Wahlen Unregelmäßigkeiten und Wahlfälschungen beobachtet hatten, sollten Kontrollen in mehreren Regionen der DDR durchgeführt werden.

Der Vorsitzende der Wahlkommission Egon Krenz rief am Ende erneut eine offizielle Wahlbeteiligung von 99 Prozent aus. Dabei kamen Wahlbeobachter zu deutlich niedrigeren Werten und konstatierten in den Wahllokalen mancher Großstädte eine beträchtliche Zahl von Nein-Stimmen. Protestaktionen formierten sich hierauf, die zu Auseinandersetzungen und Verhaftungen führten. Der öffentliche Widerstand nahm zu. Ausreisewillige und Oppositionskräfte initiierten nun regelmäßig Demonstrationen, zum Beispiel auf dem Berliner Alexanderplatz.

»Offenkundig hatte sich das Drohpotential des Regimes unterhalb offener Gewaltanwendung zu einem Teil erschöpft. Zugleich gab die Wahlkontrollbewegung den Anstoß, individuelle Unzufriedenheit und Vereinzelung zugunsten kollektiven Handelns zu überwinden. Mit der Kommunalwahl suchte das Regime Bestätigung und beförderte stattdessen seinen Untergang.«3

Die Grenze zu Ungarn wurde aufgrund von Reformen löchriger. 200000 DDR-Bürger nutzten das ab Anfang Juli und flohen in den östlichen Nachbarstaat. Es wurde immer deutlicher, dass der Anfang vom Ende der Deutschen Demokratischen Republik gekommen war – jedenfalls in der Form, wie das Land über Jahrzehnte organisiert und geführt wurde. Am 18. Oktober 1989 wurde der kommunistische Widerstandskämpfer Erich Honecker, seit 1971 mächtigster Mann im Staat, zum Rücktritt gezwungen.

Zu der Zeit, als die Regierung und das DDR-System zunehmend in eine innere Krise gerieten, saß die knapp zwanzigjährige Sahra Wagenknecht allein zu Hause in ihrer Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg. Zum Studium hatte man sie vorerst nicht zugelassen, da sie, so das Abschlussschulzeugnis, nicht genügend Interesse »für die Belange des Kollektivs« gezeigt habe, was, wie Wagenknecht einräumt, »ja im Prinzip stimmte«.

Ihr wurde stattdessen erst einmal ein Job in der Universitätsverwaltung der Humboldt-Universität zu Berlin zugewiesen. Sie musste dort Schreibarbeiten verrichten, was sie langweilte. Daher kündigte sie bereits nach kurzer Zeit und zog sich zurück ins Privatstudium. Sie las nun tage- und nächtelang antike und Renaissancephilosophen, die Philosophen des deutschen Idealismus von Kant über Fichte bis Hegel sowie systematisch Marx und Engels. Ihre Miete betrug 40 Mark. Sie lebte anspruchslos-frugal.

Im Frühjahr 1989 bestellte sie das Neue Deutschland ab. Sie hörte weder Radio noch sah sie fern. Soziale Kontakte waren spärlich. »Und dann dieser Sommer«, heißt es ­später.

»Ich stürzte mich kopfüber in meine Studien, auch, weil ich, was ablief, gar nicht wahrnehmen wollte. Ich hatte wahnsinnige Angst davor, daß mein Land kaputtgehen könnte.«4

Von Honeckers Sturz erfuhr Sahra Wagenknecht erst zwei Tage danach. Sie beobachtete mit Schaudern, wie in den Volkskammer-Debatten die DDR »zu Grabe getragen wurde«.

»Es war ein einziges Grauen. Dann kam die Maueröffnung. Ich erfuhr von ihr per Telefon: Jemand rief mich freudetrunken an, die Grenzen seien offen – ich war erledigt für den Rest des Tages.«5

Erst jetzt erkannte sie in Gänze, dass die DDR am Ende war. Die Wende wurde für Wagenknecht zur traumatischen Erfahrung. »Der Herbst 1989 war, glaube ich, die schlimmste Zeit, die ich bisher erlebt habe.« Sie habe ihr Land verloren, sagt sie später, das lasse sich durch nichts aufrechnen.6

