Wer mit Desperados reitet - Frank Callahan - E-Book

Wer mit Desperados reitet E-Book

Frank Callahan

0,0

Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Er war ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte. »Black« Wayne Carrigan. Lange war er einer der gefürchtetsten Banditenjäger des Westens gewesen, aber dann war jener schreckliche Tag gekommen, den er bis an sein Lebensende niemals vergessen würde. Es war der Tag, an dem er Jenny gefunden hatte. Tot. Ermordet von gnadenlosen Schuften, die sich auf diese Weise an ihm rächen wollten. Wayne Carrigan war ein anderer Mann geworden. Bitterkeit und Haß fraßen ihn innerlich auf. Der Anblick seiner toten Braut verfolgte ihn bis in seine Träume hinein. Und ein unerbittliches Schicksal holte bereits zu einem neuen Schlag aus… Der Mann, der an einem Ecktisch im Indian Saloon von Tubaco saß, hatte seinen Kopf auf die angewinkelten Arme gelegt. Daneben stand eine leere Whiskyflasche. Brodelnder Stimmenlärm erfüllte die Schenke mit pulsierendem Leben. Tabakqualm hing wie eine bläuliche Wolke über den Köpfen der Männer, die an Tischen saßen oder sich am Tresen drängten. Es roch nach abgestandenem Bier, nach Schweiß und anderen unangenehmen Ausdünstungen. Der Mann richtete nun seinen Oberkörper auf und sah sich mit trunkenem Blick um. Seine Kleidung wirkte verschlissen und abgenutzt. Ein fleckiger Stetson lag am Boden. Er strich sich mit fahriger Geste durch sein dunkles, strähniges Haar, das an den Schläfen silbern schimmerte. Die Bewegung riß ihn fast vom Stuhl. Dann tastete seine Hand nach der Whiskyflasche. Der wie ein Tramp wirkende Mann setzte die Flasche an die Lippen. Er schluckte und schluckte und schien nicht zu merken, daß kaum noch ein Tropfen darin war. Einige Gäste starrten zu Wayne Carrigan hinüber, der die leere Bottle

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 138

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die großen Western – 188 –

Wer mit Desperados reitet

Frank Callahan

Er war ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte. »Black« Wayne Carrigan. Lange war er einer der gefürchtetsten Banditenjäger des Westens gewesen, aber dann war jener schreckliche Tag gekommen, den er bis an sein Lebensende niemals vergessen würde. Es war der Tag, an dem er Jenny gefunden hatte. Tot. Ermordet von gnadenlosen Schuften, die sich auf diese Weise an ihm rächen wollten.

Wayne Carrigan war ein anderer Mann geworden. Bitterkeit und Haß fraßen ihn innerlich auf. Der Anblick seiner toten Braut verfolgte ihn bis in seine Träume hinein.

Und ein unerbittliches Schicksal holte bereits zu einem neuen Schlag aus…

Der Mann, der an einem Ecktisch im Indian Saloon von Tubaco saß, hatte seinen Kopf auf die angewinkelten Arme gelegt. Daneben stand eine leere Whiskyflasche.

Brodelnder Stimmenlärm erfüllte die Schenke mit pulsierendem Leben. Tabakqualm hing wie eine bläuliche Wolke über den Köpfen der Männer, die an Tischen saßen oder sich am Tresen drängten.

Es roch nach abgestandenem Bier, nach Schweiß und anderen unangenehmen Ausdünstungen.

Der Mann richtete nun seinen Oberkörper auf und sah sich mit trunkenem Blick um. Seine Kleidung wirkte verschlissen und abgenutzt. Ein fleckiger Stetson lag am Boden.

Er strich sich mit fahriger Geste durch sein dunkles, strähniges Haar, das an den Schläfen silbern schimmerte. Die Bewegung riß ihn fast vom Stuhl.

Dann tastete seine Hand nach der Whiskyflasche. Der wie ein Tramp wirkende Mann setzte die Flasche an die Lippen.

