Wenn Gott einen Mann ohne Arme und Beine gebrauchen kann, dann kann er jeden gebrauchen - Nick Vujicic - E-Book

Wenn Gott einen Mann ohne Arme und Beine gebrauchen kann, dann kann er jeden gebrauchen E-Book

Nick Vujicic

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Beschreibung

Nick Vujicic hilft zu echtem Selbstvertrauen. Er betont: Gott liebt dich und braucht dich! Egal mit welchen Grenzen oder Handicaps du lebst. Es gilt: Jedem Menschen will Gott seine Gnade schenken, in jedem Menschen das Feuer der Liebe entzünden. Gottes Liebe brennt – lass sie neu in dir entfachen! Und wenn sie dich wärmt, dir Licht gibt … dann trag sie weiter in die Welt! Dafür steht der weltbekannte Motivator ohne Arme und Beine: für ein befreites, frohes Leben mit echtem Sinn. Wie ein persönlicher Mentor schreibt Nick in seinem neuen Buch mit einem Feuer, das Feuer entfacht: für junge Leute und für alle, die die Flamme der Liebe Gottes erleben wollen – und bereit sind, sie auch bei anderen zu entfachen. Authentisch und ehrlich. Ein Buch, das falschen Selbstzweifeln ein Ende macht!

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NICK VUJICIC

Wenn

GOTT

einen Mann

OHNE ARMEUND BEINE

gebrauchenkann …

dann kann er

JEDEN

gebrauchen

Mehr von und über Nick Vujicic im BRUNNEN Verlag:

Mein Leben ohne Limits. Die Biografie (auch als Hörbuch erhätlich)Nick – alles außer gewöhnlich (von seinem Vater Boris Vujicic)Liebe ohne Limits (gemeinsam mit seiner Frau Kanae Vujicic)Sei stark! Selbstbewusst gegen Mobbing,Ausgrenzung und was dich sonst runterziehtFreihändig Warum mich und dich so schnell nichts aufhältDein Leben ohne Limits. 50 Powerstarts für den TagPersonal Trainer für ein unverschämt gutes Leben

Das Original dieses Buches erschien im Jahr 2018 unter dem Titel„Be The Hands and Feet. Living Out God’s Love for All His Children“in den Vereinigten Staaten bei WaterBrook,Imprint der Crown Publishing Group/Random House LLC, New York,a Penguin Random House Company.© Nicholas James Vujicic 2018

Alle Bibelzitate mit freundlicher Genehmigung entnommen derLutherbibel revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

© der deutschsprachigen AusgabeBrunnen Verlag GmbH, Gießen 2019www.brunnen-verlag.deLektorat: Petra Hahn-LütjenUmschlagfoto: Mike VillaUmschlaggstaltung: Jonathan MaulSatz: DTP BrunnenHerstellung: GGP Media GmbH, PößneckISBN 978-3-7655-0606-2ISBN E-Book 978-3-7655-7528-0

FÜR MEINEN VATER BORIS VUJICIC,DER AM 14. MAI 2017 ZU GOTT HEIMKEHRTE.

Doch ich habe den guten Kampf des Glaubens gekämpft;jetzt ist das Ziel erreicht, und ich bin Gott treu geblieben.

2. Timotheus 4,7

Wenn Gott einen Mann ohne Arme und Beineals seine Hände und Füße gebrauchen kann,dann kann er jeden gebrauchen!

Nick Vujicic

Inhalt

Evi Rodemann und Werner Nachtigal Fasziniert! Motiviert!

Nick Vujicic Warum ich dieses Buch geschrieben habe

Teil I Lass dein Licht leuchten

Kapitel 1 Zum Dienst berufen

Kapitel 2 Fragen kostet nichts

Kapitel 3 Leben, was man glaubt

Kapitel 4 Köstliche Ernte

Kapitel 5 Über den Tellerrand

Teil IIBau dir ein Team

Kapitel 6 Mentoren, das vergessene Juwel

Kapitel 7 Ein vollkommen unvollkommenes Vorbild

Kapitel 8 Verbündete im Dienst

Kapitel 9 Gottes großes Zelt

Kapitel 10 Abenteuer Glauben

Teil IIIKomm gut ins Ziel

Kapitel 11 Mein Vater, das Vorbild

Kapitel 12 Egal, was kommt

News & Updates von Nick

Quellenangaben

Evi Rodemann und Werner Nachtigal

Fasziniert! Motiviert!

Fasziniert!

Seit vielen Jahren kenne ich Nick Vujicic, und ich bin fasziniert – fasziniert davon, wie Gott ihn gebraucht.

Selten habe ich jemanden getroffen wie ihn, der so voller Hoffnung und Perspektive ist. Nick ist einer der bekanntesten Speaker der Welt … und das, obwohl er weder Arme noch Beine hat!

Immer wieder haben Menschen, an die fast keiner geglaubt hätte, Gottes außergewöhnliche Geschichte geschrieben. Nick ist einer von ihnen – und auch du kannst einer von ihnen sein!

Werner Nachtigal, International President Global Outreach Day

Motiviert!

Was für eine unglaubliche Lebensgeschichte Gott mit Nick schreibt! Seit Jahren lebe ich mit seiner Geschichte mit und freue mich wahnsinnig, wie er sein Leben gestaltet und sich von Gott gebrauchen lässt. Auch in Deutschland und Europa!

Nick hätte akzeptable Gründe, den Kopf hängen zu lassen, doch er steht immer wieder auf – so gut es ihm möglich ist. Mit Gott an seiner Seite!

Wenn Nick Gott machen lässt und Gott wirkt durch ihn – und ihm fehlen alle Gliedmaßen –, wie sehr kann Gott doch auch jeden von uns gebrauchen … dem vielleicht nicht immer äußerlich etwas fehlt, aber der vielleicht innere schwere Lebensstürme und Krisen durchlebt, mit eigenen Schwächen konfrontiert ist, Halt verloren hat, droht aufzugeben.

Nick fordert uns genau dann auf, aufzustehen, weiterzulaufen und die Welt zu verändern.

Mir macht dieses Buch viel Mut, mich erneut und immer wieder nach Gott auszustrecken, in meiner Berufung zu leben und gemeinsam Gottes Reich zu bauen. Mit Nick und vielen anderen Menschen, die sich schlicht und einfach zur Verfügung stellen, ohne Wenn und Aber.

PS: Gott kann – mit jedem – die Welt ein Stück weit verändern. Wenn Gott Nick dabei so großartig gebraucht, warum nicht dann auch dich?!

PPS: Ein tolles Buch – ein großartiger Sprachstil. So schön authentisch, ehrlich und jugendgemäß!

