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Tobias Escher

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Beschreibung

Warum dominiert Bayern München den deutschen Fußball, und wieso gewinnt Real Madrid immer wieder die Champions League? Wie schafft es der SC Freiburg, mit relativ kleinem Budget regelmäßig einen Top-Tabellenplatz zu erringen, und weshalb stellt der FC Liverpool theoretische Physiker an? Technik, Taktik, Psychologie, Gruppendynamik, Fitness, sogar die Länge der Rasenhalme: Jeder noch so kleine Faktor kann über Sieg oder Niederlage entscheiden. Und doch stehen seit Jahren dieselben Klubs an der Spitze. Tobias Escher analysiert die derzeit erfolgreichsten Vereine und entschlüsselt die Geheimnisse und Strategien der großen und kleinen Sieger des europäischen Fußballs. Dabei zeigt er, wie der moderne Fußball funktioniert und wie er sich im vergangenen Jahrzehnt entwickelt hat.

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Seitenzahl: 292

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Tobias Escher

Was Teams erfolgreich macht

Die Formel hinter dem Triumph von Bayern München, Liverpool und Co.

 

 

 

Über dieses Buch

Der Fußball hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich entwickelt: in der Professionalität, der Athletik, der Wirtschaftlichkeit. Die öffentliche Diskussion rund um den Sport hält leider nicht immer mit diesen Veränderungen Schritt. Noch immer werden Ergebnisse auf die Formel reduziert: Wer wollte den Sieg mehr? Dabei ist der Fußball mittlerweile ein Hochleistungssport, in dem perfekt getrimmte Athleten darum kämpfen, den letzten Tropfen Leistung aus ihrem Körper herauszupressen. Die neuesten Erkenntnisse aus Sportwissenschaft, Neurologie und Mathematik finden bei den Fußballklubs Anwendung. Dieses Buch stellt einige dieser Neuerungen vor – und trägt damit hoffentlich seinen Teil dazu bei, die Debatten um den Fußball zu vertiefen.

Vita

Tobias Escher ist Mitbegründer des Taktikblogs «Spielverlagerung.de», das zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. In der Internetsendung «Bohndesliga», einer Produktion von Rocket Beans TV, analysiert er die Spiele der Bundesliga. Als freier Journalist schreibt Escher für die «WELT» sowie für das Fußballmagazin «11 Freunde». Das «Medium Magazin» wählte Escher 2013 unter die besten zehn Sportjournalisten. Bei Rowohlt erschienen zuletzt seine Bücher «Vom Libero zur Doppelsechs» und «Die Zeit der Strategen».

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, November 2022

Copyright © 2022 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung zero-media.net, München

Coverabbildung Score. by Aflo/plainpicture

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01272-1

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Inhaltsübersicht

Motto

Prolog

Kapitel 1 Manchester City: Was Geld alles (nicht) kaufen kann

Kapitel 2 FC Bayern München: Die Evolution des «Mia san mia»

Kapitel 3 Borussia Dortmund: Die Abteilung «Top-Talente»

Kapitel 4 FC Liverpool: Moneyball in Merseyside

Kapitel 5 Real Madrid: Die Galaktischen

Kapitel 6 SC Freiburg: Der Heimatverein

Kapitel 7 Eintracht Frankfurt: Der Erfolgsfaktor Fans

Kapitel 8 Was Deutschland von Frankreich lernen kann

Danksagung

Literaturverzeichnis

Register

Personen

Vereine

«Das Interessante ist nicht der Erfolg, denn sobald der Erfolg erreicht wurde, verblasst er und verschwindet. Der Aufbau, die Entwicklung, die Suche ist das, womit wir unsere Zeit verbringen.»

Marcelo Bielsa

Prolog

Fußball ist kein einfaches Spiel. Sicher, auf den ersten Blick erscheint der Sport simpel: 22 Spieler jagen einem Ball hinterher, um ihn in ein Tor zu treten. Selbst Kinder im Vorschulalter verstehen die Grundzüge des Spiels. Wirft man ihnen einen Fußball hin, wissen sie sofort, was zu tun ist. Doch nur weil etwas leicht zu verstehen ist, bedeutet es nicht, dass es auch leicht zu meistern ist. Fußball zu meistern, ist alles andere als leicht. Es ist sogar ungemein kompliziert.

Diese Erkenntnis ist in mir in den vergangenen Jahren gereift. Als Blogger habe ich mich zunächst damit beschäftigt, die taktischen Feinheiten des Sports zu entschlüsseln. Mittlerweile schreibe ich als freier Journalist zwar immer noch viel über Taktik, aber auch über andere Themen im Fußball. Ich habe in meinem Leben zigtausend Fußballspiele gesehen. Ich habe Spieler und Trainer interviewt, mit Funktionären und Experten diskutiert, mir wissenschaftliche Studien angesehen und mich selbst als Spieler versucht (mit wenig Erfolg). Und doch habe ich noch immer das Gefühl, allenfalls einen Bruchteil dessen zu verstehen, was während eines Fußballspiels passiert.

Technik, Taktik, Psychologie, Gruppendynamik, Fitness, Glück, ja sogar die Länge der Rasenhalme: Alles kann Einfluss haben auf den Ausgang eines Fußballspiels. Jeder noch so kleine Faktor kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Ein einziges Tor kann den Unterschied bedeuten zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Das macht den Reiz des Fußballs aus.

