Von tödlicher Magie zum charismatischen Gangster - Gerth Haase - E-Book

Von tödlicher Magie zum charismatischen Gangster E-Book

Gerth Haase

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Beschreibung

Der Schmerz trieb ihn dazu, sich den magischen Kräften einer unbekannten Macht zu bedienen und dem Arzt Schmerzen zuzufügen, der es gewagt hatte einen Verrat an die Gesundheit seiner Frau auszustellen. Mit Hilfe einer Priesterin gelang diese Mission und es sollte nicht nur bei der einen bleiben. Unter Alkoholeinfluß verlor er seine Vorsicht und sprach großspurig mit einem anderen berauschten Gast über die angewandten magischen Kräfte, die ihm eine innere Befriedigung, ein Gefühl der Erleichterung, der Entspannung und des Wohlbefindens bescherte. Ausgerechnet Gangster vernahmen seine dröhnende, für jedermann hörbare Redseligkeit und setzten ihn für ihre eigenen Zwecke ein. Ein Konkurrent sollte ausgeschaltet werden, ein Unterfangen, das zu scheitern drohte. Doch es wurde eine miese Tour gefahren, eine Tour die ihn immer tiefer in den Sumpf der kapitalverbrechenden Taten und hinterhältigen Korruptionen zog. Unter dem schützenden Mantel des Syndikates lernte er, wie man Anleihen vergibt und Zinsen eintreibt; wie man Geld mit Pflichtverletzungen, Mord und Diebstahl erwirbt. Er war zwar nicht der größte Löwe in der Wüste des Lebens, aber er wurde ein Löwe; baute das Geschäft aus, formte es neu und organisierte es auf seine Art. Doch sein ärgster Feind stellte ihm eine Falle, wollte damit einen rivalisierenden Bandenkrieg auslösen, um die Autoritäten untereinander zu schwächen. Das rief nach Vergeltung, nach Denunzierung, nach brechen seiner Macht vor allen seinen Kollegen. Verminte Autos explodierten, Bestechungen folgten und korrupte Beamte sorgten für die Suspendierung, doch dann fing der Krieg erst richtig an.

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Inhaltsverzeichnis:

Das schlimmste ist, einen geliebten Menschen zu verlieren

Magie, ein Phänomen das auf der ganzen Welt bekannt ist

Alkohol löst die Zunge und lässt verborgene Gedanken sprechen

Eine Äußerung des Bosses ist niemals eine Bitte

Wer lügt, hat die Wahrheit wenigstens mal gedacht

Ich wurde zum Rollenspieler eines Gangstersyndikates

Mysteriöse Umstände sorgten für den Tod des Konkurrenten

Wenn du nicht zum Messer greifst wirst du auch nicht akzeptiert

Das einzige Risiko wäre, ein zu früher Tod

Reife hat nur eine Person, die gewinnt unreife eine Person, die verliert

Auf Verrat gibt es nur eine Strafe, den Tod

Explodierende Fahrzeug sind immer als Botschaft zu verstehen

Was andere Männer umhaut, bringt mich nur leicht ins Wanken

Eins der ältesten Geschäfte, ist das Geschäft mit Zahlen

Man kann einen Mann aus der Gosse holen, aber die Gosse niemals aus einem Mann

The Show must go on, die Show beginnt

Die Welt in der wir Leben ist der Zuckerguss obendrauf, aber es gibt noch eine andere Welt darunter

Es gewittert nicht, es blitzt nicht. Ist nicht das richtige Wetter um jemanden zu töten

Aus der Traum

VON TÖDLICHER MAGIE ZUM CHARISMATISCHEN GANGSTER

1. Das schlimmste ist, einen geliebten Menschen zu verlieren

Ich bin der Einsamkeit ausgeliefert, fühle mich hilflos gelähmt, wie ein Opfer; führe ein Leben, das still, ruhig und geschützt ist, geschützt vor Fragen, vor Mitleid und vor schrecklichen Gefühlen. Ich habe mich von der Gesellschaft abgewandt, brauche keine Menschen mehr, keine Bekannten und auch keine Verwandten.

Mein Aktionismus ist verfallen und ich habe gelernt, mich auf mich selber einzustellen, mich einen Nachmittag mit lesen zu beschäftigen, Musik zu hören, spazieren zu gehen oder einfach der Vergangenheit Resümee laufen zu lassen; Selbstgespräche zu führen und die Wände anzustarren, mich in einen meditativen Zustand zu versetzen.

Erinnerungen werden wach an die schönen Stunden, an jeden noch so kleinen Moment des Glücks, an Zufriedenheiten, Gemeinsamkeiten, Freude, an vollkommene Zeiten, doch alles schien vergessen, alles schien wertlos geworden zu sein.

Hier Zuhause sitze ich bereits vor meinem dritten Wodka und spüre, wie der Alkohol meine Gedanken träge macht. Mit kleinen gleichmäßigen Schlucken trinke ich ihn und lasse den Alkohol meine Kehle herunter fließen. Der Wodka füllt meinen Magen mit Wärme, doch mein Herz bleib kalt.

Man fühlt sich betrübt, ist am Boden zerstört, verliert immer wieder eine Träne und man könnte die Welt in Stück reißen. Meinen Tiefpunkt habe ich erreicht und schlimmer kann es nicht werden.

Wut stieg in mir auf. Wut auf Ärzte die ihren hippokratischen Eid, Menschen zu helfen, vergessen hatten, weil ansonsten ihre wertvolle Einnahmequelle versiegen würde. Eine Blutstauung im Gefäßpolster am Darmausgang, das nicht ungestört abfließen kann, wurde bei meiner Frau diagnostiziert. Doch mir schien die Untersuchung zu kläglich und so konsultierten wir weitere Ärzte, bis einer einen unbegründeten Verdacht vermutete und eine Einweisung ins Krankenhaus vorschlug. Dort wurde dann, aufgrund einer Gewebeprobe, Krebs festgestellt. Ein Darmtumor der mit Hilfe von Bestrahlungen und Chemotherapie bekämpft werden sollte.

Im Anschluss an diese Behandlung wurden regelmäßige Computertomographien durchgeführt, um böswillige Gewebenachbildungen frühzeitig zu erkennen. Eine völlig berührungslose und verletzungsfreie Untersuchung. Mittels Röntgenstrahlen werden hier Aufnahmen erstellt, die der Computer anschließend zu einem dreidimensionalen Bild zusammenfasst. Hier kann dann der Arzt nicht nur den gesamten Darm, sondern auch angrenzende Lymphknoten und Nachbarorgane wie die Leber begutachten.

Frei von feindlichen Geschwülsten, wurde jedes Mal ein befriedigend verlaufendes medizinisches Gutachten erstellt.