»Ich war nicht neugierig. Dem westdeutschen Staat gegenüber habe ich nie etwas anderes als Abneigung und Widerwillen empfunden. Nichts zog mich dahin.«7

Ideologische Obdachlosigkeit

Es gibt eine ganze Reihe von Aussagen Wagenknechts aus den 90er Jahren, in denen sie ihre traumatischen Erfahrungen beim Untergang der DDR und in der Wendezeit, den Verlust von Heimat und ihre intellektuelle Ratlosigkeit über das Scheitern des sozialistischen Experiments schonungslos und offen zum Thema macht. Dabei geben ihre Jahre in der DDR von außen keinerlei Anlass für eine roman­tische Verbundenheit mit der Heimat. Ihr ging es weniger um Liebgewonnenes oder Gewohntes, wie eine glückselige Kindheit und Jugend, die ihren Blick auf die vergangene Gesellschaftsform prägte. Sie war keine Anhängerin dessen, was später abwertend als »Ostalgie« bezeichnet wurde.

Bei Wagenknecht wurzeln der Schmerz und die Trauer über den Untergang der DDR in anderen, tieferen Schichten ihres Selbstverständnisses und entstammen nicht primär einer lebensweltlichen Verbundenheit mit dem Staat ihrer Kindheit und Jugend. Ihr persönliches und zu großen Teilen auch politisches Abgekoppelt-Sein, ihr intensives Studium von Goethe, Hegel und Marx sowie ihre geistige Freundschaft mit dem Schriftsteller Peter Hacks waren die Triebfedern einer starken Identifikation mit der Idee und historischen Mission eines sozialistischen Weltsystems.

Der Untergang der DDR ließ Wagenknecht in einer politisch-metaphysischen beziehungsweise ideologischen Heimatlosigkeit und Obdachlosigkeit zurück. Ihr geistiges und politisches Koordinatensystem verlor mit dem Fall des Eisernen Vorhangs seine Ordnung. Nun wühlte eine einzige große Frage in ihrem Kopf: Wie konnte das, was sie im Anschluss an die intellektuelle Tradition, der sie sich verpflichtet fühlte, von Goethe bis Ulbricht, wie konnte der welthistorische Widerstand gegen den Kapitalismus und der Aufbau des Sozialismus, der doch dialektisch durch sich geschichtlich entfaltende Kräfte im Sieg der Zivilisation über die Barbarei enden sollte, derart von der Geschichte in den Abgrund gespült werden? Und wie konnte es sein, dass scheinbar alle dieser Katastrophe auch noch zujubelten oder zumindest nicht bestürzt waren wie sie selbst?

Wagenknechts intellektuelle und politische Entwicklung ist durch diese innere Spannung und das damit verbundene radikale Unbehaustsein wesentlich geprägt worden: den ­geschichtlichen, persönlich erfahrenen Systemcrash und dessen gedankliche und politische Verwindung. Daran wächst ihr zunehmend klarer Blick auf den realexistierenden Kapitalismus, ihre detailreichen, immer auch sich der Strukturen und Institutionen bewussten Analysen ökonomischer Prozesse und das Wachhalten radikaler Veränderung.

Gleichzeitig bildet Wagenknechts politischer Kosmos eine geistig-politische Schleuse, von der DDR in die BRD, von marxistischem Denken hinüber in den kritischen Wirtschaftsdiskurs des wiedervereinigten Deutschlands, orientiert an moderner Ökonomik. Mittels einer kritischen Systemperspektive konnten ihre Analysen und ihre politischen Interventionen wie eine Art Fahrstuhl immer wieder von den Niederungen politischer Kämpfe und sozialer Reformanstrengungen hinaufgleiten in die Höhen einer revolutionären Transformation der herrschenden Wirtschaftsform.

