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Gibt es die einzig wahre, große Liebe nur einmal im Leben? Als sich Alexandra Logan in Ben Hunter verliebt, sexy Surfer mit unverschämt blauen Augen und Mitinhaber eines süßen Cafés in Adelaide, ist sie davon überzeugt, dass Ben ihr Seelenverwandter ist, ihr zweites Ich. Die Verbindung zwischen ihnen ist magisch und leidenschaftlich. Dennoch zerbricht die Beziehung, weil Allie einen lang gehegten Traum verwirklicht.
Allie kann Ben jedoch nicht vergessen. Auch nicht, als sie Jack begegnet, dem attraktiven Schriftsteller, der eine Schwäche für sie hegt, und der Frauen nach einer bitteren Erfahrung eigentlich abgeschworen hat. Zwischen ihnen prickelt es, aber es ist Ben, nach dem sich Allies Herz sehnt.
Als er überraschend wieder in ihr Leben tritt, muss Allie sich entscheiden ...
Eine mitreißende, berührende und prickelnde Suche nach der wahren Liebe, eingebettet in die atemberaubende Kulisse Australiens.
Das Buch ist vormals unter dem TItel "Verführeische Sehnsucht" von Kate Sunday erschienen.
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Seitenzahl: 386
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Wir wünschen viel Vergnügen.
Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team
Gibt es die einzig wahre, große Liebe nur einmal im Leben? Als sich Alexandra Logan in Ben Hunter verliebt, sexy Surfer mit unverschämt blauen Augen und Mitinhaber eines süßen Cafés in Adelaide, ist sie davon überzeugt, dass Ben ihr Seelenverwandter ist, ihr zweites Ich. Die Verbindung zwischen ihnen ist magisch und leidenschaftlich. Dennoch zerbricht die Beziehung, weil Allie einen lang gehegten Traum verwirklicht.
Allie kann Ben jedoch nicht vergessen. Auch nicht, als sie Jack begegnet, dem attraktiven Schriftsteller, der eine Schwäche für sie hegt, und der Frauen nach einer bitteren Erfahrung eigentlich abgeschworen hat. Zwischen ihnen prickelt es, aber es ist Ben, nach dem sich Allies Herz sehnt.
Als er überraschend wieder in ihr Leben tritt, muss Allie sich entscheiden …
Eine mitreißende, berührende und prickelnde Suche nach der wahren Liebe, eingebettet in die atemberaubende Kulisse Australiens.
Das Buch ist vormals unter dem Titel »Verführeische Sehnsucht« von Kate Sunday erschienen.
Über Kerstin Sonntag
Kerstin Sonntags Sonntags Herz gehörte schon immer dem Schreiben. Nach ihrem Studium der Germanistik und Anglistik probierte sie sich in verschiedenen Berufen aus. Doch die Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen hat sie nie losgelassen und so widmet sie sich seit 2012 ganz der Schriftstellerei. Bis sie sich irgendwann den Traum vom rosenumrankten Cottage am Meer erfüllt, lebt die Autorin mit ihrem Mann und zwei fast erwachsenen Kindern in einem kleinen Ort an der Bergstraße. Hier entstehen die Ideen für ihre gefühlvollen Geschichten, die vom Leben und der Liebe erzählen.
Mehr zur Autorin unter: https://kerstinsonntag.de/
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Kerstin Sonntag
Weiter als die Sehnsucht
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Epilog
Impressum
»Noch ein einziger Bissen und ich laufe Gefahr, ins Gehege zu den fetten Wombats im Adelaide Zoo gesteckt zu werden.« Tessa streckte Allie die wenig appetitlichen Reste eines in Pastetenteig eingerollten Grillwürstchens entgegen.
»Danke, lass mal gut sein.« Lachend ließ sich Allie unter den goldgelben Blüten einer Akazie auf dem gepflegten Campusrasen nieder. »Ich verstehe sowieso nicht, wie du bei der Hitze überhaupt etwas hinunterbringst.«
Tessa stieß ein vernehmliches Bäuerchen aus und warf das Würstchen in den nahe gelegenen Mülleimer. »Ups, sorry. Du kennst mich doch. Ich verspüre das dringende Bedürfnis, mich durch alle Spezialitäten der Mensa zu futtern. Schließlich muss ich meine Figur ja irgendwie halten.« In ihren schokoladenbraunen Augen blitzte der Schalk, als sie über ihre üppigen Rundungen strich.
Allie liebte es, wie sich Tessa gern selbst auf die Schippe nahm. Das machte ihren ganz eigenen Charme aus. »Teresa Garcia, du bist einfach unmöglich«, sagte sie warm.
»Weshalb du verrückt nach mir bist, liebste Alexandra Logan.« Tessa plumpste neben ihr ins Gras.
»Stimmt.« Dem hatte Allie nichts entgegenzusetzen. Tessa war die beste Freundin, die sich ein Mädchen wünschen konnte. Fast dreieinhalb Jahre gingen sie schon miteinander durch dick und dünn. Aber auch wenn sich ihre gemeinsame Zeit an der Uni dem Ende zuneigte, weigerte sich Allie, dem leisen Gefühl des Bedauerns Beachtung zu schenken. Schließlich erwartete sie nach dem Studium eine aufregende, neue Welt voller wunderbarer Möglichkeiten. Sie würde sie nutzen, wollte ihre Flügel ausbreiten, andere Menschen und Städte kennenlernen. Ihren Horizont erweitern und in ihrem Traumberuf arbeiten. Seit ihrem Highschoolabschluss fieberte sie darauf hin, Kinderbücher zu illustrieren. In Gedanken sah sie sich bereits in einem hellen, freundlichen Verlagsbüro am PC sitzen – mit Lesebrille, hochgestecktem Haar und einem Stift hinter dem Ohr, während ihr die Kollegen bewundernd über die Schulter blickten. Tessa hatte über diese Vorstellung herzhaft gelacht, aber Allie gefiel sie.
Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Der Frühling dieses Jahr verwöhnte sie mit außergewöhnlich heißen Tagen. In der Luft hing der süße Duft von jungen Blüten, und die Sonne schien von einem ungetrübten Septemberhimmel. Das Leben war schön. Manchmal. Es konnte dich in tiefe Dunkelheit und Verzweiflung stürzen, aber auch in ungeahnte Höhen katapultieren.
Unvermittelt schob sich ein bestimmter junger Mann in Allies Gedanken. Augen, leuchtend blau wie das Wasser des Blue Lake von Mount Gambier. Breite Schultern und ein sexy Hinterteil, dem so manche Studentin gern hinterherblickte. Blondes Haar, immer ein wenig verstrubbelt, als wäre er gerade eben erst aufgestanden. Schon oft hatte sie sich gefragt, wer der süße Typ war, der jeden Tag gegen zehn Uhr mit einem Stapel Kisten durch die Mensa lief. Immer, wenn sie ihn sah, wünschte sie sich, er würde sich nach ihr umdrehen. Leider war ihr dieser Wunsch bisher verwehrt geblieben, auch wenn er die eine oder andere Studentin, die seinen Weg kreuzte, mit einem süßen Lächeln bedachte. Vielleicht sollte sie sich einfach mal in seine Schusslinie begeben, sodass er nicht anders konnte, als sie zu registrieren? Schon bei dem Gedanken daran begann ihr Herz, schneller zu schlagen. Zu dumm, dass sie nicht der Hoppla-hier-bin-ich-Typ war. Das Flirten überließ sie grundsätzlich lieber den Männern. Andererseits, es würde ohnehin zu nichts führen. Ihre letzte Beziehung war vor einem Dreivierteljahr zerbrochen. Es war ein furchtbares Kuddelmuddel gewesen, ein Drama, geprägt von Misstrauen und Eifersucht. Sie hatte lang daran zu knabbern gehabt. Sie war an keiner neuen Liebe interessiert. Schon gar nicht so kurz vor Abschluss ihres Studiums.