Er schluckte und schluckte und schien nicht zu merken, daß kaum noch ein Tropfen darin war.

Einige Gäste starrten zu Wayne Carrigan hinüber, der die leere Bottle absetzte, unverständliche Worte brummte und die Flasche danach einfach fallen ließ. Sie zersprang berstend am Boden. Das Geräusch ließ einige Gäste zusammenzucken.

Carrigan stemmte sich unbeholfen mit beiden Händen auf die Tischplatte und versuchte, seinen Körper aufzurichten. Er schaffte es beim dritten Versuch.

Schwankend, wie ein Grashalm im Frühlingswind, stand der hagere und großgewachsene Mann am Tisch. Er sah sich um, blickte durch die ihn anstarrenden Männer hindurch und setzte sich dann taumelnd in Bewegung. Sein Ziel war der Tresen.

Wayne Carrigan stiefelte kerzengerade und vor sich hin murmelnd auf die Theke zu. Einige Gäste sprangen zur Seite. Ein Stuhl fiel polternd zu Boden.

Hart prallte der Betrunkene gegen den Tresen.

Ein Glas schepperte klirrend gegen ein anderes.

»Whisky«, keuchte Carrigan. Er wollte nach einer Flasche greifen, doch die zupackende Hand des Salooners war schneller.

Carrigans Gesicht verzog sich zu einer Maske. Er fuchtelte mit beiden Händen. Sein Mund öffnete sich. Der Betrunkene ähnelte einem Fisch, der unversehens ans Ufer gespült worden war.

»Whisky«, stammelte Wayne Carrigan. »Gib mir die Flasche, Ben. Ich will Whisky haben.«

Der Wirt schüttelte mit ernstem Gesicht den Kopf. Einige Männer am Tresen feixten.

»Ich bringe dich auf dein Zimmer, Wayne«, sagte Ben Gibbson. »Du hast genug. Du kriegst von mir keinen Schluck mehr. Sei vernünftig.«

Seine Stimme wurde schärfer. Sie reichte aber nicht aus, um von dem Betrunkenen verstanden zu werden.

»Whisky«, brüllte Carrigan los. Dabei schlug er mit der Faust auf den Tresen. Klirrend rutschten einige Gläser davon.

Ben Gibbson schüttelte den Kopf. Es war etwas Endgültiges in dieser Bewegung. Ruhig sah er Wayne Carrigan an, der nun noch stärker schwankte. Sein stoppelbärtiges Gesicht hatte sich gerötet. In seinen Augen war manchmal nur noch das Weiße zu sehen.

»Bringt ihn auf sein Zimmer«, sagte der Salooner zu seinen beiden Barkeepern. »Ihr wißt ja Bescheid. Und wenn er sich wieder wie ein wildgewordener Büffelbulle aufführt, dann legt ihr ihn gefesselt ins Bett. Los, packt schon zu, Jungs.«

Die beiden Keeper traten hinter dem Tresen hervor. Und dann griffen sie blitzschnell zu. Man sah ihnen an, daß sie Erfahrung im Umgang mit Betrunkenen hatten.

Obwohl sich Wayne Carrigan gegen die stählernen Griffe wehrte, hatte er keine Chance. Die beiden bulligen Männer nahmen ihn in die Mitte und schleiften ihn zu der Treppe, die zum oberen Stockwerk führte.

Carrigan schrie, tobte und fluchte.

Viele Gäste wandten sich kopfschüttelnd ab.

Langsam schwoll der Stimmenlärm wieder an. Die meisten Männer hatten schon zu oft miterlebt, wie der betrunkene Carrigan gewaltsam aus dem Schankraum entfernt wurde.

Ben Gibbson fuhr sich mit dem Handrücken über seine ölig glänzende Stirnglatze. Er seufzte tief und schenkte sich dann einen Whisky ein, den er in seine Kehle schüttete.

