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Johannes Euler

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Beschreibung

Wasserkonflikte sind insbesondere in Zeiten von Klimawandel, Ressourcenübernutzung und sozialen Verwerfungen mitunter folgenschwer. Johannes Euler begibt sich auf die Suche nach den ökonomischen und sozialen Ursachen von Wasserkonflikten sowie nach Möglichkeiten, diesen Ursachen entgegenzuwirken und gleichzeitig konstruktiv mit vorhandenen Konflikten umzugehen. Dabei zeigt er theoretisch und empirisch die Potenziale und Probleme von Commoning als Form der Wasserbewirtschaftung jenseits von Markt und Staat auf. Durch die Verknüpfung von Wirtschafts-, Nachhaltigkeits- und Konfliktforschung liefert er hoffnungsvolle Erkenntnisse für die Wasserwirtschaft und alternativökonomische Praxis.

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Johannes Euler forscht und lehrt an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter. Er promovierte an der Universität Heidelberg und war am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen im Rahmen vom »NRW Forschungskolleg: Future Water« tätig. Er ist Mitglied im Commons-Institut e.V. und forscht zu Commons, Degrowth, Nachhaltigkeit, pluraler Ökonomik und sozial-ökologischen Transformationen.

Johannes Euler

Wasser als Gemeinsames

Potenziale und Probleme von Commoningbei Konflikten der Wasserbewirtschaftung

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor rerum politicarum (Dr. rer. pol.) eingereicht im Dezember 2019 unter dem Titel »Wasser als Gemeinsames: Potenziale und Hemmnisse von Commoning für die Lösung von Konflikten bei der Wasserbewirtschaftung« am Fachbereich Wirtschaft der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg.

Erstbetreuer: Prof. Dr. Hans Diefenbacher (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)

Zweitbetreuer: Prof. Dr. Claus Leggewie (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz (BY). Diese Lizenz erlaubt unter Voraussetzung der Namensnennung des Urhebers die Bearbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung des Materials in jedem Format oder Medium für beliebige Zwecke, auch kommerziell. (Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de)

Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z.B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge erfordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber.

Erschienen 2020 im transcript Verlag, Bielefeld

© Johannes Euler

Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld

Umschlagabbildung: https://www.pexels.com/de-de/foto/flussig-flussigkeit-makro-reflektierung-33263/

Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar

Print-ISBN 978-3-8376-5376-2

PDF-ISBN 978-3-8394-5376-6

EPUB-ISBN 978-3-7328-5376-2

https://doi.org/10.14361/9783839453766

Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de

Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Für Helmut

Inhalt

Vorwort

Danksagung

1.Commons und Wasserkonflikte: Wasser als Gemeinsames?

1.1Forschungsdrang und Abenteuerlust: Die Motivation

1.2Die bekannte Welt: Die akademischen Ufer

1.3Die Etappenziele: Festlegung der Ausgangsfragen

1.4Kurs setzen und Segel hissen: Das Vorgehen

2.Commons und Commoning: Wie Wasser zum Gemeinsamen wird

2.1Einleitung

2.2Commons als historischer Begriff

2.3Das güterzentrierte Verständnis von Commons

2.4Commons als Recht oder Eigentumsform

2.5Commons als Praxisbegriff

2.6Die sieben Dimensionen des Commoning

2.7Nichtmenschliches als Teil von Commons-Vereinigungen

2.8Fazit: Commons jenseits der Warenform am Beispiel Wasser

3.Eine Theorie der Einbettung: Commoning und die Praktiken und Institutionen des Gesellschaftssystems

3.1Einleitung

3.2Gesellschaft zwischen Mensch und Natur

3.3Die Strukturationstheorie von Giddens

3.4Die Perspektive institutioneller Logiken von Thornton, Ocasio und Lounsbury

3.5Ordnungen im interinstitutionellen System

3.6Sozialökologische Systeme und institutionelle Logiken

3.7Fazit: Gesellschaftliche Einbettung von Commoning

4.Aufkommen von Wasserkonflikten: Das Wesen von Konflikten und die Gründe ihres Auftretens

4.1Einleitung

4.2Konflikte und deren Hintergründe

4.3Formen und Ursachen von Konflikten

4.4Herrschaftsverhältnisse als Konfliktpotenziale

4.5Fazit: Konflikte um Wasser als zwischenmenschlich und gesellschaftlich

5.Austragung von Konflikten: Die Potenziale von Commoning für einen konstruktiven Umgang mit Wasserkonflikten

5.1Einleitung

5.2Umgang mit Konflikten

5.3Veränderungen der Bedingungen

5.4Fazit: Potenziale von Commoning

6.Thesen und Methoden: Von der Theorie zur Empirie konstruktiver Bearbeitung von Konflikten in der Wasserwirtschaft

6.1Einleitung

6.2Thesen

6.3Methoden

6.4Fazit: Von der Theorie zur Empirie und zurück

7.Wasserkonflikte in der Commons-Literatur: Eine Metafallstudienanalyse

7.1Einleitung

7.2Annäherung an die Fallstudien

7.3Wasserkonflikte: Arten und Ursachen

7.4Drei Arten des Konfliktmanagements: Exklusion, Inklusion, Nichtmanagement

7.5Eingebettetheit und institutionelle Logiken

7.6Die Dimensionen des Commoning in den Fallstudien

7.7Fazit: Inklusionslogisches Konfliktmanagement als Verbesserungsmöglichkeit

8.Commoning in Cochabamba: Selbstorganisierte Wasserbewirtschaftung in Bolivien

8.1Einleitung

8.2Aus einem indigen geprägten Land des Bergbaus und der Landwirtschaft in die städtische Gegenwart

8.3Wasser in Cochabamba

8.4Selbstorganisation im Wassersektor

8.5Der Wasserkrieg und die neuere Geschichte

8.6Commoning in Wasserkomitees

8.7Einbettung der Wasserkomitees

8.8Konflikte und deren Bearbeitung im Wassersektor

8.9Fazit: Wasserkomitees mit Potenzialen, aber unter Druck

9.Selbstorganisierte Wasserbewirtschaftung in Medellín: Commoning und Konflikte in Kolumbien

9.1Einleitung

9.2Historischer Hintergrund

9.3Wasserbewirtschaftung im Medellín der Gegenwart

9.4Commoning in acueductos comunitarios

9.5Einbettung der acueductos comunitarios

9.6Wasserkonflikte und deren Bearbeitung

9.7Fazit: Acueductos zwischen Hoffnung und Existenzangst

10.Commoning, Einbettung und Wasserkonflikte:Potenziale und Hemmnisse der selbstorganisierten Wasserbewirtschaftung

10.1Der Reisebericht

10.2Erste Etappe: Wasserbewirtschaftung und die sieben Dimensionen des Commoning

10.3Zweite Etappe: Einbettung von Wasser-Commoning in kapitalistische Umgebungen

10.4Dritte Etappe: Ursachen von und Umgangsweisen mit Wasserkonflikten im Kapitalismus

10.5Vierte Etappe: Potenziale und Hemmnisse der Selbstorganisation

10.6Zurück an Land: Rückblick und Ausblick auf die Möglichkeiten der Gegenwart

Literatur

Anhänge

Anhang I: Verwendete Interviews in Cochabamba

Anhang II: Verwendete Gesprächsnotizen und Mitschriften aus teilnehmender Beobachtung in Cochabamba

Anhang III: Verwendete Interviews in Medellín

Anhang IV: Verwendete Gesprächsnotizen und Mitschriften aus teilnehmender Beobachtung in Medellín

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1: Acht Designprinzipien (nach E. Ostrom 1999: 117f.)

Tabelle 3.1: Institutionelle Ordnungen als Idealtypen des interinstitutionellen Systems (aus Thornton et al. 2012: 73)

Tabelle 3.2: Commons-Logik als eigenständige institutionelle Ordnung (eigene Darstellung, angelehnt an Thornton et al. 2012: 73; Entferntes durchgestrichen, Hinzugefügtes kursiv)

Tabelle 3.3: Variablen erster und zweiter Ordnung im Analyserahmen für sozialökologische Systeme (aus McGinnis/E. Ostrom 2014: o. S.)

Tabelle 4.1: Konflikttypologie (aus Glasl 2011: 76)

Tabelle 6.1: Codierbaum der Metafallstudienanalyse (eigene Darstellung)

Tabelle 6.2: Leitfaden der teilstrukturierten Interviews in Medellín (eigene Darstellung)

Tabelle 6.3: Codierbaum der Fallstudie Cochabamba (eigene Darstellung)

Tabelle 6.4: Codierbaum der Fallstudie Medellín (eigene Darstellung)

Tabelle 6.5: Schematik einer Auswertungstabelle (eigene Darstellung)

Tabelle 6.6: Beispiel für die Auswertung einer Textstelle aus dem Interview mit Carlos Crespo (eigene Darstellung)

Tabelle 7.1: Übersicht der Metafallstudienanalyse (eigene Darstellung)

Tabelle 7.2: Auswertung der Metafallstudienanalyse (eigene Darstellung)

Tabelle 8.1: Cochabambas Wasserkomitees zwischen Gemeinschafts- und Commons-Logik (eigene Darstellung, angelehnt an Thornton et al. 2012: 73; Zutreffendes unterstrichen)

Tabelle 10.1: Der vorliegenden Arbeit zugrundeliegende Forschungsfragen (eigene Darstellung)

Tabelle 10.2: Der vorliegenden Arbeit zugrundliegende Thesen (eigene Darstellung)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1: Die konventionelle Güterklassifikation (nach Adams/McCormick 1987; E. Ostrom 2010)

Abbildung 3.1: Struktur und Handlung zwischen Mensch und Gesellschaft (eigene Darstellung)

Abbildung 3.2: Analyserahmen für sozialökologische Systeme (SES) (aus McGinnis/E. Ostrom 2014: o. S.)

Abbildung 4.1: Erlebte Unvereinbarkeit und empfundene Beeinträchtigung (eigene Darstellung; nach Glasl 2011)

Abbildung 4.2: Objektive Unvereinbarkeit und objektive Beeinträchtigung (eigene Darstellung)

Abbildung 6.1: Ablauf inhaltlicher Strukturierung (nach Mayring 2015: 98ff.)