»Allie?
»Hm?«
»Was hältst du davon, noch ein bisschen unten am Fluss abzuhängen? Vor dem Festival Centre soll eine coole neue Band spielen, hast du Lust?«
»Hm.« Allies Gedankenkarussell drehte sich ungerührt weiter. Gut aussehende Typen liefen an der Uni mehr als genug herum. Tessa sagte immer, welcher Topf hier nicht den passenden Deckel für sich entdeckte, musste entweder blind oder scheintot sein. Tessas Deckel hörte auf den Namen Ryan. Ein Gelegenheitsstudent der Biologie, mit dem sie seit dem vierten Semester mehr oder weniger unregelmäßig abhing. Allie war sich nicht sicher, ob Ryan, der mit Hingabe sein dunkles Rebellenimage pflegte, es mit Tessa ernst meinte. Sie konnte ihren Finger nicht darauf legen, aber irgendetwas hatte der Kerl an sich, das ihr suspekt schien. Sie traute ihm nicht. Sie wusste, dass sich Tessa nach einer Familie und Kindern sehnte. Allie bezweifelte, dass Ryan der Richtige war. Weil Tessa aber jede behutsame Warnung in den Wind schlug, hatte Allie es aufgegeben, etwas gegen Ryan zu sagen. Und eigentlich schien es zwischen den beiden mittlerweile ganz gut zu laufen. Vielleicht hatte sie sich auch geirrt und einfach zu viel hineininterpretiert. Zurück zu ihrem heißen blonden Unbekannten.
Tessa stupste sie an. »Träumst du schon wieder? Lass mich raten. Es ist der Mensatyp, hab ich recht?«
Blinzelnd drehte Allie den Kopf. »Du hast ihn doch gesehen. Wie kann ich nicht von ihm träumen?« Sie grinste breit. »Träumen ist ja schließlich erlaubt.«
»Okay, er ist nicht übel.« Tessa rollte mit den Augen.
»Ja, du hast recht, er ist sexy. Aber …«
»… kein Vergleich zu Ryan«, vervollständigte Allie ihren Satz.
»Du sagst es. Also«, Tessa klemmte sich ihre Bücher unter den Arm, »wollen wir aufbrechen, oder musst du heute noch irgendwelche knackigen Hinterteile abzeichnen?«
Allie prustete los. »Typisch Tess. Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass das Grafikdesignstudium nichts mit Aktmalerei zu tun hat?«
»Schade eigentlich. Sonst hätte ich mir diesen Studiengang auch ausgesucht. Verwaltungswesen ist so trocken, dass selbst die Milben in den dunklen Ecken der Vorlesungssäle unter Staublungen leiden.«
»Tja, du hattest die Wahl.«
»Nicht wirklich, das weißt du.« Teresa hatte ihrem Vater, einem Anwalt mit Leib und Seele, am Sterbebett versprochen, in seine Fußstapfen zu treten. Sie wollte Emilio Garcia stolz machen. Ihn und ihre Familie. Sie sprang auf. »Na komm schon, schwing deinen hübschen Hintern hoch. Wir bringen die Bücher ins Wohnheim, werfen einen Happen bei Hungry Jack’s ein und sehen danach, was unten am Fluss los ist. Komm schon, sag Ja.« Sie bedachte Allie mit einem herzzerreißenden Hundeblick. Normalerweise verbrachte Tessa die Freitagabende mit Ryan, deshalb hatte Allie vorgehabt, es sich nach dem obligatorischen Telefongespräch mit ihren Eltern in ihrem Zimmer mit einer Pizza von Luigi’s und ihrem neuesten Schmöker gemütlich zu machen.
»Haben du und Ryan nichts vor?«, fragte sie beiläufig und warf sich ihren Rucksack über die Schulter. In dem Moment, da sie einen Schatten über das Gesicht ihrer Freundin gleiten sah, bereute sie auch schon ihre Frage.
Tessa zuckte betont gleichgültig mit den Achseln.
»Offensichtlich nicht. Er murmelte irgendwas von einem wichtigen Termin, den er nicht verschieben könne.
Freitagabend, klar. Ach, was soll’s.« Sie zog eine Grimasse.
»Kommst du nun?«
»Na klar.« Allie beschlich das dumpfe Gefühl, dass mit Ryan etwas im Busch war. Sie hoffte, dass ihre Intuition sie täuschte. Zuversichtlich strahlte sie ihre Freundin an und hakte sie unter. Der Kies knirschte unter ihren Sneakern, als sie Arm in Arm das Campusgelände verließen.
Sie brauchten keine fünf Minuten von Hungry Jack’s bis zum Festival Centre am River Torrens. Im Stadtzentrum war alles innerhalb weniger Gehminuten erreichbar. Im Osten flankiert von sanften Hügeln, im Westen von herrlichen Stränden, vermittelte die größte Stadt Südaustraliens mit ihren weitläufigen Parkanlagen, den historischen Gebäuden, breiten Straßen, Cafés und Restaurants einen fast gemütlichen Eindruck. Violette, blaue, pinkfarbene und gelbe Tupfen übersäten die Rasenfläche vor dem Festival Centre. Vor einer provisorisch errichteten Holzbühne an der Stirnseite des Gebäudes herrschte dichtes Gedränge. Allie reckte den Hals, um einen Blick auf die finster aussehenden Gestalten im Lederlook zu werfen, die ihren Gitarren rockige, keltisch angehauchte Klänge entlockten. Sie ertappte sich dabei, wie sie im Takt der Musik mit dem Kopf nickte. Diese Musikrichtung hatte ihr schon immer besonders gut gefallen. Ihr Herz pochte schneller, als sie den Blick über die unzähligen Köpfe schweifen ließ. Vielleicht war er hier? Ach, vergiss es, Logan. In einem guten halben Jahr war Adelaide Geschichte. Und dieser Unbekannte, der ihr nicht aus dem Kopf gehen wollte, ebenso.
Tessa legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Hey Allie, coole Musik, oder? Ich würde …« Ihre Worte wurden von den rhythmischen Klängen der Band verschluckt.
»Ich kann dich nicht verstehen!« Allie deutete ihrer Freundin an, zur Promenade hinunterzugehen, wo sich weniger Menschen tummelten und der Lärm nur halb so stark war. Mit Mühe gelang es ihnen, sich an den singenden und tanzenden Menschen vorbeizuschlängeln. Sie durchquerten einen Zipfel des Elder Parks, ließen die bunten Tretboote hinter sich und erreichten eine wenig bevölkerte Rasenfläche am Flussufer. Allie machte es sich Tess gegenüber im Schneidersitz auf dem satten Grün bequem.
»War eine klasse Idee von dir«, rief sie.
Tessa nickte. Sie klopfte mit den Handflächen auf ihren Oberschenkeln den Takt der Musik mit. »Musha ringum duram da, Whack fol the daddy-o. There’s whiskey in the jar«, sang sie ebenso laut wie falsch, was angesichts der Tatsache, dass mehr oder weniger alle Konzertbesucher mitgrölten, niemanden störte.
