Wie die Umwelt Kinder und Jugendlichen Sexualität "lehrt" und wie es in der Schule "richtig" geht - Marni Rudolph - E-Book

Wie die Umwelt Kinder und Jugendlichen Sexualität "lehrt" und wie es in der Schule "richtig" geht E-Book

Marni Rudolph

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Beschreibung

Examensarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Pädagogik - Schulwesen, Bildungs- u. Schulpolitik, Note: 2,0, Universität Koblenz-Landau, Sprache: Deutsch, Abstract: Geht man auch heutzutage von einer gesellschaftlich toleranteren Einstellung zur Sexualität aus, so heißt dies nicht, dass diese frei von Wertung ist. Oftmals bekommen Kinder in diesem Zusammenhang das Gefühl „Darüber spricht man nicht!“ . Sexualerziehung ist seit der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 03.10.1968 Teil des Lehrplans einer jeden Grund- und weiterführenden Schule. Auch wenn Sexualerziehung unterrichtet wird, so haben Studien gezeigt, dass das wirkliche Wissen die Sexualität betreffend gerade bei Jugendlichen doch eher gering ist. Da das Einsetzen der Pubertät gegenwärtig immer früher beginnt, bei Mädchen bereits im Alter zwischen acht und 14 Jahren , ist es ratsam bereits im Grundschulalter mit dem Sexualunterricht zu beginnen. Allerdings trifft diese Ansicht nicht bei jedem auf Zustimmung. Zu groß ist die Angst, dass Kinder durch Aufklärung in der Grundschule auf die Idee kommen könnten noch früher sexuelle Erfahrungen sammeln zu wollen. Jedoch zeigt sich, dass eine Partnerschaft und die dazu gehörenden Gefühle immer noch maßgeblich an Sexualität beteiligt sind. Des Weiteren liegen die Ursachen für das Sammeln von sexuellen Erfahrungen nicht an der angeblich zu frühen Aufklärung, sondern an äußeren Einflüssen wie das Geschlecht, Bildung, Familie, das nähere Umfeld (vor allem die Massenmedien), sowie die Charaktereigenschaften der betreffenden Person selbst. Gerade aus der Tatsache heraus, dass Kinder und Jugendliche so vielen Einflussfaktoren ausgesetzt sind, macht die schulische Sexualaufklärung unabdingbar. Fände diese nicht statt, würden sich viele Schüler mit ihren Gefühlen und ihrer natürlichen Neugier allein gelassen fühlen. Obwohl bzw. gerade weil Sexualerziehung von enormer Wichtigkeit ist, ist das Unterrichten mit großem Aufwand, eventuellen Schwierigkeiten und vor allem sorgfältiger Vorbereitung verbunden. Hier geht es über das biologische Faktenwissen hinaus. Die unterrichtende Lehrperson muss sich vollkommen auf die Schüler einlassen und in der Lage sein, auch ihr unangenehme Fragen zu beantworten. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich sowohl mit den oben genannten äußeren Einflussfaktoren als auch mit didaktischen und methodischen Hinweisen und Anregungen, wie Sexualerziehung in der Schule aussehen könnte...

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begründung der Themenwahl
3. Theoretische Vorüberlegungen
3.1 Definition Sexualerziehung
3.2 Verantwortliche Instanzen
4. Umwelt als Einflussfaktor im Zusammenhang mit Sexualerziehung
4.1 Definition „Umwelt“
4.2 Familie
4.3 Peers/ Freunde
4.4 Bildschirmmedien
4.4.1 Fernsehen
4.4.2 Internet
4.5 Zeitschriften/ Magazine
5. Wirken von Massenmedien im Schulalltag
5.1 Auswirkungen
5.2 Verbesserungen.
6. Voraussetzungen
6.1 Rahmenplan Sexualerziehung
6.2 Institutionelle Ausgangsbedingungen
6.3 Häusliche Situation
7. Didaktische Überlegungen
7.1 Bedeutung für die Schüler
7.2 Bedeutung für das Fach
7.3 Bedeutung für die Gesellschaft
8. Didaktisch-methodische Überlegungen
8.1 Herangehensweise
8.2 Zusammenarbeit mit dem Elternhaus
8.3 Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen
8.4 Exemplarisches Material
9. Lern- und Leitziele der Sexualerziehung
10. Schlussbetrachtung und Ausblick
11. Literatur- und Medienverzeichnis
12. Anhang