Mehrmals im Jahr wurden diese kostenaufwendigen Untersuchungen mit einem millionenschweren 16-Zeilen-Multidetektor durchgeführt, der die kleinsten sichtbaren Schwächungen der Körperstruktur erkennen sollte. Ein immenser Kostenaufwand für die Krankenkasse, der aber dem Radiologen ein regelmäßiges Einkommen sichert.

Durch eine Magenbeschwerde wurde eine Bauchsonographie mit einem Ultraschalgerät durchgeführt. Ein Gerät das mit kurzen Schallwellen arbeitet, die durch einen Schallkopf von außen auf die jeweiligen Körperstellen gestrahlt und zurück reflektiert werden. Oft finden diese Geräte ihren Einsatz bei der Schwangerschaftsuntersuchung, da die eingesetzten Schallwellen unschädlich sind. Die Anschaffungskosten eines solchen Gerätes entsprechen dem Bruchteil der Kosten eines CT-Gerätes.

Dann die erschreckende Feststellung des Sonographie-Mediziners: Über die Blutgefäße sind Tochtergeschwülste in die Leber geraten, die sich dort in Form von Metastasen weiter vermehrten. Der Krebsherd im Darm hat gestreut.

Ich dachte in dem Moment an den Radiologen, der gerade drei Wochen zuvor einen Verrat an die Gesundheit begannen hatte. Der Glaube an irgendwelche Dissertationsnehmer ging schlagartig verloren.

Fragen tauchten auf, wozu eine so kostspiele Computertomographie von Nutzen sei, wenn derartige böswillige Gewebebildungen nicht erkannt werden, oder werden derartige Maschinen nur noch von Dilettanten bedient. Jeder Arzt weißt, dass die Leber durch ihre Kapillargefäße einen Blutfilter darstellt und dadurch relativ häufig von Metastasen betroffen wird.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Metastasen in der Leber bereits so weit ausgedehnt waren, dass eine Heilung schlechte Aussichten hätte. Selbst die Entfernung einzelnen Metastasen durch einen Chirurgen oder die Anwendung einer selektiven internen Radiotherapie, wo ein Katheter von der Leistenschlagader in die Leberarterie gelegt wird um dann mehrere Millionen winziger mit Betastrahlen versehenen Kügelchen direkt in den Tumor zu schießen, hätte keine Aussicht auf Erfolg.

Es war wie ein Schlag mitten ins Gesicht, wie eine Streicheleinheit mit einem Baseballschläger, als wenn man Regina Halmich im Ring gegenüberstand.

Es war eine Frage der Zeit, wann meine Frau mich für immer verlassen würde. Doch meine Angst wie sie mich verlassen wird, war furchtbar groß. Wie lange wird sie leiden müssen? Wird sie alles bewusst miterleben? Ich muss mich damit abfinden, doch ich kann nicht. Die blöde Krankheit beschäftigte mich doch mehr, als ich mir anmerken ließ.

Durch die Größenzunahme der Leber entstanden Schmerzen, sogenannte Kapselschmerzen. Schmerzmittel wurden gereicht, in immer größeren Mengen. Gewichtsverlust trat ein, Appetitlosigkeit und zum Schluss, hatte sie auch nichts mehr getrunken. Dann ist sie wie eine Kerze ausgegangen.

Heute bin ich alleine, lese mehr als früher und putze weniger, sitze auf dem Balkon und genieße die Umgebung, bepflanze die Blumenkübel und achte nicht auf das Unkraut. Ich verbringe mehr Zeit mit dem nachdenken wieso und warum, als mit der Arbeit.

Ich bin nicht der netteste Mensch auf der Welt und auch nicht der klügste, doch ich habe diese Frau geliebt. Sie war mein einzig alles, meine große Liebe, meine Seelenverwandte und nun, nun ist sie auf den Güterzug der Verstorbenen aufgesprungen.

Ein Blick in mein Glas verriet mir, es ist leer. Ich mag keine leeren Gläser und so schüttete ich nach. Als ich am Glas nippte, dachte ich daran mir was anzutun. Niemand würde sich dafür interessieren, nicht mal die Eltern meiner Frau, die soundso für ihre Tochter und mich nichts übrig hatten.

Ich habe begriffen, dass das Leben eine Sammlung von Erfahrungen ist, die es nicht unbedingt zu schätzen gilt. Von jetzt an bewahre ich mich davor, einen Arzt zu besuchen und ihm das Geld in den Rachen zu werfen. Ich weiß nicht was ich machen würde, wenn bei mir morgen eine unheilbare Krankheit festgestellt wird. Vielleicht würde ich alte Freunde anrufen, um mich zu versöhnen oder mich für alte Streitigkeiten entschuldigen. Vielleicht gehe ich aber auch noch mal chinesisch Essen, zu dem Lieblingschinesen meiner Frau.

Eigentlich stören mich diese kleinen unerledigten Dinge nicht, wenn ich wüsste dass meine Tage gezählt sind. Verwandtschaft und Bekannte haben sich bereits abgewandt, wer weiß aus welchem Grunde. Selbst die besten "gewissen" Freunde, Menschen die sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnen, Zuneigung und gegenseitige Wertschätzung geben; in Extremsituationen, Krankheiten und wirtschaftlichen Nöten helfen und ihren letzten Cent verleihen würden, haben sich seit dem Todesfall nicht mehr gemeldet.

Meine Frau hätte bestimmt heute noch leben können, wenn Untersuchungen effizienter durchgeführt wären, wenn Ärzte nicht mit Scheuklappen herum laufen würden, wo Weitsicht von Nöten wäre und Augenbinden, wo ein Scharfer Blick jedes Unglück verhindern könnte.

Es ist, als wenn man für die Sicherheit plädiert, aber gegen ein generelles Tempolimit auf deutschen Straßen auftritt, als wenn man von Zivilcourage spricht, aber wegsieht wenn Halbstarke wehrlose Bürger anpöbeln.

Ob Radiologe, praktischer Arzt oder Chirurg, sie alle sorgen dafür, dass der Patient nicht zu schnell gesund wird, da sie sonst ihre wertvolle Einnahmequelle verlieren würden. Gegebenenfalls wird man, mit einem sorgfältig ausbalancierten Sortiment an Pillen, den gewünschten Effekt herbeizuführen. Doch muss man dabei noch mit zusätzlichen unbeabsichtigten Reaktionen rechnen, mit Nebenwirkungen die eine stationäre Behandlung erforderlich macht, beziehungsweise einen bestehenden stationären Aufenthalt zur Verlängerung bringt.