»Siehst du«, meinte sie zu Allie, als der tosende Applaus langsam verebbte, »sie spielen sogar Musik aus deiner Heimat.«
»Wie bitte?« Allie zog eine Braue hoch. »Süße, du verwechselst das schon wieder. Ich stamme aus Cornwall. Das gehört zu England, nicht Irland.«
Tessa klatschte sich gegen die Stirn. »Oh bloody hell, sorry, mate. Du weißt, ich bin Geografie-Legasthenikerin. Aber in Down Under scheinen wir so ewig weit weg vom Rest der Welt zu sein, dass ich diese Dinge immer wieder durcheinanderbringe.« Sie schob ihre Unterlippe vor und klimperte mit den Wimpern. »Verzeihst du mir?«
»Dir doch immer, du verrücktes Huhn.« Allie sah schmunzelnd einem Pärchen schwarzer Schwäne hinterher, das über das in der Sonne kupfergolden funkelnde Wasser des River Torrens glitt. Auf ihre Unterarme gestützt lehnte sie sich zurück und genoss, wie die leichte Brise, die vom Fluss wehte, fast zärtlich über ihre nackte Haut strich. Leise summte sie die Worte des nächsten Lieds mit, das die Band anstimmte. Mein Herz ist daheim. Ja, dachte sie, es war genauso wie in dem Lied, das sie aus der Fernsehserie McLeod’s Töchter kannte. Ihr Herz war hier zu Hause. Hier in Australien, auf dem roten weiten Kontinent. Vor rund zehn Jahren war sie mit ihrer Familie aus England gekommen, um den schrecklichen Erinnerungen zu entfliehen. Anders als ihre zarte Mum hatten sich Allie und Dad rasch eingelebt. Mum hingegen litt unter der Hitze der Sommermonate. Häufige Migräneanfälle und Kreislaufprobleme machten ihr zu schaffen. Sie sehnte sich nach dem milden Klima Cornwalls zurück, nach dem sanft fallenden Regen, den grünen Hügeln, und nicht zuletzt nach ihren englischen Freunden und Verwandten. Als der Arzt ihr riet, über eine Rückkehr nachzudenken, entschlossen sich Allies Eltern schweren Herzens, heimzukehren. Sie schlugen Allie, die in Adelaide mit ihrem Studium begonnen hatte, vor, mit ihnen zu kommen. Allie lehnte ab. Australien war ihr inzwischen zur Heimat geworden. Sie konnte sich nicht vorstellen, das Land zu verlassen. Natürlich hätte sie es vorgezogen, wenn Mum und Dad geblieben wären, doch schließlich war sie erwachsen und durchaus in der Lage, allein zurechtzukommen. Trotzdem war die erste Zeit allein im Wohnheim unter Fremden nicht einfach gewesen. Aber dann lernte Allie auf einer Studentenfete Tessa Garcia kennen, und die Einsamkeit ließ sich leichter ertragen.
I’m too sexy for my love … Tessas Handyklingelton, der nicht nur Allie, sondern auch sämtlichen Anwesenden im Umkreis ein Schmunzeln entlockte, brachte sie zurück in die Gegenwart.
Tessa warf ihr einen vielsagenden Blick zu, als sie das Telefon nicht ohne Mühe aus der hinteren Hosentasche ihrer knapp sitzenden Shorts zog. »Ryan«, informierte sie Allie, bevor sie den Anruf entgegennahm. »Ryan? Was? Du musst lauter sprechen, ich …« Sie verstummte und begann an ihrer Unterlippe zu knabbern. Ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Sämtliche Farbe war aus ihren Wangen gewichen, als sie das Handy vom Ohr nahm und wie in Trance zusammenklappte. In ihren dunklen Augen glitzerte es verdächtig, als sie den Blick auf Allie richtete.
»Ryan hat mit mir Schluss gemacht.«
Allie nahm das monotone Brummen des stetig dahinfließenden Verkehrs von der North Terrace, das sich mit dem melodischen Flöten der Magpies auf dem Campus vermischte, nur am Rande wahr. Sie war tief in Gedanken, als sie zum Unigebäude hastete, in dem der Kurs für Visualisierung stattfand. Nachdem Ryan Tessa am Abend zuvor per Handy abserviert hatte, hatte Tess darauf bestanden, sofort ins Wohnheim zurückzukehren, coole keltische Rockmusik hin oder her. Der Abend war für sie gelaufen. Allie hatte sich zu ihr aufs Bett gesetzt und sie gehalten, bis das schreckliche Schluchzen verebbt war. Danach hatte sie einen ewig langen, von furchterregendem Schluckauf unterbrochenen Monolog über sich ergehen lassen, in dem es hauptsächlich darum ging, dass Ryan ein feiger Frauenheld und sie, Tessa, eine naive fette Kuh sei. Es war unmöglich gewesen, ihre Freundin zu trösten. Tessas Worten nach hatte sich Ryan in eine andere verliebt, irgendeine Kellnerin in einem angesagten Nachtklub. Sicher eine heiße, superschlanke Sheila, hatte sie mit verächtlich verzogenem Mund ausgestoßen, bevor sie erneut von einem Anfall heftiger Schluchzer durchgeschüttelt wurde. Allie hatte sich kurzerhand aus ihrem Zimmer das Bettzeug geschnappt und vor Tessas Bett auf dem Boden campiert. Sie hatten bis tief in die Nacht geredet, und natürlich hatte Allie heute früh verpennt. Jetzt war sie spät dran und hatte zudem vergessen, sich ihre Locken ordentlich zusammenzubinden, die ihr beim Rennen ständig ins Gesicht fielen. Sie hoffte, dass es Tess, die heute blaumachte, inzwischen ein wenig besser ging. Sie würde später bei ihr klingeln.
Ihr Gedankenstrom stoppte abrupt, als sie gegen eine harte Brust prallte. Der Rucksack glitt von ihrer Schulter und ein paar Bücher rutschten heraus. »Scheiße«, stieß sie undamenhaft aus.
»Sorry. Aber du scheinst geträumt zu haben.«
Allie schoss heiße Röte ins Gesicht, als sie realisierte, wessen blaue Augen sie von oben herab musterten. Verdammt! »Oh.« Super, Allie Logan. Mehr fällt dir nicht ein, als oh? Sie schloss den Mund und bückte sich hastig. Dummerweise ging der Unbekannte im selben Moment in die Knie. Das Geräusch ihrer aneinanderprallenden Köpfe war nicht hübsch. »Ach Mist!« Allie funkelte den jungen Mann an und presste ihre flache Hand auf die schmerzende Stelle.
Er rieb sich ebenfalls die Stirn. »Dein Wortschatz scheint sich auf Schimpfworte zu beschränken, was?«
Ihr stockte der Atem. O mein Gott. Seine Augen mit den lächerlich langen Wimpern – durfte ein Mann überhaupt solche Wimpern besitzen? – waren aus der Nähe noch viel schöner, als sie gedacht hatte. Im tiefen Blau seiner Iris tanzten blassgrüne Pünktchen. Sie versank in diesem unglaublich blauen Meer und kramte in ihrem Hirn nach einer passenden Antwort. Noch bevor sie etwas entgegnen konnte, richtete sich Adonis auf und streckte ihr gönnerhaft eine Hand entgegen. »Na komm.«
Moment mal. Dachte er nicht daran, sich zu entschuldigen? Oder entsprach es seiner Art, fremde Frauen umzurennen? Sie ignorierte seine Geste und sprang auf.
»Bemüh dich nicht. Ich komme gut allein Karl. Ich meine klar.« Wenn es überhaupt möglich war, verstärkte sich die Hitze auf ihren Wangen.
Seine Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen und Allie fühlte, wie das Blut in ihren glühenden Ohren rauschte. Bugger. Dieses leicht schiefe, etwas arrogante Lächeln war unglaublich unverschämt sexy. Wie gebannt starrte sie auf seinen Mund.