Einer der Männer am Tresen sagte: »Das ist doch Wayne Carrigan gewesen, Salooner, nicht wahr? Der berühmte Revolvermarshal und Städtebändiger Black Carrigan.«

Ben Gibbson nickte fast widerwillig.

»Das ist lange her, Mister«, antwortete er. »Tausend Jahre und noch länger.«

Der kleingewachsene Bursche sah den Salooner verwundert an, ehe er mit den Schultern zuckte.

»Ich habe viel von Black Carrigan gehört. Er soll ein As mit dem Revolver gewesen sein. Wenn er eine Stadt betrat, um einen Job als Marshal anzunehmen, dann sind die Outlaws gelaufen, daß sie fast die Stiefel verloren haben. Die Banditen haben die Stadt so schnell verlassen wie Ratten ein sinkendes Schiff. So wurde mir wenigstens erzählt. Warum nur wurde er zum Säufer?«

Ben Gibbson antwortete nicht. Er schenkte sich noch einen Whisky ein. Und er hatte den plötzlichen Wunsch, sich mit Whisky bis obenhin vollaufen zu lassen.

*

»Gib auf, Marshal! Du hast keine Chance mehr. Wenn du deinen Colt nicht wegwirfst, legen wir die Lady um. Und du kannst uns glauben, daß wir nicht spaßen.«

Carrigan starrte auf die beiden Banditen, die sich kaum im tiefen Schatten des Cottonwoods abzeichneten. Dunkelheit lag über dem unwegsamen Gelände. Das bleiche Mondlicht reichte nicht aus, um die Konturen deutlicher hervortreten zu lassen.

»Wo ist Jennifer?«

Carrigans Stimme klang ruhig und konzentriert.

Die beiden Banditen, die die Bank von Tubaco im Arizona-Territorium überfallen hatten, bewegten sich nervös. Sie hielten Revolver in den Fäusten, wagten aber nicht zu schießen, denn der Marshal lauerte hinter einer Felsschroffe in sicherer Deckung.

Seit zwei Tagen ritt er auf ihrer Fährte, um die Beute und auch Jennifer Adams zurückzuholen, die von den beiden Outlaws als Geisel entführt worden war.

»Dem Girl geht es gut, Marshal«, sagte einer der Banditen. »Sie liegt hinter uns in einer Höhle. Sie ist erschöpft vom langen Ritt.«

Der andere Bandit fuhr fort: »Du bekommst das Mädchen, wenn du uns reiten läßt. Gib uns einen Vorsprung von zwei Stunden. Versprich es uns, Carrigan, denn wir wissen, daß du ein Mann von Ehre bist, der noch nie sein Wort gebrochen hat.«

Carrigan leckte sich über die Lippen. Er war ganz in schwarzes Leder gekleidet. Auf seiner Hemdbrust war der Marshalstern zu sehen, der leicht funkelte, wenn er das Mondlicht reflektierte.

»Ich will das Mädchen sehen.«

»Sie ist in der Höhle, Marshal, und schläft. Die Strapazen sind zu groß für sie gewesen. Du kannst zu ihr gehen, sobald du uns dein Wort gegeben hast.«

Die Stimme des Banditen vibrierte leicht. Die Outlaws wußten zu gut, daß sie im offenen Kampf kaum eine Chance gegen den harten Städtebändiger hatten. Darum hatten sie auch das Mädchen entführt.

Sie wußten, Marshal Carrigan und Jennifer Adams waren seit Monaten ein Paar und wollten bald heiraten.

Nur so hatten sie sich eine Chance ausgerechnet, Black Carrigan zu entkommen. Und beinahe wäre es ihnen auch gelungen. Die mexikanische Grenze lag zum Greifen nahe. Dann aber war der Marshal aufgetaucht.

Carrigan schätzte seine Chance ab.

