Wenn Liebe Hölle ist - Helga Gurtner - E-Book

Wenn Liebe Hölle ist E-Book

Helga Gurtner

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Beschreibung

Lisa ist eine Mittfünfzigerin, die sehr spät der Liebe ihres Lebens begegnet, doch genau wie sie ist der Mann verheiratet. Obwohl Lisa in ihrer Ehe schon lange nicht mehr glücklich ist, verlässt sie ihren Mann nicht. Ihr Leben ist voller Probleme und Herausforderungen. Das Schicksal beschert ihr eine Berg- und Talfahrt, an der sie beinahe zerbricht. Doch es wäre nicht Lisa, wenn sie nicht immer wieder aufstehen und kämpfen würde. Ihre Seelentrösterin ist eine schwarzweiße Hündin, die sie stets treu begleitet und die langen Spaziergänge mit ihr tun Lisas Seele gut.

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Die Geschichte handelt von Lisa Winter, einer kleinen Mittfünfzigerin, mit blondem, halblangen Haar und weiblichen Rundungen, da wo sie hingehören. Sie selbst bezeichnete sich aber immer als etwas pummelig, weil sie eher klein geraten war.

Lisa war eine starke Frau. Schon sehr früh hatte sie geheiratet, weil sie ihrem Elternhaus den Rücken kehren wollte. Sie vertrug sich nicht mit ihrem Stiefvater und ihre Mutter hielt zu ihm, anstatt zu ihrer Tochter. Zudem waren beide dem Alkohol zugeneigt und nicht zuletzt deswegen, gab es oft Streit.

Lisas Mann, ein schlanker, hübscher, schwarzhaariger Bursche mit Oberlippenbart, sah nicht nur gut aus, sondern wusste das auch nur zu gut. Schon in den ersten Wochen nach der Hochzeit zog er mit einer Arbeitskollegin herum und ließ seine Frau nächtelang allein. Auch er kam aus denkbar schlechten familiären Verhältnissen. Sein Vater, ein schmächtiger kleiner Mann, trank und rauchte sehr viel und starb mit 46 Jahren an Lungenkrebs. Seine Mutter, eine blonde, etwas stärkere Frau, war hochgradig hysterisch und ließ ihren Sohn schon im Kleinkindalter sehr viel alleine. Später bekam sie noch eine Tochter, mit der sie oft wochenlang verschwand. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Sohn erst dreizehn Jahre alt. Sein Vater bezweifelte stets, dass die Kleine von ihm war, doch einen Beweis dafür gab es nicht.

Genau wie Lisa, hegte ihr Mann Herbert auch nur den einen Wunsch: raus aus dem Elternhaus. Er konnte die stundenlange nächtliche Keiferei seiner Mutter einfach nicht mehr ertragen, mit der sie sowohl seinen Vater als auch ihn zur Weißglut brachte, wenn sie denn einmal da war.

Obwohl Lisa in ihrer Ehe nicht glücklich war, hatte sie ihren Mann nie verlassen.

Er war, wie sein Vater, Alkoholiker und ein starker Raucher. Anfangs hatte sie sich in seine „coole“ Art verliebt, doch nach und nach kam sie dahinter, dass er egoistisch und manchmal auch richtig gemein sein konnte. Er hatte aber auch seine guten Seiten, die Lisa immer wieder dazu veranlassten, ihm zu verzeihen. Herbert war Kellner in einem bekannten Stadtlokal. Lisa arbeitete als Sekretärin in einer der weltweit größten Pharmakonzerne.

Das Schicksal hatte die beiden schwer geprüft. Ihr Sohn war geistig und körperlich behindert zur Welt gekommen und kostete die Eheleute viel Kraft und Zeit. Es stellte sich schon kurz nach der Geburt heraus, dass das Kind im Geburtskanal zu lange stecken geblieben war und keinen Sauerstoff bekommen hatte, sodass sein Gehirn geschädigt wurde.