Vorwort

Wenn nicht alles täuscht, hat es sich herumgesprochen, dass die Globalisierung entgleist ist. Vor einigen Jahren ging man noch davon aus, die Welt wachse zusammen, der Flugverkehr nähme gewaltig zu, die globalen Lieferketten vervielfältigten sich und das Finanzkapital gewinne die Oberhand. Fortschritt wurde mit Globalisierung gleichgesetzt. Mit der Covid-19-Pandemie jedoch hat sich das Blatt gewendet, die Dynamik der Globalisierung ist gebrochen: die Einheit der Welt ist zu einem Drohgespenst geworden, der Ferntourismus ist zusammengebrochen, lange Produktionsketten zeigen ihre Störungsanfälligkeit und sogar der Nationalstaat ist zurück auf der Bühne.

Vor allem aber ist ein Trend, der die wirtschaftliche Globalisierung wesentlich ausmachte, endgültig auf die Anlagebank geschoben worden: die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge zugunsten börsennotierter, oftmals multinationaler Unternehmen. Privat geht vor öffentlich, mit diesem Mantra des Neoliberalismus wurden in vergangenen vierzig Jahren zahlreiche Sektoren der Wirtschaft umgebrochen, von der Bahn bis zum Luftverkehr, von der Post bis zur Telekommunikation, von Wasserversorgung bis zu den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Mit der Pandemie ist ein Schlusspunkt der Privatisierung erreicht. Das betrifft zunächst die Gesundheitsversorgung, die durch ein übersteigertes Gewinnstreben löchrig geworden ist, aber umgreift ebenso die anderen Sektoren. Hohl klingt derzeit das Mantra, die lange umkämpfte Privatisierung hat ihre Kehrseite gezeigt: häufig schlechtere Qualität der Dienstleistungen sowie die Diskriminierung der Minderbemittelten. So hat sich das Paradigma gewandelt: nach der entgleisten Globalisierung ist auch die Privatisierung passé.

Vor diesem Hintergrund gewinnt das Buch von Johannes Euler Kontur. Denn er misstraut dem freien Spiel der Marktkräfte ebenso wie der Staatsbürokratie, wenn es um die Daseinsvorsorge geht. Er setzt auf die Commons, das Gemeinsame. Das ist jene Sozialform, die fast in Vergessenheit geraten ist, aufgerieben zwischen Markt und Staat, und doch ist sie universal und gleichermaßen unentbehrlich. Kein Menschenleben ohne Empathie und Kooperation, keine Gesellschaft ohne diesen Kitt des sozialen Zusammenhalts. Wettbewerb und Egoismus kommen erst später. Das ist eigentlich ein Gemeinplatz, verdrängt hingegen von den Wissenschaften, die sich um den homo oeconomicus ranken. Bezeichnenderweise ist es eine Frau gewesen, Elinor Ostrom (1933-2012), die 2009 mit ihrem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften dem früheren Aschenputtel der Commons-Forschung zu Ansehen und Ehre verholfen hat. Euler steht fest in dieser Tradition, wobei er einen interessanten Unterschied betont. Während Ostrom in vielen Fallstudien nachweist, wie sehr die Bewirtschaftung von Allmendegütern, also Weiden, Fischgründe oder Bewässerungssysteme, von gemeinschaftlichen Nutzungsregeln profitieren kann, besser sogar als durch die Privatisierung oder die zentrale Verwaltung, plädiert er für einen Ansatz, der nicht güterzentriert, sondern menschenzentriert ist. Was sind die Commons? Euler denkt den Begriff nicht von den Ressourcen, vielmehr von den Nutzungsgemeinschaften her. Darum hat das Verb Commoning im Buch eine solche Prominenz, die Mit-Sorge der Gemeinschaft. Was zeichnet nun Commoning aus? Mit welchen Schwierigkeiten hat Mit-Sorge zu kämpfen? Hat Commoning eine Perspektive?

Um das zu klären, hat Euler die Städte Cochabamba in Bolivien sowie Medellín in Kolumbien ausgewählt. Berühmt wurde der »Wasserkrieg« von Cochabamba vor zwanzig Jahren, ein weltweit gehörtes Fanal im Kampf gegen Privatisierung. Wasser! Wie jeder weiß, alles Leben auf der Erde ist abhängig vom Wasser. Getreidekörner wie Baumriesen, Insekten wie Wirbeltiere, Babys wie Greise sind auf Frischwasser anwiesen, nicht nur zum Überleben, sondern auch zum Gedeihen und Prosperieren. Ohne Wasser kein Leben. Schon die Gelehrten unter dem spätrömischen Kaiser Justinian fassten »die Luft, das fließende Wasser und das Meer und aus demselben Grund, die Küsten des Meers« als res communes auf. Und deshalb verpflichten sich die Vereinten Nationen in der Gegenwart auf das Ziel »Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle«, als eines von 17 globalen Nachhaltigkeitszielen. Immer noch hat nämlich im Jahr 2017 ein Drittel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu verlässlichem Trinkwasser, die Hälfte hat keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen, sogar neun Prozent muss ihre Notdurft im Freien verrichten. Allerdings hält sich Johannes Euler nicht lange mit globalen Water Commons auf, es geht ihm um die lokalen Water Commons. Denn der geo-wissenschaftliche Blick auf den Wasserkreislauf ist oft blind gegenüber der Vielfalt sozialer und kultureller Stile des Umgangs mit Wasser. Wer bestimmt lokal über Versorgung mit Wasser? Wie wird mit Ungleichheit umgegangen? Wer sorgt sich um die Wälder, Wiesen, Böden, die das Wasser auffangen? Und mit vertracktesten aller Fragen: wie sieht es mit dem Commoning aus, wenn das Wasser ausgeht?

Im Buch findet sich Antworten auf all diese Fragen, wobei eine Grundsatzfrage zwar theoretisch klar beantwortet wird, empirisch allerdings in der Schwebe bleibt und vielleicht auch bleiben muss: Ist Commoning ein Relikt aus dem Agrarzeitalter oder eine Sozialform für die Postwachstumsgesellschaft? Die Mitglieder der städtischen WaterCommons in Cochabamba und Medellín wussten noch, wie ihre bäuerlichen Vorfahren mit dem Wasser – für den Haushalt, für die Bewässerung oder für die Energiegewinnung – umgesprungen sind. Sie hatten damals kein Leitungswasser, sondern Regenwasser. Sie mussten sich um die Quellen in der Erde kümmern und um die Kanäle, Flüsse, Schleusen oder Latrinen. Sie waren gezwungen, sich auf regenarme Zeiten vorbereiten. So war die Infrastruktur der Agrargesellschaften auf die geregelte Mitarbeit von vielen Kräften angewiesen. Dazu ist das Wasser, das fließende und reißende, das wohlige und das gefährliche, die Quelle zahlloser Mythen und Sinnbildern. Es ist die Gabe von irgendwelchen Gottheiten. Doch Wasser aus städtischen Leitungssystemen hat das alles nicht, ist stets verfügbar und ohne Symbolik – es ist nur H2O. Kann die Verwaltung des Stoffes H20 Commons begründen? Die langfristige, verlässliche Mitwirkung von Vielen? Oder braucht es andere Narrative in der Postwachstumsgesellschaft?

Bei Johannes Euler, der Mitbegründer des Commons-Instituts ist, rennt dieser Fragekomplex offene Türen ein. Hauptsächlich dazu forscht und arbeitet die Commons Community sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Zweifellos wird dieses Buch die Diskussion über die Commons enorm voranbringen. Es ist ein Meilenstein, zumal in der deutschsprachigen Literatur, an dem niemand vorbeigehen sollte.

Prof. Dr. Wolfgang SachsWuppertal Institut für Klima, Umwelt und EnergieSeptember 2020

Danksagung

Wie bereits das gewählte Eingangszitat von Andreas Weber deutlich macht, ist diese Arbeit von einem Menschen verfasst, dem persönlich an dem behandelten Thema gelegen ist und der gesellschaftspolitische Anliegen vertritt. Das Thema Commons begegnete mir erstmals im Rahmen meines politischen Engagements im Jahr 2011. Ein Bekannter empfahl mir das Buch »Beitragen statt Tauschen« von Christian Siefkes (2009), und ich fand dort einige Gedanken ausformuliert, die ich ähnlich während meiner Zeit in Westafrika entwickelt hatte. Die von Silke Helfrich und Brigitte Kratzwald im Jahr 2012 organisierte Commons-Sommerschule erlaubte mir einen ersten tiefen Einblick in die damaligen Debatten und die Weite der Commons. Mein Masterstudium der Politikwissenschaften, der Volkswirtschaftslehre und der Philosophie an der Universität Hamburg bot mir die Gelegenheit, dem Thema mehr Raum zu geben, und so schrieb ich einige erste Texte und eine Abschlussarbeit, in der ich die Dichotomie von Markt und Staat analysierte und Commons als mögliche Erweiterung vorschlug (Euler 2014).

Im Anschluss an das Studium bekam ich die Möglichkeit, diese Überlegungen in Form einer Promotion zu vertiefen und mit dem Thema Wasserkonflikte zu verbinden. Das transdisziplinäre »Fortschrittskolleg NRW: FUTURE WATER« lieferte mir wertvolle Bezüge zur Wasserforschung und das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI), an dem ich in diesem Rahmen angestellt war, einen guten Platz, um wissenschaftlich zu reifen. Wichtige Impulse konnte ich bei Begegnungen auf akademischen Konferenzen und in sehr unterschiedlichen Räumen gemeinsamer Praxis sammeln. Besonders bedeutsam waren und sind die Debatten und Begegnungen im Rahmen des in Bonn registrierten, sich aber als nomadisch verstehenden Commons-Institut e.V., in dem sich ein wichtiger Teil der deutschsprachigen Commons-Akteurinnen versammelt.

Commons sind mir insbesondere deshalb ans Herz gewachsen, da ich sie aufgrund meiner theoretischen Auseinandersetzungen und meiner vielfältigen praktischen Erfahrungen in diesem Bereich als eine Möglichkeit ansehe, wichtige Probleme der Gegenwart einer Lösung näherzubringen. Ich bin der Überzeugung, dass die Frage nach dem Trinkwasser und den Konflikten darum, wie die meisten Zukunftsfragen der heutigen Zeit, eine genuin soziale ist und in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte: »El agua es vida« (Seoane Osa 2014: 16), heißt es in Lateinamerika, Wasser ist Leben. Aus diesem Grunde muss auf der sozialen Ebene nach Lösungen gesucht werden, und zwar mit der Offenheit, auch sehr weitreichende Änderungen in Betracht zu ziehen. Denn nur dies wird den immensen Herausforderungen der Gegenwart gerecht. Gleichsam war mir während der Forschung stets bewusst, dass es sowohl in der Theorie als auch in der Empirie gilt, dem zu Untersuchenden mit der gebührenden Distanz zu begegnen.

