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Heitere Geschichten aus den 50er-Jahren in Baden mit zahlreichen Fotografien. Alle Geschichten drehen sich um Omas und Opas. Der Autor wuchs in der Nachkriegszeit im badischen Städtchen Bühl mit fünf weiteren Geschwistern auf. Ohne die Omas und den Opa – was wäre das für eine Kindheit gewesen? Sie hatten Zeit für die Kinder und konnten sich erlauben, nicht so streng zu sein. Eine Kindheit, an die man sich gern erinnert.
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Seitenzahl: 114
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1. Auflage 2020
© 2020 by Silberburg-Verlag GmbH, Schweickhardtstraße 5a, D-72072 Tübingen.
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlaggestaltung: Andrea Longerich, César Satz & Grafik GmbH, Köln, Coverfoto: © Archiv Silberburg-Verlag.
Satz und Layout: Sabine Düde, César Satz & Grafik GmbH, Köln.
Lektorat: Gertrud Menczel, Böblingen.
Printed in Slovenia by Florjancic .
eISBN 978-3-8425-2281-7
ISBN 978-3-8425-2233-6
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Günter Neidinger, Jahrgang 1943, wuchs mit fünf Geschwistern im badischen Bühl auf, studierte dann an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe und wirkte lange Jahre als Lehrer und Rektor. Seit 30 Jahren ist er als erfolgreicher Autor tätig. Über 400 Bücher mit einer Gesamtauflage von über vier Millionen Exemplaren wurden in dieser Zeit veröffentlicht und teilweise in andere Sprachen übersetzt. Beim Silberburg-Verlag zuletzt veröffentlicht: »Auf der Gass. Eine Kindheit in Baden«.
Omas und Opas zu habenist für Kinder ein Geschenk.
Dieses Buch ist allen Omas und Opas gewidmet.
Vorwort
Bei Oma auf dem Hohbaum
Eine Ladung Kraut und Rüben
Nachbars Wunderhenne
Abenteuerspielplatz Wasser
Bahn frei! Kartoffelbrei!
Wohnen wie die Eskimos
Eine kurze Auferstehung
Mit Oma in der Kirche
Die verbotenen Früchte
Erdbeeren mit Freddy Quinn
Mozart und der Birnbaum
Ein Gutsel vom Fellmoser
Plötzlich verschwunden
Was tun mit Omas Zehner?
Omas besondere Suppe
Omas Geschichten
Eine kinderreiche Familie
Von Arbeit geprägt
Die bäuerlichen Festtage
Keschde und neuer Wein
Eine schwere Zeit
Umzug auf den Hohbaum
In den Ferien bei Oma und Opa
Zwetschgen an Schwarzwaldtannen
Nudeln in der Suppe
Beim Zuckerbäck
Eine schreckliche Vision
Opas alte Eisenbahn
Omas letzter Zehnmarkschein
Der Marktschreier im »Bären«
Omas besonderer Kaffee
Vom Winde verweht
Opas Gesangskünste
Opas Lausbubenstreiche
Wie Robert ein langweiliges Sängerfest interessant machte
Wie Robert und seine Brüder die Marktfrau überlisteten
Wie Robert einer dürstenden Wiese zu Wasser verhalf
Wie Robert einmal furchtbare Rache nahm
Wie Robert dem Säger-Baschi ein Licht aufsteckte
Wie Robert Geistern auf die Spur kam
Wie Robert eine Explosion erleben wollte
Wie Robert Hochwürden ins Schwitzen brachte
Wie Robert dem Stöcklesvogt entwischte
Wie Robert auch in der Schule auffiel
Wie Robert der Frau Lehrer imponierte
Wie Robert wieder zum Leben erwachte
Wie Robert für eine Schelmerei belohnt wurde
Wie Robert eine Servela ergatterte
Wie Robert einen Skalp erbeutete
Wie Robert zum Attentäter wurde
Wie Robert aus dem Arrest entkam
Wie Robert seinen Vater zum Wallfahrer machte
Wie Robert auf den Weg der Besserung gebracht werden sollte
Wie Robert in die weite Welt auswanderte
Nachwort
Bildnachweis
Ohne die beiden Omas und den Opa – was wäre das für eine Kindheit gewesen? Gewiss eine um vieles ärmere. Nicht dass die Großeltern mit Reichtum gesegnet gewesen wären, das waren in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen ich im badischen Städtchen Bühl mit fünf weiteren Geschwistern aufwuchs, die wenigsten Leute. Aber sie hatten Zeit für uns Kinder und konnten sich erlauben, was die meisten Omas und Opas auszeichnet: nicht so streng zu sein. Sie ließen manches durchgehen, was daheim undenkbar gewesen wäre.