Anfänglich kümmerte sich Lisas Mann Herbert um seinen Sohn Manuel, weil seine Frau nach der schwierigen Geburt ans Bett gefesselt war, doch sehr bald schon überließ er ihr die Pflege. Lisa betreute ihren Sohn Tag und Nacht. Herbert blieb immer öfter nächtelang aus. Dann wartete Lisa auf ihn, lag stundenlang schlaflos in ihrem Bett, sah einige hundert Mal auf die Uhr auf ihrem Nachttisch, zuckte bei jedem Geräusch zusammen und hatte im Geist Visionen, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Es kam häufig vor, dass Herbert sturzbetrunken im Morgengrauen nach Hause torkelte. Dann hatte es keinen Sinn, ihm Vorwürfe zu machen. Allzu leicht geriet er in Rage, schrie sie an und warf mit Gegenständen um sich. Manchmal sprachen sie die Nachbarn auf die nächtliche Unruhe an und Lisa schämte sich jedes Mal dafür. Trotzdem nahm sie Herbert immer wieder in Schutz und schrieb seine Aggressivität der Tatsache zu, dass er mit der Behinderung seines Sohnes nicht zurechtkam.

So vergingen die Jahre und Lisa, die bereits wieder ihren Beruf ausübte, fand ihre Befriedigung in ihrem Job. Manuel war in einer geeigneten Institution untergebracht, wo er von morgens acht Uhr bis nachmittags um halb fünf Uhr beschäftigt wurde.

Er war im Babyalter und als Kleinkind sehr viel krank gewesen und zart und klein geblieben. Da er dem Großstadtstress nicht gewachsen war, machte Lisa ihrem Mann den Vorschlag, aufs Land zu ziehen.

Bald darauf wurde ein Haus gekauft. Insgeheim hatte Lisa gehofft, dass Herbert sich ändern würde, sobald sie in dem neuen Haus wohnten. In der ersten Zeit auf dem Land half Herbert tatsächlich viel bei den Arbeiten mit, doch konnte er das Trinken und Rauchen nicht lassen. Bald fand er in seiner neuen Umgebung Gleichgesinnte, mit denen er sich besaufen konnte.

Eine Nachbarin namens Katja unterstützte Lisa, in dem sie Manuel morgens und nachmittags betreute, damit Lisa zeitig zur Arbeit fahren konnte. Zirka um halb neun wurde er mit dem Bus der Werkstätte abgeholt und nachmittags wieder nach Hause gebracht. Katja war gebürtige Ungarin, eine hagere, große Frau mit braunen, langen Haaren. Sie war eine herzensgute Frau. Ihr Mann behandelte sie nicht besonders gut, war egoistisch und manchmal auch richtig gemein. Er war bereits das 2. Mal verheiratet, hatte drei Kinder aus erster Ehe, mit denen er jedoch schon jahrelang keinen Kontakt mehr hatte. Katja war 59 Jahre alt und bereits in Pension. Sie lebte mittlerweile mehr als dreißig Jahre in Österreich und sprach fast akzentfrei Deutsch. Katja, die nicht besonders gut verdient hatte und daher auch nur eine kleine Rente bekam, musste sämtliche Kosten für das Haus übernehmen, während ihr Mann Johann es nicht der Mühe wert fand, auch nur einen Cent dazu beizutragen. Er lieferte sein monatliches Gehalt weder ab, noch hatte seine Frau Zugriff auf sein Konto. Manchmal keimte in Katja der Verdacht auf, dass er hinter ihrem Rücken doch noch Kontakt mit seinen Kindern hatte und diese geldmäßig unterstützte. Auf Lisas Frage, warum sie bei ihm blieb, antwortete Katja: „anfangs habe ich immer gedacht, er würde sich ändern. Er war für mich eine Chance, in Österreich bleiben zu können. Doch mit der Zeit merkte ich, dass meine Wahl nicht die beste war. Er ist Asthmatiker, sehr nervös und hintergeht mich ständig, doch wenn ich jetzt gehen würde, dann hätte ich mich umsonst abgerackert für unser Haus und unseren Garten. Jetzt noch einmal von vorne anzufangen, habe ich nicht mehr die Kraft!“

Lisa verstand sie gut, lebte sie doch unter ähnlichen Bedingungen mit ihrem Mann zusammen. Die Frau tat ihr leid, doch konnte sie ihr nicht helfen. „Jeder muss sein eigenes Süppchen kochen, sagte sie sich.“

Zwölf Jahre lebte die Familie bereits in einem kleinen Häuschen mit Garten. Mittlerweile hatte Herbert das Rauchen aufgegeben und auch den Alkoholkonsum reduziert. Zuviel war in der Zwischenzeit geschehen. Er hatte Freunde verloren, die viel zu früh gestorben waren und er selbst war bei einer Operation verpfuscht worden.