Evi Rodemann, weltweit mit der Lausanner Bewegung unterwegs als Mentorin und Motivatorin für die junge Generation

Nick Vujicic

Warum ich dieses Buchgeschrieben habe

Christus hat keinen Leib als euren,keine Hände, keine Füße als eure,durch eure Augen sieht sein Erbarmen die Welt.Eure Füße sind es, mit denen er umhergeht, um Gutes zu tun,eure Hände sind es, mit denen er die Welt segnet.

Teresa von Ávila zugeschrieben

Vielleicht hast du dieses Buch in die Hand genommen und dich gefragt: Wie soll ein Typ ohne Arme und Beine Jesu Hände und Füße auf Erden sein?

Zugegeben, eine berechtigte Frage. Das habe ich als Jugendlicher wirklich oft gedacht. Was will Gott mit so jemandem wie mir anfangen?

Das Zitat von Teresa von Ávila hat ziemlich großen Eindruck auf mich gemacht, wie du dir vorstellen kannst. Ihre Worte waren ein wichtiges Puzzleteil für meinen Weg als Redner und Gottes Sprachrohr. Ich kann nicht alles, aber ich tue, was ich kann, um Gottes Haus wieder vollzukriegen. Denn das ist unsere Aufgabe als Christen.

Willst du sehen, wer jemand wirklich ist, sieh dir seinen Alltag an. Wer andere Menschen beeinflussen will, muss seine Prinzipien und Ideale nicht nur verteidigen, sondern auch leben. Das gilt insbesondere für Christen. Unseren Glauben weiterzugeben heißt vor allem, sich selbst danach zu richten, auch wenn wir unter Druck stehen, wenn uns Herausforderungen zu schaffen machen oder einem das Leben wie eine einzige Sackgasse vorkommt.

Die Menschen um uns herum bekommen mit, wie wir auf die Krisen des Lebens reagieren. Sie sehen, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Und sie machen ihr Urteil über unsere Authentizität davon abhängig, ob wir leben, was wir predigen, auch in harten Zeiten.

Weisheit ist zu wissen, wann man reagieren und wann man einfach die Ruhe bewahren sollte. Es geht nicht darum, sich nichts anmerken zu lassen oder ein künstliches Lächeln aufzusetzen. Es geht darum, aus der Tiefe Kraft zu schöpfen, damit man nicht verzweifelt, sondern einen Fuß vor den anderen setzen kann.

Ich habe schon an vielen Stellen darüber gesprochen oder geschrieben, was mir meine fehlenden Gliedmaßen für Schwierigkeiten im Leben beschert haben. Dabei spare ich meine Glaubenskrise als Kind nicht aus, meine Verzweiflung und Hilflosigkeit, die letzten Endes zu einem Selbstmordversuch führten, bevor ich irgendwann begriff, dass ich kein Fehler Gottes bin, sondern dass Gott auch für sein „vollkommen unvollkommenes Kind“ etwas Gutes im Sinn und ein gutes Leben bereit hat.

Meine Lebensgeschichte kann man in meinen ersten Büchern nachlesen, in dem Buch meines Vaters darüber, wie man ein Kind wie mich großzieht, und in vielen meiner Videos und Reden mehr erfahren. In diesem Buch möchte ich einige Ereignisse der jüngsten Zeit aufgreifen – zu denen auch einige nicht so schöne Erlebnisse gehören –, aber vor allem geht es um mein Lebenswerk, nämlich wie ich meine Berufung als Jesu Hände und Füße fand.

Ich werde erzählen, warum mich gerade Schwierigkeiten darin bestärken und wie du und ich noch mehr Menschen mit Gottes Liebe erreichen können.

Eigentlich wollte ich dieses Buch Abenteuer eines Evangelisten nennen, aber leider hat das Wort evangelisieren in einigen Teilen der Welt einen negativen Beigeschmack. Und ich kann verstehen, wieso.

Viel zu oft werden Menschen von übereifrigen Christen verprellt, die vielleicht die besten Absichten haben, aber keine gute Art, mit anderen umzugehen. Sie kommen als aggressiv und aufdringlich herüber und man hat das Gefühl, es gehe ihnen mehr um ihre eigene Agenda als darum, ihrem Gegenüber einfach mal zuzuhören.

Ich glaube, dass wir Christen durchaus die Verantwortung haben, von unserem Glauben zu erzählen und andere Menschen mit Gott bekannt zu machen. Als seine Nachfolger sind wir nicht umsonst „Menschenfischer“. Wir sind nicht bloß Passagiere. Wir müssen unsere Netze auswerfen, denn die Ozeane sind voll von Menschen, die Gottes erlösende Liebe dringend brauchen. Ich hoffe, dass dieses Buch dir helfen kann, deinen eigenen Weg dafür zu finden.

Viele Leute beten um eine Erweckung, noch so ein Wort, das vor allem in den USA und in der westlichen Welt übermäßig gebraucht wurde. Wie soll diese Erweckung denn aussehen? Ich möchte einfach nur meinen Teil dazu beitragen, dass das Evangelium verkündigt wird und Menschen Jesus kennenlernen, eine Beziehung zu ihm aufbauen und sich von ihm Tag für Tag verändern lassen.

Überall warten Leute auf eine große Bewegung, obwohl das, was Gott uns eigentlich aufgetragen hat – anderen von ihm zu erzählen –, oft gar nicht stattfindet. Wir fragen: „Gott, wo bleibt die Bewegung?“ Und Gott sagt: „Beweg du dich, dann bewege ich Dinge durch dich.“

TEIL I

LASS DEIN LICHT LEUCHTEN

Kapitel 1

Zum Dienst berufen

Dass ausgerechnet ich Gottes Hände und Füße auf dieser Erde sein sollte, damit hatte ich früher nie und nimmer gerechnet. Obwohl ich in einem gläubigen Elternhaus aufwuchs und mein Vater sogar Laienprediger war, gehörte ich als Teenager eher zu denen, die in der Schule einen großen Bogen um diese „Christen“ machten. Ich wollte cool sein und anderen von Gott zu erzählen – das war alles andere als das.

Ich musste erst lernen, mich selbst und meine Glaubensüberzeugungen anzunehmen, bevor ich mit gutem Gefühl meinen Glauben mit anderen teilen konnte. Nachdem ich Jesus als meinen Erlöser angenommen hatte, war ich noch lange nicht so weit. Ich wollte ja eigentlich Profifußballer werden, aber weil ich so stark tiefergelegt bin, hatten die Ligaverantwortlichen Sorge, dass mich niemand aufhalten kann. Also musste ich einen anderen Beruf ergreifen, um meine Gegner nicht zu übervorteilen.