Unsere Oma mütterlicherseits wohnte auf dem Hohbaum im ländlich geprägten Stadtteil Kappelwindeck. Sie hatte noch Landwirtschaft. Opa war bereits in jungen Jahren gestorben. Da war Oma erst 48 Jahre alt. Deshalb war es für unsere Familie selbstverständlich, dass wir Oma bei der Arbeit halfen. Auf einem Bauernhof war immer etwas los, für uns Kinder ein willkommener Abenteuerspielplatz! Für mich war es die schönste Belohnung, wenn ich bei Oma übernachten durfte. Mal ganz allein mit Oma eine Leberwurst oder ein Stück Speck aus der Räucherkammer vespern zu dürfen, war schon etwas Besonderes. Und abends, wenn Bettzeit war, schälte sie immer ein paar mehr oder weniger runzlige Äpfel als Betthupferl. »Oma-Äpfel«, wie wir sie heute noch nennen.
Oma lebte sehr bescheiden. Sie war es von Jugend auf gewohnt, wuchs sie doch mit zwölf weiteren Geschwistern auf. Der Vater starb früh, zwei Brüder fielen im Ersten Weltkrieg. So war ihr ganzes Leben von Arbeit geprägt. Aber verbittert erlebten wir unsere Oma nie. Im Gegenteil, sie verbreitete stets Optimismus und Zuversicht.
In Omas bäuerlich geprägter Umgebung waren wir Kinder in allen Häusern zu Hause. Nirgends waren die Eingangstüren verschlossen, und elektrische Klingeln gab es auch keine. Man rief einfach »Hallo« und stolperte ins Haus. Schon war man drinnen bei s’Dollsteffes, s’Rappebertels, s’Kinnis, s’Schmolle, s’Dollenaze oder wie sie alle hießen. Und wenn die Leute gerade beim Essen saßen, setzte man sich einfach dazu und vesperte mit.
Unsere Großeltern väterlicherseits lebten in der Fünftälerstadt Schramberg im Schwarzwald. Opa war Kaufmann und in der Uhrenfabrik Junghans angestellt. Früh am Morgen ging er aus dem Haus in der Landenberger Straße, machte sich auf den langen Weg bis zum Fabrikgelände am anderen Ende der Stadt und kam erst spät am Abend zurück. Aber an den Sonntagen, wenn es nicht gerade »Katzen hagelte«, wie er immer sagte, war Wandern rund um Schramberg angesagt: Auf den Fohrenbühl zum »Lauble«, nach Aichhalden-Eselbach, auf den Sulgen zu den »Vier Häusern« und anderen Ausflugszielen. Ein Auto hatte Opa nicht. Also hieß es, kilometerweit alles zu Fuß zurückzulegen, höchstens mal ein Stück mit dem Bus.
In den Ferien durfte ich des Öfteren bei den Wanderungen mitmachen. Ich tat es gern, denn am Zielort kehrte Opa immer in einem Wirtshaus ein. Das kannte ich von daheim nicht. Für einen solchen Luxus reichte bei uns das Geld nicht. Mit der Eisenbahn kam ich von Bühl aus angereist, bis Hausach mit dem Dampfzug der Schwarzwaldbahn, dann mit einem Dieseltriebwagen bis Schiltach und schließlich mit dem Dampfzügle zum Schramberger Bahnhof.
Oma hatte immer denselben Spruch auf den Lippen, wenn ich vor der Tür stand. »Ums tausig Gotts wille«, rief sie dann und klatschte dabei die Hände zusammen. Ein Fremder hätte bestimmt kehrtgemacht, aber ich kannte Oma und ihre Sprüche inzwischen und freute mich schon auf das gute Essen, mit dem sie mich dann jeden Tag verwöhnte.
Es waren immer besondere Tage im Jahr, wenn wir bei den Omas und dem Opa sein durften oder wenn sie uns besuchten. Sie spielten eine sehr wichtige Rolle in unserem Leben. Und das ist bei den meisten Kindern auch heute noch so. Was für ein Glück, dass es Omas und Opas gibt! Die Geschichten in diesem Buch sind ein Zeugnis dafür.
Sie spielen in Bühl, wo ich mit meinen fünf Geschwistern aufgewachsen bin und wo unsere Oma auf dem Hohbaum wohnte, in Schramberg, wo wir oft bei Oma und Opa in den Ferien waren, und in Neustadt im Schwarzwald, wo Opa aufgewachsen ist und mit seinen Lausbubenstreichen für Abwechslung gesorgt hat.
