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Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. »Ich mache mir Sorgen um Helmut«, sagte Andrea von Lehn an einem regnerischen Sommerabend zu ihrem Mann. Dr. Hans-Joachim von Lehn, Tierarzt in Bachenau, nahm seine junge Frau in die Arme und küsste sie verliebt und zärtlich. »Mit unserer Marianne und Helmut Koster wäre es wohl nichts?«, fragte er vergnügt. »Er muss sich doch über Betti nach und nach hinwegtrösten, wenn er ein richtiger Mann ist.« Helmut Koster war der Tierpfleger, dem die vierbeinigen und gefiederten Bewohner des Tierheims Waldi & Co. anvertraut waren. Andrea, genau wie ihr Mann ein Tierliebhaber reinsten Wassers, hatte dieses Tierheim gegründet. Waldi, ihr Dackel, war Chef und Namenspatron des Heims. Augenblicklich lag er einträchtig mit seiner Familie, die aus seiner Gattin und zwei Kindern bestand, auf einem Kissen im Wohnzimmer, während die mächtige schwarze Dogge Severin, Andreas ständiger Begleiter, auf einem alten Teppich ihren Stammplatz hatte und die Szene wie immer mit klugen, wachsamen Augen überschaute. »Marianne und Helmut passen nicht zusammen«, erwiderte Andrea jetzt und schob ihren Mann ein wenig von sich. »Ich sehe, du nimmst die Sache wieder einmal auf die leichte Schulter. Wir können schließlich nicht erwarten, dass unser tüchtiger Tierpfleger sich automatisch in jedes unserer Hausmädchen verliebt. Die Sache mit Betti war eine Enttäuschung für ihn, obwohl ich meine, dass es so und nicht anders kommen musste. Betti hat ein echtes Glück gefunden, und unser guter Helmut ist nun einmal im Grunde eine unstete Natur. Das Zirkusblut lässt sich auf die Dauer nicht verleugnen.« Dr.
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Seitenzahl: 146
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»Ich mache mir Sorgen um Helmut«, sagte Andrea von Lehn an einem regnerischen Sommerabend zu ihrem Mann.
Dr. Hans-Joachim von Lehn, Tierarzt in Bachenau, nahm seine junge Frau in die Arme und küsste sie verliebt und zärtlich.
»Mit unserer Marianne und Helmut Koster wäre es wohl nichts?«, fragte er vergnügt. »Er muss sich doch über Betti nach und nach hinwegtrösten, wenn er ein richtiger Mann ist.«
Helmut Koster war der Tierpfleger, dem die vierbeinigen und gefiederten Bewohner des Tierheims Waldi & Co. anvertraut waren. Andrea, genau wie ihr Mann ein Tierliebhaber reinsten Wassers, hatte dieses Tierheim gegründet. Waldi, ihr Dackel, war Chef und Namenspatron des Heims. Augenblicklich lag er einträchtig mit seiner Familie, die aus seiner Gattin und zwei Kindern bestand, auf einem Kissen im Wohnzimmer, während die mächtige schwarze Dogge Severin, Andreas ständiger Begleiter, auf einem alten Teppich ihren Stammplatz hatte und die Szene wie immer mit klugen, wachsamen Augen überschaute.
