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Einfach überirdisch sind die heißen Küsse des sexy NASA-Astronauten Ace. Sie bringen Molly genauso zum Fliegen wie damals! Doch sie spürt, obwohl ihm jetzt die Hälfte ihrer Ranch gehört, zieht es ihn zurück ins All. Werden sie beide wirklich nie gemeinsam nach den Sternen greifen?
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Seitenzahl: 182
IMPRESSUM
Weltraum, Sterne Leidenschaft erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2016 by Katherine Garbera Originaltitel: „No Limits“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY EXTRA HOT & SEXYBand 66 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Felix Mayer
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733739256
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Die Tür ging auf. Weil er noch ein Stück entfernt war und das Licht der untergehenden Sonne ihn blendete, konnte Ace McCoy die Gestalt, die auf der Veranda erschien, nicht erkennen. Aber etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass sie es war. Und wenn er eine Spielernatur gewesen wäre, hätte er eine Menge darauf verwettet, dass sie noch schöner war als mit sechzehn – als er sie verlassen hatte, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.
Langsam ging er auf das Haus zu. Ihr Vater hatte einmal gesagt, dass der einzige Weg nach vorne an der Angst vorbeiführte. Obwohl er nicht ernsthaft Angst vor Molly Tanner hatte, war sie doch die Frau, die ihn sein Leben lang nicht losgelassen hatte. Dass er sie jetzt nach dreizehn Jahren wiedersehen würde, verursachte ihm ein leichtes Unwohlsein in der Magengrube.
„Jason – ich meine Ace McCoy“, sagte sie, als hinterließe sein Spitzname einen fauligen Geschmack in ihrem Mund. „Hätte nicht gedacht, dass du je wieder einen Fuß auf diese Ranch setzt.“
Er hatte richtig vermutet. Sie war eine Frau geworden. Ihr Mund, der früher stets irgendwie zu groß gewesen war, wirkte jetzt voll und sinnlich. Ihre Augen unter den dichten Brauen waren noch immer tiefbraun wie Schokolade, und ihre Nase hätte man durchaus als süß bezeichnen können. Aber er kannte ihr Temperament und hätte sie niemals „süß“ genannt.
Ihre Brüste waren üppiger, als er es in Erinnerung hatte, ihre Taille schmaler und stärker ausgeprägt. Und ihre geschwungenen Hüften waren geradezu eine Aufforderung, sie zu umfassen und an sich zu ziehen. Er wusste noch genau, wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte und wie ihre Lippen geschmeckt hatten, auch wenn sie sich nur einmal heimlich geküsst hatten.
„Ich bin wegen deines Vaters zurückgekehrt“, sagte er, während er seinen Cowboyhut abnahm und auf die hölzerne Veranda trat, die an der Vorderseite des Hauses entlanglief. Links und rechts von der Treppe stand jeweils ein großer Tonkrug, und vier Schaukelstühle luden zum Verweilen ein. Aber für ihn war die Zeit der Entspannung noch nicht gekommen.
Vielleicht würde sie niemals kommen.
In Houston hatte er alles unter Kontrolle gehabt, sein Schicksal, sein Leben. Aber bei der ärztlichen Untersuchung nach dem letzten Einsatz war ein Problem mit der Knochendichte festgestellt worden, weshalb er auf unbestimmte Zeit keinen Flug mehr antreten durfte. Und sein Mentor, der auch so etwas wie ein Vater für ihn gewesen war, hatte ihm die Hälfte seiner Ranch vermacht. Die Rückkehr nach Cole’s Hill fühlte sich wie eine Reise in eine Vergangenheit an, die er lieber hinter sich gelassen hätte.
Der Junge, der er gewesen war. Die Probleme, die er nicht losgeworden war. Der heimliche Kuss, der ihn all das hier gekostet hatte, das einzige Zuhause, das er jemals gehabt hatte.
„Er ist tot.“
„Ich weiß. Ich …“
„Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen“, sagte sie. „Er hat immer gehofft, dass du zurückkommen würdest. Sieht so aus, als hätte er einen Weg gefunden, dich zurückzuholen.“
„Indem er gestorben ist? Das ist selbst für ihn extrem.“
„Ja“, sagte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie wandte sich ab und ließ den Kopf sinken. „Es kam so plötzlich.“
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, um ihr und vielleicht auch sich selbst Trost zu spenden. Mick war erst fünfundsechzig gewesen, und Ace war noch immer nicht über den Schock hinweg, dass sein Mentor bei einem Unfall mit einem Geländewagen ums Leben gekommen war.