Aus dieser Selbsteinordnung erklärt sich das Anliegen der vorliegenden Arbeit, das sich in zwei Teile gliedern lässt. Erstens und zuvorderst zielt die Arbeit darauf ab, einen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten. Dabei geht es zunächst darum, die Commons-Forschung voranzubringen. Dies soll insbesondere durch die Reflexion der Begriffe Commons und Commoning erreicht werden sowie durch deren Einbettung in gesellschaftstheoretische Überlegungen. Des Weiteren soll den wissenschaftlichen Debatten, die sich mit Wasser- und Konfliktmanagement beschäftigen, Inspiration geliefert werden. Ziele sind, dass die gesellschaftlichen Bedingungen verstärkt in den Blick genommen werden, dass ein kritischer und konstruktiver Umgang mit den Ursachen und Austragungsweisen von (Wasser-)Konflikten entsteht und dass die Hemmnisse und Potenziale der Commons-Theorie und -Praxis erkannt und weiteren Untersuchungen unterzogen werden. Zweitens zielt die vorliegende Arbeit auf die gesellschaftspolitische Ebene. Alternative Möglichkeiten der Wasserbewirtschaftung sollen sichtbar gemacht und die Potenziale und Hemmnisse, die mit Commoning in Hinblick sowohl auf die Ursachen von Wasserkonflikten als auch auf den Umgang damit verbunden sind, aufgezeigt werden. Schlussendlich ist das Ziel, einen Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise zu leisten.

Auf dem Weg haben mich viele Menschen begleitet, denen ich danken möchte. Zuerst möchte ich meinem Erstbetreuer, Prof. Dr. Hans Diefenbacher, für seine Offenheit dem Thema gegenüber, seine wohlwollende Begleitung während der Forschung und die kritische Lektüre meiner Textentwürfe danken. Auch meinem Zweitbetreuer, Prof. Dr. Claus Leggewie, möchte ich für seine hilfreichen Rückmeldungen danken sowie dafür, dass er mir diese Forschung überhaupt ermöglicht hat. Diese Arbeit hat mich an spannende Orte geführt und mit beeindruckenden Menschen in Verbindung gebracht. Zuerst führte sie mich nach Cochabamba, die Stadt des ewigen Frühlings (ciudad de la eterna primavera), in Bolivien. Dort bin ich einer Frau zu großem Dank verpflichtet: Marcela Olivera. Sie hat mich an ihrem bemerkenswert gut gelaunten und kraftvollen Engagement teilhaben lassen und mir viele wichtige Einblicke gegeben und Kontakte vermittelt. Aus der Stadt des ewigen Frühlings ging es nach Kolumbien, in die Hauptstadt des ewigen Frühlings (capital de la eterna primavera). Auch dort gibt es Menschen, denen ich ganz besonders danken will: Carolina Pérez und Germán Valencia Agudelo. Beide haben mir in vielen Gesprächen geholfen, die Lage vor Ort besser zu verstehen, und mir mit ihrer großen Hilfsbereitschaft viele Türen geöffnet. Neben diesen drei außerordentlich wichtigen Personen möchte ich auch all den anderen Menschen danken, die vor Ort ihre Zeit und ihr Wissen mit mir geteilt haben. Mir ist bewusst, wie wenig selbstverständlich das ist, und ich nehme diese Geschenke mit großem Dank entgegen. In Zeiten des intellektuellen Extraktivismus, an dem auch ich mit dieser Arbeit beteiligt bin, bleibt mir nur zu hoffen, dass durch meine bescheidenen Tätigkeiten vor Ort sowie durch diese Arbeit und mein zukünftiges Wirken etwas zurückfließen wird.

Unterstützt haben mich auch eine Reihe Personen in meinem engeren professionellen und persönlichen Umfeld, denen ich ebenfalls einen sehr herzlichen Dank aussprechen möchte. Zunächst danke ich dem gesamten KWI, das mir viele Freiräume für die eigenständige Forschungstätigkeit bot. Dem Kollegium und insbesondere Steven Engler, Jan-Hendrik Kamlage und Britta Acksel danke ich für die Betreuung, die Begleitung und hilfreiche Rückmeldungen. Danken möchte ich auch Simon Kresmann, dem Koordinator von FUTURE WATER, der mir immer wieder den Rücken frei gehalten und wichtige Impulse gesetzt hat. Der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, und insbesondere Eva-Maria Walker, möchte ich dafür danken, dass ich neben meinen Tätigkeiten am Lehrstuhl für Arbeit und Organisationskultur im Handel den Raum hatte, diese Arbeit zu finalisieren. Besonderer Dank gilt auch den Menschen im Commons-Institut: für die Rückendeckung, die kritischen Diskussionen, den sozialen Zusammenhalt, die Motivation und die Inspiration, die ich immer wieder erfahren durfte.

1.Commons und Wasserkonflikte: Wasser als Gemeinsames?

»Wasserknappheit und Wasserreichtum sind nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis kulturell bestimmter Umgangsweisen mit Wasser. Kulturen, die Wasser verschwenden oder das zarte Geflecht des Wasserkreislaufs zerstören, schaffen Knappheit auch unter Bedingungen des Überflusses. Wer jedoch mit jedem Tropfen haushaltet, kann Knappheit in Überfluss wenden.« (Shiva 2003: 167)

1.1Forschungsdrang und Abenteuerlust: Die Motivation

Die vorliegende Arbeit entspringt dem Zueinanderkommen von drei großen Begriffen. Da ist zunächst das Wasser, Ursprung allen Lebens, reich an Formen und kulturellen Bezügen, schwer zu fassen, in großen Mengen vorhanden und viel zu häufig knapp oder verschmutzt. Hinzu kommen Konflikte, seit jeher Teil des Lebens, mal grausam-zerstörerisch, mal konstruktiv-erlösend ausgetragen, Treiber von Geschichte und Hort vieler Ängste. Zuletzt das Gemeinsame, ein uralter und hochaktueller Begriff, wieder sichtbarer werdende soziale Praktiken des Gemeinsamen, verbindendes Teilen, umweht von der Hoffnung auf eine bessere Welt. Der Dreiklang dieser Elemente liefert das Grundgerüst dieser Arbeit. Das Zusammenspiel formt den Verlauf.

Die Bedeutsamkeit des Wassers sowie der damit verbundenen Krisen und Konflikte wird im politischen Diskurs und von nationalen und globalen politischen Akteurinnen1 anerkannt. Am 28. August 2010 sprach die Vollversammlung der Vereinten Nationen (United Nations; kurz: UN) dem Zugang zu sauberem Wasser den Status eines Menschenrechts zu. In den »Millennium Development Goals« der UN (2015a) wurde ein Ausbau des Zugangs zu sicherem Trinkwasser und sanitären Anlagen anvisiert.2 Die »Sustainable Development Goals«, auf die sich die UN im September 2015 einigten, beinhalten eine verschärfte Forderung (UN 2015b).3 Auch wenn der »Millennium Development Report« von 2015 (UN 2015a: 58ff.) einige Fortschritte verzeichnet, ist eine kontinuierliche und flächendeckende Erfüllung des Menschenrechts auf sauberes Wasser nicht in Sicht.

Kurzzeitige wie andauernde Krisen und Konflikte sind im Wasserbereich nicht ungewöhnlich und reichen von extremer Trockenheit über Starkregenereignisse bis hin zu Überschwemmungen und Verschmutzungen (Green et al. 2015; Böhmelt et al. 2014; Rodríguez-Labajos/Martínez-Alier 2015; Yates et al. 2017). Für das Jahr 2015 bezeichnete das World Economic Forum (WEF) im »Global Risks Report« Wasserkrisen als das achtwahrscheinlichste Risiko und als globales Risiko Nummer eins »in terms of impact« (WEF 2015: 9). Seit 2012 sind Wasserkrisen unter den Top Fünf dieser Kategorie zu finden, neben Massenvernichtungswaffen, Extremwetterereignissen, Naturkatastrophen und dem Versagen bei der Anpassung an den Klimawandel (WEF 2019: 8).4 Für das WEF gilt das Risiko von Wasserkrisen nicht mehr als vornehmlich umweltbezogenes Risiko, sondern als ein primär gesellschaftliches (WEF 2015: 24). Einer Erfüllung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser steht der häufig konfliktreiche Umgang mit Wasser entgegen. So lassen sich viele, teils gewaltsame Wasserkonflikte ausmachen, die mitunter durch die mit dem Klimawandel einhergehenden Veränderungen angeheizt werden (Welzer 2009: 157ff.). Die Auswirkungen des Klimawandels auf die global verfügbaren Wasserressourcen werden in Summe als negativ eingeschätzt (Grambow et al. 2013: 11). Harald Welzer (2009: 161) spricht von einer »herausragende[n] Rolle, die Konflikte um basale Ressourcen wie Wasser, Boden und Luft als Gewaltursache spielen«. Regional lokalisierbare Konflikte seien dabei auch durch überregionale Bedingungen beeinflusst. Es ist davon auszugehen, dass sich derartige Bedingungen, beispielsweise durch veränderte Nachfrage- und Angebotsstrukturen, verstärkte Migrationsbewegungen und zunehmende Extremwetterereignisse, auch auf die entsprechenden lokalen Ökonomien auswirkt.