»Marianne und Helmut passen nicht zusammen«, erwiderte Andrea jetzt und schob ihren Mann ein wenig von sich. »Ich sehe, du nimmst die Sache wieder einmal auf die leichte Schulter. Wir können schließlich nicht erwarten, dass unser tüchtiger Tierpfleger sich automatisch in jedes unserer Hausmädchen verliebt. Die Sache mit Betti war eine Enttäuschung für ihn, obwohl ich meine, dass es so und nicht anders kommen musste. Betti hat ein echtes Glück gefunden, und unser guter Helmut ist nun einmal im Grunde eine unstete Natur. Das Zirkusblut lässt sich auf die Dauer nicht verleugnen.«
Dr. von Lehn betrachtete seine bildhübsche Frau, die er von der Schulbank weg geheiratet hatte, mit amüsierten Blicken. »Machst du dir nicht wieder einmal zu viele Gedanken? Du musst dich immer um irgendetwas oder irgendjemanden kümmern, sonst bist du nicht zufrieden. Wenn es kein verlassener Hund, kein schlecht behandeltes Kind ist, dann nimmst du sogar unseren Helmut aufs Korn. Er hat doch hier bei uns im Tierheim einen halben Zirkus.«
Andrea nickte, ohne auf den scherzhaften Ton ihres Mannes einzugehen. »Stimmt, er macht aus unserem Tierasyl eine Art Zirkus. Ich habe gestern gesehen, wie er die junge Schimpansin Luja auf Isabells Schultern reiten ließ. Isabell, die sowieso als Tanzbärin ausgebildet war, besann sich in rührender Weise auf das, was sie früher einmal gelernt hat. Auch mit den Bärenjungen Taps und Tölpl hat Helmut schon allerlei Kunststückchen versucht. Er bemühte sich, seine Spielereien vor mir zu verbergen. Aber ich bin zu oft drüben im Tierheim. Da bleibt es nicht aus, dass ich ihn gelegentlich bei seinen heimlichen Dressurversuchen überrasche. Luja scheint übrigens sehr anstellig zu sein. Schimpansen sind leicht abzurichten, wie du wissen wirst.«
»Na gut, Andrea, dann spielt er eben mit den Tieren ein bisschen Zirkus. Das richtet sicherlich keinen Schaden an. Ein Grund zur Sorge ist das jedoch nicht.«
»Doch, Hans-Joachim, Helmut hat Sehnsucht nach seiner früheren Umgebung. Wer vom Zirkus und vom fahrenden Volk kommt, findet sich im Allgemeinen mit einem sesshaften Dasein auf die Dauer nicht ab. Ich sehe schon, dass unser Helmut Koster nicht für alle Ewigkeit bei uns bleibt. Ob er damit für sich persönlich einen besseren Tausch macht, bleibt zu bezweifeln. Jedenfalls richte ich mich innerlich darauf ein, dass wir ihn über kurz oder lang verlieren werden.«
»Siehst du nicht ein bisschen zu schwarz? Er hat seine abgeschlossene Wohnung, die zum Tierheim gehört, seine ihm vertraute Beschäftigung mit Tieren und sogar die Möglichkeit, insgeheim ein bisschen Zirkus mit den Tieren zu spielen.«
»Zirkusluft weht bei uns nicht, Hans-Joachim. Wenn man ein paar Tieren Kunststückchen beibringt, will man auch den Beifall des Publikums haben, von einem Ort zum anderen ziehen und seine Künste immer wieder neuen Menschen zeigen. Nur für sich allein übt Helmut mit den Bären und der kleinen Schimpansin bestimmt nicht. Er träumt vom Zirkuszelt, von Zirkusmusik und von allem, was zum Zirkus gehört. Darauf möchte ich wetten.«
»Wenn du recht hast, wäre es freilich bedauerlich aber es gibt eine alte Regel, nach der man Reisende weder aufhalten kann, noch soll. Wir müssen den Dingen erst einmal ihren Lauf lassen, Andrea.«
»Ich würde natürlich auch ohne Helmuts Hilfe fertig werden, nachdem ich jetzt Marianne im Haus habe. Trotzdem verliere ich diesen zuverlässigen, tierliebenden Mann ungern, sofern er einer ungewissen Zukunft entgegengeht. Es ist schwer zu entscheiden, was man ihm wünschen soll«, seufzte Andrea.
»Du nimmst die Sache viel zu ernst«, wandte ihr Mann ein und schloss sie wieder in die Arme, was sie jetzt gern geschehen ließ, denn sie war müde und liebte ihren Mann über alles. »Falls Helmut nicht bei uns bleiben will, wird er hoffentlich den Mut haben, offen mit uns zu reden.«
»Er verdankt uns viel. Vielleicht ist es ihm peinlich, dass er uns verlassen möchte. Ich werde jedenfalls die Augen offen halten.«
»Aber heute Abend nicht mehr, Andrea. Dazu sind wir beide viel zu lang aufgeblieben. Jetzt wird geschlafen. Oder hast du dagegen etwas einzuwenden? Ich hoffe nicht, dass du mit offenen Augen schlafen willst, nur um Helmut Koster zu behüten und zu beschützen.«
Andrea lachte. »Du nimmst mich nie ganz ernst, Hans-Joachim. In deinen Augen bleibe ich für immer und ewig das kleine Schulmädchen, das sich in dich verliebt hatte. Inzwischen bin ich eine würdige Ehefrau und Mutter geworden. Ab und zu scheint es dringend erforderlich zu sein, dass ich dir das in Erinnerung bringe.«
»Sei doch froh, dass du so herrlich jung bist, Andrea. Wenn wir einmal Silberhochzeit feiern und ich dich dann immer noch wie eine Schülerin behandle, dann darfst du dich beklagen. Früher nicht.«
Hans-Joachim stand auf und hob Andrea hoch in die Luft, denn sie war federleicht, und er verfügte über beachtliche Kräfte.