Denkt man einmal genau darüber nach, ist es keine Überraschung, dass ausgerechnet der so leicht scheinende Fußball derart komplex und unberechenbar ist. Die Einfachheit der Regeln bedingt die Komplexität des Spiels: Die Spieler dürfen sich frei auf dem Feld bewegen. Es gibt kaum Restriktionen, was die Spieler tun und wo sie sich positionieren dürfen. Der Ball befindet sich nicht in ihren Händen, sondern rollt frei zwischen den Füßen herum. Das Spiel kann jederzeit die Richtung wechseln. Solange die Spieler den Ball nicht in die Hand nehmen, dürfen sie fast alles tun. Das bedeutet aber auch, dass es Millionen Möglichkeiten gibt, wie ein Fußballspiel abläuft. Weil nur wenige Tore fallen, kann ein Treffer alles entscheiden. Glück und Pech sind viel größere Faktoren als etwa im Basketball, wo Dutzende Körbe geworfen werden. Die Chance, dass ein Team durch einen Zufallskorb gewinnt, ist äußerst gering. Im Fußball ist es schon vorgekommen, dass eine Papierkugel einen ganzen Verein in den Abgrund stürzt. HSV-Fans wissen, was ich meine.

Insofern ist der Titel dieses Buchs eine Lüge. Weder ich noch irgendjemand anders kann eine Formel berechnen, die den Erfolg eines Fußballteams garantiert. Fußball ist eben keine Mathematik, wie Karl-Heinz Rummenigge zu sagen pflegt. Es spielen so viele Faktoren in das Ergebnis eines Fußballspiels hinein, dass nach Abpfiff nur schwer zu bestimmen ist, welcher Faktor der entscheidende war.

Erst 2022 bewies der Fußball erneut seine Unberechenbarkeit: In der Champions League traf Real Madrid nacheinander auf Paris Saint-Germain, den FC Chelsea, Manchester City und den FC Liverpool. Betrachtet man die Statistiken der Spiele und liest man die Analysen von Journalisten wie mir, käme man zu dem Schluss, jeder einzelne Gegner habe besser gespielt als Real. Am Ende reckten trotzdem die Madrilenen die Champions-League-Trophäe in den Nachthimmel von Paris. Komplett rational erklären lässt sich dieser Triumph nicht.

Manche Leserinnen und Leser werden sich an dieser Stelle verschaukelt fühlen: «Der Buchtitel hat mir doch eine Formel versprochen! Betrug!!!» Bevor Sie aber nun zum Buchhändler Ihres Vertrauens rennen und Ihr Geld zurückfordern, möchte ich zurückrudern. Eine zuverlässige Formel für den Erfolg gibt es nicht; aber es gibt Gründe, warum manche Vereine erfolgreicher sind als andere. Real Madrid feierte 2022 den 14. Titel in der Königsklasse, es war ihr fünfter Erfolg im vergangenen Jahrzehnt. Es kann kein Zufall sein, dass sie so häufig als Sieger den Platz verlassen. «Immer Glück ist Können!», sagte Hermann Gerland einst. Die Frage lautet also: Was kann Real Madrid, was die Konkurrenz nicht kann?

Genau solche Fragen will dieses Buch beantworten. Ich schaue mir die erfolgreichsten Vereine der vergangenen Jahre an. Warum gewinnt Real Madrid dauernd die Champions League? Wieso dominieren Manchester City und der FC Liverpool den englischen Fußball? Und warum hat derzeit kaum jemand eine Chance gegen die französische Nationalmannschaft? Bei der Beantwortung dieser Fragen lässt sich einiges über das Spiel lernen. Eine «Formel» für den Erfolg mag es vielleicht nicht geben. Dafür aber Wege und Strategien, die eigenen Erfolgschancen zu erhöhen.

Erfolg ist nicht gleich Erfolg – gerade im Fußball. In Zeiten des Hyperkapitalismus diktiert auch im Sport immer stärker das Geld, wer am Ende als Sieger vom Platz geht. Erfolg muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, Trophäen zu gewinnen. Die Leistung eines Teams muss immer an den Ressourcen gemessen werden, die zur Verfügung stehen. Die meisten deutschen Fußballfans würden die These unterschreiben, dass der SC Freiburg in den vergangenen Jahren ungemein erfolgreich gearbeitet hat. Und das, obwohl sie 2022 die historische Chance verpassten, den DFB-Pokal zu gewinnen. Dass die Freiburger überhaupt das Finale erreicht haben, war Sensation genug. Die Freiburger machten viel, sogar sehr viel aus ihren geringen Mitteln. Auch dies spiegele ich in meinem Buch wider.

Die Auswahl der Klubs ist dabei ebenso subjektiv wie unvollständig. Fans mancher Vereine werden sich beschweren, dass ich nicht ihren Lieblingsklub analysiere. Am Ende waren zwei Kriterien entscheidend: Ich porträtiere Vereine, bei denen ich mich einigermaßen auskenne. Zugleich war es mir wichtig, dass jeder porträtierte Verein für eine bestimmte Facette des modernen Fußballs steht.

Mittlerweile gibt es viele Ideen und Wege, im Fußball die eigene Leistung zu verbessern – und sei es nur um einen Prozentpunkt. Wir leben nicht mehr in Zeiten, in denen ein Trainer seinen Spielern sagt: «Geht’s raus und spielt’s Fußball!» Fußballklubs sind heutzutage hochkomplexe Unternehmen. Sie geben Millionen aus, um eine möglichst schlagkräftige Elf auf den Rasen zu schicken. Sie analysieren genau, welche Spieler sie verpflichten wollen, wie diese Spieler trainiert und betreut werden müssen. Die meisten Klubs stellen mittlerweile mehr Trainer an als Spieler. Cheftrainer, Co-Trainer, Torwarttrainer, Standardtrainer, Einwurftrainer, Übergangstrainer, Nachwuchstrainer: Das ist nur eine unvollständige Liste der Berufsbezeichnungen im Coaching-Bereich. Die Klubs achten auf die Ernährung ihrer Spieler, sie bieten Schlafseminare an, sie betreuen ihre Schützlinge rund um die Uhr. Spieler wie Vereine suchen nach «marginal gains», wie es auf Neudeutsch heißt, «kleine Steigerungen», die den Unterschied ausmachen.