Dem aber vorzubeugen werden dann noch die verschiedensten Medikamente verabreicht, um die Nebenwirkungen für einen kurzen Augenblick außer Kraft zu setzen. Für gebildete Normalsterbliche wird so was auch als Test bezeichnet, ein Verfahren um die Unzulässigkeit eines Produktes festzustellen. Sie lassen sich ganz leicht durchführen, man braucht nur ein Patienten, eine Krankheit, auf den der Test bezogen wird und die Methode, wie ständig wechselnde Pillen. Es ist wie die Prüfung einer Grünpflanze auf Flugtauglichkeit durch bewerfen mit Steinen.

Auch wenn den Ärzten ein Halbgottähnlicher Status verpasst wurde, so sind sie auch nichts anderes als einfache Handwerker mit Diplom. Mit fünfzig Jahre nehmen die Kunstfehler deutlich zu, sodass es für alle Beteiligten besser wäre, wenn der Arzt sich statt im OP lieber auf dem Golfplatz aufhalten würde.

Wieder schenkte ich mir einen Wodka ein und studierte gleichzeitig die Angebote der Tageblätter. Es sind massenhafte Postwurfsendungen, die von den werbetreibenden Wirtschaften finanziert werden und die die Briefkästen ständig überfüllen. Hier werden Waren zu Schnäppchenpreisen angeboten, die man gestern noch für teures Geld kaufen konnte und heute für den halben Preis erhält.

Ganz besonders fiel mir ein Artikel ins Auge, der von Geisterbeschwörer sprach, die mit kleinen Figuren aus Knochen Flüche zelebrieren.

Ein Gedanke nahm von mir Besitz, der mich zu einem unerbittlichen Delinquenten werden lassen könnte, der mich als grenzenloser Imperator darstellt, der etwas Unliebsames als das selbst annimmt, der meine Vorstellungskraft belebt und den Weg ebnen könnte, den der Wind weht.

Wieder schenkte ich mir einen Wodka ein und ließ meine Fantasie freien Lauf. Geheime Trugbilder schwebten vor mir, etwas verrucht, etwas sittenlos, anderseits wieder relativ normal, aber eben nur Fantasien.

Es ist inzwischen spät geworden. Die Dämmerung der Nacht ist eingetreten. Müdigkeit nahm mit immer wiederkehrenden Gähn-Attacken Besitz von mir und versuchte mich zum Schlafen zu verführen. Leicht angeheitert torkelte ich Richtung Schlafzimmer, lies mich aufs Bett fallen und erschöpft fielen mir die Augen zu.

2. Magie, ein Phänomen das auf der ganzen Welt bekannt ist

Es war Sonntag, ein herrlicher Tag. Die Sonne strahlte und ein warmes Sommergefühl stellte sich ein. Ein Tag, wo es sich lohnt die Ostsee zu besuchen. So setzte ich mich in mein Cabrio und fuhr los. Bei geöffnetem Dach fühlt man sich wie im Freien, hört das Vogelgezwitscher und erzeugt Aufmerksamkeit. Licht und Luft, Gerüche und Geräusche dringen zu einem, eine frisch gemähte Wiese kommt nicht pollen-gefiltert über die Klimaanlage, sondern riecht so, als stünde man mittendrin. Cabrio fahren lassen Herzen höher schlagen.

Ich fuhr durch eine Ortschaft, an dessen Bäume und Pfähle links und rechts der Hauptstraße überall Hinweisplakate angebracht waren. Ein Flohmarkt wurde hier besonders angepriesen, sowie ein afrikanischer Kunstmarkt mit original afrikanischen Ritualen, Bräuchen, Riten und Beschwörungen. Kurz entschlossen fuhr ich in die Innenstadt um den Märkten einen Besuch abzustatten.

Derartige Trödelmärkte und Kunsterzeugnisse finden meistens auf Parkplätzen vor großen Baumärkten und Möbelhäusern statt. Die Gebühren zum Aufstellen der Stände werden in Euro pro laufenden Meter berechnet und es ist erstaunlich, wieviel Gegenstände ein erfahrener Flohmarktverkäufer auf einen einzigen Meter unterbringen kann.

Hier wird alles nur Erdenkliche angeboten. Kleidung, Schuhe, CDs, DVDs, Bilder, Bücher, Schallplatten, Schmuck, Geschirr, Möbelstücke, Spielsachen, Stereoanlagen, Fotoapparate und vieles mehr.

Verkäufer sind sowohl Profis die vom Verkauf ihres Ramsches leben, als auch Privatleute die sich lediglich des alten Krams aus ihrer Rumpelkammer entledigen wollen. Dazu gehören sowohl Deutsche, als auch Türken, Polen, Tschechen und Russen.

Schon im Mittelalter war der Markt nicht nur das Zentrum des Lebens, sondern auch der Mittelpunkt des Handelns und Feilschens. Das bunte Treiben diente jedoch nicht nur dem Kauf oder Verkauf, sondern auch dem zwischenmenschlichen Informationsaustausch, dem übermitteln von neuen Nachrichten und erfreute sich so hoher Beliebtheit. Zeitweilig gab es auch Musikanten und Gaukler, die zur Untermalung des Geschehens sorgten. Heute hört man mal höchstens ein Autoradio im Hintergrund, das von den Klaviersonaten Bachs bis hin zu den Nerv tötenden Geräuschen einer Heavy Metal Band alles wiedergibt.

Vorsichtig dränge ich mich durch die vielen schmalen Gänge, lasse mich anrempeln und schieben, mich schubsen und stoßen, versuchte jeden Wiederstand auszuweichen. Ich musste aufpassen nicht zu stolpern, wodurch ich nur den Verkehrsfluss ins Stocken bringen würde.

Immer wieder werden Passanten von Verkäufern angesprochen, die länger als eine Sekunde ihren Blick auf einen Gegenstand fallen lassen, wie zum Beispiel auf ein Römerglas.

»Nur 10 Euro,« spricht er den potenziellen Kunden an und bevor dieser überhaupt reagieren konnte, feuert der Verkäufer gleich hinterher:

»Fünfundzwanzig Euro für alle drei.«

Der Kunde schüttelt mit dem Kopf und sofort geht der Verkäufer in die Offensive:

»Schauen sie, keine Kratzer, keine Risse, reines Kristall, fast wie neu.«

Kaufinteressierte Kunden gehen zum Gegenangriff über, versuchen den Preis durch Aufspüren von Fehlern zu mindern:

»Fassen sie mal mit dem Zeigefinger über den Rand, dann spüren sie leichte Absplitterungen. Mehr als ein Euro zahle ich nicht.«

Jetzt kommt es auf das Verhandlungsgeschick des Käufer und Verkäufers an. Selbst wenn man ein Toaster von zwölf Euro auf ein Euro fünfundsiebzig heruntergehandelt hat oder für das fünfzehn Jahre alte Handy statt hundert Euro nur siebzig Euro bezahlen brauchte, hat man immer den Eindruck, der Verhandlungspartner habe bei dem Preisnachlass ein wenig geschmunzelt.