Eine aufschlussreiche Illustration der Beeinflussung regionaler Wasserverfügbarkeiten durch globale Warenströme ist das sogenannte virtuelle Wasser. Damit wird Wasser bezeichnet, das bei der Erzeugung eines Produktes verwendet und in der Folge virtuell mit diesem Produkt transportiert wird. Mit Blick auf die globalisierten Ökonomien der Gegenwart und das Weltklima liegt die gegenseitige Abhängigkeit der unterschiedlichen geografischen Räume und Ebenen auf der Hand. »Bei der Wasserinanspruchnahme gilt grundsätzlich, dass ihre Auswirkungen stark von der Art der Wassernutzung sowie der Region, in der sie stattfindet, abhängen« (Graaf et al. 2015: 36). Unter Berücksichtigung dieser Wechselwirkungen könnte als Ziel nachhaltigen Wassermanagements die sowohl ökologisch als auch sozial dauerhaft verträgliche Gestaltung der Wasserinanspruchnahme bezeichnet werden.5 Bis dato scheint es genügend Wasser auf der Erde zu geben, um dieses Ziel zu erreichen. »The fact is there is enough water available to meet the world’s growing needs, but not without dramatically changing the way water is used, managed and shared. The global water crisis is one of governance, much more than of resource availability« (UN 2015c: 7).6 Demnach ist es notwendig, die gegenwärtige Form des Wassermanagements grundsätzlich infrage zu stellen. Dabei geht es letztlich um die Fragen, auf welche Weisen und zu welchen Zwecken Wasser nutzbar gemacht und genutzt wird. Diese Fragen stellen häufig den Ausgangspunkt für Wasserkonflikte dar.7

Viele Lösungsansätze zielen entweder auf staatliche Lenkung (Steuern, Gesetze) oder marktwirtschaftliche Selbstregulation ab – oder auf deren Zwischenbereich (Mischformen wie Subventionen, staatliche Eingriffe bei Marktversagen, gezielte Veränderung der wirtschaftlichen Anreizstrukturen) (vgl. Bauer 2010; Cassel/Rüttgers 2009; Gibbons 1986; Grambow 2013; López Rivera 2015; Scheele 2008). Allerdings sind Elinor Ostrom (1999: 1) zufolge weder der Staat noch der Markt »ein Garant für nachhaltige und produktive Nutzung von Naturressourcen«. Stattdessen wurde Trinkwasser, um das es in der vorliegenden Arbeit vornehmlich gehen wird, in den letzten Jahrzehnten immer weniger als »schützenswertes, überlebensnotwendiges Allgemeingut« (Schermuly 2017: 331) behandelt, sondern wurde immer mehr zur »Ware wie jede andere« (ebd.). Die Kommodifizierung von Trinkwasser erfolgte im Zusammenspiel von Politik und Ökonomie und lässt sich sowohl bei staatlichen als auch bei privatwirtschaftlichen Unternehmen beobachten (López Rivera 2015). Dies hat zur Folge, dass Wasser, wie andere Waren auch, der ökonomischen Ausbeutung preisgegeben wird. Dies steht mitunter den Zielen des nachhaltigen Managements entgegen.

Elinor Ostrom (1999: 1f.) zeigt eine weitere Form der Governance, die sie als Selbstverwaltung bezeichnet. »[M]anche Gemeinschaften [haben] weder staat- noch marktähnlichen Institutionen vertraut […], um ihre Ressourcensysteme über lange Zeiträume mit vernünftigem Erfolg zu verwalten«. Die selbstorganisierte Wasserbewirtschaftung stellt einen der wichtigsten Bereiche der von ihr beforschten Commons8 dar. In jüngerer Zeit werden vermehrt neuartige Phänomene insbesondere aus dem Bereich der Informations- und Telekommunikationsgüter als Commons bezeichnet (zum Beispiel Wikipedia und Freie Software). Weitere Beispiele neuerer Commons lassen sich in sehr unterschiedlichen Bereichen finden: etwa beim Wohnen (Mietshäuser Syndikat), in der Gesundheitsversorgung (ARTABANA), der Lebensmittelproduktion (Solidarische Landwirtschaft), dem Transportwesen (Freie Lastenräder) und dem Maschinenbau (open source ecology).

Anstelle der Beschaffenheit der stofflichen oder nichtstofflichen Dinge werden für die Bezeichnung als Commons häufig die darunterliegenden sozialen Praktiken in den Vordergrund gerückt: das Commoning (Helfrich 2012b). Mit dem Bezug auf diese Praktiken des Gemeinsamen wird die Aussicht auf einen sozial verwurzelten und ökologisch nachhaltigen Umgang mit Ressourcen wie Wasser mit alternativen Formen des Wirtschaftens verbunden (Barlow 2012; Habermann 2015). Auf diesem Wege könnte möglicherweise nicht nur konstruktiv mit Wasserkonflikten umgegangen werden, sondern könnten auch die gesellschaftlichen Konfliktpotenziale reduziert werden (Sutterlütti/Meretz 2018). Diese Perspektive kann als gedankliche Quelle der argumentativen Richtschnur, die den kommenden Kapiteln zugrunde liegt, gelten. Damit ist die vorliegende Arbeit, an Shivas Eingangszitat angelehnt, eine Auseinandersetzung mit einer besonderen Form kulturell bestimmter Umgangsweisen mit Wasser. Die zu überprüfende Ausgangsthese lautet, dass diese Form das Potenzial in sich trägt, die Wasserkreisläufe nicht zu zerstören sowie Konflikte, Ausgrenzungen und Knappheit nicht künstlich zu erzeugen, sondern stattdessen eine Rückverbindung zum Wasser und zum davon abhängigen Leben zu ermöglichen.

1.2Die bekannte Welt: Die akademischen Ufer

In der ökonomischen Literatur wird Wasser in der Regel als Flussressource angesehen (mitunter allerdings auch als Bestandsgröße), es gilt in der Regel als nicht substituierbar, unhandlich und durch sein vergleichsweise hohes Gewicht als kostspielig zu transportieren. Wasser gilt gleichsam als anfällig für Staats- und Marktversagen, und es werden eine Vielzahl unterschiedlicher, teilweise miteinander rivalisierender Nutzungsmöglichkeiten und -ansprüche ausgemacht. Diese Nutzungsvielfalt hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass je unterschiedliche Arten von Wasser in den Blick genommen werden. In der Regel wird in der akademischen Literatur zwischen blauem, grünem und grauem Wasser unterschieden (bspw. Hoekstra/Mekonnen 2012). Als blau gilt sowohl unterirdisches als auch in oberflächennahen Gewässern befindliches Wasser. Als grün wird Regenwasser bezeichnet und bei grauem handelt es sich um verschmutztes Wasser. Diese Wasserarten sind eng miteinander verwoben und bilden zusammen mit dem Salzwasser der Meere die unzähligen lokalen Wasserkreisläufe. Die Wässer dieser Kreisläufe werden gewissermaßen immer geteilt. Das geschieht erstens, weil niemand alleinige Eigentümerin eines solchen Kreislaufs sein kann, und zweitens, weil alle Kreisläufe miteinander verbunden sind.9 Das Wasser, das den menschlichen Körper zu großen Teilen ausmacht, gehört ebenso dazu wie Gletscher, Regenwasser, Weltmeere, Grundwasser und so weiter. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie Wasser auf- und zugeteilt wird, welche Prinzipien vorherrschen und wie mit dem Wasser umgegangen wird.

Als Wasserwirtschaft, Wasserressourcen-Management oder schlicht Wassermanagement kann »[d]ie Kunst des Umgangs mit dem Wasserschatz, seiner ungleichmäßigen örtlichen und zeitlichen Verteilung, seines Schutzes und seiner Nutzbarmachung für den Menschen« (Grambow et al. 2013: 5) bezeichnet werden. In der naturwissenschaftlichen Fachliteratur spielen neben den ökologischen insbesondere technische Aspekte eine große Rolle (vgl. Staben 2008). Vornehmlich technologische Antworten auf ökologische Fragen werden allerdings bisweilen als kulturell und ökologisch unpassend kritisiert. Vandana Shiva (2003: 42) beispielsweise beschreibt technologiebasierte Lösungen als »Irrweg« und betont stattdessen, »dass die Vielfalt an Ökosystemen eine große Vielfalt von Kulturen und Wirtschaftsweisen hervorgebracht hat«. Lösungen, die sich an den lokalen Begebenheiten und Kulturen ausrichten oder sogar aus diesen entstehen, scheinen ihr erfolgversprechender. Dieser Analyse folgend, geht es beim Wassermanagement nicht nur um Ökologie und Technologie, sondern zuvorderst um das Soziale.

Laut Willems (2017: 15) sind die Fragen der sozialen Organisation der Wasserwirtschaft auch in den Sozialwissenschaften weitgehend vernachlässigt. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive scheint die soziale Frage vornehmlich die von Angebot und Nachfrage zu sein. »The generic problem of water is one of matching demand with supply, of ensuring that there is water of a suitable quality at the right location and the right time, and at a cost that people can afford and are willing to pay« (Hanemann 2005: 87). Die Frage des Zugangs zu Wasser wird als Frage der Wasserqualität und der räumlichen sowie zeitlichen Verfügbarkeit interpretiert. Wer Zugang zu Wasser bekommt, hänge zentral von der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der Nutzerinnen ab. Dieser Problembeschreibung sind viele Setzungen eingeschrieben, zum Beispiel die Zentralität einer Marktvermittlung und die damit verbundene Behandlung von Wasser als Ware. Antworten finden die Wirtschaftswissenschaften, wie bereits angedeutet, in der Regel zwischen den Polen Markt und Staat. Die vorliegende Arbeit grenzt sich von dieser Herangehensweise ab, indem diese Setzungen hinterfragt werden und Alternativen sowohl in der Problembeschreibung als auch in der Lösungsformulierung aufgezeigt werden.

Lange Zeit wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser als eine der Kernaufgaben des Staates angesehen (López Rivera 2015: 28ff.). Auf dieser Grundlage erschien das Wassermanagement als eine primär technische Aufgabe – eine Sichtweise, die nicht zuletzt durch unterschiedliche Formen der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit auch in den Ländern des Globalen Südens verankert wurde. »From the 1950s to the 1970s, many development agencies and states around the world attempted to address water shortages with technical, interventionist, and extremely large-scale solutions« (Marston 2014: 75). In diesem Zuge wurden viele Großprojekte begonnen, wie zum Beispiel der Misicuni-Staudamm in der Nähe des bolivianischen Cochabamba (siehe 8.3). Im Laufe der Zeit wurden kleinere und dezentralisierte Lösungen verstärkt zum Mittel der Wahl (ebd.: 76). Dies ging einher mit dem aufkommenden Neoliberalismus10 und den darin bevorzugten marktlichen Governanceformen, die unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank auf globaler Ebene verbreiteten (Bakker 2005; Magdahl 2012). Bezogen auf Umweltgüter, zu denen auch Wasser gezählt wird, spricht Karen Bakker (2007: 432) von einem »market environmentalism«, mit dem sie die Hoffnung verbindet, eine gelungene Fusion zwischen Wirtschaftswachstum, Effizienz und Umweltschutz zu sein.