Das Kapitel um den FC Liverpool etwa dreht sich nicht um die Frage, wie Jürgen Klopp seine Mannschaft auf- und einstellt. Vielmehr beschäftige ich mich dort mit dem Thema Daten. Der FC Liverpool hat sich im Bereich der Statistik-Analyse einen Vorsprung zur Konkurrenz erarbeitet. Wie ist ihm das gelungen? Und was bedeutet das überhaupt: Datenanalyse im Fußball? In dem Kapitel stelle ich die Konzepte vor, mit denen Statistiker im Fußball arbeiten. Und ich erkläre, was eine Nebenfigur des Films «Moneyball» mit der Statistik-Evolution im Fußball zu schaffen hat.

Dieses Buch soll nicht nur erläutern, wie man erfolgreich im Fußball arbeitet. Es soll zugleich beschreiben, wie der moderne Fußball funktioniert. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Arbeit der meisten Profiklubs radikal verändert. Die Digitalisierung revolutioniert alle Gesellschaftsbereiche. Der Fußball ist keine Ausnahme. Zugleich floss durch den Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre viel Geld in den Sport; Geld, das die Klubs nicht nur in Spieler investieren. So kamen neue Technologien hinzu und sogar gänzlich neue Berufszweige. Der Fußball hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich entwickelt: in der Professionalität, der Athletik, der Wirtschaftlichkeit.

Die öffentliche Diskussion rund um den Sport hält leider nicht immer mit diesen Veränderungen Schritt. Noch immer werden Ergebnisse auf die Formel reduziert: Wer wollte den Sieg mehr? Spieler werden beschimpft, weil sie vermeintlich zu wenig Einsatz gezeigt hätten. Dabei ist der Fußball mittlerweile ein Hochleistungssport, in dem perfekt getrimmte Athleten darum kämpfen, den letzten Tropfen Leistung aus ihrem Körper herauszupressen. Die neuesten Erkenntnisse aus Sportwissenschaft, Neurologie und Mathematik finden bei den Fußballklubs Anwendung. Dieses Buch stellt einige dieser Neuerungen vor – und trägt damit hoffentlich seinen Teil dazu bei, die Debatten um den Fußball zu vertiefen.

Die einzelnen Kapitel liefern viele Denkanstöße und Geschichten aus dem Fußball, aber auch Thesen, die sich auf andere Lebensbereiche anwenden lassen. Fußball ist ein Teamsport – auf, aber auch neben dem Platz. Insofern geht es in diesem Buch auch immer um die Frage, wie Vereinsverantwortliche ein gutes Arbeitsklima schaffen, um das Beste aus ihren Mitarbeitern herauszuholen. Wieso ist gerade der FC Liverpool so innovationsfreundlich? Wieso arbeiten die Vorstände in Freiburg so gut miteinander? Wieso hat Real Madrid so professionelle Spieler? Im Idealfall liefert dieses Buch Anregungen, die über den Bereich Fußball hinausgehen. Im Endeffekt unterscheidet sich die Arbeit eines Klub-Managers auch nicht wesentlich von der Arbeit eines Sales- oder Supply-Chain-Managers. Im Idealfall wissen sie alle, wie modernes Management funktioniert.

In erster Linie soll es in diesem Buch aber um Fußball gehen. Ich versuche, so detailliert wie möglich die Erfolgsgeheimnisse der kleinen und großen Klubs des europäischen Fußballs zu entschlüsseln. Am Ende bin ich froh, wenn ich einen kleinen Prozentsatz dessen abdecke, was in einem Fußballspiel auf dem Rasen passiert. Denn das ist das Schöne an diesem Sport: Jede noch so detaillierte Planung, jede noch so professionelle oder unprofessionelle Arbeit kann durch ein Tor ad absurdum geführt werden. Der Fußball ist eben kein einfaches Spiel.

Kapitel 1Manchester City: Was Geld alles (nicht) kaufen kann

«Der beste Fußball wird dort gespielt, wo das meiste Geld ist. Die Kleinen bleiben klein und haben auch keine Chance mehr, nach oben zu kommen. Außer der Scheich von Dubai klingelt an.»

Otto Rehhagel

Das Sparsamkeitsprinzip – auch bekannt als Ockhams Rasiermesser – besagt, dass in den meisten Fällen die naheliegendste Erklärung die richtige ist. Dieses Buch wird einige Erklärungsansätze liefern, warum manche Vereine erfolgreicher arbeiten als andere. Wenn es um den ganz großen Erfolg geht, um Meisterschaften und Pokale und internationale Titel, gibt es einen Faktor, der Erfolg besser vorhersagt als jeder andere: Am Ende gewinnen fast immer die Vereine mit dem meisten Geld.

Um das zu belegen, genügt ein Blick auf die Titelträger der vergangenen Jahre. In der Bundesliga feierte der FC Bayern München zehn Meisterschaften in Folge. Hinzu kamen im selben Zeitraum fünf DFB-Pokalsiege und zwei Champions-League-Triumphe. Ähnlich sieht die Lage in den anderen großen Ligen Europas aus. In Italien gewann der umsatzstärkste Verein, Juventus Turin, neun Meisterschaften in Folge, ehe der zweitumsatzstärkste Klub, Inter Mailand, ihn 2021 vom Thron schubste. In Frankreich ist Paris Saint-Germain der Konkurrenz enteilt, der Klub gewann acht der vergangenen zehn Meisterschaften. In Spanien machen Real Madrid, der FC Barcelona und Atlético Madrid den Titel unter sich aus. In England gab es im vergangenen Jahrzehnt fünf verschiedene Meister. Doch auch hier sind die Spitzenklubs aus Manchester und London der Konkurrenz so weit entwachsen, dass allerhöchstens sechs Klubs eine realistische Chance auf den Titel haben. In den vergangenen zehn Jahren konnte in den fünf größten Ligen Europas gerade einmal ein Verein die Meisterschaft gewinnen, der nicht zum Klub der Superreichen gehört: Leicester City bei seinem sensationellen Premier-League-Sieg 2016.