Er reichte ihr den Rucksack. »Wollen wir mal hoffen, du behältst keine bleibenden Schäden.«
Doofmann. Der Kerl sah wahnsinnig gut aus, zugegeben. Allerdings schien er ein Stinkstiefel zu sein. Umso besser. Mit vorgestrecktem Kinn warf sie sich den Rucksack über die Schulter und gab sich alle Mühe, seinen belustigten Blick kühl zurückzugeben. »Keine Sorge. So einen nachhaltigen Eindruck wirst du nicht hinterlassen.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und lief davon. Ein kleiner Ast unter ihrer Sohle wurde ihr beinahe zum Verhängnis. Sie strauchelte, konnte sich zum Glück aber fangen.
»Äh – warst du nicht eigentlich in die andere Richtung unterwegs?«
Verdammt, verdammt! Dieser Kerl brachte sie völlig aus dem Konzept. Er hatte recht. Wenn sie aber zugab, dass sie tatsächlich in die falsche Richtung lief … zu peinlich. Diese Genugtuung wollte sie ihm nicht geben. Sie würde die Vorlesung verpassen. Mit Knien wie Wackelpudding ging sie hoch erhobenen Hauptes weiter, an den imposanten roten Backsteingebäuden, den Eukalyptusbäumen vorbei und durch das schmiedeeiserne Tor. Die rote Fußgängerampel am Victoria Drive stoppte schließlich ihre Flucht. Die ganze Zeit über meinte sie, die brennenden Blicke des Unbekannten in ihrem Rücken zu spüren. Was natürlich völliger Unsinn war. Bestimmt hatte der Mann Besseres zu tun, als hysterischen Frauen hinterherzuschauen. Das also war die lang ersehnte Begegnung mit ihrem Traummann gewesen. Die hatte sie gründlich versemmelt. Nicht mal seinen Namen hatte sie in Erfahrung gebracht. Warum hatte sie auch wie eine Wahnsinnige davonrennen müssen? Ganz toll, Allie Logan. Einfach toll.
Allie kreuzte ihre Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster des dritten Stocks hinab auf die Straße. »Ich bin so ein Volltrottel.« Nach der wenig rühmlichen Begegnung war sie kurz entschlossen zurück ins Wohnheim gestapft und hatte bei Tessa an die Zimmertür geklopft.
»Wovon sprichst du?« Tessa schniefte in ihrem Rücken. Sie drehte sich zu Tessa um. Ihre Freundin kauerte wie ein Häuflein Elend in eine bunte Baumwollhäkeldecke gehüllt auf dem Bett. »Ach Gott. Entschuldige, Süße. Ich bin blöd. Dir geht es nicht gut und ich benehme mich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen.«
Tessa schüttelte den Kopf. »Ist schon in Ordnung. Erzähl mir, was passiert ist. Vielleicht lenkt mich das ein bisschen ab.«
»Sicher?«
»Sicher.« Tessa schnäuzte sich lautstark die Nase und straffte ihren Rücken. »Also. Was ist geschehen, dass du deine Vorlesung bei Professor Lockhart sausen lässt?«
Unwillkürlich musste Allie schmunzeln. Ihre Kommilitonen hatten dem blonden Schönling, der verblüffend an Harry Potters eleganten Lehrer der Verteidigung gegen die dunklen Künste erinnerte, diesen treffenden Namen verpasst. Kaum jemand konnte sich an seinen richtigen erinnern. »Stell dir vor, Tess, ich hatte vorhin … also, ich bin direkt in ihn hineingerannt.«
Ihre Freundin runzelte die Stirn. »In Gilderoy Lockhart?« Allie lachte. »Unsinn, Dummerchen.« Sie löste sich vom Fenster und gesellte sich zu Tessa auf die Bettkante.
»Ich meine den gut aussehenden Kerl aus der Mensa.«
»Und der hat dich davon abgehalten, brav deine Vorlesung zu besuchen?« Tessa tupfte sich die gerötete Nasenspitze.
»In gewisser Weise. Ich war so perplex, dass ich vor ihm geflüchtet bin wie ein kopfloses Huhn.«
»Kein sehr ansprechender Vergleich.« In Tessas traurigen Augen blitzte ein Fünkchen alter Humor auf.
»Dummerweise weiß ich noch immer nicht, wie er heißt, Tess. Ich bin einfach abgehauen, weil mich seine Nähe so verwirrt hat. Und dann auch noch in die falsche Richtung. Deshalb bin ich wieder hier gelandet und nicht in Lockharts Vorlesung.«
»Ach so. Ich dachte schon, du wärst vor Sehnsucht nach mir überwältigt worden.«
Allie lachte. Sie war erleichtert, etwas von Tessas fröhlichem Selbst zurückkehren zu sehen. Sie legte ihr eine Hand auf den Arm. »Gott, Tess, er sieht so wahnsinnig gut aus. Seine Augen sind unglaublich blau. Wie konnte ich ihn einfach wieder gehen lassen?«
Tessa schüttelte den Kopf. »Alexandra Logan, du Schussel. Dich scheint es ganz schön erwischt zu haben. Und nun?«
Allie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Soll ich ihn das nächste Mal ansprechen, wenn er mir über den Weg läuft?«
»Das wäre zumindest eine Möglichkeit.«
»Und wenn er schon vergeben ist?«
»Dann wirst du das schon erfahren.« Tessa gab sich pragmatisch wie immer.
»Andererseits, Tess, du weißt, ich hab sowieso kein Interesse an einer Beziehung.« Allie knabberte an ihrem Daumennagel.
Tessa rollte mit den dunklen Augen. »Mein Gott, Allie, bist du kompliziert.«
»Er geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.« Sehnsucht zupfte an Allies Herzen. Gleichzeitig ärgerte sie sich darüber, dass sie die Gedanken an den Fremden mit dem unverschämt schiefen Grinsen nicht mehr loswurde. »Was soll ich nur machen?«
»Nichts«, kam die trockene Antwort. »Genieße einfach seinen Anblick.« Tessa sprach nicht aus, was ihnen beiden durch den Kopf ging. In ein paar Monaten wäre Allie vermutlich sowieso nicht mehr in der Stadt und der sexy Fremde längst vergessen.
Über den asphaltierten Straßen von Adelaide flimmerte die sirupträge Luft, und dicke, dunkle Wolken verhüllten die Hügel der Mount Lofty Ranges. Es sah schwer nach Gewitter aus. Allie fuhr sich mit dem Arm über die Stirn, um den Schweiß abzuwischen. Sie hätte es besser wissen müssen. Als sie vor einer halben Stunde bei Tessa angeklopft und gefragt hatte, ob sie mitjoggen wolle, hatte ihre Freundin, auf dem Bett in einer Zeitschrift blätternd, die Brauen gehoben. »Ist nicht dein Ernst, Allie, oder? Schon bemerkt, wie abartig heiß es ist? Mich kriegen heute keine zehn Pferde dazu, mich zu bewegen, sorry.«
»Heute?«, hatte Allie gekontert. Tessa war eher der bequeme Typ, während sich Allie bemühte, zumindest jeden zweiten Tag im Elder Park ein paar Runden zu drehen. Der Figur wegen. Nicht, dass sie etwas zu meckern hätte, aber so sollte es auch bleiben. Zum Glück hatte sie Mums zierliche Statur geerbt. Allerdings musste sie Tessa zustimmen. Es war viel zu stickig, um zu laufen. Sie wünschte, sie hätte etwas zu trinken mitgenommen. Eine eisgekühlte Diet Coke zum Beispiel. In ihrer Kehle kitzelte es. Hustend blieb sie stehen.
