Der Zwischendurch-Mann - Helga Gurtner - E-Book

Der Zwischendurch-Mann E-Book

Helga Gurtner

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Beschreibung

Tobias ist schwer verliebt in Tanja. Sie ist eine wunderschöne Frau. Aber Tanja sieht in ihm immer nur den guten Freund, an dessen Schulter man sich ausweinen kann, wenn‘s mal nicht so richtig klappt. Viel zu spät erkennt sie, dass er eigentlich die Liebe ihres Lebens ist. Als er nach Australien geht, um dort im Restaurant eines Freundes österreichische Spezialitäten zu kochen, glaubt sie ihn für immer verloren. Wird sie ihn je wiedersehen? Wird es ein Happy End für die beiden geben?

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Prolog:

Tobias ist ein gutmütiger junger Mann, der schwer verliebt ist. Verliebt in eine hübsche junge Frau namens Tanja. Er würde alles für sie tun, doch seine Liebe wird auf eine harte Probe gestellt. Tanja benutzt ihn immer wieder als Lückenbüßer, wenn sie gerade mal wieder Single ist oder eine Schulter zum Ausweinen sucht. Eines Tages wird es ihm zu bunt. Erst, als Tobias für immer verloren scheint, bemerkt Tanja, welch ein toller Mann er für sie gewesen war und sie versucht alles in ihrer Macht Stehende, um ihn zurückzugewinnen.

Tanja Baumann, eine hübsche Brünette um die Dreißig, mit wunderschönen rehbraunen Augen, stand versonnen auf ihrem mit Blumen geschmückten Balkon in der kleinen, aber feinen Stadtwohnung, in der sie seit ein paar Jahren als Mieterin lebte.

Seit Tobias endgültig weg war, lebte sie allein in dieser Wohnung.

Wie immer, wenn sie zu Hause war, trug sie ihren bequemen mintgrünen Hausanzug, der ihr besonders gut stand. Ihr gepflegtes langes Haar fiel in weichen Wellen ihre schmalen Schultern hinab. Ihr fein geschnittenes Gesicht war braungebrannt, denn Tanja liebte es, mindestens einmal am Tag joggen zu gehen, um ihre schmale Figur zu halten und um fit zu bleiben. Zudem besuchte sie gerne ein nahegelegenes Sonnenstudio, wo sie ihre Bräune im Solarium vertiefte. Manchmal ging sie schon vor dem Frühstück Laufen, duschte, frühstückte und fuhr dann in ihre Firma. Sie hatte freie Zeiteinteilung, denn sie war die Managerin der Abteilung „Medical Care and Development“. Sie hatte zehn Außendienstmitarbeiter, eine Sekretärin und einen Produkt Manager in ihrem Team, mit dem sie im Allgemeinen sehr gut zurechtkam.

Lediglich mit Susanne Krainer, der Pharmareferentin für den Süden Österreichs, hatte sie ein etwas angespanntes Verhältnis. Das lag daran, dass Tanja ihr den Freund im Vorjahr ausgespannt hatte, der ebenfalls in ihrer Abteilung im Außendienst tätig gewesen war und nach der kurzen, aber heftigen Affäre gekündigt und bei der Konkurrenz angeheuert hatte.

Susanne, eine kleine, etwas korpulente Mitzwanzigerin, mit kurzem roten Haar und Sommersprossen im Gesicht, hatte der Anmut und dem Liebreiz ihrer Chefin nichts entgegenzusetzen. Bei einer Firmenweihnachtsfeier im Büro, bei der die Partner der Kolleginnen und Kollegen ebenfalls eingeladen waren, hatten sich Tanja und Marco näher kennengelernt. Beide hatten bereits eine Menge alkoholischer Getränke konsumiert und nachdem sie sich stundenlang unterhalten hatten, verschwanden sie in eines der Büros und küssten sich wild und leidenschaftlich. Da war ein Funke bei den beiden übergesprungen und während Marco sich gerade anschickte, Tanjas Bluse zu öffnen, kam Susanne herein, die ihren Freund gesucht hatte. Sie blieb mit offenem Mund stehen und als sie sich etwas gefasst hatte, schrie sie Marco an: „Verschwinde aus meinem Leben, du Scheißkerl. Ich habe dir vertraut. Hau ab, hol deine Sachen aus meiner Wohnung und hau ab, so schnell du kannst. Ich will dich nie wiedersehen, hörst du?“

Marco wollte etwas erwidern, doch Susanne war rausgerannt, als ob der Teufel hinter ihr her wäre.