Als Manchester United also für mich gestorben war, wusste ich erst nicht, was ich nach der Schule mit meinem Leben anfangen sollte. Mein Vater meinte, ich hätte gute Chancen als Buchhalter, und weil mir nichts anderes einfiel, schlug ich diesen Weg ein.

Dass gerade der Glaube Kern meines Berufslebens werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Glaube war etwas ganz Persönliches und Intimes für mich. Als Familie gingen wir in die Apostolic Christian Church of the Nazarene in Keilor Downs im australischen Bundesstaat Victoria. In meinen Erinnerungen sehe ich noch, wie meine Eltern, mein Bruder, meine Schwester und meine ganzen Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen dort zusammentrafen. Gottesdienst hatte etwas sehr Geselliges für mich.

Mein Vater sang Tenor im Kirchenchor, Onkel Ivan Bass. Als Gründer und Laienpastoren saßen sie vorn beim Rest des Chors. Ich als inoffizieller Schlagzeuger gesellte mich zu ihnen. Mit meinem Füßchen klopfte ich den Rhythmus auf einem Gesangbuch als Trommelbehelf. Später bekam ich einen Drumcomputer und schließlich ein Keyboard, das ich mit dem Fuß spielen konnte. Musik machte mir riesigen Spaß und war mit das Schönste am Gottesdienst. Für mich als Kind verband ich Gott mit allem, was mir gut gefiel.

Wenn mein Vater über Gott sprach, dann nicht abstrakt, sondern ganz persönlich. Das nahm ich mir zum Vorbild. Ich redete ständig mit Gott. Er war für mich ganz real, wie ein Familienmitglied oder ein guter Freund. Ich hatte das Gefühl, dass er mich besser kannte als jeder andere. Mit allem konnte ich zu ihm kommen. Er war immer für mich da. Ich sah ihn nicht als Vaterfigur oder als Rachefürst; für mich war er eher ein Mentor und ein alter, weiser Freund.

Ich betete jeden Abend, aber als religiös hätte ich mich nicht bezeichnet. Pastor wollte ich jedenfalls nicht werden. Unsere Familie war eben gläubig. Für mich war Christ sein so ähnlich wie Serbe sein oder Australier. Daran fand ich nichts Besonderes, und ich sah mich vor allem nicht heiliger als andere.

Jahrelang fühlte ich mich schuldig, weil ich wenig „christliche“ Gedanken hatte. Ich erinnere mich da an Victor und Elsie Schlatter, Freunde meiner Eltern, die einen Diavortrag über ihre Arbeit als Missionare in der Wildnis Neuguineas hielten. Sie hatten die Bibel ins Pidgin-Englisch übersetzt und Hunderte Einheimische hatten sich zu Gott bekehrt. Es war für mich schwer zu glauben, dass es Menschen gab, die noch nie von Gott gehört hatten. Ich hatte immer gedacht, er wäre weltweit bekannt. Victors und Elsies Einsatz faszinierte mich. Aber ich muss zugeben, dass mich am meisten die Bilder der nackten Frauen unter den Ureinwohnern beeindruckten. Das war vermutlich nicht im Sinne unserer Bekannten, aber nun ja, ich war nun mal ein ganz normaler Junge. Ich war schon immer recht leicht abzulenken. Zum Beispiel von Miss Isabell, unserer Betreuerin in der Sonntagsschule. Sie hatte kurze blonde Haare, blaue Augen und ein süßes Lächeln. Ich fand sie damals sehr hübsch. Heimlich war ich sogar verknallt in sie.

Ich war kein Heiliger – ganz bestimmt nicht. Wiederholt kaute ich unerlaubterweise Kaugummi im Gottesdienst, und eines Sonntagmorgens verschluckte ich mich kurz vor Gottesdienstbeginn an einem Bonbon. Da wir ganz vorn saßen, konnte die ganze Gemeinde schön beobachten, wie mein Vater mich packte, auf den Kopf stellte und mir auf den Rücken schlug, damit das Bonbon wieder herauskam!

Auf der Suche nach Antworten

Das war nicht das letzte Mal, dass ich in der Kirche gerettet wurde. Normalerweise klopften die ungeduldigen Kinder mit den Füßen auf der Betbank oder trommelten mit den Fingern auf der Lehne. Wenn ich hibbelig wurde, fuhr ich mit meinem kleinen Rollstuhl in die letzte Reihe und rieb meinen Kopf an der Backsteinwand. Verrückt, oder? Jedenfalls war ich eine ganze Zeit lang der Jüngste in der Gemeinde mit einer kahlen Stelle am Kopf.

Ich war nicht nur albern, sondern manchmal auch schwer von Kapee. Als eines Tages ein Junge aus Südamerika in meiner ersten Klasse auftauchte, der Jesus hieß, war ich ziemlich verwirrt.

„Wieso heißt du denn Jesus?“, fragte ich ihn. Sollte nicht das Ende der Welt kommen, wenn Jesus, der Messias, wiederkam?

Ich war ziemlich irritiert, schließlich hatten wir im Kindergottesdienst gelernt, dass am Ende der Zeit der Teufel auftreten und sich als Jesus ausgeben würde. Ich hielt ständig die Augen nach Betrügern offen. Mein armer Klassenkamerad Jesus verstand nicht, wieso ich ihm andauernd wegen seines Namens auf den Zahn fühlte.

Was ich im Kindergottesdienst lernte, nahm ich eben sehr ernst. Als ich sechs oder sieben war, wir hatten gerade die Wiederkunft Christi durchgenommen, träumte ich davon. In meinem Traum war ich gerade bei meinen Großeltern zu Besuch, die gleich um die Ecke von der Kirche wohnten, und ich sah lauter Engel vom Himmel herabkommen und Menschen mit sich nach oben nehmen. Jemand aus meiner Familie wurde „abgeholt“, und ich wartete, aber es kam kein Engel zu mir. Völlig verzweifelt dachte ich: Und wo bleibt mein Engel? Da wachte ich auf und war doch ziemlich erleichtert!

Ich wollte nicht zurückgelassen werden, also strengte ich mich umso mehr an, ein guter Junge zu sein. Jeden Sonntag fragte uns der Pastor, ob Jesus in unserem Herzen wohnte, und ich rief immer „Ja!“, so laut ich konnte, falls die Engel gerade zuhörten. Man brachte uns bei, dass man als Christ Gott jeden Tag braucht. Ich hatte kein Problem damit zu sagen, dass wir in die Kirche gingen, aber dass man mit seinen nicht christlichen Freunden über Gott sprechen sollte, erklärte uns niemand. Vielmehr sollten wir es für uns behalten und die Leute einfach lieben. Ich kann mich nicht erinnern, öffentlich dafür gebetet zu haben, dass meine Freunde Jesus erlebten und in ihr Leben ließen.