Molly wischte sich die Tränen aus den Augen und trat einen Schritt zurück. Ihre Stimme stockte, als sie etwas sagen wollte. Also räusperte sie sich und fing noch einmal an. „Er hat dich in seinem Testament bedacht.“
„Das hat mich überrascht. Wir hatten unseren Frieden miteinander gemacht. Aber sein Testament hat mich trotzdem völlig unvorbereitet getroffen.“
„Mich auch. Und ich kann immer noch nicht fassen, dass er nicht mehr da ist.“
„Ich wäre natürlich zur Beerdigung gekommen, aber zu der Zeit war ich auf der Raumstation.“ Ace war Kommandant bei der NASA. Sein Ziel war, einer der ersten Astronauten zu sein, die zu den Langzeitmissionen aufbrachen, mit denen Raumflüge zum Mars vorbereitet wurden. Nach dem letzten Einsatz hatte er sich in Houston einer intensiven Rehabilitation unterzogen, um wieder zu Kräften zu kommen und Muskelmasse aufzubauen, die man als Astronaut bei Aufenthalten in der Schwerelosigkeit verlor. Weil er eine Zeit lang noch Probleme beim Gehen gehabt hatte und nicht Auto fahren konnte, kam er erst jetzt auf die Ranch.
„Das weiß ich“, sagte Molly. „Dad war stolz auf dich … und auf das, was du erreicht hast. Aber jetzt komm rein.“
„Sicher?“
In diesem Moment hätte er lieber bei einem Raketenstart gegen die Gravitationskraft und die Übelkeit angekämpft, als hier vor Mollys Tür zu stehen. Es war ihm immer lieber gewesen, die Erde von oben zu betrachten, als auf dem Erdboden zu sein. Das war nichts Neues.
„Natürlich. Die Ranch gehört auch dir“, sagte Molly. Als sie sich umdrehte und ins Haus zurückging, hinterließ sie einen leichten Erdbeerduft und ein ausgeprägtes Gefühl des Bedauerns, das in der Luft fast spürbar war. Aber das Bedauern konnte auch aus ihm selbst kommen.
Er blieb noch ein paar Minuten stehen, betrachtete den hölzernen Türrahmen und dachte daran zurück, wie er als vierzehnjähriger Junge auf die Ranch gekommen war. Er war missmutig und hochnäsig gewesen, mit einem blauen Auge und einer aufgesprungenen Lippe. Molly hatte ihn auch damals begrüßt. Sie hatte mit ihren langen kastanienbraunen Zöpfen dagestanden und ihn angesehen. Er hatte irgendeine neunmalkluge Bemerkung gemacht, und Molly hatte ihn zurechtgewiesen und auf dem Absatz kehrt gemacht.
Seit diesem Augenblick war sie ihm nicht mehr aus dem Sinn gegangen, auch nicht, als er die Ranch verlassen hatte, zum Militär gegangen und Astronaut geworden war. Nur ein Mann, der zu den Sternen unterwegs war, würde Molly für sich gewinnen können. Jetzt wollte er ihr beweisen, dass er mehr war als der jugendliche Straftäter, als den sie ihn vor so vielen Jahren kennengelernt hatte. Der junge Mann, der nicht gut genug gewesen war, um sie zu küssen oder zu berühren.
„Kommst du jetzt oder nicht, Space Cowboy?“
Er schüttelte den Mantel der Vergangenheit ab, öffnete die Fliegengittertür und folgte Molly. Die Tür fiel zu, und das Geräusch seiner Stiefel hallte durch den Flur, während er in die Küche ging. Vor einem gerahmten Foto, das an der Wand hing, blieb er stehen. Es zeigte ihn in Uniform, und neben ihm Mick, dem man seinen Stolz deutlich ansehen konnte.
Ja, das Bedauern, das er vorhin gespürt hatte, kam tief aus seinem Inneren.