Sie hatte die Tür hinter sich heftig zugeschlagen und rannte völlig in Tränen aufgelöst in ihr Büro, holte ihre Tasche und verließ das Gebäude, bevor sie von Jemandem bemerkt wurde.

Marco zuckte entschuldigend die Schultern und sah Tanja direkt in die Augen: „Es tut mir leid.“

Er half ihr, die Bluse wieder anzuziehen und sagte: „Wir sollten es besser lassen. Das war kein guter Start!“

Tanja nickte und rutschte von dem Schreibtisch herab, auf dem sie gesessen hatte, als Marco sie auszuziehen begann.

„Wir können uns ja ein anderes Mal sehen“, sagte sie. Doch Marco, der ein sehr schlechtes Gewissen hatte, meinte nur: „Ich denke, es hat keinen Sinn mit uns beiden. Es war nur der Alkohol. Normalerweise bin ich eine treue Seele. Nichts für Ungut. Du bist eine wunderschöne Frau und hast es gar nicht nötig, mit einem wie mir herumzumachen!“

In der Tat war Marco kein besonders schöner Mann, dafür hatte er aber einen gewissen Charme und seine sonore Stimme hatte es Tanja angetan. Überhaupt liebte sie Männer mit einer tiefen, vibrierenden Stimme.

Marco war vierzig Jahre alt, etwa 1,78 groß und hatte schütteres, graumeliertes Haar. Seine Augen waren graublau, seine Statur war kräftig und ein kleiner Wohlstandsbauch lugte bei seinem weißen Hemd hervor. Er trug einen mausgrauen Anzug und dazu eine bunte Krawatte.

Die schwarzen Lacklederschuhe waren blank geputzt. Alles in allem war er eine biedere Erscheinung, also eigentlich so gar nicht Tanjas Beuteschema.

Marco war ein sehr erfolgreicher Außendienstmitarbeiter für das nördliche Gebiet Österreichs und Susanne hatte ihn vor vier Jahren bei einem Teammeeting kennengelernt und sich Hals über Kopf in ihn verliebt.

Seit damals waren die beiden ein Paar. Eigentlich wurde diese Liaison unter Kollegen von der Geschäftsleitung nicht besonders gern gesehen, doch da sie hervorragende Umsätze einfuhren und bei den Kunden der Firma besonders beliebt waren, wurde das intime Verhältnis der beiden stillschweigend toleriert.

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Tanja ließ es nicht dabei bewenden. Sie rief ihn ein paar Tage später an und bat um ein Treffen. Er winkte ab, doch Tanja blieb hartnäckig. Sie war gerade solo und wollte ihn um jeden Preis.

Klar, Susanne war nicht gut auf sie zu sprechen seit dem Vorfall, doch Tanja war ihre Chefin und saß am längeren Ast. Da Susanne auf den gut dotierten Job angewiesen war, hielt sie sich zurück. Sie hatte sich von Marco getrennt, nachdem er ihr erklärt hatte, dass er seine Chefin äußerst attraktiv fand.

Eigentlich musste sie Tanja sogar dankbar sein, denn nach der Trennung von Marco fand sie einen tollen Mann, der gleich alt war, sie abgöttisch liebte und sie heiraten wollte. Er war sehr kinderlieb und konnte es kaum erwarten, endlich eigene Kinder zu haben. Sie hatte ihn in einem Kaufhaus kennengelernt.

Er hieß Gerhard, war groß und schlank, Brillenträger, hatte dichtes blondes Haar und war eine gepflegte Erscheinung. Er hatte ein gewinnendes Lächeln und sein Charme beeindruckte Susanne vom ersten Augenblick an. Gerhard war ein sportlicher Typ. Er trug gern Jeans und weite Pullover und er übte so ziemlich jede Sportart aus, die Susanne kannte. Je länger die beiden zusammen waren, desto aktiver wurde auch Susanne. Kilo um Kilo purzelte und sie mauserte sich zu einer äußerst attraktiven Person.

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Tanja terrorisierte Marco mit ihren Anrufen so sehr, dass er einem Treffen zustimmte, um ihr persönlich zu sagen, dass er nichts mehr von ihr wissen wollte. Zu sehr schmerzte ihn die Trennung von Susanne. Er war sich eigentlich keiner Schuld bewusst, denn er hatte ja kein

Verhältnis mit seiner Chefin gehabt und es war auch nicht zum Sex zwischen ihnen gekommen.