»Lass mich sofort herunter«, prustete sie. »Ein kleines bisschen Respekt kann ich doch wenigstens verlangen. Wenn das Marianne sieht oder Helmut Koster!«
»Marianne schläft, und auch Helmut Koster träumt wahrscheinlich längst von den goldenen Zeiten, als er noch im Zirkus war.« Immerhin ließ Hans-Joachim seine Frau nun wieder auf den sicheren Boden herab.
»Du bist ein unverbesserlicher Mensch«, schalt Andrea lachend. »Aber wenn du mich am Tag unserer Silberhochzeit noch so hochheben kannst, bekommst du eine Belohnung.«
»Was für eine Belohnung?«, erkundigte er sich interessiert.
»Ich habe ja noch ein paar Jahre Zeit, um mir das zu überlegen«, erwiderte Andrea vergnügt.
Hand in Hand gingen die beiden ins Kinderzimmer, wo ihr kleiner Sohn Peter mit rosigen Wangen in seinem Bettchen schlief, nicht weniger als vier verschiedene Plüschtiere auf dem Kopfkissen.
»Er wird einmal ein hervorragender Tierarzt«, flüsterte Hans-Joachim schmunzelnd. »Ist ja auch in Ordnung, wenn die Praxis weiterhin in der Familie bleibt«, fügte er hinzu, denn auch er hatte die Nachfolge seines Vaters angetreten.
»Pst«, warnte Andrea und zog behutsam die Bettdecke über dem kleinen Jungen gerade. »Du weckst ihn ja auf.«
Nun endlich suchten sie ihr Schlafzimmer auf. Hans-Joachim ging ein letztes Mal durchs Haus und überzeugte sich, dass alle Fenster geschlossen und die Lampen ausgeschaltet waren. Endlich erlosch auch das letzte Licht im Doktorhaus, und Hans-Joachim nahm seine geliebte Frau in die Arme.
*
Denise von Schoenecker lachte, als sie in ihren Wagen einsteigen wollte, der vor dem Portal des Kinderheims Sophienlust abgestellt war.
»Willst du etwa auch mit, Nick?«, fragte sie ihren langaufgeschossenen Sohn Dominik, der neben der geöffneten Autotür auf sie wartete.
»Klar, ich sitze vorn und alle anderen hinten. Es geht wunderbar, Mutter«, antwortete der Gymnasiast zuversichtlich.
Auf den Rücksitz drängten sich Henrik von Schoenecker und Pünktchen. Nicks besondere Freundin, sowie Angelika und Vicki Langenbach zusammen. Angelika hatte zu allem Überfluss noch die kleine Heidi Holsten, Nesthäkchen des Kinderheims, auf dem Schoß.
»Tante Andrea hat Apfelkuchen gebacken, und wir sollen alle kommen«, verkündete Pünktchen mit heller Stimme. »Es ist ja auch keine weite Fahrt bis nach Bachenau.«
»Und wir wiegen alle zusammen nicht viel«, fügte Nick hinzu, der gewissenhaft überschlagen hatte, ob der Wagen seiner Mutter auch nicht überlastet war.
»Na gut, wenn es euch da hinten nicht zu ungemütlich wird, bin ich einverstanden«, entschied Denise von Schoenecker. Sie blinzelte ihrem großen Jungen zu, der ihr die Wagentür hielt und diese dann höflich hinter ihr schloss, ehe er sich neben sie setzte.