Page 4

1. Einleitung

‚Der Lehrer hat den Kindern in der Schule als Aufsatzthema gegeben: „Die Herkunft meiner Familie“. Zu Hausefragt Lissy ihren Vater:„Papa, wo bin ich hergekommen?“ Der Vater überlegt nicht lange: „Dich hat der Storch gebracht, das weißt du doch.“ „Und wo bist du hergekommen?“ „Na, mich hat auch der Storch gebracht.“ „Und Oma?“ „Also, die hat natürlich auch der Storch gebracht!“ Ein paar Tage später liest der Lehrer der Klasse den Aufsatz von Lissy vor: „SeitGenerationen hat es in unserer Familie keine normale Geburt mehr gegeben."‘

Auch wenn das soeben zitierte Geschehen auf einem Witz basiert, zeigt es jedoch deutlich, dass Eltern ihren Kindern eher eine falsche Erklärung geben, anstatt sich einem noch immer unangenehmen Thema zu stellen. Geht man auch heutzutage von einer gesellschaftlich toleranteren Einstellung zur Sexualität aus, so heißt dies nicht, dass diese frei von Wertung ist. Oftmals bekommen Kinder in diesemZusammenhang das Gefühl „Darüber spricht man nicht!“1. Sexualerziehung ist seit der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 03.10.19682Teil des Lehrplans einer jeden Grund- und weiterführenden Schule. Auch wenn Sexualerziehung unterrichtet wird, so haben Studien gezeigt, dass das wirkliche Wissen die Sexualität betreffend gerade bei Jugendlichen doch eher gering ist.3Da das Einsetzen der Pubertät gegenwärtig immer früher beginnt, bei Mädchen bereits im Alter zwischen acht und 14 Jahren4, ist es ratsam bereits im Grundschulalter mit dem Sexualunterricht zu beginnen. Allerdings trifft diese Ansicht nicht bei jedem auf Zustimmung. Zu groß ist die Angst, dass Kinder durch Aufklärung in der Grundschule auf die Idee kommen könnten noch früher sexuelle Erfahrungen sammeln zu wollen. Jedoch zeigt sich, dass eine Partnerschaft und die dazu gehörenden Gefühle immer noch maßgeblich an Sexualität beteiligt sind.5Des Weiteren liegen die Ursachen für das Sammeln von

1Milhoffer (2000), S. 26

2Vgl.http://www.nibis.de/nli1/gesund/gf_schule/erlasse/konferenz/sexual/index.html

3Vgl. Grob (2003), S. 86

4Vgl. Kluge (2006)

5Vgl. Grob (2003), S. 83

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sexuellen Erfahrungen nicht an der angeblich zu frühen Aufklärung, sondern an äußeren Einflüssen wie das Geschlecht, Bildung, Familie, das nähere Umfeld (vor allem die Massenmedien), sowie die Charaktereigenschaften der betreffenden Person selbst.6Gerade aus der Tatsache heraus, dass Kinder und Jugendliche so vielen Einflussfaktoren ausgesetzt sind, macht die schulische Sexualaufklärung unabdingbar. Fände diese nicht statt, würden sich viele Schüler mit ihren Gefühlen und ihrer natürlichen Neugier allein gelassen fühlen. Obwohl bzw. gerade weil Sexualerziehung von enormer Wichtigkeit ist, ist das Unterrichten mit großem Aufwand, eventuellen Schwierigkeiten und vor allem sorgfältiger Vorbereitung verbunden. Hier geht es über das biologische Faktenwissen hinaus. Die unterrichtende Lehrperson muss sich vollkommen auf die Schüler einlassen und in der Lage sein, auch ihr unangenehme Fragen zu beantworten. So kann selbst der Lehrer oder die Lehrerin etwas bei diesem Lernprozess über sich erfahren.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich sowohl mit den oben genannten äußeren Einflussfaktoren als auch mit didaktischen und methodischen Hinweisen und Anregungen, wie Sexualerziehung in der Schule aussehen könnte, um Kindern und Jugendlichen die Chance zu geben Fragen zu stellen und ihr natürliches Interesse die eigene Sexualität betreffend zu stillen. Für manche Schüler ist die Schule sogar die einzige Möglichkeit sich diesbezüglich auszutauschen. Im folgenden Kapitel wird die Themenwahl für diese Examensarbeit begründet. Anschließend wird in den theoretischen Vorüberlegungen versucht den Begriff„Sexualerziehung“ zu definieren und geklärt, wer die verantwortlichen Instanzensind. Im Zusammenhang mit Sexualerziehung soll die Umwelt von Kindern und Jugendlichen als Einflussfaktor bestimmt werden. Dazu gehört, dass diese zunächst definiert und anschließend in einzelne Teilbereiche gegliedert werden. Das darauf folgende Kapitel stellt mögliche Auswirkungen der Massenmedien auf Kinder und Jugendliche vor. Es soll jedoch nicht nur auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht werden. Vielmehr finden sich hier auch Hinweise, wie Medien in der Schule eingesetzt werden können, um Schüler kritischer bezüglich dem zu machen, was ihnen im Alltag begegnet.