Er litt an Atemnot und Schwindel, weil bei der OP die Halswirbelsäule überstreckt worden war. Vielleicht war das der Grund, warum er sich zu einem griesgrämigen alten Mann entwickelt hatte, der ungeduldig und nervös war und kaum noch zu irgendwelchen Aktivitäten motiviert werden konnte. Vor ein paar Jahren noch war er mit seiner Frau in den Wald gegangen, um Pilze zu suchen oder hatte mit ihr und seinem Sohn einen Spaziergang gemacht. Jetzt war alles anders. Er saß fast ausschließlich vor dem Fernseher oder dem Computer, wo er ein paar Spiele heruntergeladen hatte, die er ständig spielte. Drei Jahre lang war Lisa mit ihrem Mann von einem Arzt zum anderen gefahren, doch keiner konnte ihn von seiner Atemnot und seinen Allergien befreien. Nun hatte er die Arztbesuche aufgegeben und sich seinem Schicksal ergeben.

Lisa hatte sich eine schwarzweiße Hündin namens Emma zugelegt, mit der sie weite Spaziergänge unternahm. So konnte sie der Langeweile und der Trostlosigkeit ihres Alltags entkommen. Ihr Plan war nicht aufgegangen. Im Gegenteil: oft schimpfte Herbert auf das Landleben. Er wäre viel lieber noch in der Stadt, sagte er ständig. Er entwickelte viele Allergien und verkroch sich im Haus. Einzig und allein die gelegentlichen Besuche im Kaffee- oder Wirtshaus heiterten ihn auf.

Auf einem ihrer Spaziergänge durch den nahegelegenen Wald, an einem sonnigen Herbsttag, lernte Lisa einen Mann kennen, der ihr auf Anhieb gefiel. Er hatte ebenfalls einen Hund, der brav neben seinem Herrchen lag, während dieser Bäume fällte und in Scheite schnitt, die er zu einem Stoß aufstapelte.

Der Mann rief ihr einen Gruß zu, den sie erwiderte. Während sie mit ihm ein paar Worte wechselte, betrachtete sie ihn. Er war groß, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Sein Haar war schon grau, er mochte etwa im selben Alter sein wie sie, möglicherweise etwas jünger. Er hatte einen Oberlippenbart und seine Kleidung bestand aus einer alten, abgetragenen Jean und einem bunt karierten Hemd, dessen Ärmel er aufgeschlagen hatte. Seine Schuhe waren aus grobem Leder.

Lisa ihrerseits trug ebenfalls Jeans und ein langärmliges türkises T-Shirt, bunt bedruckt, das ihr sehr gut stand. Wann immer sie mit ihrer Hündin durch den Wald wanderte, trug sie wasserdichte Sportschuhe, denn das Laub auf dem Waldboden war oft nass ebenso wie die Wiesen, über die sie ging.

„Wie schaffen Sie es nur, dass der Hund so brav bei Ihnen liegen bleibt?“ fragte sie ihn nun. „Der Hund ist schon etwas älter und liebt es, mich überall hin begleiten zu dürfen,“ erwiderte er. Lisa, deren Hündin noch ein Welpe war und zudem gerne allem, was flog oder rannte, nachjagte, besuchte zwar die Hundeschule mit ihr, doch war es ihr bisher nicht gelungen, sie einzubremsen. Daher musste die Hündin stets an der Leine nebenher trotten. Lisa hatte schon mehrmals versucht, sie laufenzulassen, doch es endete jedes Mal mit einer Hetzjagd hinter einem Hasen oder einem Reh oder einer Katze.

Der Mann sagte zu Lisa: „ihr Hund ist ja noch jung, der wird schon noch braver.“

Lisa fragte zweifelnd: „meinen sie wirklich? Ich weiß nicht recht. Sie ist so jagdgesteuert. Na, ja, vielleicht haben sie recht. Sie ist ja erst ein halbes Jahr alt.“

Nachdem sie sich von ihm verabschiedet hatte, setzte sie ihren Weg fort. Unterwegs fand sie noch einige Steinpilze und Eierschwammerl. „Wie gut, dass ich den Korb mitgenommen habe“, dachte sie bei sich.

Einige Monate waren bereits vergangen, als sie den Mann aus dem Wald wieder traf.