»[T]hrough establishing private property rights, employing markets as allocation mechanisms, and incorporating environmental externalities through pricing, proponents of market environmentalism assert that environmental goods will be more efficiently allocated if treated as economic goods – thereby simultaneously addressing concerns over environmental degradation and inefficient use of resources« (ebd.).

Kritikerinnen neoliberaler Reformprojekte problematisieren beispielsweise die tatsächlichen ökologischen Folgen und die Implikationen für die Verteilung der fraglichen Güter, und so entstand eine mitunter erbittert geführte politische und wissenschaftliche Debatte (ebd.; vgl. Himley 2008; Magdahl 2012).11

Auf der einen Seite wurde, so zeigt Katherine Higuita Alzate (2014: 23), das Abfüllen und Verkaufen von Trinkwasser zu einem der lukrativsten und am stärksten wachsenden Geschäftsbereiche für internationale, nationale und lokale Unternehmen. Sie rechnet vor, dass im kolumbianischen Medellín eine Flasche Trinkwasser ungefähr 2900-mal so viel kostet wie für mittlere Einkommensschichten ein Liter aus der Leitung.12 Auf der anderen Seite bringt das marktwirtschaftliche Wassermanagement Probleme mit sich. So argumentiert Franklin Obeng-Odoom (2016: 414) beispielsweise: »Water markets have been responsible for much displacement and trouble not only for communities but also nature.« In der jüngeren Vergangenheit beginnt der Staat vielerorts wieder, sich stärker im Wassersektor zu engagieren.13 Doch auch jener scheint bislang kaum in der Lage zu sein, für ein langfristig nachhaltiges Wassermanagement zu sorgen, zumal im Zuge des Klimawandels gegenwärtig eine Vielzahl neuer Herausforderungen auf die Wasserwirtschaft zukommt.

Vor diesem Hintergrund gewinnen alternative Formen der Wasserbewirtschaftung an gesellschaftlicher Relevanz. In diesen Bereich fallen die schon erwähnten Formen des gemeinsamen Wassermanagements, die hier unter dem Begriff Commons subsumiert werden. Als eine Pionierin der Commons-Forschung gilt die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom. Ihre Forschung in diesem Bereich und der Aufbau vom inzwischen nach ihr und ihrem Mann Vincent benannten Workshop in Political Theory and Policy Analysis an der Indiana University im US-amerikanischen Bloomington mündeten im Jahre 2009 in die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises (E. Ostrom 2010).14 Bereits in den Jahren zuvor wurde das Thema Commons in der Wissenschaft zunehmend behandelt und rezipiert (Van Laerhoven/E. Ostrom 2007). Die Ehrung Elinor Ostroms führte dazu, dass sich dieser Trend fortsetzte und mutmaßlich sogar verstärkte. Auch in gesellschaftspolitischen Debatten findet das Thema seither vermehrt Eingang und gilt inzwischen als eines der Zukunftsthemen bei Fragen nachhaltiger Entwicklungen und sozialökologischer Transformationen (vgl. von Winterfeld et al. 2012; Schmelzer/Vetter 2019).15

Elinor Ostrom (1999) forschte über selbstverwaltetes Ressourcenmanagement, und eine der Ressourcen, auf die sich in diesem Forschungsstrang vielfach bezogen wird, ist das Wasser.16 Die Arbeit Elinor Ostroms und ihrer Kolleginnen basiert maßgeblich auf dem Erstellen und Analysieren von Fallstudien. Für den Wasserbereich bezogen sie vielfältige Fallstudien ein, zum Beispiel über die Bewirtschaftung von Fischgründen, Bewässerungssystemen und unterirdischen Grundwasserbecken. Es wurden insbesondere langfristig erfolgreiche Fälle in den Blick genommen sowie Punkte herausgearbeitet, woran derartige Managementformen scheitern. Schon früh in ihrer Forschungstätigkeit beschäftigte sich Elinor Ostrom beispielsweise mit kalifornischen Grundwasserbecken. Sie schreibt: »Obwohl die Grundwasserpumper nahezu in ganz Südkalifornien ihre Konflikte über die begrenzten Wasservorräte beigelegt und ihre Grundwasserbecken vor quantitativer Übernutzung bewahrt haben, ist dies nicht überall gelungen« (ebd.: 191). Am Beispiel des Grundwasserbeckens im San Bernardino County verdeutlicht sie, dass es keine Garantie dafür gibt, dass Akteurinnen, »selbst wenn sie über ein beträchtliches Potential zur Selbstverwaltung verfügen, mit all ihren Problemen fertig werden« (ebd.: 194). Als Gründe des Scheiterns führt Elinor Ostrom an, dass es weder eine gemeinsame Problemdiagnose noch »Instrumente zur Aufsplittung komplexer Probleme in Teilfragen« (ebd.) gegeben habe sowie dass die Interessen anderer mitunter nicht als legitim anerkannt worden seien.

Anhand der spanischen Bewässerungsgebiete huertas, wo aufgrund der seit jeher sehr begrenzten Wasservorkommen die Wasserkonflikte »unter der Oberfläche des Alltagsleben« (ebd.: 91) lauern, konstatiert Elinor Ostrom:

»Trotz dieses hohen Konfliktpotentials – und der tatsächlich von Zeit zu Zeit ausgetragenen Konflikte – hat es sich gezeigt, daß die vor vielen Jahrhunderten geschaffenen Institutionen zur Nutzung des Wassers dieser Flüsse geeignet sind, die Konflikte zu lösen, das Wasser berechenbar zuzuteilen und Stabilität in [der] Region herzustellen« (ebd.: 91).

Auf welche Weise Konfliktvorbeugung und -lösung vonstattengehen, ist unterschiedlich, aber Sanktionsmechanismen, Überwachung und Konfliktlösungsmechanismen sind in der Regel vorhanden. Weitere sogenannte Designprinzipien (design principles), die das Herzstück von Elinor Ostroms Werk darstellen, sind beispielsweise, dass langlebige Commons-Zusammenhänge einer minimalen Anerkennung vonseiten des Staates bedürfen und dass in großen Systemen die zentralen Aktivitäten idealerweise in ineinander eingebetteten organisatorischen Ebenen arrangiert werden (ebd.: 118ff.; siehe 2.1).

Unter dem Begriff Commons firmieren auch Phänomene im digitalen Raum, wie beispielsweise Wikipedia (Bruns 2008), und Projekte alternativer stofflicher Produktion, wie zum Beispiel FabLabs (Abkürzung für: fabrication laboratory; Fabrikationslabor) (Walter-Herrmann/Büching 2013). Die Erweiterung des Gegenstandsbereichs (vgl. bspw. Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung 2012; Helfrich et al. 2015) und theoretische Zugänge, die sich von der institutionenökonomischen Herangehensweise der Ostrom-Schule unterscheiden (vgl. bspw. De Angelis 2017; Habermann 2016; Ruivenkamp/Hilton 2017; Sutterlütti/Meretz 2018) begründen einen zweiten Strang der Commons-Forschung. In dieser, teilweise innerhalb der akademischen Welt entstandenen und teilweise aus aktivistischen Kreisen in die Wissenschaft hineinwirkenden Debatte wird sich vielfach positiv, mitunter aber auch sehr kritisch auf die Ostrom-Schule bezogen.17 Andreas Exner (2015) kritisiert Elinor Ostrom beispielsweise für die von ihr verwendeten institutionenökonomischen theoretischen Grundlagen. Gustavo Esteva (2014a: i147ff.) wirft ihr ein mangelndes historisches Verständnis vor und kritisiert ihren Fokus aufs Administrative. An anderer Stelle wirft Esteva (2014b: Min. 36.28) Elinor Ostrom gar vor, dass sie auf Effizienz und Konkurrenz aus sei und die Commons somit »ökonomisieren« wolle.

Ein weiterer Kritikpunkt setzt an dem von Elinor Ostrom verwendeten Verständnis von Commons als common-pool resource an (siehe 2.3). Christophe Aguiton (2018: 97) formuliert diesen Punkt folgendermaßen:

»Eine gewisse Kritik an dem Beitrag von [Elinor] Ostrom bleibt nicht aus, da sie die Natur als ›Ressourcen‹ definierte, die von einer menschlichen Gemeinschaft verwaltet werden können, ohne zu berücksichtigen, dass die Natur Teil des Ökosystems und des Systems der Erde ist, welche jeweils eigene Lebenszyklen haben und nicht anthropozentrisch ›gemanagt‹ werden können, wenn man Nachhaltigkeit dieser Ökosysteme anstrebt.«

Die Gleichsetzung von Commons mit einer bestimmten Art von Gütern wird darüber hinaus dafür kritisiert, dass damit letztlich die als ausschlaggebend angesehenen sozialen Praktiken aus dem Blick geraten. Commons »sind nicht, sie werden gemacht«, schreibt Silke Helfrich (2012b: 85). In diesem Sinne sind auch die folgenden Worte von Peter Linebaugh (2008: 279) zu verstehen: »To speak of the commons as if it were a natural resource is misleading at best and dangerous at worst – the commons is an activity, if anything, it expresses relationships in society that are inseparable from relationships to nature.« Auf dieser Perspektive baut der zweite Strang der Commons-Forschung maßgeblich auf und misst dabei dem Commoning eine zentrale Bedeutung zu.

Eine zentrale mit dem Begriff Commoning verbundene Annahme ist, dass es soziale Praktiken gibt, die allen Commons gemein sind oder zumindest Ähnlichkeiten aufweisen. Auf dieser Grundlage werden Commons und Commoning als eigenständige Weltsicht konzipiert. »Bei Commons geht es im Kern um eine andere Art und Weise des Sehens, Wissens, Seins und Handelns«, schreiben Helfrich und Bollier (2015a: 263). Andreas Weber (2015: 368) bezeichnet die Commons als Paradigma, das »unser politisches System heraus[fordert], welches um das Duopol Markt/Staat kreist«. Im Gegensatz dazu betont Patrick Bresnihan (2016), dass Commoning nicht das Resultat von bewusster, kollektiver Gegenwehr zu Markt und Staat sind. Die von ihm untersuchte gemeinsame Fischerei versteht er eher als pragmatische Antwort auf bestimmte Bedürfnisse und Probleme.18 Nichtsdestotrotz geht es um »Ansätze anderen Wirtschaftens« (Habermann 2015: 46), auf deren Grundlage Visionen alternativer Ökonomien entworfen werden. Commons werden bisweilen sogar als mögliche Grundlage einer postkapitalistischen Gesellschaftsform angesehen (vgl. bspw. Habermann 2016; Siefkes 2009; Sutterlütti/Meretz 2018). Wie hoch dabei der formulierte Anspruch ist, belegt folgendes Zitat von Sutterlütti und Meretz (2018: 88), die eine Commons-Gesellschaft als freie Gesellschaft begreifen, die »auf der herrschaftsfreien, inkludierenden Vermittlung unser aller Bedürfnisse« beruht.