Ich schlängelte mich weiter durch die Gassen dieser Markstände und lande auf der anderen Seite dieses Flohmarktes, auf den afrikanischen Kunstmarkt.

Es war wie Afrika pur. Überall um mich Frauen, Männer und Kinder mit dunkelbrauner Hautfarbe. Sie sind äußerst friedliche und nette Menschen, vor den man keine Angst haben muss, es sei denn, man trifft sie im Dunkeln und sie lächeln einen an mit ihren schneeweißen Zähnen.

Alle waren spirituell gekleidet mit farbenfrohen Mustern. Boubous und Kaftans mit Butterfly Ärmel in schimmernden Tönen und farblichen Akzenten, Kopfbedeckungen mit bunten Nuancen, bestickte Gürtel und Tuniken. Frauen teils mit langen Wickelröcken, die aus breiten Stoffbahnen bestehen, um die Taille gewickelt werden und deren Ende im Taillenbund verschwindet. Wer sich hier nicht richtig bewegt, läuft die Gefahr, die ganze Pracht zu verlieren. Dazu ein passendes blusenähnliches Oberteil, bunt bedruckt.

Bei dieser Art der Bekleidung spielt es keine Rolle, welcher Anlass gerade besteht; ob es sich um ein romantisches Dinner zu zweit oder um eine coole Party handelt; ob es eine Shopping Tour mit der besten Freundin oder um einen sonnigen Urlaub am Strand handelte. Gerade in der wärmeren Zeit strahlt die bunte Kleidung eine Fröhlichkeit und Lebensfreude aus, die sich auch auf andere Menschen überträgt und eine gute Laune bewirkt.

Ich flaniere an den Ständen vorbei, die neben kreativen Produkten facettenreiche Einblicke in die afrikanische Kultur bieten. Hier gab es Holzschnitzereien, Masken, Schalen und Schüsseln, Körbe, Bilder, Tücher und Schmuck; selbstentworfenen Steinketten, Holzohrringe und Taschen.

Daneben wurden Speisen aus Nord-, West-, Süd- und Ostafrika verkauft, wie Kochbananen, wilder Sesam, Gemüse aus Juteblättern, Huhn mit Erdnusssoße und anderen mannigfaltigen Genüssen.

Einige boten Holz-Schnitzkunstwerke an, Skulpturen, Malereien, Webkunst, Figuren aus Elfenbein, lebensecht wirkende Elefanten, Nashörner, Giraffen und vieles mehr.

Es ist ein Markt, der durch seine Größe und Vielfältigkeit bestach. Hier schlägt das Herz der afrikanischen Bevölkerung höher. Man lässt kaum vermuten, dass Geister und Götter allgegenwärtig sein sollen. Doch im Glauben bestimmen sie maßgeblich das Leben des einzelnen und der Gemeinschaft.

An einem Verkaufsstand blieb ich stehen, beobachte die Frau hinter dem Tisch, wie sie bei einem Büschel Stroh den oberen Teil umbog, sodass ein verdicktes Teil entstand und ihn dann mit einem Draht umwickelte. Dann legte sie ein zweites Büschel mittig quer unter dem verdickten Teil und befestigte es ebenfalls mit Draht. Den unteren Teil bog sie leicht auseinander und band die einzelnen Enden in sich zusammen. Das Büschel Stroh nahm die Form einer Puppe an.

Die Frau bemerkte mein Interesse an ihrer handwerklichen Fähigkeit, unterbrach ihre Arbeit und fragte:

»Kann ich ihnen helfen.«

»Nein eigentlich nicht. Ich bewunderte nur ihre Geschicklichkeit.«

»Ja mit Geschick und Ausdauer kann man sehr schöne Figuren entstehen lassen.«

»Sind das Puppen zur Geisterbeschwörung,« fragte ich neugierig.

»Nein derartige Puppen werden aus anderen Materialien hergestellt, was fester und unbeweglicher ist. Interessieren sie sich für eine Beschwörung?«

»Ach man hört so viel davon und weiß nicht, ob man dem alles Glauben schenken kann.«

»Was haben sie denn so gehört?«

»Naja, dass man mit solchen Puppen bösen Menschen Schmerzen zufügen und Unheil verrichten kann; das man mit den Kräften das Leben anderer beeinflussen und sogar vernichten kann. Stimmt das?«

»Eigentlich ein übertrieben dargestellter Brauch. Im Glauben werden Puppen zur Heilung von Kranken eingesetzt. Hierbei spielt die Konzentration des Heilers eine wichtige Rolle, indem er durch die Berührung der Puppe mit dem Kranken verschmilzt und ihm so zu einer Heilung verhelfen kann.«

»Und das soll funktionieren,« fragte ich.

»Wichtig ist, dass man daran glaubt.«

»Ja und das mit dem Stechen in die Puppe oder das Durchbohren mit Nadeln, ist also reine Fantasie?«

»Es gibt viele Menschen, die diesen Analogiezauber beherrschen, doch muss es nicht unbedingt tödlich sein. Manche schaffen es, ihren verhassten Menschen Scherzen zuzufügen, ohne das die Opfer den Ursprung erahnen. Es gibt aber auch weitere Rituale wie zum Beispiel der Liebeszauber, Pentagramm-Rituale, Prüfungsriten oder magische Amulette wie diese hier.«

Dabei zeigte sie auf eine Frauenfigur aus Elfenbein mit eiförmigem Kopf und auf ein Messingamulett, worauf ein Gesicht zu erkennen war mit besonders langer Nase und geschwollenen Augen. Dann fuhr sie weiter fort:

»Außerdem gibt es noch Heilpasten, wie diese hier; Schönheitscremes hier, sowie Schutzzauber, Flüche und Schwangerschaftsmagie.«

»Wow,« fiel mir dazu nur ein.

Ich war erstaunt. Es gibt ihn also tatsächlich, diesen Glaubens-Kult. Ich dachte darüber nach, mich intensiv mit dem Kult zu beschäftigen, meine Willenskraft und Konzentration zu stärken, mich der Energie einer anderen Bewusstseinsebene zu bedienen, versuchen Einflüsse auf Ereignisse zu nehmen und sie zu verändern. Ich werde mir einen Schutzkreis um meinen Ritualplatz ziehen, an dem ich meditiere und mich von allen Gedanken befreien lassen.

»Wenn sie sich für den Spiritismus interessieren,« unterbrach mich die Frau in meinen Gedankenzügen, »mit anderen Göttern in Verbindung treten wollen, kann ich ihnen helfen, es zu lernen und auch anzuwenden. Ich selbst praktiziere diese Kunst schon seit Jahren. Hier sind zwei von mir geschriebene Bücher.«

Sie hielt mir zwei stark abgegriffenen Publikationen entgegen und sprach weiter:

»Das eine erzählt die Geschichte dieser Religion; dass andere beschreibt die große Zauberkraft, die damit verbunden ist.«

»Es kann nie schaden, sich über andere Bräuche zu informieren,« sprach ich ein wenig apathisch, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass mich das Thema interessieren könnte.