Die einzigen Evangelisten, über die wir sprachen, waren Missionare wie die Schlatters. Victor und Elsie wurden später für mich zu Mentoren. Sie waren die ersten richtigen „Soldaten in Gottes Armee“, die ich kennenlernte. Victor sah aus wie eine Figur aus der Bibel: groß, lange graue Haare und ein grauer Bart, länger als mein Kopf. Bei ihnen klang das Leben als Missionar sehr aufregend. Sie erzählten uns tolle Geschichten über das Leben im Regenwald oder darüber, wie sie vor Leuten fliehen mussten, die gegen Christen waren.

Ich war schwer beeindruckt. Für mich waren die Schlatters Exoten, wie eine Mischung aus Indiana Jones und Billy Graham. Als meine Eltern noch jünger waren, hatten sie überlegt, mit Victor und Elsie als Missionare zu arbeiten. Sie waren sogar auf ihrer Hochzeitsreise nach Neuguinea gefahren, um sich alles anzusehen, aber mein Vater sagte hinterher, es sei ihm zu wild gewesen. Ich habe mir oft vorgestellt, wie unser Leben wohl ausgesehen hätte, wenn sie dort geblieben wären. Heute bin ich froh, dass sie in Melbourne geblieben sind.

Über den Tellerrand

So sind wir nun Botschafter an Christi statt,denn Gott ermahnt durch uns.

2. Korinther 5,20 (Luther 2017)

Nie im Leben sah ich mich als Missionar. Die Schlatters waren eben besondere Leute, die unter extrem schweren Bedingungen nicht nur überlebten, sondern auch noch in ihrer Arbeit Frucht brachten. Aber immerhin weckten sie in mir den Wunsch, so gut ich konnte, den Armen dieser Welt zu helfen.

Sie warfen ihre Dias an die Wand in unserer Gemeinde, und da sah man lauter nackte Kinder, die anscheinend nur Wurzeln und Insekten zu essen hatten. Wir beteten für sie und schlachteten unsere Sparschweine, damit sie etwas zum Anziehen und zu essen haben konnten. Ich bewunderte Victor und Elsie, weil sie ihr Leben als Botschafter Gottes einsetzten.

Ich war noch ein Teenager, da hörte ich von einem Missionar, dessen Flugzeug mitten in der Wildnis von Papua-Neuguinea abgestürzt war. Er war gefangen genommen worden, konnte aber fliehen. Ich sah ein Interview mit ihm, in dem er erzählte, seine Flucht sei eigentlich unmöglich gewesen, aber Gott habe seine Kidnapper taub gemacht, sodass er sich befreien, ihr Flugzeug stehlen und sich aus dem Staub machen konnte. Der Film heißt Ee-Taow.

Später las ich Heavenly Man von Bruder Yun, einem Leiter der Untergrundkirche in China. Mit seiner Geschichte von Gefängnis und Folter konnte ich mich identifizieren; meine Eltern und Großeltern waren aus Serbien geflohen, weil man sie als Christen verfolgte.

In Yuns Buch las ich, dass Gott ihn in den schlimmsten Situationen bewahrt hatte. Während seines Gefängnisaufenthalts war er dem Tod wiederholte Male von der Schippe gesprungen. Er sollte gehängt werden, aber immer wenn es so weit war, gab der Henker an, zu müde oder wie gelähmt zu sein. Irgendwann steckte der Henker Yun, dass er dafür sorgen würde, dass man ihn im Gefängnis nicht umbrachte.

Bruder Yun schrieb auch, wie er aus einem Hochsicherheitsgefängnis floh. Er hatte der Stimme des Heiligen Geistes gehorcht, die ihm genau sagte, wann er durchs Gefängnistor gehen konnte. Er hielt sich an die Anweisungen und spazierte aus dem Gefängnis, ohne von den Wachen aufgehalten zu werden. Es war, als sei er unsichtbar. Für viele klingt diese Geschichte unglaubwürdig, aber die chinesische Regierung bestätigt den Vorfall indirekt, indem sie ihn als „bedauerliches Missverständnis“ bezeichnet.

Ebenfalls als Teenager las ich die Bücher eines anderen Vorbilds: Nicky Cruz, ehemaliger Anführer einer Gang in New York. Sein Buch Flieh, Kleiner, flieh! ist die klassische Geschichte eines Straßenjungen, der sein Leben umkrempelte und heute junge Menschen von Jesus begeistert.

Der Film über sein Leben, Das Kreuz und die Messerhelden (1970), hat schon über fünfzig Millionen Zuschauer in 150 Ländern gefunden. Wie Bruder Yun musste auch Nicky Cruz schwere Zeiten durchmachen, aber Gott schien immer dann einzuschreiten, wenn sein Leben in Gefahr war. Er schrieb zum Beispiel, wie ihm eine Waffe an den Kopf gehalten wurde, aber als sein vermeintlicher Killer den Abzug betätigte, klemmte sie und das rettete ihm das Leben.

Bücher wie Heavenly Man und Flieh, Kleiner, flieh! sowie die Schilderungen der Schlatters machten mir später Mut, den sicheren Hafen meiner Familie mit neunzehn zu verlassen und auf meine erste Tour als Redner nach Südafrika zu gehen. Sie alle haben mir eins beigebracht: Der sicherste Ort ist immer da, wohin Gott dich führt.

Wenn man jung ist, kann man oft noch nicht sehen, was Gott für einen in petto hat. Aber jetzt, als Mittdreißiger, mit Millionen Reisekilometern und Millionen Zuhörern im Gepäck, kann ich erkennen, wie er mich beeinflusst und geführt hat.

Manchmal muss ich darüber lachen, vor allem, wenn ich daran denke, wie mein Onkel Sam mir einst über den Kopf strich und meinte: „Eines Tages, Nicky, wirst du Präsidenten die Hand geben.“

Damals konnte ich mir das nicht vorstellen. Aber Gott muss das meinem Onkel ins Ohr geflüstert haben, denn inzwischen habe ich über ein Dutzend Staatschefs persönlich getroffen. Na gut, das mit dem Händeschütteln steht noch aus, aber immerhin habe ich sie umarmt!

Für jeden Schritt ein bisschen Mut

Mr Arnold, der Hausmeister meiner Schule, war eine weitere sehr prägende Person für mich. Ich habe ihn schon öfter erwähnt. Seltsamerweise nannten wir ihn alle Mr Arnold, obwohl er eigentlich mit Vornamen Arnold hieß. Seinen Nachnamen habe ich nie erfahren, aber er war immer da für uns Schüler. Er machte mir Mut, offen über meine Behinderung zu sprechen und über die Schwierigkeiten, die ich damit und mit meinem Glauben hatte. Zuerst vor den Schülern der christlichen Jugendgruppe, die er leitete, und dann vor diversen anderen Zuhörern in unserer Gegend.