Sie waren nicht besonders gut. Und Black Carrigan war ein Mann, der immer wußte, was er riskieren konnte. Vielleicht war dies der Grund, warum er trotz seines ereignisreichen Lebens noch nicht einige Fuß tief unter der Erde lag.

Wenn er angriff, dann schwebte Jennifers Leben in Gefahr. Einer der beiden Bastarde würde die Drohung wahrmachen und auf das Girl schießen. Die Höhle, in der das Girl liegen sollte, war nur wenige Schritte hinter den Outlaws.

»Was ist, Marshal?« fragte einer der Outlaws.

»Wir wollen nicht länger herumtändeln. Du kriegst das Mädchen, und wir verschwinden mit der Beute nach Mexiko. Das ist ein faires Geschäft. Wir können es natürlich auch auskämpfen. Vielleicht schaffen wir dich sogar. Vorher aber wird Jennifer sterben.«

Carrigans Körper straffte sich. Er starrte auf den Revolver in seiner Faust und verfluchte, daß es ihm nicht gelungen war, sich dem Versteck der Banditen unbemerkt zu nähern.

»Okay, ihr Hundesöhne. Ich gebe euch mein Wort. Und nun verschwindet. In zwei Stunden werde ich euch folgen. Und wenn ihr es bis dahin nicht geschafft habt, die Grenze zu erreichen, seid ihr dran.«

Die beiden Banditen atmeten auf.

»In Ordnung, Carrigan. Wir reiten sofort los. Bleibe nur, wo du bist. In zwei Minuten sind wir weg.«

Carrigan vernahm hastende Schritte und gleich darauf das Wiehern von Pferden. Der Revolvermarshal von Tubaco setzte sich wie ein Puma in Bewegung und erreichte darauf den dunkel gähnenden Höhleneingang.

Hufschläge klangen an seine Ohren. Die Banditen jagten davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her.

»Jennifer?«

Carrigans Stimme klang plötzlich weich. Nichts mehr war von der klirrenden Kälte geblieben.

»Jennifer!«

Nichts regte sich in der Höhle. Carrigan zog ein Streichholz aus der Jackentasche und riß es am Stiefelschaft an. Die Helligkeit blendete den Marshal.

Er trat in die Höhle und erkannte den regungslosen Mädchenkörper, der nur einige Schritte entfernt am Boden lag. Die kleine Flamme warf bizarre Schatten auf die rauhen Felswände der Höhle, ehe sie von einer Sekunde zur anderen erlosch.

Carrigan stand plötzlich wie erstarrt.

Auf den ersten Blick hatte er erkannt, daß Jennifer tot war. Er würde den Anblick ihrer seelenlosen Augen wohl niemals in seinem weiteren Leben vergessen.

Wie ein Betrunkener tastete sich der Marshal von Tubaco näher und hob dann den leblosen Mädchenkörper auf seine Arme.

Sein Herz hämmerte in einem wilden Stakkato. Schweiß brach ihm aus allen Poren. Ein Stöhnen, voller Verzweiflung, wurde als schauriges Echo von den Felswänden zurückgeworfen.

Er taumelte ins Freie, hielt Jennifer fest an sich gepreßt. Seine Lippen berührten ihr bleiches Gesicht, als könne er ihr so den Odem des Lebens wieder einhauchen.

»Jennifer«, murmelte Carrigan. »Jennifer…«

Er fühlte Blut an seinen Händen. Langsam ließ er den leblosen Körper zu Boden gleiten und kniete bei ihm nieder. In vierzehn Tagen hatte Hochzeit sein sollen.

Plötzlich verhärtete sich Black Carrigans Gesicht. Kantig wurde sein Kinn, ehe er sich in Bewegung setzte und zu seinem Rapphengst eilte, der eine Steinwurfweite entfernt zwischen den Büschen angebunden war.

Er schwang sich in den Sattel und nahm die Verfolgung der beiden Mörder auf, die ihm das Liebste genommen hatten, was er je auf Erden besaß.