Diese Mega-Klubs dominieren nicht nur die eigene Liga, sondern auch den internationalen Wettbewerb. Es ist mittlerweile fast zwanzig Jahre her, dass ein Klub, der nicht aus den europäischen Top-Fünf-Ligen stammt, die Champions League gewinnen konnte: der FC Porto 2004, trainiert von José Mourinho. 85 der 88 Champions-League-Halbfinalisten im aktuellen Jahrtausend kamen aus den fünf großen Ligen. In der Champions League scheint es nahezu ausgeschlossen, dass Bayern, Real oder Liverpool bereits in der Gruppenphase ausscheiden. Europas zweitgrößten Wettbewerb, die Europa League, gewannen zehn Jahre in Folge ausschließlich spanische und englische Teams, ehe 2022 Eintracht Frankfurt den Titel nach Deutschland holte.

Doch nicht nur in den Spitzenligen dominieren wenige Platzhirsche das Geschehen. Österreich, Griechenland, Serbien, Kroatien, Tschechien, Moldawien, Schottland: Das ist nur eine unvollständige Liste europäischer Länder, in denen maximal zwei Teams eine halbwegs realistische Chance auf die Meisterschaft haben.

Die Gründe dafür sind simpel. Die Top-Teams der großen und kleinen Ligen qualifizieren sich Saison für Saison für die europäischen Wettbewerbe. Dort verdienen sie TV-Gelder, von denen die nationale Konkurrenz nur träumen kann. 130 Millionen überwies die UEFA dem FC Bayern München, nachdem dieser 2020 die Champions League gewonnen hatte. Die Bayern erhielten damit allein von der UEFA mehr Geld, als zehn Bundesliga-Konkurrenten an Jahresumsatz erwirtschafteten. Doch nicht nur durch die Champions League nimmt Bayern mehr ein als die Konkurrenz. Der Erfolg beschert dem Rekordmeister neue Fans auf der gesamten Welt. Die Spitzenklubs sind längst internationale Marken. Sie verkaufen mehr Merchandise, erzielen höhere Sponsoringeinnahmen, fordern höhere Ticketpreise. Mit dem erwirtschafteten Geld kaufen sie wiederum die besten Spieler, bauen die modernsten Trainingsanlagen und stellen die bestmögliche Betreuung ihrer Stars sicher. Kein Faktor ist ein besserer Indikator für Erfolg als der Umsatz eines Vereins.

Manchester City ragt unter den reichsten Klubs sogar noch heraus. Deloitte, ein Unternehmen aus der Wirtschaftsbranche, wertet jährlich die Finanzkennzahlen der größten Fußballklubs aus. 2022 krönte es in seiner «Deloitte Football Money League» einen neuen Spitzenreiter: Manchester City. Kein Verein erwirtschaftete in der Saison 2020/21 einen höheren Umsatz. Mit knapp 650 Millionen Euro führt er die Liste der umsatzstärksten Vereine an, noch vor Real Madrid (640 Millionen Euro) und Bayern München (610 Millionen Euro).

Vor zwanzig Jahren wäre dieser Fakt noch undenkbar gewesen. City gehört nicht zum klassischen Fußball-Adel, der wie Real oder Bayern seit fünfzig Jahren an der Spitze des europäischen Fußballs thront. 1937 und 1968 gewann City zwar den englischen Meistertitel, 1970 den Europapokal der Pokalsieger. Ansonsten pendelte der Verein aber zwischen der ersten und der zweiten englischen Liga. 1999 stieg der Klub sogar in die dritte Liga ab. City ist ein traditionsreicher Klub mit einer langen, aber nicht allzu glorreichen Geschichte. Lange Zeit rühmten sich seine Anhänger vor allem ihrer Leidensfähigkeit. City galt als Arbeiterklub, als kleine Adresse in der eigenen Stadt. Die große Nummer der Stadt hieß Manchester United.

Anfang des Jahrtausends sollte sich dies schlagartig ändern. In jener Zeit herrschte im englischen Fußball Goldgräberstimmung. 2003 hatte der Russe Roman Abramowitsch den FC Chelsea gekauft. Bis Abramowitsch auf der Bildfläche erschien, waren sämtliche Klubs der englischen Premier League in den Händen britischer Geschäftsmänner. Abramowitsch war ein Außenseiter, ein russischer Geschäftsmann, der – wie ein zeitgenössischer Zeitungsartikel verkündete – «mehr Geld besaß als Gott». Er pumpte Milliarden in den FC Chelsea, kaufte die besten Spieler Europas und verpflichtete mit José Mourinho das größte Trainertalent seiner Zeit. Chelsea avancierte zum Spitzenverein der englischen Premier League, gewann nationale Titel und gehörte plötzlich zum Klub der Champions-League-Favoriten. Abramowitsch lieferte den Beweis, dass jeder mit genug Geld einen Mittelklasseverein an die Spitze des Weltfußballs führen kann.

Abramowitschs Vermögensanlage provozierte eine Reihe Nachahmer. Oligarchen und amerikanische Investmentfirmen kauften nach und nach die Klubs der Premier League. 2010 gehörten bereits sieben Premier-League-Vereine ausländischen Investoren. Zu Beginn der Saison 2022/23 waren 16 der 20 Premier-League-Teams nicht mehr im britischen Besitz. Auch für City öffnete die neue Zeit finanzkräftige Perspektiven. In diesem Fall kam der ausländische Investor aus Thailand. Thaksin Shinawatra war dort bis 2006 Premierminister, ehe das Militär ihn nach Massenprotesten absetzte. Sein Vermögen, das angeblich über 600 Millionen Dollar betrug, drohte eingefroren zu werden. Schnell kaufte er für rund 100 Millionen Euro Manchester City. Da ihm sein Vermögen kurze Zeit später tatsächlich entzogen wurde, musste er den Klub nur ein Jahr später wieder verkaufen. Das einzig bleibende Erbe seiner Zeit sind diverse Kristalle, die unter dem Stadion der Citizens vergraben wurden. Sie sollen dem Verein Glück bringen.