Ein vorbeilaufender Jogger warf ihr einen Seitenblick zu. »Hey, Lady, alles in Ordnung?«
Noch so ein Verrückter. Sie nickte, hustete noch immer und machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand. Sie würde umkehren, heimgehen und eine kalte Dusche nehmen, entschied sie, als sie dem Fremden hinterherblickte. Vielleicht könnte sie Tessa zu einem leckeren Eis bei Wendy’s Cupcakery überreden? Als sich der dumme Hustenreiz endlich gelegt hatte, machte sie sich auf den Rückweg und nahm eine Abkürzung. Nach ein paar Minuten erreichte sie die Pirie Street, ein schmales Sträßchen parallel zur Rundle Mall, der lebhaften Einkaufsmeile Adelaides. Ein paar junge Leute quollen aus der Tür eines Cafés und versperrten ihr den Weg. Offensichtlich bestens gelaunt sangen sie schief, aber inbrünstig, die ersten Zeilen von Waltzing Matilda.
Unwillkürlich fiel Allies Blick auf einen der jungen Männer und ihr Herz begann prompt, wild in ihrer Brust zu wummern. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn hier und jetzt wiederzusehen. O mein Gott! Sicher sah sie wie eine Vogelscheuche aus. Sie hatte sich beim Ankleiden keine besondere Mühe gegeben und trug eine verwaschene Jeans mit abgeschnittenen Beinen und ein einfaches, ärmelloses Top. Um der Hitze zu trotzen, hatte sie ihre Locken mit einem Gummiband gebändigt. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie ihm über den Weg laufen würde. Wenn sie es geschickt anstellte, könnte sie vielleicht unbemerkt auf die andere Straßenseite …
»Alexandra? Alex Logan?«
Sie erstarrte. Mist, Mist, Mist! Als sie aufsah, fand sie sich einem Kommilitonen gegenüber. Kenny Travers war ein Idiot, der seine sommersprossige Nase mit Vorliebe in Dinge steckte, die ihn nichts angingen. Mit einem falschen Lächeln nickte sie ihm flüchtig zu.
»Was ist los, love? Hab ich die Pest oder warum flüchtest du?« Kenny stieß ein provozierendes Lachen aus.
Still fluchend ergab sich Allie in ihr Schicksal. Sie wandte sich der Gruppe zu. Oh bugger, bestimmt bekam sie wieder diese blöden roten Flecken am Hals, die jedes Mal auftauchten, wenn sie sich aufregte. Was gäbe sie jetzt für ein kleines, dunkles Mauseloch zum Hineinschlüpfen? Die Haut in ihrem Gesicht fing an zu prickeln. Winzige Schweißperlen kullerten ihre Wirbelsäule hinab. »Hi Kenny.« Sie spürte die Blicke des unbekannten Blonden auf sich, während sie ihren Kommilitonen fixierte. »Was machst du denn hier?«
Kenny entblößte eine Reihe schiefer Zähne. »Was ich hier mache, Zuckerpuppe?« Er deutete mit dem Kinn zu dem verzierten schmiedeeisernen Schild, das schräg über seinem feuerroten Schopf baumelte. Pig & Whistle – finetea and scones stand in schwarzen geschwungenen Lettern darauf. »Bens Mum hat eine Runde spendiert.«
Hitze schoss ihr in die Wangen, als sie seiner Kopfbewegung folgte und ihr Blick von einem bestimmten Paar blauer Augen gehalten wurde. Ben hieß er also. Die Art, wie er mit den Händen in den Hosentaschen vergraben dastand und sie betrachtete, drückte Gelassenheit aus. Unverblümt unterzog er sie einer Musterung. Ihr Shirt, die Kurven ihrer Hüften und ihre nackten Beine. Auf ihrer Haut flammte ein Feuer auf. Sie registrierte, wie sich das ärmellose T-Shirt, das die Farbe seiner Augen widerspiegelte, über seiner Brust spannte. Auf seinem linken Oberarm, wo sich unter der sonnengeküssten Haut die Muskeln abzeichneten, prangte ein Tattoo. Eine Schlange, die sich um eine langstielige Rose wand. Ihr Herz klopfte noch ein wenig schneller. Was für eine aufregende Mischung aus Männlichkeit und filigraner Zartheit. Der Mann war hinreißend. Eigentlich genau ihr Typ. Unwillkürlich fuhr sie mit der Zunge über ihre Lippen.
»Hast du meinen Anblick genug genossen? Oder möchtest du noch ein bisschen?« Bens Mundwinkel zuckten, als er die Arme vor der Brust verschränkte.
Unverschämt war er. Aber das war ja nichts Neues.
»Bild dir mal nichts ein«, entgegnete sie betont gleichgültig, wobei sie sich bemühte, die feinen goldenen Härchen auf seinen sehnigen Unterarmen zu ignorieren.
»Du bist das streitbare Weibsbild vom Unicampus, das mir vorgestern in die Arme gelaufen ist, richtig?«, stellte er mit einem Funkeln in den Augen fest.
Kenny enthob sie einer Antwort. »Ey, Hunter, wir ziehen weiter. Komm nach ins Blue Elephant, wenn du mit Turteln fertig bist.« Er warf Allie einen anzüglichen Blick zu, bevor er lachend mit den anderen davonzog.
Allies Wangen brannten. Kenny war so ein Blödmann. Was hatte Ben mit ihm zu schaffen? »Du kennst Kenny?«, wollte sie wissen.
»Du magst ihn nicht«, folgerte er messerscharf.
»Nicht besonders.«
»Tja.« Er fuhr sich über das glatt rasierte Kinn. »Ich gebe zu, er ist nicht der charmanteste Kerl von Adelaide. Ich kenne ihn schon ewig. Wir waren zusammen auf der Highschool. Er gehört zur Clique.«
Kurz entschlossen streckte sie eine Hand aus. »Ich bin übrigens Alexandra Logan. Freunde nennen mich Allie.«
Er nahm ihre Finger in seine. »Hi Allie.«
Die Berührung und der samtene Klang seiner dunklen Stimme schickten kleine, wohlige Schauder über ihren Rücken. »Und ihr wart hier …«, sagte sie rasch, bemüht, ihre Verlegenheit zu überspielen, und sah erneut hinauf zu dem schmiedeeisernen Schild.
»… im Pig & Whistle«, vervollständigte er ihren Satz.
»Unserem Café.«
»Eurem?«
»Yep.«
»Aber ich hab dich in der Mensa an der Uni – du …« Verdammt, sie hatte sich verplappert. Ihr wurde kochend heiß unter seinem amüsierten Blick.
»Wir beliefern die Mensa mit hausgemachten Scones und Pies.« Sein Grinsen vertiefte sich.
Allie überlegte gerade, was sie entgegnen könnte, das sie nicht als Idiotin dastehen ließ, als tiefes Donnergrollen erklang. Es prallte von den Fassaden der höheren Gebäude ringsumher und echote durch die Straßen.
»Da braut sich was zusammen.« Ben musterte den sich verdüsternden Himmel.
»Hm.« Sie sollte wirklich los. Eine plötzliche Windbö blies ihr eine Haarsträhne ins Gesicht, die sich aus ihrem nachlässig gebundenen Zopf gelöst hatte. Sie strich sie zurück und wurde sich erneut ihres schäbigen Outfits bewusst. »Hör zu, ich sollte heim.« Sie machte eine fahrige Handbewegung.