»Sie können in dem einen Buch nachlesen, dass alles was sie mit einer Zauber-Puppe machen auch auf sie zurückkommen wird und das alles was mit der Person passiert mit der sie in Verbindung treten, auch sie spüren werden.«

Ich kaufte die Bücher, ließ zu einpacken und wollte schnellstens nach Hause. Doch dann sprach die Frau noch:

»Sie sehen nicht aus wie ein Mensch, der Freude am Leben gefunden hat. Sie sehen bedrückt, traurig, etwas frustriert aus, als wenn sie sich immer wieder verhasste Marotten und Eigenschaften vor Augen führen. Ich spüre, dass jemand ihnen Schaden zugefügt hatte, dem sie heimleuchten wollen.«

»Ich habe meine Frau verloren, ein sehr schmerzhafter Verlust, den man hätte vermeiden können, wenn Ärzte nicht unter ihrem Scheuklappensyndrom leiden würden.«

»Hass, Abneigung und Verbitterung steckt in ihnen. Doch sie müssen ihren Weg finden, ihre Gefühle auszusprechen und ihnen Raum geben, aber ihnen auch widersprechen können. Vielleicht sollten wir den Dingen auf den Grund gehen, die sie plagen und zweifeln lassen.«

Sie nahm ein Zettel und fing an, ihre Adresse zu notieren.

»Hier ist meine Adresse. Besuchen sie mich. Lesen sie die Bücher und lassen sie uns dann gemeinsam in die Kunst einer ausgleichenden Befreiung eintauchen.«

Verblüfft über das Angebot, stand ich da und schaute die Frau an. Sie hatte etwas an sich, was mit Vertrautheit und Zuversicht einflößte. Sie hatte es geschafft, in so kurzer Zeit, sich in mich hineinzuversetzen, Parallelen zu ziehen und meiner Beschwerlichkeit nachzuempfinden.

»Ich werde sie besuchen, dass verspreche ich ihnen,« sagte ich und ging weiter.

An einem weiteren Stand fiel mein Augenmerk auf eine CD, die das Abbild einer mit Nadeln versehenen Puppe hatte.

»Das ist reine Entspannungsmusik,« sprach der Verkäufer als ich mir die Rückseite der CD ansah und so tat, als wenn ich die Titel verstehen würde.

»Aha,« antwortete ich.

»Es ist eine Musik die nicht nur entspannt, sondern auch gegen physische, emotionale und mentale Erschöpfung vorbeugt. Eine Hintergrundmusik die von Klängen der Congas und aufeinander schlagenden Steinen begleitet wird.«

»Was sind Congas,« fragte ich.

»Das sind hüfthohe, bauchförmige Trommeln, die mit Häuten von afrikanischen Rindern bespannt sind und einen klaren, warmen, hölzernen, unglaublich schönen Klang haben. Noch heute werden sie zu religiösen Anlässen benutzt, wie zum Beispiel zur Opferdarbietungen.«

»Interessant,« sprach ich und entschloss mich eine von diesen CDs zu kaufen.

Danach machte ich mich sofort auf den Weg nach Hause, den es kribbelte mir in den Fingern, die Bücher gierig zu verschlingen, mich mit dem Wissen der weißen und schwarzen Magie vollzustopfen, mich mit der spirituellen Erfahrung zu ernähren.

Zu Hause angekommen fing ich sofort an zu lesen. Währendes fragte ich mich, ob eine Geisterbeschwörung wirklich verletzen kann und ob das so einfach über Gedanken funktioniert. Immerhin sagt man, dass Blicke töten können und schlechte Gedanken bewirken auch nichts Gutes, aber das über jede beliebige Entfernung? Was ist dran an so einer Sache?

Ausführlich studierte ich die Bücher und an manchen Stellen schlich sich ein kühles kribbeln an meinem Nacken empor. Übermäßig unmenschliche und explizit beschriebene Darstellungen fingen an, an meinen Nerven zu kitzeln. Wahnvorstellungen wurden hier zusammengeschustert, die mir die Augen verdrehten, die mir schon fast bedrohlich und finster erschienen. Doch ob die Realität wirklich damit beeinflusst werden kann, lässt sich jedoch nicht erkennen.

Ganz genau wurde die Herstellung und Funktionsweise einer klassischen Beschwörungs-Puppe beschrieben, wie man sie für einen schlecht gesinnten Menschen nachbildet.

Es bedarf einiges an Material. Stock, weiches Material wie Moos, Heu oder Stroh, zum befestigen Schnüre oder Kordeln und zum Umwickeln Stoffstreifen oder lange breite Lederbänder, sowie Knöpfe, Kleber und Draht. Weiterhin benötigt man für ein Ritual einen Pendel, Edelsteine, Kerzen, Hühnerfedern, dicke Stahlnadeln und Räucherwerk.

Ich schrieb alles auf und schon am nächsten Tag besuchte ich einen Kreativmarkt, einen Shop für Bastelbedarf, der sich mit einer unerschöpflichen Auswahl an Materialien anpries.

»Wollen sie eine Zauber-Puppe basteln,« fragte mich die Verkäuferin, als ich ihr meinen Einkaufzettel vorlas.

»Nein,« log ich ihr vor. »Ich will nur für meine kleine Nichte ein Pferd basteln, so wie ich es früher in der Schule gelernt hatte.«

»Warum fertigen sie nicht die Grundform des Pferdes aus einer daumendicken Kordel aus Sisal und Kokos an, den sie dann mit hellem Bast umwickeln. Mit dunklem Bast kann man dann die Mähne locker um den Hals binden und für den Schweif dann den Bast mit einer Stecknadel aufsplittern.«

»Danke für die Information, aber ich habe eine eigene Technik, die ich anwenden will,« erwiderte ich forsch.

»Es war nur ein Vorschlag zur Güte von mir. Ich wollte ihnen keine Unerfahrenheit unterstellen, nur darauf hinweisen, dass es einfachere und günstigere Möglichkeiten gibt derartige Sachen herzustellen.«

»Einen alten Baum sollte man nicht verpflanzen,« erwiderte ich. »Ich gehöre zu den Menschen, die entschlossen sind, sich in ihrem derartigen Zustand so zu halten, wie sie sich am besten zu Recht finden.«

»Ach,« entgegnete mir die Verkäuferin. »Die Welt verändert sich so schnell und es ist schön, den Wandel mit geöffneten Augen zu erleben.«

»Wenn man so jung ist wie sie, dann ist es auch selbstverständlich. Aber wenn man sich erstmal in einem reiferen Alter befindet, dann ist man nicht mehr so aufgeschlossen für großartige Veränderungen.«

Ich ließ meine Sachen in größerer Vielfalt einpacken, fuhr wieder nach Hause und fing an zu basteln.