Damals hielt ich mich keineswegs für so etwas wie einen Verkündiger oder Evangelisten. Mir war vielmehr danach, die Mauern zwischen Menschen einzureißen und zu erzählen, wie ich überhaupt erst Hoffnung schöpfte, als ich mir von Gott helfen ließ. Erst nach und nach merkte ich, dass meine Geschichte Menschen in ihrem Leben weiterbrachte. Vor allem wenn ich erzählte, wie ich irgendwann schließlich begriffen hatte, dass ich kein Fehler Gottes war, sondern wie jeder Mensch eine schöne, vollkommene Schöpfung.

Meinen ersten professionellen Motivationsredner erlebte ich an der Highschool. Reggie Dabbs bannte nur mit seiner Lebensgeschichte fast vierzehnhundert zappelige Schüler und Schülerinnen. Seine Rede enthielt einen hoffnungsvollen Kern: „Deine Vergangenheit kannst du nicht ändern – deine Zukunft schon.“

Durch Reggie keimte die Idee in mir auf, selbst den Beruf eines Redners zu ergreifen. Weil ich mich wegen meines Körpers so oft als Außenseiter gefühlt hatte, war es mir ein Grundanliegen in meinen Auftritten, den Leuten zu sagen, dass sie von Gott geliebte Menschen waren. Das sollten sie hören, fand ich. Wir sind alle vollkommene Geschöpfe Gottes.

Als ich mit dem Gedanken spielte, Redner zu werden, lag mein Fokus hauptsächlich auf der Motivationsebene. Ich wusste, dass viele Menschen nichts vom Glauben hören wollten, aber als sie mich über Leben, Liebe, Hoffnung und Gottvertrauen im Allgemeinen reden hörten, fingen sie an, stärker nachzufragen. Trotzdem sah ich mich nicht als Vorbild für andere Christen oder Glaubensinteressierte.

Meinem Vater ging es nicht anders. Er lag mir weiter in den Ohren, Rechnungswesen und Finanzplanung zu studieren. Ich folgte seinem Rat, weil ich es für eine gute Idee hielt, einen Plan B in der Tasche zu haben, falls es mit der Rednerkarriere nichts wurde.

Pfadfinder

Wieder trat Gott auf den Plan und gab mir einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Ich wurde gebeten, ehrenamtlicher Religionslehrer an meiner alten Highschool zu werden. Immer wieder übernahmen aktuelle Abgänger diese Aufgabe, kamen für vier Unterrichtsstunden pro Woche und sprachen über Gott und die Bibel.

Also stand ich vor Teenagern an meiner alten Schule, erzählte von mir und machte ihnen Mut, eigene Erfahrungen mit Gott zu machen. Für mich hatte das mit der Arbeit eines Evangelisten noch nicht viel zu tun, aber im Nachhinein sehe ich es als gute Vorbereitung. Ich habe das noch nie erwähnt, weil es ein delikates Thema ist: Damals gab es nämlich einige Gegenreaktionen in meiner Heimatkirche zu meinen Rednerambitionen, weil ich von anderen Kirchen eingeladen worden war.

In dieser Zeit war unsere Kirche ziemlich engstirnig. Es war nicht erwünscht, dass Mitglieder andere Kirchen besuchten, wahrscheinlich, weil man Angst hatte, sie an eine andere Glaubensrichtung zu verlieren. Sogar meine Eltern und Verwandte ermahnten mich, nicht in anderen Kirchen aufzutreten.

Ich konnte ihre Bedenken nachvollziehen, aber ich war schon immer der Meinung, dass Christen aufeinander zugehen, ihre Unterschiede in der Lehre zurückstellen und sich auf die Liebe Gottes konzentrieren sollten. Ich wollte mit meiner Geschichte erreichen, dass meine Zuhörer ihr Vertrauen einfach in Gott setzten. Jamie Pentsa, ein Freund von mir, meinte, ich solle ruhig alle Einladungen annehmen; er würde mich mit seinem Volvo überallhin fahren.

Zuerst war ich bei vielen Jugendgruppen und sprach über Bibeltexte, die etwas in mir bewegt hatten. Diese kurzen Ansprachen wurden so beliebt, dass ich anfing, einen monatlichen Newsletter per E-Mail zu verschicken. Ich baute mir auch eine eigene Webseite, damit man meine Texte nachlesen und mich bei Interesse einladen konnte.

Bald bekam ich über siebzig Einladungen pro Woche. Bibelklubs, Jugendgruppen, Gemeinden – alle aus unserer Region wollten mich hören. Also begann ich meine Vorträge mit einem Videoteam aufzuzeichnen. Diese erste Life Without Limbs-DVD schickte ich an alle Interessenten.

Eins dieser Videos gelangte bis nach Südafrika in die Hände eines Mannes namens John Pingo. Er nahm Kontakt mit mir auf und machte den Vorschlag, eine Rednertournee in seinem Land auf die Beine zu stellen. Diese erste große Reise – die mir meine Eltern ausreden wollten – war der Anfang meiner internationalen Tätigkeit, die mich schon in sechzig Länder dieser Welt geführt hat. Immer neue Möglichkeiten taten sich auf … und Gott sorgte dafür, dass Freunde, Cousins, Onkel oder auch mal mein Bruder mich fuhren, pflegten und mir halfen, Menschen Lebensmut zu geben.

Evolution von Gott

Mein Beruf als Evangelist und Motivationsredner war ein unerwartetes Geschenk, und im Nachhinein betrachtet mit Sicherheit ein Teil von Gottes Möglichkeiten für mich. Mit jedem Auftritt wuchs meine Leidenschaft dafür. Als Kind hatte mir phasenweise jede Hoffnung für die Zukunft gefehlt, und dementsprechend begeistert nahm ich die enthusiastischen Reaktionen auf meine Reden und Videos auf. Für jemanden, der selbst nicht mehr ein noch aus wusste, gibt es nichts Größeres, als zu merken: Ich kann anderen Hoffnung schenken. Dass ich als junger Kerl vor großen Gruppen mit gemischter Altersstruktur auftreten und von meinen Gedanken über Jesus erzählen konnte, gab mir das Gefühl, zu etwas nütze zu sein. Ich konnte einen eigenen Beitrag leisten, und das war mir unendlich wichtig. Und ich fühlte mich Gott näher, weil so viele Zuhörer auf meine Aufrufe reagierten und ihn in ihr Leben ließen.