»Okay. Ich muss auch weiter. Die anderen warten auf mich.« Einen Moment schien er unschlüssig, ob er noch etwas sagen sollte, dann hob er die Hand zum Abschied.
»Man sieht sich.«
Sie sah ihm hinterher, ein sehnsüchtiges Zupfen in ihrer Brust. Gern hätte sie noch ein bisschen länger mit ihm hier gestanden. Was natürlich völliger Schwachsinn war. Der Kerl war frech, unverschämt. Und anbetungswürdig. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie ihn damit aus ihren Gedanken vertreiben, und trat den Heimweg an.
»Ähm, Tessa, was wird das hier?« Allie vollführte eine Vollbremsung, so abrupt, dass Tessa beinahe über sie stolperte.
»Was denn?« Tessa klimperte unschuldig mit den Wimpern. »Wir gehen spazieren, nichts weiter.«
Allie machte eine ausschweifende Geste. »Verstehe. Und dieser kleine Spaziergang, den du mir vorgeschlagen hast, führt uns zufällig in die Pirie Street?« Sie hob ihre Brauen.
Tessa senkte schuldbewusst den Blick. »Ist mir gar nicht aufgefallen.« Ein Grinsen zuckte um ihre Mundwinkel. »Ach komm schon, liebste Allie.« Sie knuffte ihr in die Seite. »Ich konnte dein sehnsüchtiges Schmachten nicht mehr ertragen. Du behauptest zwar, du interessierst dich nicht für diesen Ben, aber dafür sprichst du ganz schön oft von ihm. Jetzt machen wir Nägel mit Köpfen und statten seinem Café einen Besuch ab.«
Allie stöhnte innerlich auf. Hätte sie Tessa nur nichts vom Pig & Whistle erzählt. »Och nö. Ich hab keine Lust. Lass uns hier abhauen.« Ihr Seitenblick streifte das gegenüberliegende Haus im viktorianischen Stil. Verärgert stellte sie fest, dass ihr Puls bei dem Gedanken daran, sie könnte Ben begegnen, in die Höhe schnellte. Rasch sah sie an sich hinab. »Schau nur, wie ich aussehe …«
Tessa nahm Allies kurzen Jeansrock und das graue eng anliegende T-Shirt mit dem rot-weißen Aufdruck University of Adelaide ungerührt in Augenschein. »Mit dir ist alles in Ordnung. Hübsch wie immer. Jetzt sei kein Spielverderber, Al.« Sie zwinkerte ihr zu. »Du behauptest doch immer, dieser Hunter interessiere dich nicht. Wo liegt also das Problem?« Ihr freches Grinsen wurde breiter.
Diese hinterlistige Tessa! Also gut, warum sollten sie im Pig & Whistle nicht einen Stopp einlegen, um einen Kaffee zu trinken? Dies hier war schließlich ein freies Land, oder? Allie reckte das Kinn. »Worauf wartest du? Wollen wir nicht hinein in die gute Stube?«
Ihr Herz klopfte unregelmäßig, als sie den klimatisierten Raum betraten. An der Decke glitzerten bunte Lichter, etwas müde wirkende Topfpflanzen schmückten die geteilten Fensterscheiben. Hinter der blank gewienerten Theke hantierte eine kurvige Blondine mit schickem Kurzhaarschnitt an der Kaffeemaschine. Sie sah auf, als Tessa und Allie hereinkamen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit einer Gruppe kichernder, junger Mädels zuwandte.
Eine ältere Dame, die Zeitung lesend ihren Kaffee trank, nickte ihnen freundlich zu. Enttäuschung und Erleichterung zugleich überfielen Allie, als sie feststellte, dass Ben nicht im Café war. Sie dirigierte Tessa zu einem Tisch am Fenster, von dem aus sie das Lokal gut überschauen konnte, und setzte sich auf die mit rotem Kunstleder bezogene Holzbank. »Ist es dir hier nicht recht?« Irgendwie wirkte Tessa auf einmal traurig.
Tessa zuckte mit den Achseln, bevor sie sich gegenüber Allie niederließ und nach der Speisekarte griff. »Nö, alles paletti.«
»Also, ich probiere mal den Espresso Vanilla shot«, sagte Allie und musterte Tessa. »Und du?«
»Weiß nicht. Mal sehen.« Tessa überflog stirnrunzelnd das Angebot.
»Tess, was ist los?« Sie kannte ihre Freundin gut genug, um zu merken, dass etwas nicht stimmte.
»Nichts.« Tessa klappte die Karte zu und senkte die Lider. »Ich kann mich nur nicht entscheiden.«
Allie hatte das Schimmern in Tessas dunklen Augen gesehen. »Du denkst an ihn, stimmt’s?«, fragte sie leise.
»An wen?«
»Ach Tessa, du weißt doch, wen ich meine. Ich kann mir vorstellen, wie weh es dir noch immer tut.«
»Ach was.« Tessa straffte ihren Rücken. »Jetzt lass uns etwas Leckeres trinken und nach deinem Ben Ausschau halten.«
»Ryan ist es nicht wert, dass du …«
»Hör zu«, unterbrach Tessa, »ich weine diesem Dreckskerl keine Träne nach.«
Allie langte über den Tisch hinweg nach ihrer Hand und drückte sie. Auch wenn Tessa dies vehement bestritt, wusste sie, dass ihre Freundin an der Trennung zu knabbern hatte. Mehr als einmal hatte sie angedeutet, sich eine Zukunft mit Ryan vorstellen zu können. »Du wirst ihm eines Tages begegnen – deinem Traumprinzen. Und dann wirst du deinen Stall voll Kinder schneller bekommen, als dir lieb ist.«
Tessa reagierte mit einem schiefen Lächeln. Bevor sie jedoch etwas entgegnen konnte, eilte eine zierliche Frau mittleren Alters herbei, um ihre Bestellung aufzunehmen. Ihr helles, gelocktes Haar trug sie locker hochgesteckt.
»Herzlich willkommen im Pig & Whistle. Ich bin Liz Hunter. Was darf ich Ihnen bringen?«
Allie warf Tessa einen vielsagenden Blick zu, bevor sie die Frau einer unauffälligen Musterung unterzog. Das musste Bens Mum sein. Ihre attraktiven Gesichtszüge ähnelten denen ihres Sohnes. Die Augen mit den unzähligen Lachfältchen leuchteten in demselben unvergleichlichen Blau. Sie schenkte Liz ein warmes Lächeln. »Ich hätte gern einen doppelten Espresso Vanilla shot, bitte. Tess?«
Tessa steckte die Nase abermals in die Karte. »Diet Coke für mich«, bat sie.
Liz notierte ihre Wünsche. »Wir haben auch frischen hausgemachten Apple Pie da. Oder Zimtwaffeln mit Sahnehäubchen.«
Allie lief das Wasser im Mund zusammen. Einer süßen Leckerei konnte sie nur schwer widerstehen, aber Tessa kam ihr zuvor. »Ein anderes Mal, danke.«
Liz nickte, ließ ihren Block und den Stift zurück in die Schürzentasche gleiten und wandte sich zum Gehen.
»Entschuldigen Sie bitte, Mrs. Hunter«, rief Tessa ihr nach. »Ist Ben nicht da?«
Die Blondine hinter der Theke hob ihren Kopf. Allie starb tausend peinliche Tode. Verdammt, warum tat Tessa das? Allie spürte, wie sie bis unter die Haarwurzeln errötete. Sie hatte ihre Freundin von Herzen gern, nicht jedoch deren Angewohnheit, bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Tür ins Haus zu fallen. Taktgefühl war etwas, das Teresa Garcia definitiv nicht besaß. Allerdings machte sie dies durch ihre entwaffnende Ehrlichkeit wett. Trotzdem, in diesem Moment hätte sie Tessa gern gepackt und geschüttelt.