Aber die Geschichten könnten auch sonst überall spielen, wo es Omas und Opas gibt. Landauf, landab könnten die Enkelinnen und Enkel ähnliche Erlebnisse mit ihren Omas und Opas erzählen.
Früher hatte Oma auf ihrem kleinen Bauernhof neben den Ziegen, Hühnern, Hasen, Katzen und dem Hofhund auch noch drei Kühe im Stall. Zwei wurden als Zugtiere für den Wagen gebraucht, eine als Milchlieferantin. Als im fortgeschrittenen Alter Omas Kräfte nachließen, verkleinerte sie ihre Landwirtschaft. Die Kühe und die Wiesen wurden verkauft.
Als ich wieder einmal bei Oma zu Besuch war, hatten wir mit ihrem Fuhrwerk Kohlköpfe und Rüben vom Acker geholt. Fuhrwerke mit Kühen als Zugtiere waren in meiner Kinderzeit noch oft zu sehen. Pferde konnten sich nur die reicheren Bauern leisten.
Kohl und Rüben waren in diesem Jahr prächtig gediehen und versprachen nahrhafte Mahlzeiten für den kommenden Winter. Oma hatte dafür im Keller einen Lagerplatz eingerichtet. Dorthin galt es nun die Ladung zu transportieren.
Fleißig half ich dabei. Die Tragkraft meiner kleinen Arme ließ natürlich zu wünschen übrig, aber »Kleinvieh macht auch Mist« war einer von Omas Sprüchen. Und so tapste ich eifrig die Kellerstufen hinunter und wieder hinauf.
Der Wagen, den wir an diesem Tag abluden, war Omas ganzer Stolz. Mark für Mark hatte sie jahrelang beiseitegelegt, um sich dieses moderne Fahrzeug anschaffen zu können. Es hatte im Gegensatz zu den herkömmlichen Leiterwagen mit eisenbereiften Speichenrädern aus Holz Räder mit Gummireifen und an der Seite eine Kurbel. Wenn man an ihr drehte, konnte man die Bremsen festdrehen oder lösen.
Ich hatte schon oft genau hingesehen, wie Oma das bewerkstelligte. Es schien gar nicht so schwierig zu sein. Sollte ich es nicht auch einmal versuchen?
Jedes Mal, wenn ich mit dem leeren Korb die Kellertreppe hochkam, musste ich an der Kurbel vorbei. Und jedes Mal juckte es mich in den Fingern. Irgendwann stach mich der Hafer. Oma war gerade im Keller. Niemand sah zu. Ein paarmal drehen würde bestimmt keinen Schaden anrichten, schoss es mir durch den Kopf. Gedacht, getan!
Als die gummibereiften Räder die plötzliche Freiheit bemerkten, fingen sie auch schon an, sich zu drehen, erst langsam, und da es leicht bergab ging, bald etwas schneller. Jetzt aber schnell zurückdrehen!, war meine Devise. Aber o weh! Kaum hatte ich diesen notwendigen Entschluss gefasst, kam ich auch schon ins Stolpern, und der Wagen machte sich selbstständig.
Schreien war jetzt alles, und ahnungsvoll stürmte Oma die Kellerstufen hoch. Sie sah gerade noch, wie ihr ganzer Stolz aus Nachbars Gartenzaun Kleinholz machte, ehe er an einem Baum zum Stehen kam.
Das war das erste und einzige Mal, dass mir Oma das Fell gerbte. Ich nahm es geduldig hin. Nicht auszudenken, was da alles hätte passieren können!
Omas Nachbar war ein Bauer von kräftiger Statur und mit einem guten Appetit versehen. Nie mehr habe ich einen Menschen einen solchen Nudelberg verdrücken sehen wie ihn! Er war schon im reiferen Alter, aber immer noch ledig. Seit seine Mutter gestorben war, lebte er allein auf seinem Hof. Er freute sich immer, wenn Kinder aus der Nachbarschaft ihn besuchten und ihm bei der Arbeit oder dem anschließenden Vesper Gesellschaft leisteten.
Einmal kam ich gerade dazu, wie er einer Henne, um zu einer kräftigen Hühnerbrühe zu kommen, den Kopf abschlug. Anschließend warf er sie in einen neben ihm stehenden Bottich mit heißem Wasser.