Schaut man sich Wagenknechts Entwicklung und ihre zentralen Ideen- und politischen Kampfplätze an, dann lassen sich dabei drei intellektuelle Ebenen unterscheiden. Die erste betrifft den historischen »Krieg der Systeme«, also die Systemkonkurrenz von Sozialismus und Kapitalismus, die Wagenknechts Aufmerksamkeit vor allem in den 90er Jahren auf sich zieht. Zweitens dreht sich ihr Interesse, insbesondere im Zuge des stotternden deutschen Wachstumsmotors Ende der 90er Jahre und der Finanz- und Wirtschaftscrashs, gipfelnd in der Weltkrise 2008, immer stärker um das kapitalistische System selbst, das sich in seiner neoliberalen Ausformung in einer Art Todeskampf scheinbar selbst ausweidete. Und drittens unternahm sie den Versuch, Kapitalismuskritik jenseits von Reformpolitik zu betreiben und einen System-Ausweg anzubieten; am Anfang gefasst als eine Art Wiederbelebung des sozialistischen Experiments in verbesserter Weise, später unter dem Leitbegriff des »kreativen Sozialismus« ausbuchstabiert.

Das sind die Schichten, die sich durch Wagenknechts Gesellschaftskritik, ihre ökonomische Analysen und ihr politisches Wirken ziehen. Aber es finden auch einige Veränderungen statt. So wird Wagenknecht ihre Verteidigung der DDR korrigieren. Ihren Lebensmittelpunkt verlegt sie dabei in die hinterste Ecke der alten Bundesrepublik, ins Saarland, wo sie von nun an mit ihrem neuen Ehemann lebt.

Sie ergänzt ihre marxistische Systemanalyse durch eine gesellschaftliche Mikro- und Makroanalyse. Kommunistische Debatten treten zunehmend zurück, während Einladungen von Wirtschaftszirkeln und zu TV-Talkshows vermehrt an deren Stelle treten. Wagenknecht konzentriert sich auf Kritik an neoliberalen Auswüchsen.

Das direkte Anknüpfen an den »ersten Sozialismus« ist da schon längst passé. Nun geht es darum, einen Ausweg aus dem Kapitalismus aufzuzeigen und den Weg zu bahnen in eine anders organisierte, in eine, wie sie es nennt, sozialistische Zukunft.

Bei diesen politischen Metamorphosen Wagenknechts auf ihrem politisch-intellektuellen Weg durch die Nachwende-BRD handelt es sich nicht um einen Widerruf früherer Positionen. Es sind vielmehr die Schockwellen eines massiven Einschlags in ein Koordinatensystem, das die Wellen zu absorbieren versucht, ohne dabei zu zerreißen. Es sind Anpassungen an politische und historische Realitäten, zu weiten Teilen Korrekturen, rhetorische Anpassungen und thematische Umorientierungen, die nicht zu einer grundsätzlichen Rücknahme der intellektuellen Ideen und Haltungen dahinter führen – im Guten wie im Schlechten.

3 Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung, 2009, S. 66

4 Schütt, a.a.O., S. 77

5 Schütt, a.a.O., S. 78

6 Schütt, a.a.O., S. 124

7 Schütt, a.a.O., S. 78

3. Krieg der Systeme

Sahra Wagenknecht ist in der Spätphase des Kalten Krieges aufgewachsen und politisch sozialisiert worden. Die globale Konfrontation zwischen Ost und West hat dabei ihre frühe politische Grundhaltung, ihr Verständnis der Welt und ihren intellektuellen Kompass maßgeblich geprägt. Die Präsenz des Systemkonflikts bei der jungen Wagenknecht zeigt, dass sie einen wesentlichen politischen Impuls nicht so sehr aus dem Kleingetriebe des politischen Alltags, sondern von der historischen und globalen Mechanik der Weltgeschichte erhalten hat.

Der Kalte Krieg bestand im Kern in der durch den »Eisernen Vorhang« kaltgestellten Frontstellung zwischen mächtigen Staatenblöcken und der gegenseitigen nuklearen Bedrohung. Auf der einen Seite die Allianz kapitalistischer Staaten, militärisch organisiert unter der NATO, angeführt von der militärischen wie ökonomischen Supermacht der USA. Auf der anderen Seite die kommunistischen Staaten, vereint unter dem Warschauer Pakt, wobei das Machtzentrum in der Sowjetunion lag. In dieser Polarisierung spielten die blockfreien Staaten und die Dritte Welt insgesamt nur mehr eine Zuschauerrolle im Kampf um Herrschaft über die ideologische und geopolitische Weltordnung.