Zur selben Zeit suchten noch reichere Geschäftsmänner einen englischen Fußballverein, in den sie investieren konnten. Sie hatten sich bereits diverse Klubs angeschaut, ehe ihr Blick nach Manchester schweifte. City bot zahlreiche Vorteile für einen Investor, der einen Klub kaufen wollte. Das Stadion war erst 2002 für die Commonwealth Games gebaut worden, große Investitionen waren nicht nötig. Es stand zudem in einer wenig erschlossenen Gegend, die genügend Bauland für ein neues Klubgelände bot. Der Verein hatte loyale, leiderprobte Fans. Und last, but not least war City billig zu haben. Shinawatra war daran gelegen, den Verein möglichst schnell zu verkaufen – oder direkter ausgedrückt: City war ein Schnäppchen im Vergleich zu anderen Traditionsklubs. Die englischen Zwischenhändler, die die Klubsuche organisierten, überzeugten ihren Auftraggeber. Manchester City wurde das neueste Investment der Abu Dhabi United Group for Development and Investment (kurz: ADUB).

Die ADUB ist eine der reichsten Investitionsgesellschaften der Welt. Die Milliarden, die Abu Dhabi mit Öl und Gas verdient, soll die Firma in verschiedene Wirtschaftszweige investieren, damit das Emirat langfristig von Rohstoffexporten unabhängig wird; Diversifikation nennen Wirtschaftswissenschaftler dieses Vorgehen. Warum die ADUB unbedingt in einen Fußballklub investieren wollte, lässt sich bis heute nicht ganz nachvollziehen. Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan, Eigentümer der ADUB und Mitglied von Abu-Dhabis Herrschaftsfamilie, ist nicht gerade als Fußball-Enthusiast bekannt. In den fünfzehn Jahren seit der Übernahme hat Mansour gerade einmal ein Spiel live im Stadion verfolgt. Khaldoon Al Mubarak, nach der Übernahme zu Citys Vorsitzenden berufen, betonte, der Kauf eines Fußballvereins sei eine reine Geschäftsentscheidung gewesen. Ein Fußballklub erscheint aber stets als riskantes Investment; klassische Wirtschaftsbranchen erzielen ein höheres Wachstum. Kritiker werfen der ADUB vor, mit der Übernahme Manchester Citys den Ruf des Emirats reinwaschen zu wollen. «Sportswashing» nennt sich diese Methode. Statt über Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigen Arabischen Emiraten nachzudenken, sollen Fans Citys glorreichen Triumphe im Kopf haben, wenn sie an Abu Dhabi denken.

Egal, aus welchem Grund die ADUB City erwarb: Der Plan war von Anfang an, eine neue Macht im Weltfußball zu schaffen. Abu Dhabis Herrscher sahen, was Abramowitsch mit Chelsea gelungen war: einen international kaum bekannten Klub mithilfe von viel Geld an die Spitze des Weltfußballs zu führen. Mansour und Mubarak wollten klotzen, nicht kleckern – und das vom ersten Tag an.

Doch der Verkaufsprozess zog sich. Erst am 1. September 2008 konnten sie öffentlich den Erwerb des Klubs verkünden. Blöderweise war dies der «Deadline Day», jener Tag, an dem Vereine letztmals neue Verpflichtungen im Sommer tätigen dürfen. Citys neue Eigentümer wollten einen großen Namen präsentieren. Die Neuverpflichtung sollte schreien: Wir sind hier, ihr müsst mit uns rechnen! Die sportliche Leitung telefonierte den ganzen Tag. Doch Stars wie Dimitar Berbatov, Fernando Torres oder Mario Gómez waren so kurzfristig nicht verfügbar. Der damalige Geschäftsführer Garry Cook erzählte später in einem Interview, dass der Klub sogar ein Angebot für Lionel Messi unterbreitet habe – allerdings eher aus Versehen. «Now it’s getting messy» soll einer seiner Mitarbeiter gesagt haben (zu Deutsch: «Jetzt wird’s schwierig»), ein Mitarbeiter verstand dies falsch, und so bot City aus dem Nichts für den damals talentiertesten Fußballer der Welt. Wenig überraschend lehnte Barcelona ab. Am Ende des Tages verpflichtete City Robinho, einen brasilianischen Stürmer, der bei Real Madrid die hohen Versprechungen nie ganz einlösen konnte. Der 43-Millionen-Euro-Transfer wäre fast noch gescheitert, weil die Citizens statt eines Angebotes versehentlich ein leeres Blatt Papier nach Madrid faxten. Erst fünf Minuten vor Ablauf der Transferfrist konnte City Vollzug melden. Der Verein hatte nicht einmal mehr Zeit für einen Medizincheck.

Auch in den kommenden Transferphasen dominierte der Wunsch, über große Namen den schnellen Erfolg einzukaufen. Es gab zu jener Zeit kaum einen Spitzenfußballer, dessen Name nicht mit City in Verbindung gebracht wurde, egal ob Cristiano Ronaldo, Sergio Ramos, Philipp Lahm, Ruud van Nistelrooy oder David Villa. Alle sagten ab. Stattdessen kamen in den ersten beiden Jahren Spieler wie der Brasilianer Jô (24 Millionen Euro), Emmanuel Adebayor (29 Millionen Euro) oder Roque Santa Cruz (21 Millionen Euro). Sie sind heute weitestgehend aus dem Fußballgedächtnis verschwunden. Nach zwei, gelinde gesagt, unterwältigenden Transferperioden verbesserte sich Citys Gespür für Spieler. So prägten der 2010 verpflichtete Yaya Touré (30 Millionen Euro) und der 2012 verpflichtete Sergio Agüero (40 Millionen Euro) die Mannschaft über mehrere Jahre. Auf jeden Volltreffer wie David Silva oder Fernandinho kamen aber mindestens zwei Spieler des Kalibers Wilfried Bony, Jack Rodwell oder Stevan Jovetić, die viel Geld kosteten, aber bei ihrem neuen Arbeitgeber keinen bleibenden Eindruck hinterließen.