Er hätte schon vor Jahren zurückkommen sollen, als Mick ihn darum gebeten hatte. Aber er hatte Angst gehabt, Molly wieder zu begegnen. Angst davor, dass er sich nach mehr sehnen könnte als nur nach einem Kuss. Er hatte gewusst, dass es kein Zurück geben würde, wenn es einmal so weit käme. Dabei hatte er schon als Jugendlicher gewusst, dass seine Zukunft nicht auf dieser Ranch lag.
Die NASA hatte ihm nicht nur eine Karriere gegeben, sondern ein ganzes Leben, auf das er stolz war und das er liebte, und er wollte nicht Gefahr laufen, durch Gefühle oder Hoffnungen an den Erdboden gebunden zu sein.
Wenn er nicht im Weltraum war, wusste Ace nicht so recht, wer er eigentlich war. Angesichts der dreimonatigen Zwangspause, die jetzt vor ihm lag, empfand er diese Unsicherheit so stark wie noch nie. Sein Kommandant hatte ihm vor der nächsten ärztlichen Untersuchung eine Pause verordnet, und außerdem musste er ohnehin Urlaub nehmen. Um seine Knochendichte wieder zu erhöhen, absolvierte er ein striktes Trainingsprogramm. Aufenthalte im Weltraum wirkten sich nachteilig auf den menschlichen Körper aus, und die Ärzte verfolgten seine Genesung minutiös, um sicherzustellen, dass andere Astronauten, die auf Langzeitmissionen geschickt wurden, keine bleibenden Schäden davontrugen.
„Jason?“, fragte Molly.
Es war seltsam, wenn sie ihn so nannte. Er wusste nicht mehr, wer Jason war. Der verwirrte jugendliche Straftäter, der er gewesen war, bevor er zum Militär und zur NASA gegangen war? Der Junge, der von seiner Mutter verlassen worden war und sich allein hatte durchschlagen müssen? „Nenn mich Ace.“
Molly verdrehte die Augen. „Ich versuch’s, aber für mich bist du immer Jason geblieben. Und ich hatte dich irgendwie schneller in Erinnerung.“
„Vielleicht weißt du einfach noch nicht alles über mich.“
„Oh ja, das ist ganz bestimmt so.“
„Bist du wegen irgendetwas sauer auf mich?“, fragte er, als er ihr durch den Flur in die hell erleuchtete Küche folgte.
„Weshalb sollte ich denn sauer sein?“, fragte sie. „Wir haben uns nicht mehr gesehen, seit ich sechzehn war.“
„Vielleicht gerade deshalb.“
Molly antwortete nicht, sondern streckte sich, um das Schränkchen über der Spüle zu öffnen. Dabei rutschte ihre Bluse nach oben und gab den Blick auf ihren unteren Rücken und das kleine himbeerförmige Muttermal frei. Sie fluchte, stützte sich auf der Arbeitsplatte ab und griff nach der Whiskeyflasche, konnte sie jedoch nicht erreichen.
Ace trat hinter sie und legte ihr die Hand auf den Rücken. Er konnte nicht widerstehen und strich über das Muttermal, während er über ihrem Kopf die Flasche aus dem Schränkchen holte.
Mit einem Laut der Überraschung drehte Molly sich um.
Er sah sie an, blickte in ihre großen schokoladenbraunen Augen und wusste, dass all die Jahre und die Entfernungen, die zwischen ihnen gelegen hatten, jetzt bedeutungslos waren. Er wollte Molly noch immer so sehr wie damals. Er stellte die Flasche ab.
Sie senkte den Blick und schloss die Augen. Eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Sanft strich er sie hinter das Ohr zurück. Eine Hand auf ihrem Rücken und die andere auf ihrer Wange, beugte er sich zu ihr hinab und spürte ihren nach Minze duftenden Atem auf seinen Lippen.
Ihre Lippen berührten sich flüchtig, dann schlug Molly die Augen auf.
„Sieh mal einer an! Hätte nicht gedacht, dass du bei deiner Rückkehr so einen Auftritt hinlegst, Ace“, ertönte eine Stimme hinter ihnen.
Er trat einen Schritt zurück, die Hand weiter auf Mollys Rücken, und drehte sich zu Rina Holmes um, der Haushälterin der Bar T Ranch.