Für Wagenknecht, gemäß ihrem schon früh angelegten Astronautenblick auf Geschichte und Politik, war es keine Frage, ob man sich in diesem Kampf neutral verhalten könne. Ein Außerhalb gab es im Krieg der Systeme für sie schlicht nicht. Ihren Platz sah sie intellektuell, politisch und persönlich gebunden an die Verteidigung des sozialistischen Experiments gegen die aggressiven Angriffe des gegnerischen, wie sie es nannte, imperialen Blocks, der mit allen Mitteln versuchte, das menschenfreundliche historische Experiment scheitern zu lassen.

In Interviews, Vorträgen, aber auch in Buchform versuchte Wagenknecht darzulegen, wie die Niederlage des aus ihrer Sicht überlegenen, besseren und sozialeren Systems nicht von innen, aus einer Art Systemfehler, sondern von außen, vom feindlichen System mit diversen antisozialistischen Strategien erwirkt worden war. Die andere Seite war am Ende skrupelloser, ausgekochter und erfolgreich darin, ein weit humaner und ökonomisch rationaler eingerichtetes Gesellschaftssystem, das unter ungünstigen Bedingungen gestartet war, niederzuringen.

So hätten die USA und die westeuropäischen Staaten zuerst versucht, durch einen offenen Frontalangriff das Sowjetsystem in den 50er Jahren aus den Angeln zu heben. Als das nicht erfolgreich gewesen sei, folgte eine »indirekte Strategie«, vor allem vorangetrieben von einem wiedererstarkten Europa. Ab den 60er Jahren sei es dem »imperialistischen Lager« nicht mehr primär darum gegangen, »bewaffnete Aufstände von unten« zu erzwingen – das sei angesichts der nuklearen Pattstellung und der Solidität der sozialistischen Regierungen auch gar keine Option mehr gewesen –, sondern langsam die kommunistischen Parteien durch ökonomische und politische Kooperationen ihres sozialistischen Charakters zu berauben und auszuhöhlen.

Den Westmächten ging es dabei um die »gezielte Förderung des Opportunismus als politischer Richtung innerhalb der kommunistischen Parteien«, eine »Sozialdemokratisierung der Inhaber der sozialistischen Macht« sowie eines Aufbaus des »konterrevolutionären Subjekts«. Im Prinzip handelte es sich um eine Art freundliche System-Übernahme beziehungsweise -Fremdsteuerung durch den Westen. Willy Brandts Ost- und Friedenspolitik zu Beginn der 70er Jahre waren Wagenknecht gleichfalls nur ­Versuche, durch eine politische und ökonomische Vereinnahmung das sozialistische Experiment zu stürzen – unter dem Vorwand der Aufnahme konstruktiver Gespräche und der friedlichen Kooperation. Der sowjetische Generalsekretär des Zentralkomitees Michail Gorbatschow habe dann mit der Perestroika den Prozess der »Selbstauflösung des Sozialismus« in Form einer »Gegenrevolution« vollendet und das Experiment historisch begraben.8

Andererseits versuchte Wagenknecht in ihren frühen Schriften den »ersten Sozialismus«, wie sie ihn nannte, vor grundsätzlicher Kritik zu immunisieren, sowohl ideell als auch in seiner Ausgestaltung, wenn auch beim letzteren Punkt mit Abstrichen. Sie betont die humaneren Grund­elemente einer sozialistischen Gesellschaft: öffentliches Eigentum an den wesentlichen Produktionsmitteln, insbesondere des Industriesektors, keine Herrschaft von Profit, Kapital und Konkurrenz, sondern kollektive Organisation der Gesellschaft orientiert an Gemeinsinn, Gleichheit, Solidarität, vor allem im Kernbereich jeder Gesellschaft, der wirtschaftlichen Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen, also der materiellen Basis.

Immer wieder stellt sie heraus, dass die DDR sozialer gewesen sei als die BRD. Sie verweist auf die diversen Leistungen des DDR-Staates für die Bürger: Öffentlicher Nah- und Fernverkehr fast zum Nulltarif, gut funktionierende Kindertagesstätten, von Betrieben organisierte Ferien für die Kinder der Betriebsangehörigen, Güterverkehr auf der Schiene, egalitäre, an deutschen Klassikern orientierte Allgemeinbildung für alle unabhängig von Klassenprivilegien, Verteilung der industriellen Produktion über das ganze Land usw.