Laut Transfermarkt.de gab Manchester City in den ersten vier Saisons nach der Übernahme knapp 580 Millionen Euro für neue Spieler aus. Dem standen Verkäufe in Höhe von 130 Millionen gegenüber. Der negative Saldo betrug demnach 450 Millionen Euro. Das war einsamer Spitzenwert im europäischen Fußball. Einzig Real Madrid (minus 310 Millionen Euro) kam im selben Zeitraum ebenfalls auf einen negativen Saldo über 200 Millionen Euro, die Königlichen hatten jedoch auch fast 100 Millionen Euro für Cristiano Ronaldo ausgegeben. In England landete auf Rang 2 Chelsea (minus 180 Millionen Euro) und auf Rang 3 Stoke City (minus 90 Millionen Euro). Würde allein Geld die Fußballwelt regieren, hätte City binnen kürzester Zeit der erfolgreichste Verein der Welt werden müssen. Wurde er aber nicht.

Das erste Jahr unter den neuen Besitzern schloss City auf Rang 10 der Tabelle ab. Auch im zweiten Jahr verpasste es die Qualifikation zur prestigeträchtigen Champions League. Im dritten Jahr schenkte City den neuen Eigentümern den ersten Titel. Zwar kam man in der Liga nur auf den dritten Rang, gewann dafür aber den FA Cup. Erst nach vier Jahren war es endlich so weit: Am finalen Spieltag der Premier-League-Saison 2011/12 erzielte Agüero in der vierten Minute der Nachspielzeit das entscheidende Tor, und City zog in der Tabelle doch noch an Lokalrivale United vorbei. Die Fans feierten den ersten Ligatitel nach über vierzig Jahren. Citys Kritiker spotteten, dass es der erste Ligatitel nach Spielerkäufen in Höhe von über 500 Millionen Euro war.

Auf das City jener Tage traf die alte Fußballweisheit zu: Die Einzelteile waren großartig, ihre Summe war aber nie größer als die Einzelteile. Vincent Kompany, lange Jahre Kapitän von City, sagte 2018 über jene Zeit: «Wir waren ein Team mit großen Charakteren. Der Unterschied zwischen dem heutigen City und dem Team von damals ist, dass wir heute ein Schwarm sind, der Verantwortung auf mehreren Schultern verteilt. Damals ging es darum, dass große Charaktere in großen Momenten den Unterschied machten.» Volker Finke, langjähriger Trainer des SC Freiburg, nannte diesen Ansatz einst «Heldenfußball»: Man wirft so viele Helden wie möglich auf das Feld, in der Hoffnung, dass sie die Schlacht gewinnen. Der Plan ist nebensächlich.

Um das Jahr 2010 herum befand sich der Fußball jedoch in einer Art Zeitenwende. Pep Guardiola formte den FC Barcelona zur stärksten Mannschaft seiner Zeit. Mit neuartigen Ideen verband er Ballbesitzspiel mit aggressivem Pressing, um auf dem Feld die totale Dominanz herzustellen. Barcelona passte die Kugel schneller als jedes andere Team zuvor und gewann den Ball postwendend zurück, wenn es ihn verloren hatte. Guardiolas Team stellte nicht nur neue Rekordwerte in Sachen Ballbesitz auf. Im selben Zeitraum, in dem City zwei Titel gewann, sammelte Barcelona vierzehn Trophäen. In Deutschland indes betrachtete Jürgen Klopp die taktischen Ideen von Guardiola genau. Er beschloss, bei seinem Klub Borussia Dortmund Barças Gegenpressing, die schnelle Balleroberung nach Ballverlust, mit einem schnörkellosen Angriffsspiel zu kombinieren. Sein «Vollgas-Fußball» bescherte Borussia Dortmund den Meistertitel 2011 und das Double 2012. Jupp Heynckes ließ sich von Klopps Taktik inspirieren und führte den FC Bayern München 2013 auf diese Weise zum Champions-League-Sieg.

Sobald Manchester City in der Champions League auf Spitzenteams dieses Kalibers traf, wurden die Grenzen des eigenen Ansatzes sichtbar. 2011 schied City bereits in der Gruppenphase aus. In Erinnerung bleibt vor allem das Gastspiel in München. Nicht etwa wegen Citys Leistung: Die 0:2-Niederlage war eine eindeutige Angelegenheit, bei der Heynckes’ Bayern 24-mal auf das Tor schossen und City nur neunmal. Vielmehr sollte ein Streit Manchesters Außenwirkung beschädigen: Top-Torjäger Carlos Tévez verweigerte seinem Trainer Roberto Mancini die Einwechslung. Der Disput beschäftigte sogar die Anwälte des Klubs. Auch in der Folgesaison kam City nicht über die Gruppenphase hinaus, nachdem es gegen Real Madrid, Borussia Dortmund und Ajax Amsterdam keinen einzigen Sieg erringen konnte. Erst im dritten Anlauf überwand Europas teuerste Mannschaft die Vorrunde, nur um im Achtelfinale sang- und klanglos am FC Barcelona zu scheitern.