Er traf sich mit Tanja in einem kleinen Cafe. Nachdem sie eine Weile diskutiert hatten, wollte Marco gehen. Tanja umwarb ihn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mittel. Sie drückte auf die Tränendrüsen, hoffte, ihn mit der Mitleidmasche zu gewinnen, erzählte ihm von ihrem Exfreund, der sie kaltlächelnd abserviert hatte und von einer Fehlgeburt, die sie erst kürzlich erlitten hatte.

Irgendwann sprang Marco auf den Zug auf, tröstete sie und brachte sie anschließend nach Hause.

An der Haustüre wollte er sich verabschieden, doch Tanja zog alle Register, drohte mit Selbstmord und brachte ihn schließlich dazu, ihr in die Wohnung zu folgen.

Sie bat ihn, es sich auf dem Sofa bequem zu machen und verschwand im Schlafzimmer, zog sich um und kam zurück, bekleidet mit einem roten, seidenen Morgenmantel, der vorne offen stand und den Blick frei gab auf feine seidene, spitzenbesetzte Unterwäsche, ebenfalls in Rot.

„Möchtest du was trinken, Schatz?“ fragte sie ihn.

Verlegen sah er sie an. Er ahnte, was jetzt kam. Sie wollte ihn eindeutig verführen. Was sollte er nur tun?

Würde er dann seine Ruhe haben, wenn er sich dieses eine Mal auf das Spiel einließ? Immerhin war sie seine Chefin.

Ein Verhältnis mit seinem Boss war so ziemlich das Letzte, was er gebrauchen konnte. Schließlich würde er zum Getratsche in der Abteilung beitragen und von seinen Kolleginnen und Kollegen gemobbt werden. Aber Tanja war eine äußerst attraktive Person und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann erreichte sie es auch. Und überhaupt, was war schon dabei, wenn er mit ihr schlief. Vielleicht genoss er danach gewisse Privilegien und möglicherweise würde er eine, seiner Ansicht nach längst fällige, Gehaltserhöhung bekommen, wenn er sie hofierte. Also spielte er das Spiel mit und ließ sie gewähren.

Tanja brachte Sektgläser und holte eine Flasche gekühlten halbtrockenen Sekt aus dem Kühlschrank. Sie war gut vorbereitet. „Komm, trinken wir auf uns. Zwischen uns hat es doch gefunkt. Ich habe es ganz genau gespürt. Und du auch, das weiß ich. Jetzt, da du Single bist, können wir doch da weitermachen, wo wir aufgehört haben, nicht wahr?“ Kokett sah sie ihn an, leckte ihre Lippen und setzte ihre Körpersprache perfekt ein, um ihn aus der Reserve zu locken.

Sie setzte sich neben ihn auf die Couch, lehnte sich eng an ihn und rieb ihren Kopf an seiner Schulter. Ihre Hand lag auf seinem rechten Oberschenkel und begann, ihn zu streicheln.

Mit der anderen Hand fuhr sie sanft durch sein Haar, bog seinen Kopf zu ihr und küsste ihn. Zuerst zaghaft, dann immer mutiger, bis die beiden engumschlungen auf der Couch lagen.

Sie öffnete sein Hemd und seine Hose, während er ihr den Morgenrock auszog und hinter sich auf den Boden warf. Nun zog sie ihm die Hose aus und warf sie hinter sich auf den Teppich.

Er tastete sich an ihrem nackten Körper entlang, küsste ihre Brüste und nahm sie heiß und wild. Noch nie hatte er den Höhepunkt so intensiv erlebt, wie mit Tanja. Gewiss, mit Susi war es auch schön gewesen, doch Tanja war etwas Besonderes. Sie konnte einen Mann erregen, bis er schwindlig vor Lust wurde.

Sie entschuldigte sich, nahm ihre Sachen, verschwand im Badezimmer und machte sich frisch. Er zog sich an und sah sich um.

Tanjas Wohnzimmer war modern eingerichtet. Die Couch war aus weichem, weißem Leder gefertigt, der Couchtisch aus grauem Rauchglas. Auf der gegenüberliegenden Wand stand ein weißer Hochglanzschrank, in dem der Fernseher integriert war. An der Wand hinter der Couch hing ein Bild eines modernen Künstlers. Es war ein eigenartiges Farbenspiel, doch Marco konnte nicht sagen, was es darstellen sollte. Dazu fehlte es ihm an Fantasie.