Außerdem spürte ich, wie viel Kraft im Evangelium liegt. Achtzig Prozent der Inspiration machen für mich Geschichten aus. In der Bibel findet man so viele gute Sachen in Geschichten verpackt, Geschichten, die Mut machen, die Gottes Treue zeigen. Beim Lesen der Bibel wächst das Gottvertrauen!

Was ich bisher auch selten erzählt habe: Als ich etwa zwölf Jahre alt war, kämpfte ich mich gerade aus einer tiefen Depression heraus. Ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, so viel über Gott zu erfahren, wie ich konnte – also fing ich an, die Bibel auf dem Computer abzutippen, mit meinem kleinen Füßchen.

Ich fing im 1. Buch Mose an, ganz von vorn. Etwa nach der Hälfte des Buchs Genesis kam meine Mutter ins Zimmer und wollte wissen, was ich da machte.

„Ich schreibe die Bibel ab“, sagte ich.

„Nicky, die Bibel ist längst geschrieben.“

Sie hatte natürlich recht. Ich konnte damals ungefähr mit einer Geschwindigkeit von achtzehn Wörtern pro Minute schreiben. Irgendwann wurde mir klar, dass ich mich mit der Aufgabe übernommen hatte. Das dringende Bedürfnis ebbte ab, aber meine Liebe zu Gottes Wort ist geblieben. Jedes Mal, wenn ich darin lese, entdecke ich etwas Neues, dringe tiefer ein und begreife Zusammenhänge. Mit jedem frischen Blick wachsen meine Ehrfurcht vor Gott und meine Beziehung zu Jesus.

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Weiterzuerzählen, was Gott einem bedeutet, macht einen großen Teil des Christseins aus. So wird Glauben lebendig. Als ich anfing, meine Geschichte zu erzählen, war die vorherrschende Überzeugung unter Christen – so dachte ich zumindest – wie folgt: Um neue Mitglieder für die Kirche zu gewinnen, muss man den Menschen nur sagen, dass man sie liebt, und gut zu ihnen sein.

Das sollte genügen, um sie davon zu überzeugen, dass Christen gut und barmherzig waren. Die Idee dahinter war, durch gute Taten und durch ein Vorbild die Saat des Glaubens auszusäen. Die Menschen würden sich zu uns Christen hingezogen fühlen und mehr über uns erfahren wollen. Tatsache ist nur, es gibt noch sehr viel mehr gute und barmherzige Menschen auf der Welt.

Jesu Nachfolger müssen mehr sein als nur gut und barmherzig: Wir brauchen eine starke Botschaft. Und die gibt es!

Als ich meinem Vater von diesem Buch erzählte, meinte er: „Die Leute glauben, Menschen von Gott zu erzählen sei so kompliziert, dabei ist es das gar nicht. Wir sollten jederzeit bereit sein, und letzten Endes geht es nur darum, ein ehrliches Gespräch mit jemandem zu führen. Erzähle einfach, was Jesus dir bedeutet. Wie dein Leben sich veränderte, nachdem du ihn kennengelernt hast. Einen gläubigen Menschen erkennt man an seinem Leben.“

In der Bibel heißt das so: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Wer Menschen helfen will, Christen zu werden, muss sie dazu bringen, darüber nachzudenken, welche Rolle Gott in ihrem Leben spielt. Das muss man aber behutsam und unter Gebet kommunizieren. Auf jeden Menschen muss man sich wieder neu einstellen, weil jeder von uns anders tickt und vor allem eigene Erfahrungen gemacht hat. In 1. Petrus 3,15 heißt es: „Allein Christus, den Herrn, sollt ihr ehren. Seid immer bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn euch andere nach der Hoffnung fragen, die euch erfüllt. Begegnet ihnen freundlich und mit Respekt.“

Auf Tour

Meine ersten Schritte als Jesu Füße waren regelmäßige Touren durch unsere Nachbarschaft – mit einem Hund. Als ich siebzehn war, fuhr ich mit unserem Hund Gassi und sprach fast alle Leute an, die ich unterwegs traf.

Ich weiß nicht, ob es an unserem süßen Hund Seth (einer Mischung aus Jack Russell und Cavalier King Charles Spaniel) oder an mir lag, jedenfalls gab es immer Leute, die ein Stück neben uns herliefen und allzu bereit schienen, sich mit mir zu unterhalten.

Wir sprachen über den Hund, und wenn sie mich noch nicht kannten, dann fragten sie meist irgendwann, wie ich meine Arme und Beine verloren hatte. Ich erzählte dann von mir, und oft waren die Leute berührt oder noch neugieriger. Diese Gespräche berührten nicht selten das Thema Glauben. Die Leute fragten mich, wieso ich trotz allem so eine positive Lebenseinstellung hatte, und ich antwortete dann, dass ich eben davon überzeugt sei, dass Gott mich aus einem bestimmten Grund so haben wollte und ich mich daran festhielte.

Wen es interessierte, dem bot ich am Schluss ein kurzes Gebet an. Ich weiß nicht, ob die Leute mein Glaube oder etwas anderes berührte, aber es passierte recht häufig, dass ihnen Tränen in den Augen standen, wenn ich darüber sprach, wie wichtig mir Gott und die Fähigkeit war, dankbar für das zu sein, was ich habe.

Diese kleinen Ausflüge mit Seth wurden zu einem richtigen Hobby. Ich fuhr mit ihm los und konnte es kaum erwarten, herauszufinden, wen ich an der Ecke treffen würde. Nach einer Weile hatte ich mich daran gewöhnt, überall, wo ich hinkam, meine Geschichte zu erzählen. Dass mich jemand schief anguckte, habe ich nie erlebt, obwohl sicher manche Leute einen Bogen machten, wenn sie mich sahen.

Ich versuchte, nicht verbissen oder mit der Holzhammermethode vorzugehen. Ich fragte einfach die Leute, wie es ihnen ging, und nach ein paar Minuten Small Talk bot ich an: „Haben Sie irgendein Anliegen, für das ich vielleicht beten könnte?“ Die meisten Leute waren dankbar für das Angebot. Ich meine, wer kann nicht hin und wieder mal ein Gebet für sich oder jemand aus seinem Umfeld gebrauchen? Das ist wie ein Überraschungsgeschenk von einem Fremden, und eigentlich noch besser als ein Lotteriegewinn, denn ein Gebet kann Schätze sammeln, die man mit Geld nicht aufwiegen kann!

Mein erster Aufruf

Den ersten großen Auftritt als Sprecher hatte ich in der Logan Uniting Church in Springwood, Queensland. Der dortige Jugendpastor Jim Haak, der in der Gegend auch als Schulseelsorger tätig war, hatte mich irgendwo gehört und zu ihrer Year 10-Konferenz eingeladen, zusammen mit etwa dreihundert Schülern. Ich war nicht als Sprecher gebucht, nur als Teilnehmer, also brachte ich ein paar Freunde und Cousins und Cousinen mit.