Ursprünglich haben die Puppen, die zur Beschwörung dienen, einen Kopf aus getrockneten oder gebrannten Ton, doch alternativ kann auch selbsttrocknender Modellierwachs verwendet werden. Es trocknet schnell und ist leicht zu formen. Modellierwachs wird auch für die Abbildung von Prothesen und Bissschablonen beim Zahnarzt verwendet.

In den Unterlagen meiner Frau fand ich einen Flyer der Radiologie mit Abbild der entsprechenden Ärzte. Unter ihnen der Radiologe, der den Verrat an die Gesundheit meiner Frau begannen hatte. Er soll für seine Abtrünnigkeit büßen.

Ganz konzentriert auf den Zweck meines Rituals, fing ich an kreativ einen Körper zu basteln. Dazu nahm ich ein kleines Bund längeres Heu, das ich umbog und beide Enden mit Draht umwickelte, sodass die Form eines Kopfes entstand. Das unterhalb des Kopfes befindliche Heu, spreizte ich in drei Teile auf, wobei zwei schmale Teile die Arme ergaben. Das mittlere wurde zusätzlichen noch mit Heuhalmen versehen und sollte den Körper darstellen. Arme und Körper wurden straff mit den breiten Lederbändern bandagiert, um sie zäher und unbeweglicher zu machen. Die untere Hälfte des Körpers teilte ich nochmals, um Beine erkennen zu lassen. Die äußersten Enden der Arme und Beine hatte ich abgebunden, schnitt das überstehende Heu auf ein bestimmtes Maß zurück und ließ es so als Hände und Füße gelten.

Mit viel Feingefühl schnitt ich das Foto des Radiologen aus und klebte es auf die Vorderseite des Kopfes. Fertig war meine Beschwörungs-Puppe, die mir helfen soll mit schwarzmagischen Kräften, Rache zu üben.

Ich bewunderte das Kunstwerk, das Artefakt, das für meine Bedürfnisse gelungene Meisterwerk. Was ich jetzt brauchte ist ein ruhiger Platz für die Einengung meiner Gedanken, für die Konzentration auf das Geschehen.

Idealer Ort war mein Keller. Es ist ein geräumiger Raum, dunkel, ruhig und vor allem, man kann nicht gehört und gesehen werden. Ich richtete mich ein, nahm meine Werkbank als spirituellen Altar mit Kerzen und Räucherkegeln. In der Mittel lag mein Opfer, daneben dicke lange Tapeziernadeln, solche wie man sie in der Sattlerei zum Bespannen verwendet.

Während aus dem batteriegetriebenen CD-Player die Entspannungsmusik ertönte, versuchte ich mich zu konzentrieren. Dabei zündete ich einige der Räucherkegel an und sogleich strömen mir kräftige Rauchschwaden entgegen. Der Rauch verteilte sich sofort im Raum und ein intensiver Geruch entstand. Es war ein kräftiges Aroma, wie brennender Hanf, mehr ein Moderähnlichen Geruch, ein Geruch nach Pilzen, Muff, Wald, Moos und Bakterien.

Voller Konzentration, sah ich den Arzt wie er sich vor meinen geschlossenen Augen bewegte. Ich sprach:

»Du sollst an der Geldgier ersticken, sollst verzweifelt tiefe Schuld verspüren. Nichts soll dir mehr gelingen, nur noch Verluste, die dich ruinieren. Die Einsamkeit soll dich befallen und dich fertig machen.«

Mit immer noch geschlossenen Augen, nahm ich eine Tapeziernadel und stach auf die Puppe ein. Die Nadel landete in der Bauchgegend. Eigentlich ein schmerzlicher Zustand, wenn man Spielfilmen Glauben schenken kann, wo Opfer nach Messerstichen im Bauch elendig zusammen brechen. Doch solange keine inneren Organe dadurch verletzt werden und das Austreten der Magensäure keine Verätzungen verursacht, besteht eine Überlebungschance.

Auftragsmörder der Mafia jedoch stechen am liebsten von hinten zu, durch die Rippen schräg hinauf in die Lunge. Sie wissen, dass dadurch der Tod geräuschlos und sofort eintritt.

Meine Räucherkegel neigten sich dem Ende zu. Sie haben nur eine Brenndauer von zwanzig Minuten und länger sollte eine Zeremonie auch nicht stattfinden. So plante ich eine Wiederholung für den nächsten Tag.

So saß ich nun jeden Tag an meiner Werkbank, ließ mich von der Musik berauschen und von dem Rauch benebeln. Jedes Mal sprach ich meine Beschwörung heraus, immer wieder die gleichen Worte. Manchmal auch eine Drohung mehr:

»Du sollst an der Geldgier ersticken, sollst verzweifelt tiefe Schuld verspüren. Nichts soll dir mehr gelingen, nur noch Verluste, die dich ruinieren. Die Einsamkeit soll dich befallen und dich fertig machen. Ein Unfall wirst du haben, wirst leiden müssen und mein Gewissen wird sich beruhigen.«

Jedes Mal fühlte ich eine innere Befriedigung, eine Gefühl der Erleichterung, der Entspannung und des Wohlbefindens. Mein Leben fing an weniger kompliziert und belastend zu wirken. Doch, es wird nie eine Welt im Einklang geben. Es wird immer Ärzte geben, die nach Macht streben und es wird immer wieder Ärzte geben, die ihre Macht dominieren.

Voller Enthusiasmus rief ich in der Radiologie an, ließ mich mit dem entsprechenden Arzt verbinden und als ich seine Stimme hörte, hängte ich sofort wieder ein. Er schien so, als wenn er sich bester Gesundheit fühlte.

Ungeduld machte sich breit, keinen Erfolg zu verspüren. Warum geht sowas nicht schneller von der Hand? Das kann doch nicht so kompliziert und langwierig sein? Meine Geduld wird auf eine harte Probe gestellt, doch wie heißt es so schön: gut Ding will Weile haben.

Meine Ungeduld verlangt das Unmögliche, will das Ziel so schnell wie möglich heranziehen. Plötzlich fiel mir die Frau vom afrikanischen Kunstmarkt ein, die mir helfen wollte, in die Kunst einer ausgleichenden Befreiung einzutauchen, wie sie es nannte.

So suchte ich nach der Adresse, die sie mir gab und entschloss mich, sie zu besuchen.

Sie wohnte außerhalb der Stadt in einem kleinen Dorf auf einem Bauernhof. Er bestand aus einem alten Wohnhaus mit einer starken Sanierungsbedürftigen Scheune und einer Wasserversorgung, die über einem eigenen Brunnen gesichert wurde.