„Tut mir leid, dass ich störe. Ich wusste nicht, dass ihr schon mit der Wiedersehensfeier angefangen habt“, sagte Rina.
„Das ist keine Wiedersehensfeier. Jas… Ich meine, Ace hat mir nur geholfen, Dads Whiskey zu holen. Wir wollen auf ihn anstoßen. Du kommst genau richtig“, entgegnete Molly und stopfte ihre Bluse wieder in die Hose.
„Das sah mir aber nach was ganz anderem aus.“
Rina war über fünfzig, wirkte aber weitaus jünger. Ihr offenes rotblondes Haar fiel ihr über die Schultern, ihr Lächeln war offenherzig, und sie war von eher rundlicher Figur. Sie war schon auf der Ranch gewesen, als Molly auf die Welt gekommen war. Sie begrüßte Jason mit einer kräftigen, herzlichen Umarmung.
„Du hast uns gefehlt, Ace.“
„Tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte“, sagte er. Über Rinas Schulter hinweg sah er, wie Mollys Hand beim Einschenken des Whiskeys leicht zitterte.
„Mick und ich waren so stolz auf das, was du bei der NASA erreicht hast. Damit hast du uns wirklich überrascht, mein Junge“, sagte Rina. „Wir hätten nie gedacht, dass aus dem aufrührerischen Bengel mal ein Nationalheld wird.“
„Dad hat immer an ihn geglaubt“, warf Molly ein. „Er war sicher, dass Ace es einmal richtig weit bringen würde.“
Rina drehte sich um und nahm sich eines der Gläser.
„Auf Mick“, sagte sie und hob ihr Glas.
„Auf Mick“, wiederholte Ace.
„Auf Dad“, sagte Molly und nahm einen großen Schluck. Ace konnte den Blick nicht von ihren Lippen wenden. Er wollte den Kuss, den sie kaum begonnen hatten, zu Ende bringen. Und er wollte noch viel mehr. Und er hatte sich noch immer geholt, was er wollte.
Immer, wenn Rina nicht hinsah, blickte Molly ihn durchdringend an, doch nachdem sie ein paar Gläser getrunken und sich Anekdoten aus Micks Leben erzählt hatten, ließ die Spannung ein wenig nach. Für einen Moment sah Ace eine andere Zukunft vor sich. Eine Zukunft, die nicht irgendwo zwischen den Sternen lag, sondern hier auf der Erde. Diese Vorstellung beunruhigte ihn. Denn nun schien eine solche Zukunft greifbarer als je zuvor.
Molly konnte nicht schlafen, und sie wusste auch, wo der Schuldige zu finden war. Ein Stück weiter den Flur hinab, in dem Zimmer, in dem er auch als Jugendlicher gewohnt hatte. Beim Abendessen mit Jeb, dem Vorarbeiter, und den andern Arbeitern der Ranch hatte Jason sich offensichtlich unwohl gefühlt. Er hatte alle Fragen nach seinem Astronautendasein beantwortet, aber nachdem die anderen sich verabschiedet hatten, wirkte er verloren und ratlos.
Jason „Ace“ McCoy.
Molly hätte sich gefreut, wenn er in den Jahren, in denen sie ihn nicht gesehen hatte, etwas weichherziger geworden wäre. Wenn er ein wenig lichteres Haar oder einen kleinen Bauch bekommen hätte. Aber sie wusste, dass das absurd war. Für Spezialmissionen wählte die NASA keine Männer aus, die sich selbst nicht im Griff hatten. Sie hatte Jason im Auge behalten, auch wenn sie nicht wie ihr Vater jeden Artikel über den Starastronauten Ace McCoy gelesen hatte.
Manchmal fragte Molly sich, ob ihr Vater etwas von ihrer Leidenschaft für Jason geahnt hatte. Vermutlich schon. Während des letzten Sommers, den Jason auf der Bar T Ranch verbracht hatte, hatte sie sich nicht gerade zurückgehalten.
Mit sechzehn war sie zu jung gewesen, um die starke erotische Ausstrahlung zu erfassen, die so sehr Teil seines Wesens war, doch jetzt, mit neunundzwanzig, spürte sie sie umso deutlicher. Damals hatte nur Jasons Angst zwischen ihnen gestanden, dass ihr Vater gegen eine Verbindung zwischen ihnen sein könnte. Und sie selbst war zu unsicher gewesen, um sich im Klaren darüber zu sein, was sie wollte.