Bereits nach kurzer Zeit erreichte die fröhliche Fuhre das Anwesen des Tierarztes. Andrea von Lehn, die ihr Söhnchen an der Hand führte und wie immer von ihren Hunden umringt war, wartete schon am Einfahrtstor auf ihre Gäste.
»Da seid ihr ja«, begrüßte sie sie. »Mehr gingen wohl beim besten Willen nicht ins Auto, Mutti?«
Denise stieg aus und umarmte Tochter und Enkelchen gleichzeitig. Sie wirkte für eine Großmutter reichlich jugendlich. In ihrem schönen dunklen Haar gab es noch kein einziges graues Härchen, und ihre Taille war so schlank wie die eines jungen Mädchens. Ihren raschen graziösen Bewegungen war anzumerken, dass sie früher Tänzerin gewesen war.
Denise von Schoenecker, die nicht Andreas leibliche Mutter war, hatte nach dem Tod von Nicks Vater in zweiter Ehe den gleichfalls verwitweten Alexander von Schoenecker, Gutsherrn auf Schoeneich, geheiratet. Henrik, der an diesem Tag mit von der Partie war, entstammte dieser zweiten, überaus glücklichen Ehe. Kein Wunder, dass Denise für eine echte Großmutter noch zu jung wirkte, was jedoch ihrer innigen Liebe zu Andreas kleinem Sohn nicht den geringsten Abbruch tat. Andrea aber liebte Denise wie eine richtige Mutter.
»Ich wollte eigentlich nicht so viele Kinder mitnehmen, aber sie saßen schon im Wagen, und Nick behauptete, er sei noch nicht überladen«, meinte Denise und hob Peterle hoch in die Luft, was diesen zu einem Jubelruf veranlasste.
»Wollt ihr gleich Kuchen und Kakao haben oder erst ins Tierheim gehen?«, fragte Andrea.
»Erst Kuchen«, entschied Henrik und leckte sich die Lippen. »Sonst isst ihn vielleicht ein anderer auf. Man kann nie wissen.«
Alle lachten. Marianne Weber, das sympathische junge Mädchen, das der jungen Hausfrau seit einiger Zeit tatkräftig zur Hand ging, hatte den Tisch im Wintergarten gedeckt. Sie begrüßte die Kinder einzeln und mit Handschlag, denn genau wie ihre inzwischen glücklich verheiratete Vorgängerin Betti, wurde Marianne mit zur Familie gerechnet.
Der Apfelkuchen war prächtig gelungen. Auf dem dünnen lockeren Teig, lagen viele Apfelstückchen mit Rosinen und Mandeln. Selbstverständlich gab es eine große Schüssel Sahne dazu, und die Kinder tranken ungezählte Tassen köstlichen Kakao, während die beiden Damen und Dr. von Lehn, der für ein Viertelstündchen aus seiner Praxis herüberkam, Tee nahmen.
Die vier Dackel waren laut und aufgeregt, während Severin seine Würde auch angesichts der vielen Kinder, die ihm ihre Zärtlichkeit beweisen wollten, nicht vergaß. Munko, ein schöner Schäferhund, der früher einmal bei der Polizei gewesen war und sich deshalb sehr wichtig vorkam, tat wieder einmal so, als müsste er die Aufsicht führen.
Nach dem Kuchenschmaus wurde es etwas ruhiger. Die Kinder gingen nun sofort ins Tierheim. Zwischen »Waldi & Co., dem Heim der glücklichen Tiere«, und Sophienlust, von seinen jungen Bewohnern »das Haus der glücklichen Kinder« genannt, bestand eine enge Beziehung. Über dem Eingang zum Tierheim prangte ein herrliches Schild, das den Namen des Heims nannte. Die Kinder hatten es zusammen mit ihrem Hauslehrer angefertigt. So manches kranke oder verletzte Tier hatte hier bereits Unterkunft gefunden, war sachkundig gesundgepflegt worden und erhielt nun weiterhin Kost und Logis.