Lisa, die gerade mit ihrer Hündin die Gegend erkundete, kam an einem großen Gestüt vorbei, das sich etwa zehn Kilometer von ihrem Haus entfernt befand. Darin stand ein langgezogenes Haus aus Stein. Daneben lagen die Stallungen, in denen etwa 20 Pferdeboxen waren. Vor den Boxen war eine große, eingezäunte Wiese. Diese wurde durch einen elektrischen Zaun gesichert. Etwa zehn wunderschöne Pferde standen auf der Wiese und zupften das Gras mit ihren weichen Mäulern ab. Einige waren braun, andere gesprenkelt, wieder andere waren weiß. Auch ein schwarzer Friese war dabei. In einer der Boxen stand ein Falbe. Lisa entdeckte auch eine Stute mit ihrem Fohlen, das gerade bei der Mutter trank. Zwei langhaarige Hütehunde liefen bellend auf Lisa zu. Einer war schwarzweiß, der andere hellbraunweiß gesprenkelt.

Vor Lisa stoppten sie, nahmen eine imposante Haltung an und bellten laut.

Lisa, die sich dadurch nicht einschüchtern lies, sprach die beiden mit ruhiger Stimme an: „Na, ihr beiden, wollt ihr mich etwa mit Haut und Haaren fressen? Ich tue euch doch gar nichts. Ich will mir bloß die wunderschönen Pferde ansehen.“

Die Hunde hielten erstaunt inne, denn sie waren irritiert, weil Lisa sich von ihrem Gehabe überhaupt nicht beeindruckt zeigte. Auch Emma nahm den Angriff gelassen hin.

Sie gähnte, als ob es sie langweilte. Neugierig beschnupperten die beiden nun die „Eindringlinge“. Lisa hielt ihnen die flache Hand hin und sagte: “Ja, riecht nur, wir sind euch nicht feindlich gesinnt. Ich glaube, ihr habt es jetzt begriffen.“ Tatsächlich ließen die Hunde von ihnen ab und liefen zurück zum Haus. Lisa und Emma schienen ihnen nicht interessant genug.

Gerade wollte Lisa ihren Weg fortsetzen, als ein Reiter aus dem Gestüt kam. Er saß auf einem braunen Wallach mit schwarzer Mähne. Beim Näherkommen erkannte Lisa den Mann auf dem Pferd. Es war der Holzfäller aus dem Wald, mit dem sie sich vor Monaten, damals im Herbst, kurz unterhalten hatte. Mittlerweile war der Frühling ins Land gezogen, der wenige Schnee, den der Winter beschert hatte, war restlos geschmolzen, die Wiesen waren saftig grün, da es im April häufig geregnet hatte.

Nun war es Anfang Mai, die Sonne schien und die Natur zeigte sich bereits in ihrer vollen Pracht.

Der Reiter trug ein blaues Jeanshemd, eine braune Lederhose, hochhackige Stiefel mit Sporen. Auf dem Kopf trug er einen Lederhut, so wie ihn Cowboys trugen. Er tippte mit der rechten Hand an die Hutkrempe und grüßte Lisa. Irgendwie kam ihm die Frau bekannt vor, doch er wusste nicht, woher er sie kannte.

Er sagte zu Lisa: „Irgendwoher kenne ich sie, aber es fällt mir im Augenblick nicht ein, woher.“ Lisa antwortete: „Wir haben uns vor Monaten im Wald getroffen. Sie haben gerade Bäume geschnitten.“ „Ja, jetzt erinnere ich mich wieder“, antwortete der Mann.

Er stellte sich ihr vor: „ich heiße übrigens Max Karner. Und wie heißen Sie?“ „Mein Name ist Lisa Winter“, erwiderte sie. „Gehört das Gestüt ihnen?“ fragte sie ihn nun. „Ja, ich bin einer der Besitzer. Seit einem halben Jahr haben wir auch Schulpferde. Deshalb gibt es bei uns neuerdings auch Reitunterricht. Außerdem haben wir in unserem Team auch ein paar Therapeutinnen, die Hippotherapie bzw. heilgymnastisches Voltigieren anbieten.“

Lisa sah ihr Gegenüber erstaunt an. „Jetzt wohne ich schon so lange hier, aber bisher habe ich den Reiterhof überhaupt nicht wahrgenommen.“ „Er ist auch erst vor einem Jahr gebaut worden.“ Lisa erkundigte sich, ob für ihren Sohn noch eine Therapeutin verfügbar wäre. Max bejahte es und bat Lisa, doch einmal mit ihm vorbeizukommen, um zu sehen, welche Art Therapie für ihn passend war, bzw. welche der Heilpädagoginnen ihn übernehmen sollte.

Lisa bedankte sich bei Max und sagte: „Ich will sie nicht länger aufhalten. Sie wollten gerade ausreiten. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Ritt.“

Max bedankte sich, gab dem Pferd die Sporen und stob davon.