Das zehnte Schuljahr in Australien ist der Zeitpunkt, wo sich die Schüler für einen weiteren Schulbesuch oder eine Ausbildung entscheiden. Die Konferenz war dazu gedacht, ihnen ein wenig Handwerkszeug fürs Leben zu vermitteln, das ihnen sowohl im Studium als auch in der Arbeitswelt nützlich sein könnte. Der Glaube an Gott spielte eine Rolle, aber es gab auch Freiluftaktivitäten, Gesprächsrunden, Workshops und Motivationsevents.

MIT HAND UND FUSS

Als Nick zum Evangelisten wurde …und sich einer Motorradgang anschloss

Von Jim Haak

An diesem Morgen hörte ich auf einmal ziemlichen Lärm und Krawall. Es hatte sich eine ganze Traube von Jugendlichen gesammelt, darunter einige Jungen aus schwierigen Verhältnissen. Ich dachte, da ist eine Prügelei im Gang. Ich ging dazwischen, aber als ich mich durch die Menge kämpfte, merkte ich, dass sie sich alle um Nick geschart hatten!

Sie waren gefesselt von diesem jungen Kerl, der mit ein paar anderen seine eigene Version von Handball spielte. Er ließ den Ball von seinem Kopf abprallen und kickte ihn mit seinem kleinen Füßchen hoch. Dabei stellte er sich ziemlich geschickt an, und alle wollten es sehen.

Natürlich redete er dabei ziemlich laut und hatte den australischen Jugendslang drauf. Er machte einen gläubigen Eindruck, aber ohne übermäßig fromm oder religiös zu sein. Und er wusste schon damals, wie man die Aufmerksamkeit von Menschen hält.

Nick selbst war an diesem Tag die Attraktion überhaupt. Überall, wo er hinfuhr, scharten sich die Kinder um ihn. Die Betreuer schüttelten ungläubig die Köpfe, weil sich Jungen und Mädchen gleichermaßen zu ihm hingezogen fühlten, ihm ihre Ängste und Sorgen erzählten und sogar mit ihm gemeinsam beteten. Er war so offen und verletzlich, dass sie instinktiv spürten, sich ihm anvertrauen zu können. Sie brauchten ihn ja nur anzusehen und wussten, dass er seelisches Leid und Mobbing kannte. Wenn er sagte: „Ich mag dich“, dann glaubten sie ihm das.

Die letzte Veranstaltung an diesem Tag waren ein auswärtiger Hauptredner und eine Gesprächsrunde auf der Bühne. Es war ein langer, heißer Tag gewesen. Ein Mitglied vom Motorradklub God’s Squad sollte eine Präsentation zeigen, aber er bekam sein PowerPoint nicht zum Laufen. Die Leute wurden langsam unruhig. Er sah mich an und meinte, „Es dauert noch ein bisschen. Kannst du die Menge so lange unterhalten?“

Ich saß mit lauter erfahrenen Jugendleitern auf der Bühne. Also gab ich die Frage weiter. „Kennt irgendjemand vielleicht einen Witz, den er erzählen könnte?“

In diesem Moment tauchte Nick vorne auf. „Lass mich mit den Leuten reden!“, sagte er.

„Und worüber?“, fragte ich.

„Mach dir keine Sorgen. Ich rede einfach mit ihnen.“

Eigentlich hoffte ich immer noch, dass der Kerl von God’s Squad endlich seine Sache zum Laufen bekam, aber ich gab Nick grünes Licht. Zuerst mussten wir ihm aber ein Mikrofon verpassen. Er konnte ja keins halten. Wir probierten eine Weile herum, bis Nick sagte: „Lasst nur. Ich krieg das schon hin.“

Die Leute wurden immer unruhiger. Wir mussten die Zeit überbrücken, bis der Hauptredner endlich so weit war. Mir war nicht ganz wohl dabei, den armen Nick ganz allein auf die Bühne zu schicken. Aber diese Sorge hätte ich mir sparen können.

Nach wenigen Sätzen war im ganzen Publikum Ruhe. Nick fesselte seine Zuhörer schlicht und ergreifend damit, dass er über die Schwierigkeiten sprach, mit denen er sich ohne Gliedmaßen konfrontiert sah. Er sprach über seinen Glauben als Kraftquelle, darüber, dass Gottes Liebe jeden im Publikum tragen konnte, aber er zwang niemandem seine Überzeugungen auf.

Eigentlich war es eine ganz normale Motivationsrede, aber wenn Nick erzählt, dann mit so viel Leidenschaft und Humor, dass die Botschaft noch frischer und einnehmender rüberkommt als sonst. Wenn er Menschen ermutigt und ihnen sagt, dass alles möglich ist, wenn sie nur auf Gott und auch auf sich selbst vertrauen, dann schwingt bei ihm eine tiefe Bedeutung mit.

Junge Leute, die mit sich zu kämpfen haben, wissen, dass er sie versteht. Kinder, die Außenseiter sind, können davon ausgehen, dass er Hänseleien und Mobbing am eigenen Leib erfahren hat. Selbst die härtesten Kids bewunderten seinen Mut und seine Offenheit. Alle wollten Nicks Freunde sein, und er ermahnte sie, respektvoll miteinander umzugehen.

Wir lernten damals, dass es Nick nicht darum geht, Leute zu unterhalten. Er knöpft sich die schweren Themen vor, aus dem echten Leben, die nicht nur den Glauben betreffen, sondern die Hürden des Alltags. Für ihn kann die Behinderung eine Bürde, aber auch ein Geschenk sein, und diese Botschaft hat er aus Gottes Wort selbst, aus der Bibel: „Glückselig die Armen im Geist.“ Nick ist demütig, aber er hat das Reich Gottes und teilt es nur zu gern.

Ja, Gott nutzt ganz normale Menschen, um zu reden: die einfachen, die gebrochenen und verwundeten. Er nutzt sie, um zu verändern und zu retten.

Um ehrlich zu sein, waren wir an diesem Tag allesamt von Ehrfurcht ergriffen. Auch der Biker vom God’s Squad, der der Hauptredner sein sollte. Seine PowerPoint-Präsentation lief, aber er wollte nicht nach Nick auf die Bühne. „Lass nur. Er macht das super“, raunte er mir zu, während Nick allmählich zum Ende kam.

Für einen Spontanvortrag hatte Nick Erstaunliches geleistet, aber ich war trotzdem skeptisch, als er am Ende einen Aufruf machte und meinte, wer ein bisschen Liebe brauche, könne gern nach vorn kommen und ihn umarmen.