Sie stand auf und zog den Morgenmantel ihres Vaters an. Der Flanell roch noch immer nach seinem Rasierwasser. Den Mantel zu tragen war fast so, als würde ihr Dad sie umarmen. Eine Weile stand sie mit verschlungenen Armen da, dann band sie den Gürtel zu und trat auf den Gang.
Die Tür quietschte in den Angeln, als sie sie hinter sich schloss. Die Ranch brauchte wirklich dringend eine Finanzspritze. Alles war alt und abgewirtschaftet.
Sie selbst etwa auch?
Um Gottes willen.
Sie hoffte, dass dem nicht so war, aber jetzt, wo Jason wieder zurück war und sie den Verlust ihres Vaters noch immer so schmerzlich spürte, wurde ihr alles zu viel. Sie war niedergeschlagen, aufgewühlt, verärgert.
Die Nacht war warm und das Licht des Vollmonds schien herein. Der Flur im ersten Stock, an dem die Schlafzimmer lagen, hatte Fenster, die von der Decke bis zum Boden reichten und den Blick freigaben auf die Hunderte Hektar Weideland, die sich Mollys Vorfahren einst gesichert hatten. Jede Generation hatte der Ranch ihren eigenen Stempel aufgedrückt, und so war aus dem traditionellen großen Farmgebäude ein ganz besonderes Haus mit modernen Zügen geworden. Einen Moment lang sah Molly hinaus auf das Land. Sie liebte Texas. Und dieses Land war ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Sie würde alles Nötige tun, um die in finanzielle Schwierigkeiten geratene Ranch zu behalten, auch wenn sie dafür ihren Stolz hinunterschlucken und sich mit Jason arrangieren musste.
Sie wollte ihn zur Rede stellen. Das wollte sie seit dem Moment, in dem sie ihn wiedergesehen hatte. Die ersten fünf Jahre, nachdem er weggegangen war, hatte sie ihm jedes Jahr zum Geburtstag geschrieben, aber er hatte nie darauf reagiert. Sie war mehr als nur ein bisschen sauer. Sich auf diese Verärgerung zu stützen, war im Moment der sicherste Weg.
Der Tod ihres Vaters war noch immer ein großer Schock für sie, und sie wusste, dass ein Teil ihrer Wut daher rührte, dass sie zu seinen Lebzeiten nur wenige wirklich wertvolle Stunden mit ihm verbracht hatte. Sie hatten zusammengearbeitet, mit Jeb und den anderen Rancharbeitern gemeinsam gegessen oder schweigend beieinandergesessen, aber sie hatte ihren Vater nie wirklich kennengelernt. Sie hatte immer geglaubt, ihr blieben noch Jahrzehnte, um seine Geschichten zu hören und ihm Fragen zu stellen.
Die Tür zu Jasons Zimmer war geschlossen.
Sie rief sich in Erinnerung, dass er nicht mehr der Junge war, den sie so gut gekannt hatte … gut, aber nicht gut genug.
Der viel zu kurze Kuss in der Küche hatte sie auf den Geschmack gebracht und ein Verlangen in ihr geweckt, das nie wirklich erloschen war. Jason würde die Ranch schon bald wieder verlassen. Wahrscheinlich wäre ihr das ganz recht. Ihr fiel es schwer, die Macht zu teilen, und der Gedanke, Entscheidungen bezüglich der Ranch mit ihm gemeinsam treffen zu müssen, machte sie nervös.
„Molly?“
Sie sah auf. Jason stand in der Tür zu seinem Zimmer. Kein Hemd bedeckte seine muskulöse Brust, er trug nur eine tief sitzende Jeans, die seine Hüftknochen betonte. Sein Haar war zerzaust, als wäre er ein paar Mal mit den Fingern hindurchgefahren. Bei dem Gedanken daran, ihn zu berühren, überlief sie ein wohliger Schauer.
„Ich bin sauer auf dich“, sagte sie nach einer Weile.