*

Wayne Carrigan schreckte hoch. Verzerrt war sein Gesicht. Keuchender Atem verließ seinen Mund. Er gestikulierte mit beiden Armen.

»Jennifer«, stöhnte er und öffnete endlich die Augen.

Wayne fiel auf das Bett zurück und preßte beide Hände an den Kopf. Die Augenlider schlossen sich, während sein Körper unter der Nachwirkung des Traumes bebte.

»Verfluchter Alptraum«, schrie Carrigan plötzlich, während sein Oberkörper hochruckte. »Warum läßt du mich nicht in Frieden? Jenny ist tot. Tot, tot, tot! Nichts macht sie wieder lebendig. Warum kann ich nur nicht vergessen?«

Wayne schob die Beine über die Bettkante und taumelte zur großen Waschschüssel, die auf einer Kommode stand. Er tauchte seinen Kopf hinein.

Prustend nahm er den Kopf wieder zurück und schüttelte sich wie ein Hund. Er setzte sich auf einen Stuhl. Sonnenlicht fiel durch die schmutzigen Fensterscheiben ins Zimmer herein.

Wieder hielt Carrigan sich den Schädel. Seine Hände zitterten. Er wirkte um Jahre gealtert.

»Jenny«, hauchte er. »Warum läßt mich dieser Traum einfach nicht los? Ich kann ihn nicht mehr ertragen. Ich bin am Ende.«

Übelkeit stieg in dem ehemaligen Marshal von Tubaco hoch. Er keuchte und würgte, während sein Schädel zu hämmern begann.

Carrigan sprang auf. Der Stuhl fiel um, als er das Zimmer durchquerte und zu einem Wandschrank lief. Er riß die Tür auf und fluchte dann wie ein mexikanischer Mulitreiber los.

»Wo sind die Flaschen? Wo ist der Whisky?«

Wayne kreiselte herum, verlor das Gleichgewicht und prallte hart gegen den Tisch. Er wollte sich in Richtung Tür in Bewegung setzen, als sich diese öffnete.

Ben Gibbson trat ein.

»Hast du mir den Whisky geklaut?« stieß Wayne Carrigan hervor. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Es sah aus, als wolle er sich auf den Salooner stürzen, der aber keinen Zoll wich.

»Versuche es nur, Wayne, versuch es nur«, knurrte Gibbson. »Ich hätte wirklich große Lust, dir eine tüchtige Portion Prügel zu verabreichen. So wie man einen dummen Lausejungen bestraft, der einfach nicht erwachsen werden will.«

Die wütende Stimme Gibbsons verstummte. Obwohl sein Gesicht abweisend wirkte, stand in seinen Augen nur Mitleid für den Freund, der seit Jennifers Tod dem Alkohol verfallen war.

»Ich habe den Whisky geholt, weil ich finde, du solltest ein für allemal Schluß damit machen. So geht es nicht weiter, Wayne. Wir sind trotz allem Freunde geblieben, obwohl du mir und allen anderen immer wieder kräftig vor den Kopf gestoßen hast. Vielleicht bin ich noch dein einziger Freund. Ich…«

»Hör auf, verdammt«, schrie Wayne Carrigan und preßte beide Hände gegen die Ohren. »Laß mich zufrieden mit deinen verdammten Ratschlägen. Das ist mein Leben. Was ich tue, geht dich nicht die Bohne an. Du hättest Wanderprediger werden sollen.«

Ben Gibbson nickte nur.

»Okay, Wayne, du kannst mich nicht beleidigen. Das zieht bei mir nicht. Beschimpfe mich ruhig. Ich meine es nur gut mit dir. Viel zu lange habe ich mit angesehen, wie du dich zugrunde richtest. Von mir kriegst du keinen Tropfen Alkohol mehr. Und was das bedeutet, weißt du. Da du völlig pleite bist, wirst du in ganz Tubaco keinen Tropfen Whisky auftreiben.«

Wayne Carrigan blickte den Salooner an, als habe dieser den Verstand verloren. Dann taumelte er zurück und setzte sich auf sein Bett.