Die anderen Gesprächsrundenteilnehmer und ich lächelten vielleicht etwas spöttisch in uns hinein. Nie und nimmer würde irgendeiner dieser Teenager dabei gesehen werden wollen, wie er in aller Öffentlichkeit jemanden umarmte. So etwas funktioniert vielleicht in den Vereinigten Staaten, aber in Australien sind die Leute viel zurückhaltender und nüchterner. Aussies zeigen keine Emotionen – dachten wir.

Nick belehrte uns eines Besseren. Überall standen Kids auf und formierten sich still zu einer langen Schlange vor ihm … was schon ein Wunder für sich war. Viele hatten feuchte Augen, nachdem sie ihn umarmt hatten. Unser ganzes Team erfahrener Jugendarbeiter stand mit heruntergeklappter Kinnlade da. So etwas hatten wir noch nie erlebt.

Als auch der Letzte seine Umarmung bekommen hatte, machte ich mich auf den Weg zu Nick. Das alles war so eindrücklich, dass ich ihn gleich für die Veranstaltung im nächsten Jahr buchen wollte. Nick fuhr derweil im Rollstuhl in Richtung Parkplatz, immer noch umringt von seinen neuen Freunden.

Bevor ich ihn einholen konnte, kam einer der God’s-Squad-Biker auf seiner Harley angebraust. Ein anderer setzte Nick kurzerhand auf den Soziussitz, und schon donnerten sie davon, während Nick aus vollem Halse „Woohoo!“ rief.

Das war meine erste Begegnung mit dem bald berühmten Nick Vujicic!

Das war wirklich ein verrücktes Erlebnis. Ich erinnere mich noch gut an den Stand der christlichen Motorradgang God’s Squad. Es waren ein paar angsteinflößende Gestalten in Lederkutten dabei, mit sehr lauten Motorrädern, die sich als gläubige Gegenkultur verstanden.

Wenn man so viele australische Teenager auf einem Haufen hat, kocht die Stimmung schnell mal über. Deswegen dachte Pastor Haak, dass eine Schlägerei im Gange war, als er die Menge sah und die Rufe hörte. Dabei war ich der Grund für den Auflauf, aber Jim hat das ja schon besser erzählt, als ich es könnte.

Offene Ohren

Die Schulabgängerkonferenz hatte auch auf mich eine starke Wirkung. Alles fügte sich irgendwie natürlich zusammen, und sowohl die Teenager als auch die Biker und die Betreuer nahmen mich so herzlich in ihrer Mitte auf. Ich war schlichtweg überwältigt. Der Höhepunkt für mich war, als sich mittendrin während meines Vortrags ein weinendes Mädchen meldete.

Sie fragte, ob sie nach vorn kommen und mich umarmen dürfe. „Klar, nur zu“, sagte ich. Als sie auf der Bühne war, schlang sie ihre Arme um mich und flüsterte mir ins Ohr, „Mir hat noch nie jemand gesagt, dass er mich mag. Niemand hat mir je gesagt, dass ich hübsch bin, so wie ich bin.“

Aber hallo! In diesem Moment wusste ich, dass ich Redner werden und eine Botschaft der Hoffnung verbreiten wollte. Im selben Jahr bat mich Jim, bei seiner Jugendgruppe in der Kirche zu sprechen. Wieder liefen überall Tränen, als ich erzählte, wie Jesus mein Leben verändert hatte. Ich rief die Jugendlichen auf, gleich an Ort und Stelle noch ein stilles Zwiegespräch mit Jesus zu halten.

Nach der Veranstaltung umarmte ich und sprach mit vielen Leuten. Eine junge Frau kam auf mich zu und sagte: „Ich habe heute Abend mein Leben Jesus übergeben. Mein Leben wird nie wieder so sein wie früher, das weiß ich.“ In diesem Augenblick hörte meine Welt auf sich zu drehen. Ich hatte das Gefühl, als wäre sie von Schwarz-Weiß auf Farbe gewechselt.

Das war das erste Mal, dass mir jemand direkt sagte, ich sei an seiner Entscheidung für Gott beteiligt. Ich war völlig perplex. Diesen Effekt auf jemanden zu haben war … anders als alles andere. Es war wie der Duft von Apfelblüten, es war etwas Heiliges, und ich wollte mehr davon. Zugleich wusste ich, dass nicht ich oder meine Worte dafür verantwortlich waren. Es war Gott, der durch mich hindurch wirkte.

Eine weitere positive Nachwirkung dieses Tages war, dass Jim Haak mein Mentor wurde. Das, was ich erlebt hatte, war ganz offensichtlich „mein Ding“. Aber ob ich auch als Redner und Prediger leben und vielleicht auch mal meinen Lebensunterhalt bestreiten können würde?!

Ich sagte Jim, ich wolle erfolgreicher Geschäftsmann werden und viel Geld verdienen, damit ich für mich selbst sorgen könnte und nicht auf ewig meiner Familie auf der Tasche liegen müsse.

Jim hielt dagegen, dass ich lieber professioneller Redner werden solle. Er war sehr nett zu mir. Rückblickend war er einer der Ersten, die mir sagten, Hindernisse im Leben könnten genauso gut Sprungbretter sein.

Jim und die anderen Jugendseelsorger in dieser Gegend luden mich fast zu jeder Veranstaltung ein. Sie gaben mir Tipps und halfen mir, meine Präsentation und die Botschaft zu verfeinern.

Die Vision für mein Leben war damals noch etwas vage, aber sie wurde von Mal zu Mal schärfer. Auf einer jener Veranstaltungen, wahrscheinlich organisiert durch Jim Haak, wurde ich zum ersten Mal einer Jugendgruppe als der Evangelist Nick Vujicic vorgestellt. Ich hatte nicht darum gebeten, und zuerst war ich etwas schockiert.

Evangelist? Ich?

Aber dann wallte diese Begeisterung in mir auf, der Welt zu sagen, dass Jesus jeden einzelnen Menschen liebt.

Mein nächster Gedanke war: Wieso eigentlich nicht? Versuch es doch einfach.

Gott öffnete die Tür, und sein Kind ohne Arme und Beine lief hindurch.

Kapitel 2

Fragen kostet nichts

Ich bin ein Grenzgänger, was meinen Beruf als Redner angeht. Viele Menschen haben mich in Kirchen gehört. Dort spreche ich über geistliche Themen und mache Aufrufe, um Menschen näher zu Gott zu bringen. Noch bekannter bin ich aber als Motivationsredner. Ich trete in Schulen auf, vor Studenten, bei Firmen, Behörden und Konferenzen.

Bei meiner Organisation Life Without Limbs