Da gab es das Reh Bambi, das schon sehr lange da war und im Laufe der Zeit zahm und zutraulich geworden war. Der Esel Fridolin stammte aus Italien und hätte dort bereits geschlachtet werden sollen. Ein Kind hatte ihn seinerzeit mit Andrea von Lehns Hilfe ins Tierheim gebracht. Fridolin war ein lustiger Bursche. Er hatte oft Streiche im Sinn und war deshalb bei den Kindern besonders beliebt. Sie ritten gern auf ihm, selbst auf die Gefahr hin, dass er plötzlich bockte und sie selbst im Sand landeten.
Außer der Schimpansin Luja gab es den kleinen Schimpansen Mogli, der erst seit kurzer Zeit im Heim war. Er war in mühevoller Arbeit mit der Flasche großgezogen worden und stammte aus einem Privatzoo. Zwei Kinder, die vorübergehend in Sophienlust gelebt hatten, hatten ihn im Tierheim zurückgelassen.
Außerdem gab es die Bärin Isabell mit den Jungbären Taps und Tölpl sowie verschiedene andere Tiere. Für die Kinder aus Sophienlust war ein Besuch bei Tante Andrea und im Tierheim immer ein besonderes Erlebnis.
»Heute habe ich eine Überraschung für euch«, versprach Helmut Koster. Zum ersten Mal war er bereit, die Kunststückchen, die er Luja und den Bären in mühevoller Kleinarbeit beigebracht hatte, vorzuführen.
Luja ritt zuerst auf Fridolin, und der brave alte Esel unternahm keinen einzigen Versuch, die kleine mutige Reiterin, die ein rotes Jäckchen trug, abzuwerfen.
»Woher hast du das Jäckchen?«, fragte Angelika verwundert. »Es passt Luja ganz genau.«
»Marianne hatte es genäht. Ich habe den Stoff selber in Maibach eingekauft, weil sie natürlich nicht genau wissen kann, aus welchem Material so ein Zirkusjäckchen genäht sein muss.« Helmut Koster war sehr stolz, und tatsächlich war es ein prachtvolles Reitjäckchen geworden, mit Goldbesatz und herrlichen blanken Messingknöpfen.
»Ihr solltet sehen, wie eitel Luja sich darin im Spiegel anschaut«, sagte die tier- und kinderliebende Marianne, die sich den Kindern angeschlossen hatte, lachend. »Man sollte gar nicht meinen, dass sogar ein Äffchen genau weiß, was ihm steht.«
Die Kunststücke gingen weiter. Nun kamen die beiden Jungbären auf den Platz im Freigehege. Sie marschierten auf zwei Beinen zum Takt einer von Helmut Koster leise gesungenen Melodie im Kreise. Beim zweiten Mal gesellte sich unaufgefordert Luja dazu. Sie stand neben einem missglückten Versuch schließlich freihändig auf den Schultern von Taps. Mutter Isabell, die früher einen Ring durch die Nase getragen hatte, den Dr. von Lehn entfernt hatte, tanzte in Erinnerung an längst vergangene Tage ihren alten Tanz, was sie immer noch sehr gut konnte.
»Nächste Woche ist Zirkus in Maibach«, sagte Nick begeistert. »Mit der Nummer könntest du direkt auftreten, Helmut.«
Helmut Koster hörte auf, seinen Zirkusmarsch zu summen. Er sah Nick gespannt an. »Ein Zirkus, sagst du, Nick? Was für ein Zirkus denn?«, fragte er interessiert.