Als Tanja zurückkam, waren ihre Haare nass. Offensichtlich hatte sie geduscht. Sie roch angenehm nach parfümiertem Duschgel. Sie sah ihn an und fragte: „Bist du hungrig? Soll ich uns eine Pizza bestellen? Oder willst du lieber ein Menü vom Chinesen?“

Marco betrachtete sie. Er musste zugeben, sie war eine wunderschöne Frau. Ein makelloser Körper, ein fein geschnittenes Gesicht, wunderschöne braune Haare, die ihr in feinen Wellen über die Schultern herabfielen. Ihre rehbraunen Augen wirkten unschuldig und sanft.

„Lieber etwas vom Chinesen, Tanja“, sagte er nun.

Tanja orderte telefonisch ein paar chinesische Spezialitäten und bereitete in der Küche Teller und Besteck vor.

Die Küche war nicht sehr groß. Das musste sie auch nicht sein, denn Tanja kochte nur äußerst selten. Meistens aß sie Chinesisch oder Italienisch, manchmal auch Junkfood und häufig bestellte sie ihr Essen telefonisch. Selten ging sie ins Chinarestaurant oder zum Italiener. Gelegentlich auch zu McDonald.

Als Tobias noch mit ihr zusammen war, kochte er stets. Und er kochte gut. Er verwöhnte sie mit Speisen, die sie mochte. Tobias war gelernter Koch und Kellner.

„Ja, Tobias“, dachte sie versonnen. Wie gut sie es doch bei ihm gehabt hatte. Er liebte sie wirklich abgöttisch.

Sie hatte ihn immer wieder abserviert, wenn sie ein neues „Opfer“ gefunden hatte und war dann reumütig zu ihm zurückgekehrt, wenn die Beziehung wieder einmal in die Brüche gegangen war. Tanja verliebte sich schnell, doch genauso schnell wurde ihr langweilig. Ihre Beziehungen hielten allesamt nicht länger als ein paar Monate.

Tobias hatte sie stets getröstet und war immer für sie dagewesen, doch eines Tages hatte sie ihn für immer vergrämt. Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, sagte sie ihm auf den Kopf zu, dass sie ihn nur als guten Freund, nicht aber als Langzeitpartner wahrnahm. Er hatte sie traurig angesehen und gemeint: „Ich bin immer nur dein Zwischendurch-Mann, dein Lückenbüßer!

Mehr kann und werde ich nie für dich sein. Deshalb denke ich, dass es besser ist, wenn ich gehe. Ich habe einen Job in Australien angenommen. Ein guter Freund von mir eröffnet dort ein Lokal. Ich steige bei ihm ein. Ich wünsche dir alles Gute. Hoffentlich findest du eines Tages den Mann, den du seit Jahren suchst. Eine Zeit lang dachte ich, ich könnte dieser Mann sein. Ich dachte wirklich, dass du dich nur ausleben musst, um dann zu erkennen, dass wir beide füreinander geschaffen sind. Doch jetzt weiß ich, dass ich keine Chance habe.

Mach´s gut, Tanja. Leb wohl und mach nicht alle Männer unglücklich.“

Tanja hatte ihn irritiert angesehen. Sie hatte ihn aufgefordert, zu bleiben. „Bitte bleib hier, Tobias, ich brauche dich doch so sehr. Ich hab dich wirklich gern. Du bist fast wie ein Bruder für mich.“

„Siehst du? Du sagst es selbst. Ich bin fast wie ein Bruder zu dir, doch ich wollte nie dein Bruder sein, sondern dein Mann, Tanja. Aber du hast in mir nie den Mann gesehen, der dich begehrt, sondern den Mann, der dich tröstet, wenn du wieder einmal gekränkt oder einsam warst.“

Tanja spürte, dass es ihm ernst war. Sie versuchte es noch mit ein paar Tränchen, doch er winkte ab: „Diesmal kochst du mich nicht mehr weich, Tanja. Ich liebe dich immer noch, aber ich habe mich entschieden. Hier und jetzt trennen sich unsere Wege. Meine Sachen werden von meiner Schwester in den nächsten Tagen abgeholt. Sie ruft dich vorher an.“ Er legte die Wohnungsschlüssel auf den Couchtisch und verließ die gemeinsame Wohnung.