Er rieb sich über die Brust, über den dünnen Haarflaum und die Narbe, die er sich zugezogen hatte, als er aus dem Fenster klettern wollte, kurz nachdem er damals auf die Ranch gekommen war. Die Bar T Ranch hatte ihre Spuren bei Jason hinterlassen, ebenso wie bei Molly.
„Ich bin damals gegangen, um die Beziehung zwischen dir und deinem Dad nicht zu stören“, sagte er.
„Das ist doch Unsinn, das weißt du ganz genau. Du bist gegangen, weil du Angst hattest.“
„Angst?“
„Ja. Vor mir. Davor, dich an diese Ranch zu binden und niemals die Welt jenseits ihrer Zäune zu sehen.“
Er machte einen Schritt auf sie zu. Molly schauderte. Jason war so männlich und zugleich so anmutig. Er bewegte sich, als gehöre ihm die Welt, und vielleicht stimmte das ja auch – immerhin hatte er sie vom Weltall aus gesehen.
Molly wollte die Beherrschung nicht verlieren. Aber trotzdem fragte sie sich, ob sie nicht, wenn sie sich jetzt ihren Gefühlen hingeben würde, die Antwort auf die Frage finden würde, die dreizehn lang Jahre an ihr genagt hatte. War Jason der Mann, von dem sie immer geträumt hatte? Die sechzehnjährige Molly hatte da keine Zweifel gehabt. Die neunundzwanzigjährige Molly dagegen war schon von Männern enttäuscht worden. Aber jetzt wollte sie Jason.
Sie hatte ihn immer gewollt.
„Also dann …“
„Du bist nicht viel gesprächiger als früher“, sagte sie und trat dicht an ihn heran. Denk nicht nach. Tu’s einfach.
Das war der Punkt. Denk nicht nach. Sie hatte viel zu viel nachgedacht, seit ihr Vater gestorben war und sie in seinem Testament zum ersten Mal Jasons Namen gelesen hatte. Sie hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, warum ihr Vater, den sie doch so gut zu kennen geglaubt hatte, nicht nur sie, sondern auch Jason bedacht hatte. Hatte er geglaubt, sie bräuchte die Hilfe eines Mannes?
Stopp.
Denk nicht nach.
Tu’s einfach.
Sie legte ihm die Hände auf die Schultern. Er fühlte sich warm und kräftig an, und er roch betörend. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen.
Er zog die Augenbrauen hoch, bewegte sich aber nicht. Dies war der Moment der Entscheidung. Würde sie jetzt den Mut haben oder wie vorhin in der Küche zurückschrecken?
Jason beugte sich zu ihr herab. Sein Mund, der immer so hart und verschlossen gewirkt hatte, war überraschend weich. Langsam fing er an, sie zu küssen, als hätte er alle Zeit der Welt.
Sie hatten diese Nacht.
In diesem leeren Haus, durch dessen Fenster das Mondlicht fiel, schien alles unkompliziert zu sein. Sie hielt ihn weiter an den Schultern fest, als er seine Lippen öffnete und mit der Zunge in ihren Mund drang.
Er schmeckte nach Whiskey und nach Verführung. Zwei Dinge, denen sie jetzt hätte entsagen sollen. Doch sie konnte es nicht.
Sie war es leid, sich selbst anzulügen. Jason McCoy. Sie wollte ihn und hatte ihn immer gewollt, schon seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Und jetzt endlich, so schien es, konnte sie ihn sich holen.
Er legte die Hände auf ihre Hüften und zog sie dichter zu sich heran. Durch das seidene Nachthemd, das sie unter dem Morgenmantel trug, spürte sie die durchdringende Hitze seiner Umarmung. Als er mit der Zunge weiter in ihren Mund vordrang, loderte ein Feuer in ihrem Inneren auf und breitete sich in alle Richtungen aus.
Sie lehnte sich zurück und sah ihm in die Augen. Sein Blick schien bis in ihr Innerstes vorzudringen.
Molly sah in Jasons Augen, die so blau waren wie der Morgenhimmel, und versuchte, sich nicht darin zu verlieren.
„Warum bist du wirklich hier?“, fragte sie. Ihre Stimme war belegt und klang flehend. Zu weiblich. Sie hätte sich einreden können, dass Jason sie kalt ließ. Aber das wäre gelogen gewesen. Ihr Vater hatte nie gelogen, und sie würde es genauso halten.