Unabhängig von dieser utopischen Perspektive existieren gegenwärtig viele Commons als funktionsfähige Relikte alter Zeiten, als gelebte Selbstverständlichkeiten, als Treiber lokaler Transformationen oder als Orte technologischer und sozialer Innovationen. Auch im Wassersektor findet sich eine Vielzahl an Fällen gemeinsamen Managements. Aus Nachhaltigkeitsperspektive werden diese Formen der Wasserwirtschaft mitunter als wünschenswerte Option angesehen. Bakker (2007: 441) nennt drei Gründe19 dafür:

»First, water supply is subject to multiple market and state failures; without community involvement, we will not manage water wisely. Second, water has important cultural and spiritual dimensions that are closely articulated with place-based practices; as such, its provision cannot be left up to private companies or the state. Third, water is a local flow resource whose use and health are most deeply impacted at a community level; protection of ecological and public health will only occur if communities are mobilized and enabled to govern their own resources.«

Laut Maude Barlow (2014: 312) wird Wasserpolitik »viel zu oft von oben gemacht, ohne dass die Betroffenen gefragt werden. Die Verantwortung für Entscheidungen mit den lokalen Gemeinschaften zu teilen führt zu einem besseren Umgang mit dem Wasser«. Barlow verbindet den für die Commons-Forschung typischen grundsätzlich emphatischen Bezug auf Bottom-up-Verfahren mit der gesellschaftlichen Ebene und Fragen nach Wasserkonflikten. »Konflikte können nicht einfach ›gelöst‹ werden; was wir brauchen, ist eine Konflikttransformation, das heißt, die Auseinandersetzung mit den dem Konflikt zugrunde liegenden ungerechten Sozialstrukturen und deren Veränderung« (ebd.: 313). Es reicht demnach nicht, Konflikte nur aus dem lokalen Kontext heraus zu erklären, und ebenso wenig, Lösungsansätze auf diese Ebene zu beschränken.

Um aufzuzeigen, wie weit verbreitet Wasserkonflikte sind, setzen Wolf et al. (2005) Wassermanagement definitorisch sogar mit Konfliktmanagement gleich. Tatsächlich entspinnen sich um die verfügbaren Wasserressourcen zahlreiche Konflikte: sich gegenseitig ausschließende Nutzungen, räumliche und zeitliche Verteilungskonflikte, Konflikte um Bepreisung, Verwaltung, Verschmutzung und Verschwendung. Auch den wirtschaftlichen und politischen Bedingungen entstammende Veränderungen spielen dabei eine Rolle:

»Vor dem Hintergrund des globalen Wandels ergeben sich weitreichende Änderungen der zeitlichen und räumlichen Verteilung der verfügbaren Wasserressourcen. Der zunehmende Wasserbedarf, Änderungen im Hinblick auf die verfügbaren Wasserressourcen sowie soziale und ökonomische Disparitäten bergen ein großes Konfliktpotential« (Grambow et al. 2013: 7).

Wasserkonflikte haben demnach häufig lokale Auswirkungen, ihre Ursachen aber sind mitunter auf einer höheren Ebene zu suchen. Über die Frage, wie häufig Wasserthemen Grundlage internationaler Konflikte sind, herrscht keine Einigkeit. Paul Faeth und Erika Weinthal (2012: 75) schreiben diesbezüglich: »While water has rarely been a source of international conflict, it has nevertheless proven challenging for policymakers to cooperate on water issues in regions ravaged by conflict.«

Shiva (2003: 15) nimmt eine Gegenposition dazu ein, indem sie argumentiert, dass es tatsächlich viele veritable Kriege um Wasser auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene gibt.

»Bei einigen dieser Konflikte steht Wasser explizit im Vordergrund, wie etwa im Streit zwischen Syrien und der Türkei oder zwischen Ägypten und Äthiopien. Doch in anderen Fällen wird dieser Konfliktgegenstand nicht beim Namen genannt oder verdrängt, was umso leichter möglich ist, als an ein und demselben Fluss oft unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit verschiedenen Sprachen und Gebräuchen leben. So besteht immer die Möglichkeit, Konflikte um Wasser religiös oder ethnisch zu verklären« (ebd.).

Demzufolge kann das Wasserthema im Hintergrund ausschlaggebend sein, auch wenn es an der Oberfläche nicht von Bedeutung zu sein scheint und andere Aspekte in den Vordergrund gerückt und zur Erklärung der auftretenden Konflikte herangezogen werden.

Von einer absoluten Steigerung der aufgezeichneten Wasserkonflikte berichten Gleick und Herberger (2014: 159). Den Anstieg führen sie einerseits auf ein besseres Berichtswesen zurück. Andererseits sehen sie die Gründe in erhöhten Spannungen und Auseinandersetzungen bezüglich der Begrenztheit von Wasserressourcen und den damit verbundenen ungelösten Herausforderungen. Diana Gibbons (1986) geht davon aus, dass die physische Menge verfügbaren Wassers in den meisten Fällen nicht das Hauptproblem ist. Sie argumentiert: »Rather, conditions of economic scarcity seem to prevail: there is enough water to meet society’s needs, but there are few incentives for wise and conservative use of the resource or for effecting an efficient allocation among competing demands« (ebd.: 1). Diesem Befund widersprechen Wolf et al. (2005: 81) und machen Wasserkonflikte grundsätzlich an mindestens einem der drei Gegenstände Quantität, Qualität und Timing fest. Wasserknappheit könne beispielsweise Allokationskonflikte nach sich ziehen, schlechte Wasserqualität zu einer Hinterfragung der vorherrschenden Nutzungsarten führen, und die Frage, wer wann wie viel Wasser aus den Wasserkörpern entnimmt oder einspeist, sorge ebenfalls regelmäßig für Konflikte (ebd.).

Grambow et al. (2013: 7) bezeichnen die friedliche Bewältigung von Wasserkonflikten als »eine der zentralen internationalen Aufgaben auf dem Weg in eine nachhaltige Welt«. In der Literatur zu Wasserkonflikten kursiert eine große Anzahl von Lösungsansätzen. Gibbons (1986: 2ff.) misst mit unterschiedlichen Methoden (zum Beispiel mittels Zahlungsbereitschaftsansatz) und in verschiedenen Sektoren den Wert von Wasser (vgl. Hanemann 2005). Hipel et al. (2015: 18) gehen hingegen davon aus, dass es einer verlässlichen Informationslage bedarf, um zu Lösungen zu gelangen, und dass gefasste Beschlüsse, die als fair wahrgenommen werden, beständiger sind, als wenn dies nicht der Fall ist. Der adaptive governance (Scholz/Stiftel 2005: 4f.), also dem explorativen Ressourcenmanagement bei limitierter Informationslage, wird mitunter eine wichtige Rolle insbesondere bei unvorhergesehenen Veränderungen der Wasserkreisläufe zugemessen. Das von Wolf et al. (2005: 91) befürwortete kooperative Management hingegen basiert darauf, dass alle Stakeholderinnen als Gleiche20 in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Sie erhoffen sich, dass sich hierdurch das Konfliktpotenzial verringert, da ein Verhandlungsforum entstehe, in dem alle Konfliktpunkte einbezogen, unterschiedliche Perspektiven und Interessen beleuchtet, Vertrauen aufgebaut und getroffene Entscheidung von allen Stakeholderinnen akzeptiert würden (ebd.).

Ähnlich dem von Barlow (2014) formulierten Appell für eine Konflikttransformation bezeichnen Wolf et al. (2005: 82) die dem Wassermanagement zugrunde liegenden Institutionen als Schlüssel, um Wasserkonflikte zu verstehen und zu verhindern.21 In der Commons-Forschung gelten Konfliktlösungsmechanismen in Form lokaler und zugänglicher Schlichtungsverfahren als Best Practices und Gelingensbedingung gemeinsamen Managements (E. Ostrom 1999: 118f.). Wird hingegen über den lokalen Kontext hinaus nach institutionellen Gründen für Wasserkonflikte gesucht, so geraten die grundlegenden gesellschaftlichen Bedingungen in den Blick. In diesem Sinne und mit Bezug auf die Komplexität des Wassermanagements konstatieren Grambow et al. (2013: 6): »Man muss das betrachtete System in einen noch größeren Zusammenhang stellen, muss teilweise den Wassersektor förmlich verlassen und einen Blick ›von außen‹ auf das Ganze riskieren.«22

In den Sozialwissenschaften wird mitunter auf der Ebene der Gesellschaft argumentiert. Die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur wird dabei häufig als dualistisch aufgefasst: Beide stehen einander als Gegensätze gegenüber. Um die Beziehung analysierbar zu machen, wird die Gesellschaft (gleiches gilt für die Ökonomie) auf naturalisierte Weise oder die Natur auf vergesellschaftete Art betrachtet.23 Zwischenwege werden unter anderem mithilfe der Dialektik (zum Beispiel: gesellschaftliche Naturverhältnisse) und in Systemtheorien (beispielsweise: sozialökologische Systeme) beschritten. Als gesellschaftliche Naturverhältnisse können die »dynamischen Beziehungsmuster zwischen Mensch, Gesellschaft und Natur« bezeichnet werden, die »aus den kulturell spezifischen und historisch variablen Formen und Praktiken hervor[gehen], in und mit denen Individuen, Gruppen und Kulturen ihre Verhältnisse zur Natur gestalten und regulieren« (Becker et al. 2011: 77; vgl. Görg 1999). In sozialökologischen Systemen interagieren Akteurinnen mit Ressourcensystemen gemäß bestimmter Regeln und Prozeduren, die im Rahmen eines übergreifenden Governancesystems aufgestellt werden (McGinnis/E. Ostrom 2014). Dies geschieht im Kontext der jeweils relevanten ökologischen Systeme und sozialer, politischer und ökonomischer Verhältnisse (ebd.).24

Viele sozialtheoretische Denkschulen bauen grundlegend auf Dualismen auf. Anthony Giddens (Giddens 1997: 215) grenzt seine Strukturationstheorie explizit dagegen ab und arbeitet stattdessen mit Dualitäten. Damit bezeichnet er Verhältnisse, in denen sich die unterschiedlichen Elemente gegenseitig beeinflussen und bedingen. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen Natur und Gesellschaft, wie in den just beschriebenen Fällen. Besonders wichtig für die Theorie von Giddens ist die Dualität von Handlung und Struktur, die den Dualismus von Individuum und Gesellschaft ersetzt (ebd.; siehe 3.3). An dieser Stelle ist auch der Begriff der Praxis von großer Bedeutung; in diesem Sinne schreibt Matthias Wieser (2004: 98): »Die soziokulturelle Rahmung steht in einem komplexen Wechselverhältnis zu den sozialen Praktiken, in welche die Dinge verwickelt werden. Dadurch werden sowohl die Dinge als auch die Praktiken und letztlich die Rahmen modifiziert und ständig aktualisiert.« Der Begriff der Praxis hat in den vergangenen Jahrzehnten eine wachsende akademische Aufmerksamkeit erfahren und gilt inzwischen als eine der Schlüsselkategorien, um die Ebene der Gesellschaft mit Individuen und Organisationen zu verbinden (Thornton et al. 2012: 128).