»Ich wusste, dass sie kommen würden. Allerdings hatte ich sie schon früher erwartet,« begrüßte sie mich.

Wir gingen in die Küche, eine typische Bauernküche, sehr geräumig. In der Mitte ein Tisch mit vier Stühlen, rechts in der Ecke eine Sofa. Daneben auf einem Bord, ein Röhrenradio mit magischem Auge und beleuchteter Skala. Gegenüber die Kochzeile mit Nirosta-Spüle, Gasherd und einen Küchenschrank mit Glastüren, die mit Omas Spitzenborte malerisch die Scheiben dekorierten.

»Nehmen sie Platz und erzählen sie mir von ihren Versuchen, sich mit übersinnlichen Kräften zu vereinen.«

»Woher wissen sie davon?«

»Einige sind der Meinung, ich sei ein Magier, andere wiederum bezeichnen mich als Hexe. Doch darüber hinaus verfüge ich über die Fähigkeiten vergangene, zukünftige und gegenwärtige an einem anderen Ort geschehende Ereignisse wahrzunehmen und zu verstehen.«

»Dann wissen sie was mich bedrückt?«

»Sie sind mit einer Reuelosigkeit belastet, den Tod ihrer Frau zu ahnden. Doch erzählen sie mir die Geschichte von Anfang an.«

Ich berichtete über den feinfühligsten und liebevollsten Menschen auf der Welt, den es für mich gab; von ihrem Lächeln, das die Sonne in mein Herz zauberte; der Blick, der zeigte, dass sie mich liebte, die Geste, willkommen und vertraut; die Hand auf der Schulter, um zu zeigen, dass man nicht alleine ist; ein gesprochenes Wort, liebevoll und doch voller Ehrlichkeit; auch mal zu schweigen, vereint mit dem Wissen, dass Worte gerade überflüssig sind; sie zu umarmen, was aussagt: Ich bin immer für dich da.

Dann die traurige Nachricht, sie nicht mehr retten zu können, weil Ärzte unter dem Scheuklappen-Syndrom leiden, nur vorgegebene Wege und Handlungen zu folgen und grundlegende Gedanken dabei nicht infrage zu stellen, einfach alles auszublenden.

»Ich verstehe sie,« sprach die Frau zu mir, als ich mit einer Schilderung am Ende war.

»Es war keine einfache Entscheidung, mich ihnen anzuvertrauen.«

»Ich weiß,« sprach die Frau. »Doch dann hat die Neugier über ihre Berührungsängste gesiegt und sie kamen hierher.«

Sie schien eine weise Frau zu sein, mit einer abnormen Menschenkenntnis. Sie erkennt sofort wie ihr Gegenüber tickt, durchschaut die Strategien und Taktiken und agiert entsprechend.

»Magische Kräfte können gefährlich werden,« sprach sie weiter. »Ursprünglich wurde diese Fähigkeit ausschließlich von Priestern eingesetzt. Heute werden die Naturkräfte von Hexen und Zauberer auch für schwarzmagische Rituale benutzt. So verfallen immer mehr Hexer der Lust dieser Macht. Sie mindern und zerstören die Lebenskraft ihrer Mitmenschen und verbreiten Schrecken um des Schreckens willen. Durch die schwarze Magie sind sie im Stande jegliche Lebensenergie aus einem Menschen herauszuziehen. Ihnen wird dann eine Droge verabreicht, woraufhin sie als Scheintote begraben werden. Nach drei Tagen werden sie heimlich wieder ausgegraben. Ein Gegenmittel holt sie dann wieder in die Realität zurück. Doch das Gegenmittel enthält eine Substanz, die einen irreparablen Hirnschaden verursacht sodass sie als lebender Leichnam herumlaufen und als willenlose Sklaven missbraucht werden können.«

»Wow, was für eine Macht.«

»Wenn sie bereit sind, sollten wir damit beginnen, zu versuchen uns mit den manifestierten Göttern zu vereinbaren. Haben sie ein Bild oder was anderes von dem Betroffenen?«

»In einen der Bücher habe ich gelesen, dass man einige Gegenstände für so ein Ritual benötigt. Ich hab hier einige Sachen gekauft: eine CD mit ritueller Musik, Räucherkegel, Kerzen, Nadeln und eine symbolisierte selbstgefertigte Puppe mit dem Bild des Opfers.«

Die Frau schaute sich die Utensilien an und schmunzelte ein wenig. Dabei nahm sie die Puppe und die Nadeln und sprach:

»Komm, gehen wir.«

»Wohin,« fragte ich.

»Zu einem Ort, wo wir ungestört meditieren und wir uns unseren Wünschen stellen können. Wichtig ist, dass sie mit ganzem Herzen und konzentriert dabei sind. Halbherzig ausgeführte Magie ist wirkungslos, denn es geht um den festen Wunsch bestimmte Dinge im Leben zu beeinflussen.«

Wir gingen in der Scheune. Hinter einer Wand aus Heuballen versteckt, die Meditationsstätte, der Platz der Besinnung. Im Mittelpunkt ein Zirkel in dessen Umlauf wechselseitig Kerzen und Räuchermaterialien standen. In der Mitte ein Schemel ähnliches Gebilde, bedeckt mit einer Decke, der Altar. Um ihn herum geweihte Kultgegenstände.

Sie legte die Puppe und Nadeln auf den Altar und zündete die Kerzen und auch die Räucherware an. Dann kniete sie sich vor dem Altar nieder, schloss die Augen und verneigte sich. Ich tat das gleiche, kauerte neben ihr, verneigte mich und fing an, meinen Geist leer zu machen, Freiraum für meine Beschwörung zu schaffen, mich intensiv mit meiner Aufgabe zu beschäftigen.

Für die Konzentration war es wichtig, die verschiedensten Sinneskanäle zu aktivieren. Eine Erfahrung, die zu den stärksten und eindrucksvollsten Gefühlen gehört, zu dem man fähig ist.

Jeden Tag besuchte ich sie in den Abendstunden, lernte wie man die Aufmerksamkeit auf einen einzigen Punkt lenkt und wie man sich aus der gegenwärtigen Welt zurückzieht. Beschwörung, Magie, Zauberei – ein Phänomen das auf der ganzen Welt bekannt ist und vor dem man sich eigentlich fürchten sollte.

Jedes Mal fühlte ich eine innere Befriedigung, eine Gefühl der Erleichterung, der Entspannung und des Wohlbefindens. Mein Leben fing an weniger kompliziert und belastend zu wirken. Glasscherben, die sich einst in meinen Kopf einnisteten, ließen sich so langsam wieder zusammen fügen.

Eines Tages bat mich die Priesterin, dass ich am späten Abend zu ihr kommen sollte.