Diese positiven Elemente in der DDR seien das Resultat der sozialistischen Ausgestaltung von Wirtschaft und Politik, so Wagenknecht. Demgegenüber seien die sozialen Wohltaten in westlichen Gesellschaften antisystemische Schutzmaßnahmen von einem an sich asozialen und ­un­gerechten System, erwirkt vor allem in der direkten Konkurrenz mit dem sozialistischen Modell auf der Weltbühne. In einem Nachruf auf Erich Honecker schreibt Wagenknecht 1994 –und wiederholt diese Position in Interviews:

»Die DDR war das friedfertigste und menschenfreundlichste Gemeinwesen, das sich die Deutschen im Gesamt ihrer bisherigen Geschichte geschaffen haben, und es war die DDR, die den westzonal wiedererstandenen Imperialismus über vierzig Jahre daran gehindert hat, im Innern und in der Welt zu tun und zu lassen, wonach ihm gelüstete.«9

Dass die DDR wie die Sowjetunion ab den 70er Jahren wirtschaftlich hinter dem Westen zurückblieb, sei den weit ungünstigeren Ausgangsbedingungen geschuldet, aber auch wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen insbesondere unter Erich Honecker und dem sowjetischen Staatsoberhaupt Leonid Breschnew, die zu sehr auf statische Zentralplanung gesetzt und damit die Leistungsfähigkeit der sozialistischen Ökonomie beschädigt hätten.10

Der Untergang des Sozialismus?

Wagenknechts Verteidigung des »ersten Sozialismus« in den 90er Jahren hat ihr den Ruf einer eisernen Kommunistin eingebracht. Das führte zu hitzigen Zerreißproben innerhalb der PDS. Der Grund dafür: Die Führung unter Lothar Bisky und Gregor Gysi versuchte die Partei in die westliche Parteienlandschaft einzufügen. Dabei störte Wagenknechts Verteidigung von DDR und Sowjetsystem. Doch genau diese Provokation, gepaart mit ihren rhetorischen und analytischen Fähigkeiten, wurde in gewisser Hinsicht die Grundlage für ihre Erfolge. Sie besetzte eine intellektuelle und politische Nische. Schnell stieg sie daher trotz der Widerstände innerhalb der Parteihierarchie auf. Sie hielt hundert Vorträge in drei Jahren. Denn ihre Ansichten und ihre Analysen fanden einen Resonanzboden in linken ­Kreisen.

Auf dem Grund der Auseinandersetzungen innerhalb der Partei des Demokratischen Sozialismus lag die Frage, was unter dem schillernden Begriff des Sozialismus genau zu verstehen sei. Als eine elementare Basis für eine sozialistische Gesellschaft kann sicherlich das gelten, was schon Karl Marx als Ausgangspunkt betrachtete: Dass diejenigen, die in Betrieben arbeiten und Mehrwert erzeugen, auch die Produktionsmittel besitzen sollten. Die Arbeiter in einer sozialistischen Gesellschaft sollten demnach die Betriebe selbst verwalten, von unten organisieren, alle Vorgänge kontrollieren und über Investitionen und Mehrwert gemeinsam, frei und autonom entscheiden. Von dieser minimalen Basis aus könnte sich dann eine sozialistische Gesellschaft entfalten, die Freiheit und Kreativität der Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen befördert.

Diese Grundformel des Sozialismus ist auch kompatibel mit dem, was bürgerliche Denker wie John Dewey im 20.Jahrhundert unter »industrial democracy« verstanden haben, in scharfer Kritik der autoritär-kapitalistischen Ökonomie.