Um diese Verbindung zu begreifen, führen Thornton et al. den Begriff der institutionellen Logiken ein. »[W]hile practices are guided by existing institutional logics, as existing practices are altered or new ones are established, they play a key role as exemplars in creating, reproducing and transforming institutional logics« (ebd.: 129; siehe 3.4). Diese institutionellen Logiken können dazu verwendet werden, die spezifische gesellschaftliche Strukturiertheit der untersuchten Kontexte aufzudecken. Dies ist nicht zuletzt von Bedeutung, um die Alltagspraktiken zu verstehen, die der Anthropologin Diana Bocarejo Suescún (2018) zufolge entscheidend für das Wassermanagement sind, die also den Umgang mit und die Bewertung von Wasser maßgeblich bestimmen. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage des Verhältnisses zwischen Wasser und Praktiken zu stellen. Einerseits kann dieses als klares Objekt-Subjekt-Verhältnis aufgefasst werden, bei dem Menschen als Subjekte über das Wasser als Objekt bestimmen (Bonelli et al. 2016). Andererseits betont Jamie Linton (2010: 4f.) die soziale Natur des Wassers: »not that society produces water per se, but that every instance of water that has significance for us is saturated with the ideas, meanings, values, and potentials that we have conferred upon it«. Patrick Bresnihan (2019) und Marcela López (2016) gehen noch einen Schritt weiter und sprechen Wasser agency zu (siehe 2.7).

1.3Die Etappenziele: Festlegung der Ausgangsfragen

Ausgehend von diesem knappen Überblick werden nun die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Fragestellungen vorgestellt. Zunächst einmal ist in der Commons-Literatur das Auseinanderklaffen zweier Stränge zu beobachten. Einerseits wird der Begriff Commons an den Eigenschaften der fraglichen Ressource festgemacht und von dort geschaut, welche Nutzungsregime es gibt. Andererseits werden die Umgangsweisen mit Ressourcen in den Fokus genommen und im Falle bestimmter Praktiken – Commoning – von Commons gesprochen. In der Commons-Literatur sind noch weitere Begriffsverständnisse zu finden, insbesondere Commons als Recht oder Eigentumsform (siehe 2.4). Es besteht also eine konzeptuelle Unklarheit hinsichtlich des Hauptbegriffs der Commons-Forschung. Diese betrifft den gesamten Gegenstandsbereich und somit auch das Verständnis von Wasser. Um diese Lücke zu schließen, lautet die erste Forschungsfrage (F):

(F–1) Wann kann Wasser als Commons gelten?

Werden die sozialen Praktiken des Commoning zur Klärung des Commons-Begriffs herangezogen, so stellt sich die Frage nach der Konzeptualisierung des Commoning-Begriffs. Auch dieser Begriff wurde bislang kaum ausführlich expliziert und es liegt kein einheitliches Verständnis vor. Hinzu kommt, dass das Verhältnis zwischen den Begriffen Commons und Commoning, also wie diese zueinander in Beziehung stehen, unzureichend geklärt ist. Dies gilt es bei der Beantwortung der Forschungsfrage zu berücksichtigen und gegebenenfalls sind weitere Begriffsbestimmungen vorzunehmen.

Silke Helfrich (2017: 109) schreibt: »Wie andere Prozesse der Selbstorganisation ist commoning nicht auf starre Strukturen und Procedere festgelegt, ist immer unvollständig und ergebnisoffen und vom jeweiligen Kontext abhängig, insbesondere von den gesellschaftlichen Verhältnissen.« Hier zeigt sich die Schwierigkeit, mit dem Thema Commons und Commoning umzugehen, die in den kommenden Kapiteln immer wieder deutlich werden wird, und ebenso die Bedeutung der gesellschaftlichen Eingebettetheit, um die es in der zweiten Forschungsfrage gehen wird. Soziale Praktiken sind nicht nur ein konstitutives Element von Gesellschaft, sondern werden von eben dieser auch beeinflusst. Der Einbezug der gesellschaftlichen Ebene spielt in weiten Teilen der Commons-Forschung, insbesondere der empirischen, allenfalls eine untergeordnete Rolle. Auch in der Wasserforschung ist die Verknüpfung der Akteurinnen- und der Systemebene die Ausnahme. Dieses Verhältnis gilt es zu klären, und somit lautet die zweite Forschungsfrage:

(F–2) Wie beeinflusst die Struktur des gesellschaftlichen Kontextes den Umgang mit Wasser im Allgemeinen und mit Wasser-Commoning im Besonderen?

Die zweite Frage basiert nicht zuletzt auf der Ansicht, dass die Entscheidung darüber, ob Wasser ein Commons ist, nicht unabhängig vom gesellschaftlichen Kontext und dessen Struktur zu treffen ist. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass sich Konflikte nicht anhand der Ebene der Akteurinnen allein erklären lassen, auch wenn das in der Konfliktforschung mitunter versucht wird. Mit der Kritischen Psychologie von Klaus Holzkamp (1985) kann angenommen werden, dass menschliches Handeln grundsätzlich Gründe hat. Angewandt auf Konflikte ist demnach sowohl deren Aufkommen als auch jegliches Konflikthandeln begründet, sei es auf der individuellen, sei es auf der gesellschaftlichen Ebene. Insbesondere die gesellschaftlichen Gründe, die dem Handeln in Konfliktsituationen zugrunde liegen, werden in der Wasserforschung weitgehend ausgeklammert. Aufbauend auf dieser Lücke und dem Befund, dass in der Wasserwirtschaft regelmäßig Konflikte auftreten, lautet daher die dritte Forschungsfrage:

(F–3) Welche Rolle spielt die Struktur gegenwärtiger Gesellschaften für das Aufkommen von und den Umgang mit Wasserkonflikten?

Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich von den gewählten Prämissen ab. So kann beispielsweise auf der Grundlage neoklassischer Annahmen folgendermaßen argumentiert werden: »Given the premise of rational individual behaviour and scarcity of water, competition and conflicts among water users are inevitable« (Ballabh/Singh 1997: 2). Unter derartigen Bedingungen stehen in gewisser Weise fortwährend alle mit allen im Konflikt. Werden diese Annahmen jedoch (teilweise) aufgegeben, lassen sich Alternativen erkennen. Wenn Commons eine potenziell kooperative, langlebige und erfolgreiche Art der Ressourcengovernance darstellen, wie Elinor Ostrom (1999: 1f.) glaubhaft macht, dann können sie potenziell ein Schlüssel zur Lösung aufkommender Wasserkonflikte sein. Ob und inwieweit dies zutrifft, ist ebenso klärungsbedürftig wie die Frage, ob dies nicht nur für den Umgang mit, sondern auch für das Aufkommen von Konflikten gilt. Konflikte treten sowohl innerhalb von Commons-Zusammenhängen auf als auch zwischen diesen und außenstehenden Akteurinnen. Basierend auf der Annahme, dass die Praktiken des Commoning auch das Konflikthandeln beeinflussen, lautet die vierte und letzte Forschungsfrage:

(F–4) Worin liegen die Potenziale und Hemmnisse von Commoning für das Aufkommen und Austragen von Wasserkonflikten?

Die vier Fragen sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt und erfordern daher unterschiedliche Wege, um sie zu klären. Bei der ersten handelt es sich um eine definitorische Frage, die insbesondere auf theoretischer Ebene zu bearbeiten ist. Die zweite und dritte Forschungsfrage erfordert ein Inbeziehungsetzen der Akteurinnen- und der Systemebene; da es sich hierbei um Beschreibungsfragen handelt, können sie, auf der Grundlage theoretischer Überlegungen, empirisch untersucht werden. Die vierte Frage erfordert eine Bewertung von Potenzialen und Hemmnissen und kann mittels empirisch informierter Theoriearbeit beantwortet werden.

1.4Kurs setzen und Segel hissen: Das Vorgehen

Die Beantwortung der vier Fragen erfordert unterschiedliche Herangehensweisen. Die Grundlage bildet jedoch bei allen vier Fragen die theoretische Erörterung und darauf aufbauend die vorläufige Beantwortung (siehe Kapitel 2 bis 5). In einem Zwischenkapitel wird die Theoriearbeit abgeschlossen und mit dem nachfolgenden empirischen Teil in Beziehung gesetzt (siehe Kapitel 6). Daran anschließend werden die Fragestellungen, soweit möglich, mittels empirischer Untersuchungen weiterverfolgt (siehe Kapitel 7 bis 9). Im letzten Kapitel werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengetragen und auf dieser Grundlage Antworten formuliert (siehe Kapitel 10). Der Aufbau der Arbeit soll im Folgenden erläutert und einzelne Schritte begründet werden.