6Ebd., S. 84

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Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Schulsituation selbst. So werden zunächst der Rahmenplan und mögliche Ausgangsbedingungen, wie die schulische Institution und die häusliche Situation vorgestellt, um die Voraussetzungen zu klären, die für eine erfolgreiche Sexualerziehung benötigt werden. Anschließend wird der Blick auf die Schüler, die Gesellschaft sowie auf das Fach selbst gerichtet. Hier soll die Rolle der einzelnen Beteiligten geklärt werden. Das achte Kapitel besteht aus didaktisch-methodischen Überlegungen und begründet, inwiefern eine Zusammenarbeit mit den Eltern der Schüler und außerschulischen Organisationen für den Unterricht förderlich ist. Die Lernziele der Sexualerziehung werden darauf folgend erläutert. In der Schlussbetrachtung werden die bisherigen Kapitel zusammengefasst, woraufhin das Literatur- und Medienverzeichnis mit dem Anhang den Abschluss der vorliegenden Arbeit bilden.

2. Begründung der Themenwahl

Wenn Jungen in den großen Pausen den Mädchen hinterher rennen, um sie zu ärgern, diese sich beim Lehrer beschweren, jedoch trotzdem in ihrer Nähe bleiben, so ist das etwas alltägliches. Zu Beginn der Grundschulzeit finden Mädchen Jungen doof und umgekehrt. Diese Meinung ändert sich meistens im Laufe der darauf folgenden vier Jahre.

Oft begegnen Grundschüler gerade auf dem Schulhof neuen Begriffen. Stolz präsentieren sie ihre neu erlernten Ausdrücke, die sie entweder im Fernsehen oder von anderen Kindern aufgeschnappt haben.

Dies sind zwei Beispiele dafür, dass es wichtig ist, Kinder darüber aufzuklären, woher dieses neu entdeckte Interesse und ihr starkes Bedürfnis nach Anerkennung kommen. Grundschüler werden aufmerksam auf Dinge, die Erwachsenenunangenehm sind. Sie „verfügen über gute Antennen, mit denen sie die unbewusstenProbleme,Ängste, Irritationen der Erwachsenen erfühlen.“7. Dementsprechend stellen sie Fragen und wollen den Grund dafür wissen, warum einige Erwachsene über bestimmte Themen nicht gerne sprechen. Da sich die Neugier und das Interessevon Kindern bezüglich „Erwachsenenthemen“ unterschiedlich schnell entwickeln, ist

7Marquardt-Mau (2000), S. 27

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es wichtig Kinder Hilfestellung anzubieten. Es mag Eltern geben, die Angst haben ihre Kinder könnten zu früh sexuell aktiv werden, indem sie bereits früh aufgeklärt werden. Aber gerade Unwissenheit schützt nicht vor Fehlern. Vielleicht würde es Kinder und Jugendliche geben, die die Dinge, die sie hören und (vielleicht im Fernsehen) sehen, ausprobieren ohne zu wissen, was sie da eigentlich tun. Werden sie aufgeklärt, können sie selbst entscheiden, was für sie richtig und falsch ist. Außerdem ist Sexualerziehung mehr als Geschlechtsverkehr. Es geht darum Schülern zu zeigen, dass Sexualität viel mit Liebe, Zärtlichkeit und Gefühlen zu tun hat. Des Weiteren ist es eine Chance für Kinder und Jugendliche, sofern es sich um einen guten Unterricht handelt, ihre Fragen beantwortet zu bekommen, die sie sich an anderer Stelle eventuell nicht trauen zu stellen. Das Thema der Examensarbeit wurde gewählt, um auf mögliche Missstände aufmerksam zu machen und um zu betonen, inwiefern eine gute und erfolgreiche sexuelle Aufklärung nötig ist. Die Arbeit soll Sexualerziehung als etwas Positives darstellen und versuchen dessen negativ behaftetes Bild zu entschärfen, in der Hoffnung, dass Lehrer zukünftig ungehemmter und selbstbewusster mit dem Thema der Sexualerziehung umgehen und dieses verteidigen.