»Bei uns in der Schule ist schon ein Anschlag. Warte mal, Zirkus Ramoni heißt er. Aber es scheint nur ein kleiner Zirkus zu sein, denn der Eintritt ist ganz billig, und die Plakate haben sie selber mit bunten Filzschreibern gemalt.«
»Ramoni?«, wiederholte der Tierpfleger kopfschüttelnd. »Ich habe einmal einen Zirkus Ramoni gut gekannt, denn ich war dort beschäftigt. Aber das war ein großer Zirkus. Vielleicht irrst du dich.«
»Nein, der Zirkus heißt Ramoni«, bestätigte Pünktchen. »Ich habe es selbst gelesen. Wir werden wahrscheinlich mit den beiden Sophienluster Schulbussen an einem Nachmittag hinfahren und uns die Vorstellung ansehen.«
»Da werde ich bestimmt mitkommen«, sagte Helmut Koster ziemlich laut. »Erstens interessiert mich jeder Zirkus, und zweitens möchte ich herausfinden, wieso dieser Zirkus ausgerechnet den Namen Ramoni führt.«
»Ehrensache, dass wir dich mitnehmen«, erklärte Nick sofort. »Wir hätten dich sowieso noch dazu eingeladen. Du bist ja der Einzige von uns, der schon etwas mit dem Zirkus zu tun hatte.«
Helmut Koster blinzelte ihm zu. »Ich gebe zu, dass ich gern in den Zirkus gehe, Nick, sogar dann, wenn es bloß ein kleiner Zirkus ist. Es weht nämlich in so einem Zelt eine ganz andere Luft. Selbst der kleinste Hund kann ein paar Kunststückchen, und wenn oben in der Kuppel einer auf dem Steil steht, dann ist es immer spannend für mich.«
»Passiert eigentlich viel am Trapez und auf dem Seil?«, erkundigte sich Vicky mit runden Augen. »Man kann doch leicht herunterfallen von so einem Seil.«
»Ganz ungefährlich ist es nicht«, gab Helmut Koster zu, »aber die Seil- und Trapeznummern werden natürlich anfangs nicht in der Höhe probiert, sondern so, dass man sich leicht fangen kann, wenn man einmal fällt. Du verstehst?«
Vicky nickte. »Trotzdem könnte ich es bestimmt nicht«, seufzte sie. »Ich hätte schreckliche Angst. Und bei den Nummern mit den wilden Tieren auch.«
»Nun ja, da passiert auch hin und wieder etwas. Aber wenn der Dompteur es mit den Tieren richtig versteht, sind es meist nur Kratzer und harmlose Verletzungen, die er sich zuzieht. Dass ein Löwe oder Tiger einen Herrn umbringt, kommt fast nie vor.«
»Das ist gut«, meinte Vicky erleichtert. »Ich hätte sonst nämlich keinen richtigen Spaß am Zirkus.«
Helmut Koster lachte. »Man vergisst die Gefahr, wenn die Vorstellung beginnt.«
»Ich könnte sie nicht vergessen«, widersprach Vicky scheu.
In der Lehnschen Villa unterhielten sich währenddessen Denise und Andrea ebenfalls über den in Aussicht stehenden Zirkusbesuch in der Kreisstadt Maibach.
»Da es im Gymnasium ein Werbeplakat am Schwarzen Brett gab, genau wie in der Volksschule in Wildmoos, kommen wir um einen geschlossenen Zirkusbesuch nicht herum«, sagte Denise. »Es ist ja auch lange kein Zirkus mehr hier durchgekommen. Für Weltsensationen ist Maibach zu klein, und die weniger berühmten Wanderetablissements sterben immer mehr aus. Es scheint sich auch beim Zirkus Ramoni um ein ausgesprochen winziges Unternehmen zu handeln. Irgendwelche besondere Attraktionen sind auf den Plakaten nicht angekündigt, wie mir die Kinder versicherten.«
»Dann können wir ja Helmut Koster mit Luja, der reitenden Schimpansin, und den beiden Jungbären hinschicken, um das Programm zu bereichern«, meinte Andrea scherzend. Sie hatte Denise von ihren Beobachtungen erzählt. Im Gegensatz zu Dr. von Lehn nahm ihre Mutter die Bemühungen des Tierpflegers genauso ernst wie sie selbst.
»Zirkusleute kann auf die Dauer kein Mensch halten. Die Erfahrung habe ich immer wieder gemacht«, sagte Denise bedauernd. »Für euch wäre es zwar ein Verlust, wenn Helmut Koster wegginge, aber ich habe sowieso nie damit gerechnet, dass er für alle Ewigkeit bei euch bleiben wird. Die Sache mit Betti hat ihn vollends umgeworfen. Darüber gibt es kaum einen Zweifel.«
»Hans-Joachim würde sich wahrscheinlich gleich nach einem anderen Tierpfleger umsehen, aber noch ist Helmut ja bei uns. Wir wollen abwarten, was die Zukunft bringt, Mutti. Helmut besitzt Verantwortungsgefühl und weiß, dass wir zurzeit auf seine Hilfe angewiesen sind.«