In der Sowjetunion wie in der DDR kann jedoch, gemäß dieses sozialistischen Grundverständnisses, nicht von einer Selbstorganisation der Arbeiter in Betrieben, von unten aufbauend, sowie einer Kontrolle über die gesamte Produktion gesprochen werden. Zentralplanung, Befehlsketten von oben hinunter auf die Betriebsebene, hierarchische Entscheidungsbefugnisse, von Parteifunktionären organisierte Wirtschaftsbezirke und Kombinate ermöglichten genauso wenig, wenn nicht sogar weniger Mitbestimmung der Arbeiter über die Produktion als die von Betriebs­räten, gewerkschaftlichen Mitbestimmungsordnungen und Genossenschaften geprägten westdeutschen Betriebe. So schreibt die Publizistin Daniela Dahn: »In der Praxis aber durften die Werktätigen bestenfalls punktuell in die Planung eingreifen, die wesentlichen Entscheidungen konnten sie weder beeinflussen noch kontrollieren. Die fällte letztlich der Überstaatsapparat, die obersten Parteigremien.«11

Gleichzeitig war die Gesellschaft tatsächlich in einer Reihe von Punkten besser eingerichtet als in vielen kapitalistischen Staaten, was die soziale Daseinsversorgung und die öffentliche Infrastruktur angeht. Unterschiedliche institutionelle Einrichtungen, die Wagenknecht zu Recht hervorhebt, funktionierten sozialer und fairer im »ersten Sozialismus«. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es keine Steuerung der Gesellschaft durch hochkonzentriertes Kapital und Profite gab. So entschied die DDR, den kompletten Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, während in der BRD der Straßenverkehr zunehmend unter der Masse der LKWs kollabierte. Wagenknecht weist auch immer wieder darauf hin, dass öffentliche Dienstleistungen besser funktionierten. So hätte man für 20 Pfennig den öffentlichen Nahverkehr nutzen können, während eine Bahnreise quer durch Ostdeutschland nur 20 Mark gekostet habe.

Zudem war eine öffentliche Kontrolle der großen Industrien und der Wirtschaftsproduktion insgesamt vorhanden, während die aus Märkten und Profitstreben hervorgehende Drangsalierung der ArbeiterInnen durch Konkurrenz und Managementdruck mehr oder weniger abwesend war.12

Auch in Hinsicht auf den wirtschaftlichen Erfolg beziehungsweise Misserfolg im Osten trifft Wagenknecht einen wichtigen Punkt, wenn sie beim Vergleich zwischen DDR und BRD auf die ökonomischen Zusammenhänge verweist. Denn in Bezug auf Wirtschaft und Wohlstand ist ein Vergleich zwischen sozialistischen und kapitalistischen ­Ländern nur dann überhaupt sinnvoll, wenn die Unterschiede und historischen Bedingungen beachtet werden.

Im Westen wurde jedoch zur Norm erhoben, Unvergleichbares zu vergleichen, um immer wieder aufs Neue, in oft infantiler Unterkomplexität, zu demonstrieren, wie überlegen der Kapitalismus gewesen sei. So wurden osteuropäische Länder gegenüber westeuropäischen Ländern, die Sowjetunion gegenüber den USA in Bezug auf das Wohlstandsniveau und den Lebensstandard mit oft arroganter Überlegenheitsattitüde als zurückgeblieben und unproduktiv deklassiert. Aber die in Beziehung gesetzten Regionen hatten sich über Jahrhunderte extrem ungleich entwickelt. Wenn jemand tatsächlich Interesse daran hätte, alternative soziale und ökonomische Wege miteinander in Beziehung zu setzen, sollte er Gesellschaften heranziehen, die ähnliche Voraussetzungen vor dem Kalten Krieg hatten, also zum Beispiel Russland und Brasilien, Bulgarien und Guatemala, die DDR und Griechenland.

Brasilien und Guatemala sind auch deswegen gute und faire Vergleichspunkte, weil sie von den USA lange als Erfolgsgeschichten des Amerikanischen Weges gefeiert wurden. In solchen Gegenüberstellungen schneiden jedoch die realexistierenden sozialistischen Gesellschaften in vielen Bereichen besser ab als die kapitalistischen. Daher stehen solche Vergleiche bei den Intellektuellen, Politikern und Ökonomen in westlichen Gesellschaften weiter unter Tabu. Denn die Schlussfolgerungen könnten eine unangenehme Selbstreflexion über das Wesen des Kapitalismus aus­lösen.13

Diese Reflexion hielt Wagenknecht mit ihrem Hinweis auf die unterschiedlichen geschichtlichen Ausgangspunkte der beiden deutschen Staaten wach. Vor allem deswegen wurde sie zu einem roten Tuch für die tonangebende westdeutsche Intelligenzija.

Menschenfreundlichkeit Ost vs. West