3. Theoretische Vorüberlegungen

3.1 Definition Sexualerziehung

Im Jahre 1968 fand die Kultusministerkonferenz (KMK) statt, in deren Beschluss festgelegt wurde, in welchem Rahmen Sexualerziehung in der Schule gelehrt werden darf bzw. wer für die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich ist. Zunächst bestimmte die KMK den Begriff der Sexualerziehung und definierte diesenwie folgt: „Sexualerziehung als Erziehung zu verantwortlichemgeschlechtlichen Verhalten ist Teil der Gesamterziehung. Sie ist notwendig, um die individual- undsozialethischen Aufgaben der Erziehung zu erfüllen.“8. Um festzustellen, ob sich seit 1968 die Vorstellung von Sexualerziehung geändert hat, sollen an dieser Stelle weitere Definitionen vorgestellt werden. Zumal mehrere

8http://www.nibis.de/nli1/gesund/gf_schule/erlasse/konferenz/sexual/index.html

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Betrachtungsweisen angebracht sind, um sich einen Gesamteindruck verschaffen zu können.

So definiert beispielsweise die Biologie Sexualerziehung anders als die pädagogischeSeite. „Ursprünglichist Sexualität ein biologisches Phänomen, das bei Pflanzen, Tieren und beim Menschen die zweielterliche Fortpflanzung und damit Variabilitätund Individualität in der Nachkommenschaft ermöglicht.“9Betrachtet man nun aber die pädagogische Seite der Sexualität, so wird diese, wie folgt, definiert:„Sexualerziehung ist jene Form der (sexuellen) Sozialisation, die international, d.h. geplant und pädagogisch begründet vorgeht…“10. Wenn von Sozialisation gesprochen wird, ist in diesem Sinn die Rede von den Faktoren, die Kinder undJugendliche „im Sinne einer sozialen Anpassung beeinfluss[en]“.11Dabei werden„grundlegende körperliche und seelische Veränderungen, die mit dem Erwachsenwerden zusammenhängen“12thematisiert und „von denjenigenBezugspersonen geleistet, die reflektiert und zielbewusst Einfluss auf ein Kindnehmen.“13.

Bei der Thematisierung von Sexualität wird prinzipiell zwischen „Sexualerziehung“ und „Sexualunterricht“ unterschieden. Wie das Wort bereits erahnen lässt, geht es beider Sexualerziehungum die „kontinuierliche, intendierte Einflussnahme auf dieEntwicklung sexueller Motivationen, Ausdrucks- und Verhaltensformen sowie von Einstellungs- und Sinnaspekten der Sexualität von Kindern, Jugendlichen undErwachsenen“14. Der Sexualunterricht fungiert wiederum als reine

Wissensvermittlung. So werden beispielsweise lediglich die in der Pubertät geschehenen Veränderungen und Vorgänge erklärt.15Zwar werden Schüler, basierend auf biologischem Faktenwissen, aufgeklärt, die emotionale Seite dieser Veränderungen wird jedoch außen vorgelassen. Eine reine Wissensvermittlung reicht allerdings nicht aus, da gerade die Veränderungen, die Heranwachsende durchlaufen, Angst machen können. Schüler brauchen Bezugspersonen, die ihnen Antworten liefern, wenn ihnen kein anderer zuhört bzw. sie sich nicht trauen ihre Eltern zu

9Eschenhagen, S. 109

10Ebd., S. 110

11Etschenberg, S. 22

12Ebd., S. 74

13Eschenhagen, S. 110

14Sielert, S. 15

15Vgl. Eschenhagen, S. 116