»Ben ist heute nicht im Café«, erwiderte Liz freundlich.
»Montags ist sein freier Tag. Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Nein«, entfuhr es Allie spontan. »Ich meine, nein danke, Mrs. Hunter. Ist nicht nötig.« Sie grub ihre Fingernägel in die Handfläche.
Über Liz’ Miene huschte ein erstauntes Lächeln. Sobald sie ihnen den Rücken zugewandt hatte, stupste Allie Tessa an. »Mensch, was sollte das? Es muss doch nicht alle Welt wissen, dass wir wegen Ben hier sind. Dieser blonde Vamp vorn an der Theke durchbohrt uns förmlich mit seinen Blicken.«
Tessa grinste. »Na und? Lass sie doch glotzen. Beruhige dich. Ist ja nichts passiert.«
Verstohlen sah Allie erneut zur Theke, wo Liz mit der jungen Frau sprach. In jenem Moment hob diese ihren Kopf. Der kühle, abschätzende Blick aus eisblauen Augen traf Allie wie eine Ohrfeige. Irritiert senkte sie die Lider. Was für eine merkwürdige junge Frau. Ob sie auch zur Familie gehörte? Obwohl sie ebenfalls blond war, konnte Allie keine Ähnlichkeit mit Ben oder seiner Mum erkennen.
Liz kam zurück, ein Tablett mit den Getränken balancierend.
»Danke schön.« Allie nahm Liz den doppelten Espresso ab. Unglücklicherweise rutschte ihr das schmale Glas aus der Hand. Rasch verteilte sich die Flüssigkeit auf der hellen Tischdecke, färbte sie dunkel und tropfte hinunter auf den Boden.
»O nein!« Entsetzt starrte Allie auf den sich flugs ausbreitenden Fleck.
Das Gekicher der jungen Mädchen gegenüber verstummte abrupt. Geistesgegenwärtig begann Tessa, mit ihrer Serviette die Decke abzutupfen.
»Ich hole rasch eine Rolle Küchenpapier.« Liz eilte davon.
»Es tut mir leid«, meinte Allie zerknirscht, als sie zurückkehrte.
»Ist nicht schlimm. Fiona macht Ihnen einen neuen Espresso.« Liz nickte der Blondine an der Theke zu.
Eigentlich wäre Allie am liebsten auf der Stelle gegangen. Sie hatte keine Lust mehr auf ihr Getränk. Ihr Magen fing zu grummeln an. Sie presste ihre Handflächen gegen den Bauch und bemühte sich, das Getuschel am Nachbartisch zu ignorieren. »Ich wünschte, wir wären nicht gekommen«, gestand sie Tessa leise.
»Ach, Allie. Mach dir nichts draus.« Tessa legte beschwichtigend eine Hand auf ihren Arm. »So ein Missgeschick kann doch jedem passieren.«
»Den Besuch hätten wir uns trotzdem sparen können.« Ungehalten fixierte Allie den Schandfleck auf der Tischdecke.
»Es war ein Versuch. Hätte ja klappen können. Zumindest wissen wir nun, dass er montags nicht hier ist.« Tessa nahm augenzwinkernd einen Schluck von ihrer Coke.
»Ah … köstlich. Ich glaube, ich hab noch nie zuvor so leckere Cola getrunken. Ich denke, ich muss unbedingt wiederkommen.« Sie bemühte sich, ernsthaft dreinzublicken. Wider Willen musste Allie grinsen. »Ach, du Quatschkopf. Ich glaube nicht, dass ich das hier wiederholen möchte.«
»Seit wann gibst du so schnell auf?«
Liz’ Auftauchen enthob Allie einer Antwort. Mit einem freundlichen Nicken reichte sie Allie das Glas.
Der Kaffee schmeckte köstlich. Vollmundig und stark, mit einem Hauch von weicher Vanille. Allie fühlte sich getröstet und begann, sich zu entspannen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sein. An dem Ort, wo Ben Tag für Tag arbeitete. Aufregend, obwohl er nicht hier war. Sie nahm das Café, das in seiner Schlichtheit seinen ganz eigenen Charme besaß, nochmals in Augenschein. Den Strauß roter Freesien, der die Theke schmückte. Die silbergerahmten Bilder auf einer weiß gekalkten Wand über einer Holzvertäfelung, die ein Hochzeitspaar vor der St. Peter’s Kathedrale zeigten. Durch die zart geklöppelten Spitzenbistrogardinen strömte das Sonnenlicht und ließ den Staub in der Luft wie winzige Goldkörnchen flirren. Das Lokal vermittelte fast den Eindruck, bei Freunden im Wohnzimmer zu sitzen. Während Allie an ihrem Espresso nippte, fing ihr Blick Fionas ein. Für den Bruchteil einer Sekunde taxierten sie einander, bevor sich Fiona abwandte, um Besteck in eine Schublade einzusortieren. Warum wurde Allie das Gefühl nicht los, dass die Blondine sie beobachtete? Bildete sie sich das nur ein? Wohl kaum. Es sei denn, sie litt unter Halluzinationen. Sie neigte sich Tessa zu. »Diese Fiona …«
»Hm?« Tessa setzte ihr Glas ab. »Was ist mit der?«
Allie zuckte mit den Schultern. »Ach, nichts. Lass uns zahlen, ja? Ich würde gern gehen. Lass uns noch ein bisschen auf der Rundle Mall bummeln gehen.« Sie trank den Rest ihres Kaffees, der auf einmal bitter zu schmecken schien.
»Es tut mir leid, Allie.« Tessa fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand ihres Glases. »Ich weiß, dass du enttäuscht bist.«
»Ach was. Wie könnte ich enttäuscht sein, Tess? Immerhin hat mich meine beste Freundin zu einem Besuch in einem süßen, neuen Café überredet.« Sie schenkte Tessa ein schiefes Lächeln. »Und jetzt gehen wir shoppen. Ich hab letztens in dieser neuen Boutique neben Target eine echt hippe Tasche gesehen, die will ich dir unbedingt zeigen.« Sie rief Liz und bat darum, zahlen zu dürfen. Vermutlich würde sie nicht mehr ins Pig & Whistle kommen, auch wenn sie das Café entzückend fand. Es wäre zu peinlich, wenn Liz ihrem Sohn von den übereifrigen jungen Frauen erzählte, die nach ihm gefragt hatten. Besonders von der tollpatschigen Brünetten, die nichts Besseres zu tun hatte, als gleich nach ihrem Eintreffen die hübsche weiße Tischdecke zu versauen.
Sie atmete tief durch, als sich die Tür des Cafés hinter ihnen schloss. »O Gott, Tess. Lass uns diesen wenig ruhmreichen Besuch schnell vergessen. Ich glaube, ich brauche jetzt ganz dringend die coole Tasche, von der ich dir erzählt habe.«
Tessa kniff sie in den Arm.
»Autsch! Was zum Teufel …?« Allies Herz stolperte, als sie Tessas Blick folgte.
Drüben auf der anderen Straßenseite hüpfte gerade Ben aus einem uralten quietschbunten VW-Bus. Mit ein paar geschickten Handgriffen befreite er ein Surfbrett vom Dach und schob es sich unter den Arm. Er rief dem Fahrer einen Abschiedsgruß zu und schickte sich an, die Straße zu überqueren. Allie schnappte nach Luft, als sie realisierte, dass er geradewegs auf sie zugelaufen kam. Er trug ein verwaschenes, ärmelloses grünes Shirt, blaugrün karierte Boardshorts, die verführerisch tief auf seinen Hüften ruhten, und ein unverschämt sexy Lächeln auf den Lippen. Die hellen Härchen auf der gebräunten Haut seiner Unterarme schimmerten golden. Er sah zum Anbeißen aus. Allie spürte ein begehrliches Prickeln in ihrem Bauch. Holy cow, der Mann surfte? Sie hatte schon immer eine Schwäche für die Cowboys der Wellen besessen.