»In einer Vollmondnacht,« sprach sie, »ist eine Beschwörung besonders wirksam. Heute ist der Zeitpunkt gekommen, wo sie alleine auf sich angewiesen sind.«

Selbständig führte ich meine Zeremonie durch, saß im Zirkel und rief die Vermittler des großen Schöpfers. Ich verspürte die Verschmelzung und gerate von einer Sekunde auf die andere in eine andere Welt. Eine Welt voll missverständlicher Symbole.

Vor mir lagen zwei mit magischen Kräften geweihte Steine. Ich nahm sie, führte die zu Munde, berührte die Lippen und fing an, meine Beschwörung zu formulieren:

»Du sollst an der Geldgier ersticken, sollst verzweifelt tiefe Schuld verspüren. Nichts soll dir mehr gelingen, nur noch Verluste, die dich ruinieren. Die Einsamkeit soll dich befallen und dich fertig machen. Ein Unfall wirst du haben, wirst leiden müssen und mein Gewissen wird sich beruhigen.«

Durch die beiden besprochenen Steine, kommunizierte ich direkt mit dem Orakel, mit dem Schicksal, mit den Göttern die mir helfen sollen, Vergeltung zu üben.

In Ekstase trat ich aus dem eigenen Selbst heraus, wurde innerlich leer und sehe, wie eine Gestalt meinen Platz einnahm und von mir Besitz ergriff. Geführt von einer unsichtbaren Macht nahm ich die Puppe in die eine Hand und eine Nadel in die anderen.

Auf dem Gipfel des Rausches, dem Höhepunkt des Wahns, der Verzückung und der Erregung stach ich mit der Nadel zu, bohrte sie tief in die Bauchhöhle ein und spürte zugleich einen leichten Stich unterhalb meines Rippenbogens.

Wieder rief ich die Vermittler, verschmelze mit ihnen und lasse meine mentale Energie verstärkt fließen. Meine Handlungsweise wird von der schamanischen Übersinnlichkeit bestimmt. Ich hebe den Kopf, wiederhole meine Bitte und steche wieder mit einer Nadel auf die Puppe ein. Wie ein elektrischer Stromschlag durchzog sich ein kaltes Kribbeln und Zucken durch meinen Körper.

Geschwächt fiel ich in mich zusammen, war kraftlos, erschöpft und total ermattet.

Nach einigen Minuten der Besinnung, trat ich aus meinen geistigen, seelischen und physischen Erschöpfungszustand wieder hervor.

»Sie haben es gelernt, mit der Macht umzugehen. Jetzt brauchen sie meine Hilfe nicht mehr,« sprach die Priesterin zu mir. »Nehmen sie die Steine als ein Zeichen meiner Ehrerbietung. Kosmische Urgewalten ließen sie entstehen, die vier Elemente Wasser, Erde, Luft und Feuer haben sie geprägt und energetische Strahlungen verleihen ihnen magische Kräfte.«

Ich fuhr danach nach Hause um mich auszuruhen.

3. Alkohol löst die Zunge und lässt verborgene Gedanken sprechen

Drei Tage später las ich einen Artikel in der Zeitung, der mich ein wenig überraschte:

Ein mysteriöser Unfall beschäftigt die Kriminalpolizei. In den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages, wurde ein Fußgänger auf das Stöhnen eines Schwerverletzter in einem Gebüsch aufmerksam. Es handelt sich um einen fünfzig Jahre alten Mann, der mehrere Stichverletzungen aufwies. Notarzt und Rettungswagen brachten ihn sofort in ein Krankenhaus. Trotz Notoperation schwebt der Mann weiterhin in Lebensgefahr. Die bisherigen Ermittlungen ergaben, dass es sich um einen Arzt der hiesigen Radiologie handelt, der auf dem Heimweg war.

Es kann kein Zufall sein, dass wäre einfach zu schön um wahr zu sein, dachte ich mir. Es ist der Tag gekommen, der mir bestätigt, dass es diese Magie wirklich gibt. Abermals las ich den Artikel durch, zitierte ihn lautstark:

Wie ein Sprecher der Polizei weiter berichtete, geht man nicht von einem Raubüberfall aus, da Bargeld und Kreditkarten noch vorhanden waren. Auch schließt man eine handgreifliche Auseinandersetzung aus, da keinerlei Anzeichen eines Kampfes vorhanden waren. Vielmehr geht die Staatsanwaltschaft nach den bisher vorliegenden Umständen davon aus, dass es sich um einen Tötungsvorsatz handelte, der mit äußerster Raffinesse durchgeführt wurde. Vom Täter fehlt jegliche Spur.

Die Polizei bitte um sachdienliche Hinweise. Ganz besonders interessant sind Zeugen, die Angaben darüber machen können, wie sich der Vorfall zugetragen haben könnte, da das Opfer sich an nichts erinnern kann.

In mir machte sich merklich ein Frieden breit, den ich in der Art und Weise noch nie gespürt hatte. Ein Frieden, der jeden Hass und alle Wut in einem verpuffen lässt. Der Dankbarkeit, Anerkennung, Verbundenheit und Leichtigkeit verspüren lässt; Unbeschwertheit, Ausgeglichenheit und Glück bewirkte.

Ich nahm die Zeitung, setzte mich ins Auto und fuhr zur Priesterin hin. Auf dem Bauernhof angekommen spürte ich eine Ausdruckslosigkeit in mir. Es kam mir hier plötzlich alles so fremd vor, so beziehungslos exotisch. Ich ging auf das Wohnhaus zu, klopfte zunächst etwas zaghaft gegen die Tür, dann etwas heftiger und schließlich mit der Faust, doch niemand öffnete.

So ging ich in den Schuppen und stand da in einem riesigen leeren Raum. Es waren keine Heuballen zu sehen, die aufgestapelt den Meditationszirkel abgrenzte; keine Anzeichen, dass kurzfristig überhaupt jemand hier war. Ich stellte mich auf die Stelle, die Mal als Platz der Besinnung galt, an dem ich kniete und meine Wünsche äußerte, doch auch hier keine Merkmale des da gewesen seins.

Mein Blick wanderte quer durch den Raum, an den Durchbrüchen vorbei, in denen sich mal gusseiserne Fenster befanden. Es sind historische Bauteile, die jedes Trödlerherz erfreut und die dann im restaurierten Zustand teuer an den Mann gebracht werden. Das Gebäude allgemein befindet sich in einem sehr maroden Zustand. Das Dach ist undicht, viele Ziegel fehlen und lassen so Sonnenschein und Regen durchfluten.

Ich verlasse das Gebäude, gehe zurück zum Wohnhaus und versuche durch die Fensterscheiben, die Innenräume einzusehen. Sie sehen leer aus, nur in der Küche stand der Tisch mit vier Stühlen und dem Sofa.