Seither war ein halbes Jahr vergangen. Sie hatte nichts mehr von Tobias gehört. Jennifer, seine Schwester, hatte seine Sachen eine Woche später abgeholt. Sie war sehr reserviert gewesen. Jennifer mochte ihren Bruder sehr und wusste, wie sehr ihn Tanja gekränkt hatte. Sie hatte ihm immer wieder gut zugeredet, dass er Tanja vergessen sollte, dass sie ihn nur ausnutzte und dass er Besseres verdient hatte. Nun war genau das passiert, was sie ihrem Bruder vorhergesagt hatte.

Kurz nach Tobias Abreise lernte Tanja Manfred kennen. Sie hatte eine kurze, aber sehr intensive Beziehung mit dem einige Jahre jüngeren, attraktiven Mann und zum ersten Mal dachte sie daran, zu heiraten, eine Familie zu gründen und sesshaft zu werden. Eines Tages bemerkte sie, dass ihre Periode ausblieb. Sie litt unter Erbrechen und Stimmungsschwankungen und irgendwann kam ihr der Verdacht, dass sie vielleicht schwanger war. Ein Test ergab ein positives Ergebnis. Als sie Manfred erzählte, dass sie ein Kind von ihm erwartete, schrie er sie an: „Du hast mich hereingelegt, Tanja.

Ich will mich noch nicht binden und schon gar nicht will ich Vater spielen. Lass es doch einfach wegmachen. Ich bezahle dir die Abtreibung“. Tanja sah ihn entsetzt an. Diese Reaktion hatte sie nicht erwartet. Im Gegenteil, sie dachte, dass er sich freuen würde und um ihre Hand anhalten wollte. Doch Manfred sagte nur: „Wir hören voneinander, wenn du Geld für den Abbruch brauchst. Ansonsten war´s das! Ich wünsch dir noch viel Glück.“ Er knallte die Tür hinter sich zu und meldete sich nicht mehr.

Tanja wollte das Kind unbedingt behalten, denn ihre biologische Uhr tickte und mittlerweile hatte sie sich mit dem Gedanken angefreundet, Mutter zu werden. Sie strich sanft mit der Hand über ihren Bauch und sagte: „Dann muss ich dich eben allein großziehen. Wir zwei sind stark, wir schaffen das!“

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Aber noch war es nicht so weit!

Tanja saß mit Marco in ihrer kleinen cremefarbenen Küche, die modern eingerichtet war und in der sich ein Esstisch aus weißem, lackiertem Holz mit vier weißen, lederbezogenen Sesseln befand.

Von der Küche aus gelangte man auf einen kleinen Balkon, wo Tanja einige Topfpflanzen in Betonwannen stehen hatte, die im Frühling und Sommer, ja bis in den Oktober wunderschön bunt blühten.

Sie betrachtete Marco. Noch vor einer halben Stunde hatte sie sich mit ihm auf der Couch lustvoll gerekelt und nun saßen sie sich gegenüber und Tanja dachte bei sich: „Er kann Tobias nicht den kleinen Finger reichen. Er ist weder so klug noch so charmant wie er und hat auch nicht so einen tollen Körper wie er. Warum hatte sie das nie gesehen, wie toll Tobias aussah. Groß, schlank, braungebrannt, markantes Gesicht, braunes Haar und dunkelbraune Augen. Tobias Kaufmann war leidenschaftlicher Radfahrer und Wanderer. Er liebte die Natur und war täglich draußen unterwegs. Bei jedem Wetter.

Tobias war kaum älter als sie und die beiden kannten sich schon einige Jahre. Sie hatte ihn zufällig auf dem Parkplatz vor einem Schuhgeschäft getroffen. Sie trug eine Tasche mit den soeben gekauften Schuhen in der Hand und blickte nach unten, um ihren Autoschlüssel aus der Handtasche zu holen. Da fiel ihr die Tasche zu Boden und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, fiel auch noch die Handtasche und der Inhalt verteilte sich über den Boden. Er sammelte die Utensilien ein, hob die Handtasche und das Sackerl mit den neuen Schuhen auf und reichte sie Tanja und sie stammelte ein schüchternes:

„Danke“. Er sagte: „Keine Ursache.“ Gerade wollte er gehen, da sagte Tanja zu ihm:

„Wie kann ich mich bedanken? Darf ich sie auf einen Cafe einladen?“

Zunächst wollte er ablehnen, aber da ihm Tanja ausnehmend gut gefiel, sagte er schließlich zu. Später wurde aus der zufälligen Begegnung Freundschaft und eines Tages schliefen sie miteinander. Doch Tanja spielte mit seinen Gefühlen. Tobias war Tanja zu zahm, zu gewöhnlich, um nicht zu sagen, etwas zu spießig. Tanja liebte Action, reiste vorzugsweise in ferne Länder, am liebsten ans Meer und tanzte leidenschaftlich gern.