Sein Körper erschlaffte, als hätte man die Luft aus ihm herausgelassen. Schwer stützte Carrigan den Kopf in die Hände und stierte stumpfsinnig zu Boden.

Ben Gibbson hob den Stuhl auf und setzte sich rittlings darauf. Voller Sorge betrachtete er das Häufchen Unglück, das ihm gegenübersaß.

»Hör zu, Wayne, mit der Sauferei ist es vorbei. Du ruinierst dich. Nichts wird davon besser. Jenny ist nun einmal tot. Und es ist Wahnsinn, sich einzureden, daß du die Schuld daran trägst. Die beiden Schuldigen sind tot. Jeder rechnet es dir hoch an, daß du sie nicht getötet, sondern dem Gericht übergeben hast. Sie starben am Galgen.

Dann fingst du zu saufen an und hast deinen Job verloren, weil du den Aufgaben nicht mehr gewachsen warst. Und nun bist du in der Gosse gelandet. Nicht mal ein Straßenköter würde von dir noch einen Knochen nehmen.

Ich habe treu zu dir gehalten, weil ich glaubte, daß du nur vorübergehend den Halt verloren hast. Ich sehe nun ein, daß es ein Fehler war, dich mit Whisky zu versorgen. Damit ist es nun aus und vorbei. Und es ist mein heiliger Ernst, das schwöre ich dir.«

Wayne hob den Kopf. Seine Augen flackerten.

Er streckte seine zitternden Finger dem Salooner entgegen.

»Nur ein einziges Glas, Ben, damit es mir wieder besser geht. Es ist wie Medizin. Du weißt es. Dann werden wir zwei uns ernstlich unterhalten. Ich sehe ja ein, daß es so nicht weitergehen kann. Bitte, Ben, nur einen einzigen Schluck.«

Ben Gibbson schüttelte den Kopf.

»Deine Sprüche kenne ich inzwischen auswendig. Du wirst meine Meinung nicht ändern, auch wenn du mich auf den Knien anflehst.«

Wayne Carrigan fuhr vom Bett hoch, als habe er sich auf eine Klapperschlange gesetzt. Er lief auf die Zimmertür zu. Ehe der Salooner reagieren konnte, war der Freund zur Tür hinaus. Knirschend drehte sich der Schlüssel im Schloß.

Gibbson setzte sich wieder. Resignation überschattete sein Antlitz. Ihm war ein Fehler unterlaufen, er hätte an den Schlüssel denken müssen. Nun würde Wayne in den Schankraum stürzen und erneut Whisky in sich hineinlaufen lassen.

*

»Tut mir leid, Ben«, sagte Wayne eine halbe Stunde später, als er die Zimmertür wieder aufschloß. »Ich wußte aber keine andere Möglichkeit, um an einen Drink zu gelangen.«

Ben Gibbson roch den Whiskyatem seines Freundes. Aus der Jackentasche schaute ein Flaschenhals hervor.

»Du bist ein Narr, Wayne, ein gottverdammter Narr, der einfach nicht mehr weiß, was er tut. Los, gib mir die Flasche, sonst lasse ich sie dir vom Marshal abnehmen. Das ist Diebstahl, Wayne.«

Carrigan winkte ab und grinste dabei mit funkelnden Augen.

»Diebstahl, Ben? Höchstens Mundraub, mein Bester. Außerdem glaube ich nicht, daß du mich wegen einer solchen Bagatelle vor den Richter bringen wirst. Wir sind doch Freunde. Ich suche mir noch heute einen Job. Bestimmt. Du wirst es sehen.«

»Gib mir die Flasche!«

Unterdrückte Wut lag in Gibbsons klirrender Stimme.

Der ehemalige Revolvermarshal schüttelte den Kopf.