In diesen frühen Jahren beging City die Fehler, die viele neureiche Klubs machen. Die sportliche Führung hatte nie mit den Summen hantiert, die nun zur Verfügung standen. Geschäftsführer Cook hatte bereits vor der Ankunft der neuen Geldgeber bei City unterschrieben, so wie viele Mitarbeiter in der Geschäftsführung und im Scouting. Plötzlich mussten sie nicht nach hoffnungsvollen Talenten suchen, sondern nach aktuellen und kommenden Superstars. Das gelang ihnen jedoch nicht. So versuchte City im Winter 2009, den Brasilianer Kaká zu verpflichten, der zwei Jahre zuvor den Ballon d’Or als bester Spieler des Jahres gewonnen hatte. Kaká berichtete später, dass Citys Offerte ihn «verwirrt» zurückgelassen habe. City habe sich zunächst weder bei ihm noch bei seinem Berater gemeldet, sondern direkt seinen Verein AC Milan kontaktiert. Obwohl City deutlich mehr Gehalt bot als Milan, wechselte Kaká nicht. Später sagte er: «Ich sollte das Trikot eines der historischsten und erfolgreichsten Klubs in Europa tauschen gegen ein komplett am Anfang stehendes Projekt … Es war einfach sicherer, in Milan zu bleiben, einem der führenden Klubs in Europa, der um die Champions League mitspielen konnte.» Kaká gab aber zu, dass er durchaus schwach geworden wäre, wenn man ihn direkt kontaktiert, im Sommer und nicht erst im Winter angefragt hätte, wenn das Angebot also professioneller unterbreitet worden wäre.

Reich zu sein hat nicht nur Vorteile. Transfersummen sind keine festgelegten Preise, sondern entstehen erst in der Interaktion zwischen den Verhandlungspartnern. Jeder europäische Klub wusste, dass City Geld besitzt. Viel Geld. Genauso wussten die Klubs, dass City möglichst schnell und möglichst aufmerksamkeitsheischend Topstars verpflichten wollte. Also passten sie ihre Preise an. City zahlte für überdurchschnittliche Spieler so viel wie andere Vereine für Topstars. Die hohen Ablösesummen schufen Erwartungen an die Spieler, die diese kaum erfüllen konnten. Robinho, Adebayor und Santa Cruz blieben keine drei Jahre in Manchester. Spieler bekamen wenig Chancen, sich zu entwickeln, da immer wieder ein neuer Star präsentiert wurde. Der 2010 verpflichtete Jérôme Boateng etwa weilte nur ein Jahr in Manchester, ehe er nach München weiterverkauft wurde. Dort avancierte er zum Champions-League-Sieger und Weltmeister.

Die Strategie, große Namen zu verpflichten, schuf eine Schieflage im Kader. City wollte prestigeträchtige Kicker kaufen. Prestige erhalten im Fußball vor allem Offensivspieler: Stürmer, die Tore schießen, Passvirtuosen, die Treffer vorbereiten, Dribbelkünstler, die sich an drei Gegnern vorbeischlängeln. Sie stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Defensivspieler haben es da schwerer. Sie fallen seltener auf. Gerade Spieler, die im zentralen Mittelfeld für ihre Kollegen absichern, haben oft ihre besten Spiele, wenn nach dem Abpfiff niemand über ihre Leistung spricht. Dann haben sie den Gegner aus der gefährlichen Zone ferngehalten. Solche Spieler verpflichtete City aber nicht. 2012 standen mit Sergio Agüero, Carlos Tévez, Edin Džeko und Mario Balotelli vier Stürmer mit Starallüren im Kader. Trainer Roberto Mancini setzte jedoch gerade in Champions-League-Spielen auf eine 4–5–1-Formation, bei der nur ein Stürmer zum Einsatz kam. Schlechte Laune bei drei der vier Angreifer war vorprogrammiert. Im zentralen Mittelfeld verfügte City wiederum mit Yaya Touré über einen offensivstarken Achter und in Samir Nasri und David Silva über zwei großartige Vorlagengeber. Abgesichert wurden ihre Vorstöße jedoch nicht von einem defensivstarken Sechser, sondern vom nicht minder vorwärts gerichteten Gareth Barry. Kompanys Einschätzung, City sei zu jener Zeit eine Mannschaft großer Charaktere gewesen, trifft vollends zu. Vielleicht waren die einzelnen Charaktere sogar zu groß.

Citys erste Jahre unter den neuen Besitzern waren nicht gerade ein Beleg für die These, dass Geld automatisch zu Erfolg führt. Weder spielte City besonders ansehnlichen Fußball, noch feierten sie die großen Erfolge, die ihrem Umsatz nach eigentlich erwartet wurden. Man könnte sagen: Gemessen an Investition und Ertrag, war City in den ersten Jahren eines der am wenigsten erfolgreichen Teams Europas.

Citys Verantwortliche merkten schnell, dass Spieler der allerhöchsten Güteklasse dem Verein nicht nur aufgrund des fehlenden Prestiges absagten. Jahrzehntelang hatte der Klub es verpasst, seine Trainingsanlagen zu verbessern. Sportler wollen Geld verdienen, ja. Sie wollen aber auch die besten Bedingungen vorfinden, um zu trainieren und besser zu werden – und sei es nur, damit sie dann noch mehr Geld verdienen.

2008 residierte Manchester City am Carrington Training Centre, nicht weit entfernt vom Lokalrivalen United. Vincent Kompany berichtet, wie schlecht die Trainingsbedingungen in jener Zeit waren. Die Toiletten hätten teilweise monatelang keine Türen gehabt, und niemand habe sich darum gekümmert. Die Gewichtsangaben an den Hanteln seien verrostet und deswegen nicht sichtbar gewesen. Die Plätze waren im Winter kaum benutzbar. Die vorherigen Besitzer hatten Millionen in neue Spieler investiert. Geld in die Infrastruktur zu stecken, war offenbar weit weniger sexy. Welcher Fan applaudiert schon einem Investor, der neue Massagebecken mit Unterwasserdüsen anschafft?