»Danach lassen sich die Federn leichter rupfen«, erklärte er mir.
Doch dem kopflosen Federvieh schien die Prozedur nicht zu behagen. Vielleicht war ihm das Wasser zu heiß? Jedenfalls flatterte es wie wild geworden aus dem Kübel und sauste die Wiese hinunter, bis es schließlich an einem Zaun hängen blieb.
So etwas ging damals über meinen kindlichen Verstand, und ich glaubte, ein Wunder gesehen zu haben.
Als dann Jahre später im Geschichtsunterricht vom Seeräuber Klaus Störtebeker die Rede war und ich erfuhr, dass er nach seiner Enthauptung noch an seiner Mannschaft vorbeigelaufen sein soll und ihr somit das Leben rettete, bis ihm einer, der mit ihm sterben wollte, ein Bein stellte, erinnerte ich mich an Bauer Alfreds Wunderhenne und verstand die Geschichte. Ich hatte so was ja selber schon erlebt.
Das hatte der Bauer aber nicht gewusst und die Henne schon gar nicht, dass sie mir anschaulichen Geschichtsunterricht vermittelt hatten.
Öffentliche Spielplätze mit Klettergerüsten, Schaukeln, Rutschen und Sandkästen gab es in den Nachkriegsjahren in unserer Gegend keine. Unser Spielplatz waren die wenig befahrenen Seitenstraßen und Gassen in der Stadt. An Geschwistern und Nachbarskindern fehlte es auch nicht, und so stand Spielen wie »Ochs am Berg«, »Räuber und Gendarm«, Verstecken und Fangen nichts im Weg.
Noch viel interessanter war es aber, wenn wir Oma besuchen durften. In der bäuerlich geprägten Umgebung gab es Wiesen und Felder, Scheunen und Schuppen, die zum Spielen einluden. Und wenn wir Hunger oder Durst hatten, fanden wir immer etwas zu essen und zu trinken: Je nach Jahreszeit Sauerampfer, Rhabarber, Beeren, Nüsse, Obst und gegen den Durst klares Wasser vom Brunnen, der bei vielen Gehöften zu finden war. Einer pumpte, und alle anderen hielten nacheinander den Mund an das Wasserrohr und labten sich am frischen Nass.
Zudem standen damals alle Häuser in Omas Gegend offen. Ein Kind nahm einfach die anderen mit, und alle wurden versorgt mit dem, was gerade da war. Heute in diesem Haus, das nächste Mal in einem anderen. An Bauernbrot und Marmelade fehlte es nie. Manchmal gab es auch ein leckeres Speckbrot. Frisch gestärkt sauste dann die muntere Kinderschar wieder hinaus, neuen Spielen entgegen.
An Omas bäuerlichem Anwesen floss ein kleiner Bach vorbei, der mit seinem Wasser den Dorfweiher füllte. Ein idealer Abenteuerspielplatz für uns Kinder! Man konnte am Ufer sitzen und die Füße kühlen, Papierschiffchen um die Wette schwimmen lassen, Molche oder Stichlinge fangen und im Einmachglas bewundern. Anschließend gaben wir ihnen ihre Freiheit wieder zurück und sahen zu, wie sie schnurstracks das Weite suchten.
Am liebsten bauten wir am Bach Staudämme aus Steinen und Grasboschen. Das gestaute Wasser bildete bald kleine Seen, in denen man barfuß munter umherhopsen und sich gegenseitig nass spritzen konnte.
Oma achtete stets darauf, dass am Abend sämtliche Staudämme weggeräumt wurden und das Wasser wieder seinen gewohnten Lauf nehmen konnte, ob wir wollten oder nicht. Da kannte sie kein Erbarmen.
»Das nächste Hochwasser kommt bestimmt!«, erklärte sie uns jedes Mal.
Wir Kinder machten uns darüber keine Gedanken. Doch Oma wusste, warum sie in dieser Sache so streng sein musste. Bei manchem Unwetter war das sonst so munter dahinplätschernde Bächlein zum reißenden Bach geworden. Damit das Wasser nicht über das Ufer trat und den Hof überschwemmte, achtete jeder Anwohner in seinem angrenzenden Teil darauf, dass das Bachbett frei war und das Wasser gut abfließen konnte.
Wie gut, dass Oma aufpasste!
Einfach super war es bei Oma im Winter, wenn Schnee lag und wir auf der Dorfstraße mit dem Schlitten in rasendem Tempo abwärts brausen konnten. Damals konnte man sich das noch erlauben, denn im Winter fuhr da noch fast nichts!