»Hey Ladys, was macht ihr hier?« Bens Augen funkelten himmelblau im Sonnenlicht. »Habt ihr Mum einen Besuch abgestattet?«
Allie wechselte einen schnellen Blick mit Tessa. »Wir kamen zufällig vorbei«, sprudelte es aus ihr heraus, »und dachten, wir hüpfen mal auf einen Kaffee rein.« Sie schnippte einen imaginären Fussel von ihrem Shirt.
»Cool.« Bens Blick folgte ihrer Geste und blieb auf der Rundung ihrer Brüste hängen. Allie wurde es schrecklich heiß.
Tessa räusperte sich. »Ich geh schon mal zu der Boutique vor, damit uns niemand die Tasche vor der Nase wegschnappt. Kommst du gleich, Allie?«
»Wie?« Verwirrt sah Allie ihre Freundin an. »Welche Tasche?« Dann dämmerte es ihr. Unfreiwillig entfuhr ihr ein schrilles Lachen. »Ach so. Die Tasche! Ja klar, Tess, mach das, ich … komm sofort.« O Gott, sie war doch sonst nicht so schwer von Begriff. Sie nickte Tessa dankbar zu. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, als sie der kleiner werdenden Gestalt ihrer Freundin nachblickte. Dabei war sie sich Bens Nähe nur allzu sehr bewusst. Seines herbfrischen Aftershaves, das sich mit dem Duft von Strand, Salz und Sonnenmilch mischte. Sie deutete auf sein Surfboard. »Deins?«
»Yep. Ich war mit den Jungs in Glenelg, ein paar Wellen reiten.« Er fuhr sich durch die sonnenglänzenden Strähnen und sie unterdrückte den Impuls, es ihm gleichzutun.
»Toll. Ich würde auch gern surfen können.«
»Ist nicht schwer.« Sein linker Mundwinkel zuckte. Da war es wieder, dieses unwiderstehliche schiefe Grinsen.
»Du solltest es echt mal probieren.«
»Ja, vielleicht.«
Scheinbar endlose, stille Sekunden verstrichen. Allie verlagerte ihr Gewicht und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was machst du hier?«, fragte sie, weil sie das Schweigen unangenehm fand. »Deine Mum hat …« Verdammt, sie war dabei, sich zu verplappern. Schon wieder. Sie machte eine hilflose Geste zum Pig & Whistle hin.
»Müsstest du nicht im Café sein?«
»Hab meinen freien Tag.« Sein Grinsen wurde breiter.
Er hatte sie durchschaut.
»Ihr habt ein schönes Lokal«, sagte sie, um Zeit zu schinden. Am liebsten würde sie ewig in seiner Nähe bleiben. Die Sonne schien auf einmal viel heller, und der Himmel über ihnen strahlte in einem tiefen Blau. »Deine Mum ist sehr nett.«
»Das ist sie.« Bens Stimme klang sanft.
Ein Mann, der seine Mum liebte. Sie versank im Blau seiner Augen. »Tessa wartet auf mich«, sagte sie überflüssigerweise.
»Die Tasche.«
»Ja. Die Tasche.« Tessa erwartete sie in der Boutique. Es gab keinen Grund, nicht zu gehen, wenn sie vor Ben nicht als Volltrottel dastehen wollte. »Hör zu, ich sollte Tessa nicht warten lassen«, meinte sie widerstrebend. »Vielleicht sieht man sich mal wieder.« Das unebene Pflaster des Gehwegs ließ sie ein wenig auf den hohen Absätzen ihrer Sandaletten schwanken.
»Hey, Allie Logan, warte!«
Sie blieb stehen, drehte sich langsam um, unterdrückte mühsam das aufsteigende, blubbernde Glücksgefühl. Sie beobachtete das Spiel der Muskeln in seinen Waden, als er auf sie zulief. »Was gibt’s?«
»Hör zu«, er kratzte sich im Nacken, »ich wollte dich etwas fragen.«
Allie vergaß zu atmen. Wollte er sie um ein Date bitten? Sie fixierte das Brett unter seinem Arm, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
»Ein Kumpel von mir feiert am Freitagabend Geburtstag. Im Blue Elephant an der Linton Street. Vielleicht hast du ja Lust, vorbeizuschauen?« Über seine attraktiven Züge huschte ein hoffnungsvolles Grinsen.
Ein kleiner Kobold in ihrem Inneren startete einen Freudentanz. So gelassen wie möglich zuckte sie mit einer Schulter.
»Natürlich völlig unverbindlich«, ergänzte er rasch.
»Komm einfach auf einen Drink.« Sein Blick forschte in ihrem Gesicht. »Ich würde mich freuen.«
»Es ist aber nicht Kenny, der Geburtstag hat, oder?«
Bens weiße Zähne blitzten auf. »Nein, nicht Kenny. Ich verspreche es.«
»Okay.« Sie lächelte. »Ich überleg es mir.« Vermutlich würde sie kommen. Aber das würde sie ihm natürlich nicht auf die Nase binden. Schließlich kannte sie die Regeln des Spiels.
»Du kannst deine nette Freundin mitbringen«, schlug er vor.
»Tessa?«
»Tessa«, bestätigte er.
Für den Bruchteil einer Sekunde streifte sie ein Hauch von Unsicherheit. Hatte Ben am Ende Interesse an Tessa? Sie schob den Gedanken beiseite. »Ich werde sie fragen, danke.« Sie schenkte ihm nochmals ein kleines Lächeln. Ein prickelndes Glücksgefühl durchströmte sie, als sie die Straße hinunterging, um Tessa in der Boutique aufzusuchen.
Ben rekelte sich unter der leichten Baumwolldecke. Er hatte von smaragdgrünen Augen geträumt. Grün und funkelnd wie das Meer bei Cape Bridgewater, wo die Brandung tosend auf die Steilklippen traf. Von kastanienbraunem Haar, das in der Sonne wie üppiges Herbstlaub schimmerte. Von sanften Händen, die über seine Hau[a-zöäü]
tanzten …
Wohlig stöhnte er auf, weil sich schlanke Finger unter den Bund seiner Shorts schoben und zärtlich durch sein Haar strichen. Er schnappte nach Luft. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, als die Finger tiefer glitten, ihn umschlossen und mit sanftem, beharrlichem Auf und Ab neckten.
»Mhm«, murmelte er und gab sich ganz dem Gefühl der wachsenden Erregung hin. Er hob seine Hüften, drängte sich fester an die Hand, die ihn reizte und sein Blut zum Kochen brachte. Sie war wirklich außergewöhnlich, diese hübsche sexy …
»Gefällt es dir?« Fionas Stimme.
Er riss die Augen auf und starrte direkt in das Gesicht seiner Freundin über ihm. Seine Erregung verebbte wie eine Welle am Strand, die sich zurückzog.
»Hey, was ist los?« Erneut streichelte und massierte Fiona ihn, doch er packte ihr Handgelenk und hielt es fest.
»Hör auf.« Er musste sich räuspern. Seine Stimme war belegt und rau. »Bitte«, setzte er nach, als er einen Hauch von Überraschung in ihren hellen Augen aufblitzen sah.