Tobias machte es sich abends lieber auf der Couch bequem, während es Tanja eher in Bars trieb. Dort fand sie auch den einen oder anderen Mann, der dann für eine Zeit lang ihr Partner war, aber mit keinem hielt sie es länger aus. An jedem fand sie eine störende Eigenschaft. Keiner war ihr gut genug und sie langweilte sich schnell.

In Tobias hatte sie immer nur einen guten Freund gesehen, mit dem sie alles teilen konnte, mit dem sie über alles reden konnte und der sie verstand, sie tröstete und sie aufrichtete, wenn sie wieder einmal am Boden zerstört war.

Ihre Gedanken kehrten zurück zu ihrem Gegenüber. Marco war nett, aber das war auch schon alles. Sie würde sich eine Zeit lang mit ihm treffen, bis ihr etwas Besseres über den Weg lief.

In diesem Augenblick unterbrach die Türklingel ihre Gedanken. Sie öffnete die Tür. Der Bote aus dem Chinalokal brachte die bestellten Menüs. Marco zog seine Geldbörse aus der Sakkotasche, bezahlte und gab dem Mann reichlich Trinkgeld.

Tanja nahm die Tüten mit in die Küche und gemeinsam aßen sie die gelieferten Speisen. Danach unterhielten sie sich noch eine Weile, ehe Marco sich verabschiedete.

Ein paar Monate dauerte die Beziehung, dann zog Marco einen Schlussstrich. Er wurde von seinen Kolleginnen und Kollegen wegen seines Verhältnisses zur Chefin gemobbt, wie er es vorhergesehen hatte und ertrug es nicht länger, Susanne mit ihrem neuen Partner so glücklich zu sehen.

Eines Tages bekam er ein Angebot einer Konkurrenzfirma. Da er in seinem bisherigen Job keine großen Aufstiegsmöglichkeiten sah, kündigte er und nahm das Angebot an.

Zunächst wollte Tanja ihn überreden, zu bleiben, denn Marco war ein ausgezeichneter Mitarbeiter, der die meisten Umsätze brachte, doch als sie merkte, dass er sich nicht umstimmen ließ, gab sie auf. „Heißt das, dass unsere Beziehung nun zu Ende ist?“ fragte sie ihn. „Ja, Tanja, ich denke, es ist an der Zeit, zu gehen.

Sei ehrlich, wir beide passen nicht wirklich zusammen. Deine Ansprüche an einen Mann sind viel zu hoch und ich kann ihnen nicht gerecht werden.

Du bist eine wunderbare Frau, aber du bist auch kalt wie eine Hundeschnauze, wenn du etwas nicht bekommst. Ich wünsch dir noch viel Glück.“

Damit ging er und Tanja hörte nie mehr etwas von ihm.

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Nun stand sie auf ihrem kleinen Balkon und blickte versonnen auf die Häuser unter sich. Ihre Wohnung lag im fünften Stock des Mietshauses und wenn sie nach unten blickte, sahen die Menschen winzig klein aus. Auch die Autos wirkten viel kleiner. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein großer Parkplatz, auf dem reger Verkehr herrschte, denn er gehörte zu einem Supermarkt, der stark frequentiert war.

In ihrem Kopf lief ein Film ihres bisherigen Lebens in Schnellformat ab. Sie war die behütete Tochter eines reichen Bankiers und einer sehr erfolgreichen Geschäftsfrau, die ein weltweites Transportunternehmen führte. Wenngleich ihre Eltern selten Zeit für sie hatten, und sie ein Einzelkind war, hatte sie doch eine glückliche Kindheit gehabt, denn ihre Großeltern, bei denen sie häufig untergebracht war, liebten sie abgöttisch und kümmerten sich rührend um sie. Ihr Kindermädchen, mit dem sie sich sehr gut verstanden hatte und das viel mit ihr unternahm, war fast wie eine große Schwester, die sie sich immer gewünscht hatte.