Um die besten Beine zu sich zu locken, musste die ADUB in Steine investieren. Zwar bemühten sich die neuen Eigentümer bereits in den ersten Wochen um den Kauf neuer Trainingsgeräte. Doch das Carrington Training Centre beeindruckte keinen Spieler, der auf Weltniveau performen wollte. Etwas Neues musste her.

Einer der wesentlichen Gründe, warum die ADUB in Manchester City investierte, war die infrastrukturelle Situation. Zum einen war von Vorteil, dass das City of Manchester Stadium erst im Jahr 2002 eröffnet worden war, als modern galt und unweit des Stadtzentrums lag. Zum anderen war das Umfeld des Stadions vielversprechend. Die Geschichte der Gegend ist typisch für Manchester. Im 19. Jahrhundert, in der Blütezeit der englischen Textilindustrie, siedelte sich hier eine Chemiefirma an, die Farbstoffe für die Textilindustrie produzierte. In den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts arbeiteten hier noch über 2000 Menschen. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden sämtliche Jobs ausgelagert. Textilien und die dafür benötigten Farbstoffe ließen sich in China, Indien und Bangladesch günstiger herstellen. Im Jahr 2004 gab die Firma bekannt, den Standort Manchester zu schließen. Übrig blieben leer stehende Fabrikgebäude und ein chemisch kontaminierter Boden. Ein Albtraum für jeden Stadtplaner – und ein Traum für einen Fußballverein, der möglichst günstiges Land für ein möglichst großes Trainingsgelände benötigt. Die ADUB kaufte nicht nur den Verein, sondern auch das Areal, auf dem einst zig Fabriken standen.

Schon wenige Tage nach der Übernahme beauftragte der Verein ein Architekturbüro mit Plänen für das Areal. Die neuen Eigentümer holten den Stadtrat und die Einwohner mit ins Boot. Gemeinsam entwarf man einen Plan, der nicht nur dem Verein, sondern auch den Ortsansässigen zugutekommen sollte. City sagte zu, mindestens 20 Prozent der Mitarbeiter aus dem Einzugskreis des Vereinsgeländes zu rekrutieren, und sah Teile der Anlage zur Mitnutzung durch Teams und Schulen aus der Umgebung vor. So wurde aus einer baufälligen Fabrikanlage nicht nur ein Sportareal für den Verein, sondern auch eine öffentliche Freizeitstätte für Anwohner der umliegenden Stadtteile. Es war eine Win-win-Situation: für den Verein, der billiges Bauland bekam, und für die Stadt, die ein zerfallenes Gebiet neu beleben konnte.

City schickte Mitarbeiter zu anderen Spitzenklubs, um sich von der Konkurrenz inspirieren zu lassen. Sie sahen sich Barcelonas legendäre La-Masia-Akademie an und studierten das Milanello Sports Center in Norditalien. Im Vergleich zur Konkurrenz hatte City von Anfang an einen wesentlichen Vorteil: Das Trainingsgelände entstand in direkter Nähe zum Stadion. Möchte man von Bayern Münchens Trainingsareal an der Säbener Straße zur Allianz Arena reisen, muss man einmal die komplette Stadt durchqueren. In Manchester sollen bereits die Achtjährigen auf das Stadion blicken, während sie trainieren. Trainingsplätze, Geschäftsführung, Jugendteams: Sie alle sollten auf dem 32 Hektar großen Areal unterkommen, das sich nur wenige 100 Meter vom Stadion entfernt befindet. Eine Einheit sollte entstehen, mitten im Herzen Manchesters.

2011 begannen die Bauarbeiten, 2014 wurde das Gelände offiziell eröffnet. 200 Millionen Pfund investierte der Verein in den Neubau. Die Namensrechte verkaufte City an die abudhabische Fluggesellschaft Etihad, weshalb das Gelände heute als «Etihad Campus» bekannt ist. Wer das Trainingszentrum bestaunen will, muss zwei Stunden Zeit und 25 Pfund Eintrittsgeld mitbringen. Ein freundlicher Guide fährt die Schauwilligen in einem – selbstredend vollkommen elektrischen – Shuttlebus über den Etihad Campus, vorbei an sechzehn Trainingsplätzen, drei Fitnessstudios, sechs Schwimmbecken und einem 7000 Menschen fassenden Stadion, in dem Spiele der Jugend- und Frauenteams ausgetragen werden. Über ein Tablet lassen sich Imagefilmchen bestaunen, die einem das Innenleben der Gebäude näherbringen. Betreten darf man sie nicht. Die Tour fühlt sich ein bisschen an wie der Besuch eines Hollywoodstudios: Man ist so nah dran an den Sternchen – und doch so weit weg.

Führungen über das Gelände beginnen am Stadion. Mein Guide ist ein älterer City-Fan, der schon beim Titelgewinn 1968 im Stadion stand. Tatsächlich dürfte der Altersschnitt der Tourguides nahe dem Rentenalter liegen. City bezahlt die ältesten Fans, die Geschichte des eigenen Vereins weiterzuerzählen – ein Traumjob für die Guides, ein Gewinn für den Verein. Als ich mit ihm über City-Legende Bert Trautmann ins Gespräch komme, beginnt er zu schwärmen. Die dänische Familie auf der Tour interessiert eher die Frage, ob sie ein Foto schießen dürfen, wenn sie einen Star sehen. Es herrscht jedoch striktes Fotoverbot. Immerhin begeben wir uns in das Heiligtum des Vereins. Als wenige Minuten später tatsächlich Bernardo Silva an unserem Shuttlebus vorbeitrottet, zuckt ein dänischer Teenager kurz. Der Guide wirft ihm einen grimmigen Blick zu, das Handy bleibt in der Hosentasche.