Zu Hause erzählte Lisa ihrem Mann von ihrer Begegnung auf dem Reiterhof und von der Möglichkeit der Therapie für Manuel. Er war zwar nicht sonderlich begeistert, doch gab er schließlich sein Einverständnis.

Eine Woche danach fuhr Lisa mit Manuel zu dem Gestüt. Max war nicht da, hatte jedoch ein Treffen zwischen ihr und Monika, der Therapeutin arrangiert, die sich Manuel ansehen sollte, um zu entscheiden, wie die Therapie aussehen würde.

Ein wenig war Lisa enttäuscht. Sie hatte gehofft, Max anzutreffen, doch der war gerade mit seinem Pferd ausgeritten und wurde nicht so bald zurückerwartet.

Manuel sollte künftig einmal wöchentlich zum heilpädagogischen Voltigieren kommen. Das Pferd, das Monika ihm zugeteilt hatte, war ein etwas älterer, sehr gutmütiger Wallach, der schon längere Zeit für diese Art der Therapie verwendet worden war.

Es war ein braungescheckter Isländer namens Flick, der gerade die richtige Größe für Manuel hatte.

Monika hatte ihn mit einem Halfter aus der Herde herausgeführt und am Holm festgebunden, der sich vor der Reithalle befand. Die Halle lag etwas abseits hinter den Stallungen. Monika drückte Manuel eine Bürste in die Hand und wies ihn an, das Pferd zu bürsten. Währenddessen sah Lisa sich um. In einem Raum neben der Halle waren sämtliche Halfter und Pferdegeschirre an Haken an der Wand aufgehängt. Darunter stand der jeweilige Name des Pferdes. Oberhalb hingen die Decken und die Sättel an Stangen, die an der Wand montiert waren. Weiters hingen noch einige lange Longier-Gurte an den Wänden und kleinere und größere Gerten lehnten an der Wand. Etwas weiter hinten stand ein „Bock“ auf dem die Kinder übten, bevor sie aufs Pferd gesetzt wurden.

Nachdem Manuel das Fell des Tieres ordentlich gebürstet hatte, zeigte Monika ihm noch, wie man die Hufe auskratzte, nahm Flick das Halfter ab und legte dem Pferd die Trense an. Dann brachte sie Flick in die Halle.

Da Manuel nicht in der Lage war, das Pferd alleine zu besteigen, stellte Monika ihm eine Holzleiter neben Flick, zeigte ihm, wie er sich an dem Voltigier Gurt festhalten konnte, nahm seinen rechten Fuß und schwang ihn über den Pferderücken. Nun saß Manuel auf dem Pferd, das keinen Sattel trug, dafür aber eine feste Decke. Monika sprach nun mit ruhiger Stimme auf Manuel ein, während sie Flick an der langen Longe im Kreise führte.

Zunächst hielt sich Manuel noch krampfhaft an dem Voltigier Gurt fest, doch je länger das Pferd langsam und entspannt im Kreis trottete, umso sicherer wurde er, bis er schließlich sogar die Hände in die Höhe streckte, so wie Monika es von ihm forderte.

„Für heute lassen wir es genug sein“, sagte sie nun zu Lisa. Wir wollen ihn nicht überfordern, sonst verliert er das Vergnügen daran. Es soll ihm ja richtig Spaß machen.“

Sie half ihm vom Pferd herunter und führte Flick vor die Halle, wo sie ihm den Gurt, die Decke und die Trense abnahm und ihm das Halfter, das am Holm verblieben war, wieder anlegte. Sie brachte Flick nun seine Belohnung, die aus ein paar Karotten bestand. Zu Manuel gewandt, sagte sie: „Komm streichle dein Pferd und sag ihm, wie brav er war.“ Manuel strich über den Pferdehals, schmiegte sich an Flick und sagte: „Flick brav.“ Monika führte Flick wieder zurück auf die Weide, wo sie ihn inmitten der Herde vom Halfter befreite und ihm einen leichten Klaps auf den Hintern gab. Er trabte sogleich davon.

Lisa bedankte sich bei der Therapeutin, besprach mit ihr noch die nächsten Termine und die Zahlungsmodalitäten. Danach nahm sie Manuel an der Hand, ging mit ihm zum Auto, half ihm hinein und schnallte ihn an. Dann setzte sie sich hinters Steuer und schickte sich an, loszufahren, als ihr bei