Um die erste Forschungsfrage (wann kann Wasser als Commons gelten Commons?) zu beantworten, wird im zweiten Kapitel zunächst der Commons-Begriff in seiner historischen Verwendung dargestellt (siehe 2.2). Der kurze Ausflug in die Begriffsgeschichte soll verhindern, dass der Begriff dekontextualisiert und rein theoretisch betrachtet wird. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Commons-Begriffe vorgestellt und diskutiert. Zunächst wird der in der Volkswirtschaftslehre verbreitete und von Elinor Ostrom (1999) maßgeblich geprägte gütertheoretische Ansatz vorgestellt und an unterschiedlichen Stellen kritisiert (siehe 2.3). Ebenso wird, jedoch in knapperer Manier, mit zwei weiteren Verständnissen verfahren: 1. Commons basiere darauf, dass bestimmte Menschengruppen ein Anrecht auf die fraglichen Ressourcen hätten; 2. Commons sei eine Form des Eigentums (siehe 2.4). Als überzeugender wird der Praxisbegriff von Commons bewertet; darauf aufbauend wird ein eigenes Begriffsverständnis formuliert (siehe 2.5). Dieses basiert maßgeblich auf dem Begriff Commoning, der mithilfe von sieben Dimensionen bestimmt wird (siehe 2.6). Auf dieser Basis wird die Frage nach dem Verhältnis zwischen Menschen und Nichtmenschlichem in Commons-Vereinigungen aufgeworfen und ein Verständnis vorgestellt, das auf dem Einbezug der Bedürfnisse aller Stakeholderinnen aufbaut (siehe 2.7). Anhand des Beispiels Wasser erfolgt zum Abschluss eine kurze Auseinandersetzung mit dem Konzept der Ware, das als Gegenbegriff zu Commons aufgefasst wird. Das Ziel dieses Kapitels ist es, Commons und Commoning in einer Weise begrifflich zu fassen, die sich im Lichte der Empirie bewährt und theoretisch überzeugt.

Im dritten Kapitel werden zunächst die Begriffe Natur, Gesellschaft und Mensch miteinander in Beziehung gesetzt und Grundüberlegungen zum für die vorliegende Arbeit in besonderem Maße bedeutsamen Gesellschaftsbegriff angestellt (siehe 3.2). Darauf aufbauend wird mit der Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1997) ein Ansatz, die Handlungs- und die Strukturebene sowohl zu unterscheiden als auch in Beziehung zueinander zu setzen, vorgestellt (siehe 3.3). Um der Strukturiertheit heutiger Gesellschaften noch näher zu kommen – was für die Beantwortung der zweiten Forschungsfrage (nach dem Einfluss des gesellschaftlichen Kontextes) nötig ist –, wird die Giddens’sche Theorie um die institutional logics perspective (Perspektive institutioneller Logiken) von Patricia Thornton, William Ocasio und Michael Lounsbury (2012) erweitert (siehe 3.4). Die von ihnen vorgestellten Idealtypen institutioneller Logiken und Ordnungen bilden einen wichtigen Baustein für die Analyse gesellschaftlicher Kontexte im Rahmen der später erfolgenden empirischen Untersuchungen. Die dort aufgeführte Gemeinschaftslogik erweist sich mit Blick auf unterschiedliche Commons-Beispiele jedoch als nicht passgenau, und so wird die Commons-Logik als ein eigener Idealtypus vorgeschlagen und von der Gemeinschaftslogik abgegrenzt (siehe 3.5). Um dem Einfluss der Struktur auf die sozialen Praktiken einen weiteren Schritt näher zu kommen, wird der Analyserahmen für sozialökologische Systeme (McGinnis/E. Ostrom 2014) vorgestellt und werden die institutionellen Logiken darin integriert (siehe 3.6). Abschließend wird die Frage nach der gesellschaftlichen Einbettung von Commoning beantwortet.

Im vierten Kapitel wird nach Gründen für das Aufkommen von Konflikten gesucht und die jeweilige Einbettung dieser Konflikte in die gegenwärtigen Gesellschaftssysteme reflektiert. Zunächst wird erörtert, was in der vorliegenden Arbeit als Konflikt bezeichnet wird und wie einige der Aspekte, die sich im Hintergrund von Konflikten befinden, aussehen (siehe 4.2). Dabei wird zunächst eine auf Friedrich Glasl (2011) zurückgehende Konfliktdefinition vorgestellt. Davon ausgehend wird der Begriff des strukturellen Widerspruchs als ein der gesellschaftlichen Struktur entspringendes Verhältnis der Gegensätzlichkeit entwickelt. Weiterhin wird, wie bereits angedeutet, angelehnt an Holzkamp (1985) davon ausgegangen, dass Individuen stets begründet (teilweise unbewusst) und auf Grundlage ihrer Bedürfnisse handeln und dass die jeweiligen Gründe auf der Position und Lebenslage der Individuen sowie auf deren Prämissen (etwa Weltsicht) beruhen. Gründe werden als prinzipiell intersubjektiv verständlich angenommen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Konflikte als grundsätzlich lösbar anzusehen. Auf dieser Basis werden unterschiedliche Konflikttypen vorgestellt und mögliche Ursachen von Konflikten sowohl anhand des Beispiels Knappheit als auch in Bezug auf institutionelle Logiken diskutiert (siehe 4.3). Von dort aus werden unterschiedliche Formen der Herrschaft in den Blick genommen und als Konfliktpotenziale aufgefasst (siehe 4.4). In diesem Zuge werden die Rolle von Macht, von personaler und sachlicher Herrschaft sowie die damit verbundenen Widersprüche reflektiert. Das vierte Kapitel zielt auf ein Konfliktverständnis ab, das sowohl über eine gesellschaftstheoretische Untermauerung als auch über eine Subjektfundierung verfügt.

Das letzte Theoriekapitel befasst sich mit dem Konfliktmanagement sowie den Potenzialen und Hemmnissen, die Commoning in Bezug auf Wasserkonflikte innewohnen. Zunächst wird bei der Bearbeitung von Konflikten zwischen einem inklusionslogischen und einem exklusionslogischen Umgang unterschieden (siehe 5.2). Als exklusionslogisch wird ein Konfliktmanagement dann beschrieben, wenn es auf einem grundlegenden Gegeneinander der Konfliktparteien aufbaut, wenn die Parteien also danach trachten, sich gegeneinander durchzusetzen. Inklusionslogisches Konfliktmanagement ist hingegen gekennzeichnet durch ein grundlegendes Miteinander und den Einbezug der Bedürfnisse möglichst vieler Betroffener. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird die Frage der Potenziale und Hemmnisse in den Blick genommen. Ausgegangen wird von einer grundsätzlichen Wandelbarkeit gesellschaftlicher Bedingungen. Dies wird anhand der Veränderungen institutioneller Logiken und der Einhegungen von Commons deutlich gemacht (siehe 5.3). Auf dieser Grundlage werden die Potenziale von Commoning erörtert (siehe 5.4). Dabei wird zunächst begründet, warum die inklusionslogische Konfliktbearbeitung dem Commoning entspricht. Dies gilt insbesondere für Konflikte innerhalb von Commons-Zusammenhängen. Bei externen Konflikten in einem exklusionslogischen Umfeld hingegen scheint sich diese Logik, die exklusionslogische, auch beim Konflikthandeln durchzusetzen. Die Potenziale für einen konstruktiven Umgang mit Wasserkonflikten liegen demnach in letzter Konsequenz darin, die gesellschaftlichen Bedingungen inklusionslogisch zu gestalten. Wie dies auf gesellschaftlicher Ebene gedacht werden kann und welche Wege dorthin führen können, wird am Ende des Kapitels thematisiert.

Das anschließende sechste Kapitel ist dem Übergang vom theoretischen in den empirischen Teil gewidmet. Auf Grundlage der vorangegangenen Kapitel werden zunächst theoriegeleitete Thesen formuliert (siehe 6.2). Diese fungieren als vorläufige Antworten auf die vier genannten Forschungsfragen. Diese Thesen sind sowohl als zugespitzte Zusammenfassungen der Theoriearbeit zu sehen als auch als Leitsätze, die der empirischen Arbeit ihre Ausrichtung geben und zugleich einer kritischen Prüfung unterzogen werden sollen. Im zweiten Teil des sechsten Kapitels werden die Methoden der empirischen Arbeit vorgestellt (siehe 6.3). Zunächst wird das Forschungsdesign erläutert und zu den Thesen in Bezug gesetzt, außerdem werden die verschiedenen Ansätze der Triangulation vorgestellt. Sodann werden die Methoden der empirischen Untersuchungen präsentiert und die wichtigsten Aspekte der Datenerhebung und -auswertung erklärt. Methodisch liegt der Metafallstudienanalyse eine qualitative Metaanalyse zugrunde; die Fallstudien basieren vornehmlich auf der Analyse fallbezogener Literatur sowie auf während der Feldforschung durchgeführten teilnehmenden Beobachtungen und qualitativen Interviews. Die Auswertung erfolgte gemäß der Qualitativen Inhaltsanalyse von Mayring (2015).

Im siebten Kapitel wird die Metafallstudienanalyse vorgestellt. Das Ziel dieser Analyse ist es, einen systematischen Überblick über die Commons-Literatur zu erlangen und insbesondere der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Commons und Wasserkonflikten nachzugehen. Zu diesem Zwecke wurde ein Datenkorpus von zwölf Texten mit insgesamt sechzehn Fällen analysiert und zunächst ein Überblick geliefert (siehe 7.2). In einem ersten Analyseschritt werden die Konfliktarten und die Konstellationen der Beteiligten herausgearbeitet sowie die unterschiedlichen Konfliktursachen untersucht (siehe 7.3). Sodann geht es um den Umgang mit Konflikten, und die unterschiedlichen Fälle werden in exklusionslogisch und inklusionslogisch geprägtes Konfliktmanagement sowie Nichtmanagement eingeteilt (siehe 7.4). Im Anschluss werden die Fälle in ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Einbettung und im Lichte der vorherrschenden institutionellen Logiken betrachtet (siehe 7.5). Dabei werden zum einen die sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse sowie die dominanten institutionellen Logiken beleuchtet. Zum anderen werden die vorhandenen institutionellen Logiken auf ihre Verhältnisse untereinander und auf mögliche Veränderungstendenzen hin untersucht. Zum Abschluss wird den Begriffen Commons und Commoning, wie sie im zweiten Kapitel erarbeitet wurden, nachgespürt (siehe 7.6). Dies geschieht sowohl mit Blick auf die Verwendung des Commons-Begriffs als auch anhand der Dimensionen des Commoning.